RZ123 Die Erforschung des Jupitersystems

Der Jupiter und seine Monde lassen noch viele Fragen offen, die kommende Missionen klären sollen

Der Jupiter ist der größte Planet unseres Sonnensystems und hat nach aktueller Zählung fast 100 Monde. Die bekanntesten davon sind die Galileischen Monde Io, Europa, Ganymede und Kallisto die, ob ihrer Größe und Unterschiedlichkeit wie auch der Jupiter selbst im Mittelpunkt der Erforschung stehen.

Dauer:
Aufnahme:

Ich spreche mit Paul Hartough, dem Leiter Gruppe planetaren Atmosphären am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und dem Principal Investigator des Submillimetre Wave Instrument (SWI) der JUpiter ICy moons Explorer (JUICE) Mission.


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Transkript
Tim Pritlove 0:00:36
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Prittlaff und das hier ist die 123.Ausgabe von Raumzeit. Nach einer kleinen Pause geht es wieder weiter bei derErkundung des Weltalls.Und genau das tun wir heute auch. Heute hat mich der Weg geführt nach Göttingen.Hier war ich schon mal am Max-Planck-Institut für Sonnensysteme in Göttingenund begrüße meinen heutigen Gesprächspartner, Paul Hartoch.
Paul Hartogh 0:01:11
Hallo.
Tim Pritlove 0:01:12
Herzlich willkommen bei Raumzeit. Paul, du bist schon ganz lange hier, habe ich gehört.
Paul Hartogh 0:01:18
Ja, ich meine länger als das Institut hier in Göttingen ist.Wir waren früher im Vorharz in Kattelund-Bürich-Linder, so 25 Kilometer nordöstlichvon Göttingen. und sind vor zehn Jahren hingezogen ins neue Gebäude.
Tim Pritlove 0:01:31
Ach echt? Erst vor zehn Jahren?
Paul Hartogh 0:01:32
Erst vor zehn Jahren, 2014. Das Institut heißt seit 2004 MPI für Sonnensystemforschung.Vorher hieß es MPI für Aeronomie, also sozusagen die Wissenschaft der mittleren und oberen Atmosphäre.
Tim Pritlove 0:01:45
Und warum der Schwenk zu dem globaleren Namen?
Paul Hartogh 0:01:50
Ich glaube, das war, also früher hat das Institut sich hauptsächlich mit derErdatmosphäre beschäftigt und irgendwann war das halt so eine Art Strategiewechsel.Also das hat wahrscheinlich damit zu tun gehabt, dass einige der Mitarbeiter,also zum Beispiel Stratosphärenwissenschaftler, dann die Möglichkeiten hatten,an Weltraummissionen teilzunehmen. Und so hat sich das einfach im Laufe der Zeit entwickelt.Es gab damals ja diese Giotto-Mission zum Halligen Kometen,dann gab es Helios, Sonnenmission und so ist das Institut dann immer weiterpraktisch in Weltraummissionen reingewachsen und hat dann irgendwann die Idee gehabt,die Forschungsrichtung von Aeronomie in Sonnensystemforschung umzuändern.Und mittlerweile machen wir auch so gut wie keine Aeronomie mehr,noch ein ganz bisschen. Ein Kollege macht das noch.Aber ja, es ist also tatsächlich jetzt sehr breit aufgestellt.
Tim Pritlove 0:02:42
Okay, ja, das ist auch ganz gut so, denn heute soll es ja gehen um den Jupiter.Ich hatte ja hier bei Raumzeit schon so das eine oder andere Planetchen unseresSonnensystems vorgestellt und da klaffte die ganze Zeit so eine Lücke.Also ich muss jetzt da mal nachrechnen.Wir hatten jetzt glaube ich Merkur und Venus und Mars sind alle schon dran gewesenund auch über das Saturn-System haben wir schon gesprochen.Für die äußeren Planeten gibt es sozusagen noch offene Bewerbung,aber ja, heute muss unbedingt mal der Jupiter dran kommen.Beziehungsweise würde ich halt von vornherein vom Jupiter-System sprechen,weil das einfach so eine komplexe Angelegenheit ist im Vergleich zu den anderen Planeten.Jupiter, auch irgendwie so ein bisschen der König der Planeten, könnte man fast sagen.
Paul Hartogh 0:03:43
Zumindest der größte und massereichste, das kann man also durchaus sagen.Ja und auch ein Planet, der sehr wichtig ist für die Entstehung des Sonnensystems,eben aufgrund seiner hohen Schwerkraft hat er die Entstehung des Sonnensystemsoder die heutige Form des Sonnensystems also mitgeprägt.Zum Beispiel, dass Mars kleiner ist als die Erde.Nach gewissen Theorien hätte Erde, Venus, Mars etwa gleich große Masse haben sollen.Da gibt es ja diese sogenannte Grand Tech Theorie und so weiter und so fort.Aber das ist ein abendfüllendes Thema. Da wollte ich jetzt nicht weiter drauf eingehen.
Tim Pritlove 0:04:12
Naja gut, ein Podcast ist ja auch ein abendfüllendes Thema. Wie ist dein Verhältnis zum Film 2001?Da spielt der Jupiter ja eine besondere Rolle.
Paul Hartogh 0:04:23
Ja, also insofern ein bisschen unwissenschaftlich, als wahrscheinlich die Massedes Jupiters nicht ausreicht, um halt so eine Kernfusion zu zünden.Aber ja, ist natürlich ein sehr interessanter Film, ein Klassiker.Kubrick, der hat ja einige interessante Filme gemacht und ich fand den ganzgut mit diesem Computer, Hale und so weiter und so fort.Und ja, teilweise sind natürlich Ideen aus den 60er Jahren schon von der Truppeum Werner von Braun da realisiert worden, die dann in der Praxis nachher nierealisiert wurden, weil sie doch zu teuer waren.Aber konzeptionell fand ich das also sehr interessant, so wie sich das damals vorgestellt hat.Und man könnte es heutzutage natürlich immer noch machen, wenn man die entsprechendenRessourcen, Startmassen und so weiter hat.
Tim Pritlove 0:05:09
Ja, naja gut, mal schauen, ob wir dann da auch so einen Monolithen entdecken,falls wir da mal ein bisschen genau nachschauen.
Paul Hartogh 0:05:17
Hat man noch nicht gefunden.
Tim Pritlove 0:05:18
Oder Jupiter. Na gut, ich scherze.Ja, vielleicht erstmal so ein bisschen zu dir. Also du hast ja schon angedeutet,bist ja schon sehr lange hier, du hast glaube ich mit dem Physikstudium begonnen,sozusagen die Wissenschaft so einzusteigen.Wahrscheinlich hast du vorher schon angefangen mit Wissenschaft, oder?
Paul Hartogh 0:05:39
Ja, ich kann mich erinnern, ich glaube zum achten Geburtstag hat mir jemandso dieses Buch Was ist was?Planeten und Raumfahrt geschenkt. Und das fand ich damals ganz interessant.Bin dann aber als Schüler dann in andere Sachen so ein bisschen abgedriftet.Elektronik, Hochfrequenztechnik und so weiter, Chemie.Da hat man damals Schwarzpulver und irgendwelche Sprengstoffe gemacht.Bin dann, eigentlich wollte erst Elektrotechnik studieren, Hochfrequenztechnik, Nachrichtentechnik.Bin dann aber doch wieder nach Diskussion mit einigen Freunden,die auch das eine oder das andere halt Physik studierten, im Endeffekt danndoch zur Physik gekommen und habe dann in Göttingen Physik studiert.Auch weil ich ein paar Freunde hatte, die Physik studiert hatten und bin dannper Zufall wieder in diese Richtung Planeten- und Raumfahrt gekommen, muss man sagen.Zufall. Zufall, ja. Also ich bin an das damalige Institut für Aeronomie gekommen,eben über mein Interesse an Nachrichtentechnik, Wellenausbreitung,Nachrichtenübermittlung.Die machten damals unter anderem Junosphärenforschung, da gab es in Göttingeneine Vorlesung, Einführung in die Physik der Junosphäre und da sind dann sogewisse Interessengruppen da reingegangen von Studenten,haben diese Vorlesung sich angehört und so kriegte man halt Kontakte und sobin ich dann auch irgendwie an das Institut gekommen und wollte auch in diese Richtung was machen.Allerdings zur damaligen Zeit war es so, da gab es ein Großprojekt,das hieß Ice Card European Inquiry and Scatter, oben in Norwegen,Schweden und Finnland und das funktionierte nicht so richtig.Und als ich da damals dann anfing als Student oder anfangen wollte,Sagt dann der entsprechende Betreuer, nee, ich nehme jetzt keine Diplomarbeitenmehr an, ich soll mich mal anderweitig umgucken. Da habe ich mich im Institutanderweitig umgeguckt.Und da gab es damals ein neues Projekt, das hieß Millimeterwellenatmosphärensondierer.Das war also praktisch ein Projekt, das vorgesehen war, auf einem Space Shuttlezu fliegen, um die mittlere Atmosphäre der Erde, also die Stratosphäre und dieMesosphäre zu analysieren.Schwerpunkt war damals auch die Ozonforschung in den 80er Jahren.Und da war meine Aufgabe dann ein sogenanntes Vielkanal-Spektrometer-Backendzu entwickeln. Mal zu gucken, was es da so gibt.Zur damaligen Zeit hat man da sogenannte Filterbänke verwendet.
Tim Pritlove 0:07:49
Ein was? Ein Field?
Paul Hartogh 0:07:50
Ein Vielkanal. Also wie viel und Kanal? Vielkanal-Spektrometer.Also man muss sich vorstellen, früher hat man die Spektren in dieser Messtechnikdadurch gemessen, indem man einfach verschiedene Bandpassfilter,die immer einen bestimmten Frequenzbereich abgedeckt haben, parallel geschaltet hat.Schmalbandige Filter, wenn man hohe Auflösungen haben wollte,breitbandige Filter, wenn man große Bandbreiten überdecken wollte im Spektrum.Und die Dinger, die waren halt relativ schwer und aufwendig kompliziert zu bauen.Typischerweise hatte so eine Filterbank dann vielleicht 50 bis 100 Kanäle,um so einen Spektralbereich abzudecken.Das reichte meistens auch nichtaus, um die Linien, die man da beobachten wollte, komplett zu samplen.
Tim Pritlove 0:08:33
Also gemeint sind jetzt die Absorptionslinien, mit denen man quasi herausfinden kann.
Paul Hartogh 0:08:37
Was… Oder Emissionslinien zum Beispiel, in dem Fall Ozon.
Tim Pritlove 0:08:40
Um herauszufinden, was ist da oben.
Paul Hartogh 0:08:42
Genau. Damals war das so bei diesen Millimeterwellenatmosphären-Sondierer,dass man Ozon, Wasserdampf, Chlormonoxid und Sauerstoff O2 messen wollte.Und ja, damals ist tatsächlich so eine Filterbank auch zum Einsatz gekommen.Und die hatte dann doch ein relativ imposanter Ausmaße oder Abmessung,sodass das Ding immer als Kindersarg betitelt wurde.Und meine Aufgabe war es dann, etwas Neues, eine neue Technologie zu entwickeln,die halt viel kleiner war und die sozusagen mit vielleicht einem Zehntel oderFünfzigstel des Volumens dreimal so viel oder zehnmal so viele Kanäle hat.Und das war dann meine Diplomarbeit und im Prinzip die Anwendung dessen wardann meine Doktorarbeit und so bin ich dann auch in die Atmosphärenforschunggekommen, durch die Anwendung.
Tim Pritlove 0:09:34
So, jetzt hast du ja hier verschiedene Hüter auf.Wenn ich das richtig sehe, alsoein bisschen Leiter der Gruppe Planetare Atmosphären, hier so heißt das.Und außerdem bist du jetzt auch richtig engagiert bei der Mission Juice,die wir hier schon mal in Raumzeit Nummer 95 besprochen haben,als ich in Madrid mit dem Mission Manager Nicolas Altobelli gesprochen habe,über die Mission und was die Ziele der Mission sind.Und konkret bist du PI, also Principal Investigator.Man muss immer seine Abkürzung am Start haben.Für das Submillimeter Wave Instrument SWI auf diese JUICE-Satelliten.Wahrscheinlich mit dem Ziel, dort auch mal ganz ordentlich die Atmosphären durchzuklopfenvom Jupiter und den ganzen Kollegen.
Paul Hartogh 0:10:41
Ja, kann man so sagen.Man könnte jetzt den Sprung machen von MillimeterwellenatmosphärensondiererEnde der 80er Jahre oder geflogen ist es glaube ich Anfang der 90er,ich glaube 91, 92, ich kann mich gar nicht mehr so genau erinnern,zu dieser Mission eigentlich das gleiche Prinzip.Nur, was sich im Laufe der Zeit geändert hat, dass man immer neue Wellenlängenbereichedes elektromagnetischen Spektrums erschlossen hat. Das heißt,man ist zu immer höheren Frequenzen gegangen.Während man damals sowas bei 100, 200 Gigahertz war, ist man jetzt eben über1000 Gigahertz bis 1280 Gigahertz.Und es ist so, dass dieser hohe Frequenzbereich für einen gewissen Temperaturbereichder Atmosphären eben von sehr großer Bedeutung ist.Und gerade für Jupiter ist es eben auch sehr wichtig, dass man tatsächlich indiesem Terahertz-Bereich oberhalb von einem Terahertz, also oberhalb von 1000Gigahertz oder einer Million Megahertz sozusagen,also 10 hoch 12 Hertz messen kann, was technologisch extrem anspruchsvoll ist.
Tim Pritlove 0:11:43
Warum ist das wichtig? Also was heißt wichtig in dem Zusammenhang?
Paul Hartogh 0:11:46
Ja, einfach weil die, wenn man sich die Spektren der Moleküle anschaut,ist es einfach so, dass in dem Bereich sehr, sehr viele Molekülspektren vorkommen,die auch zum Teil eben sehr hohen Absorptionsquerschnitt haben,also sehr starke Linien.Und wenn man jetzt zum Beispiel ein Spurengas anschaut, das nur in ganz geringenMengen vorhanden ist, dann ist das von Vorteil, wenn man halt einen sehr starkenÜbergang, eine sehr starke Linie von diesem Spurengas sieht,weil sonst alles im Rauschen halt verschwinden würde.
Tim Pritlove 0:12:14
Was könnte das für ein Gas sein, jetzt mal so als Beispiel?
Paul Hartogh 0:12:17
Ja, damals beim MRS zum Beispiel war das Chlormonoxid, CLO, das ist eine relativschwache Linie, auch deswegen, weil es relativ wenig vorkommt.Und da versucht man sich dann Übergänge anzuschauen, die eben stark sind.Also zur damaligen Zeit war das glaube ich 204 Gigahertz.Und ein paar Jahre später haben wir dann durch weitere technologische Entwicklungenin den Submillimeterwellenbereich, das war glaube ich 649 Gigahertz,eine Linie gesehen, die dann schon zehnmal so stark war, die wir dann vom Flugzeug ausgemessen haben.Problem ist, vom Erdboden kann man diese Messungen nicht machen,weil die Unteratmosphäre, also die Troposphäre, insbesondere der Wasserdampf,aber teilweise auch Ozon und Sauerstoff eben dazu führen, dass die Strahlungaus den oberen Stockwerken der Erdatmosphäre nicht so gut empfangen werden kann.Es sei denn, man geht auf einen hohen Berg.Das ist ja auch in der Radioastronomie der Fall, dass man möglichst hoch geht,sodass praktisch die Störungen durch die unteren Atmosphäre so gering wie möglich sind.
Tim Pritlove 0:13:15
Wenn da jetzt nicht die ganzen Satelliten rumkurven würden, die einem Ärger machen.
Paul Hartogh 0:13:19
Ja, also die sieht man meistens nicht, weil die Beams dann doch zu groß sind.Aber in der Radioastronomie ist das meistens kein Problem, wobei ich jetzt gehört habe, dass...
Tim Pritlove 0:13:27
Ich glaube, mit dem Starlink-Netzwerk haben Sie dann doch Ihre liebe Mühe gehabt.
Paul Hartogh 0:13:31
Ja, ja, hatte ich gehört, dass Sie irgendwelche Störungen im Bereich von zweiMeter Wellenlänge machen.Und wobei jetzt bei den neueren Satelliten das wohl schon wieder am Abgestellten ist.
Tim Pritlove 0:13:40
Ich würde gerne nochmal, vielleicht mal so einen kleinen Exkurs nochmal machen,warum das so wichtig ist.Weil ich habe so das Gefühl, wir werden da jetzt sehr viel drüber reden.Und auch wenn das hier immer wiedermal angeklungen ist, ist es glaube ich nochmal ganz wert zu vertiefen.Diese Sache mit den Spektren und der Absorption oder der Emission.Also man will ja heraus, deswegen fliegen wir ja dahin, wir wollen ja herausfinden,was ist da. Woraus besteht das? Was ist wo?Man möchte gerne diesen Planeten und die Monde maximal durchleuchten und herausfinden,welche chemischen Vorgänge sind dort, welche Eigenschaften hat diese gesamteAtmosphäre, hat dieser Planet.Und um das jetzt abzutasten, will man halt Spektren auswerten.Spektren heißt, man strahlt quasi rein oder man empfängt das, was abgestrahlt wird,empfängt man, löst es möglichst fein in seine Frequenzbestandteile auf.Und dann kann man halt rausfinden, was da genau ist, weil einfach jedes,ich weiß nicht, kann man sagen, jedes Molekül hat seine eigene...Sozusagen sein eigenes Muster in diesem Spektrum, an dem man es genau erkennenkann. Also gilt das wirklich für jedes Molekül?Also kann man wirklich jedes Molekül von jedem anderen Molekül immer genau unterscheiden,wenn man überhaupt erstmal die richtige Frequenz analysiert?Oder gibt es da auch so Sachen, wo man sagt, naja, kann das sein, kann das sein?
Paul Hartogh 0:15:16
Ja, im Sonnensystem wahrscheinlich nicht. Aber im interstellaren Medium istes tatsächlich so, dass es teilweise so viele verschiedene Moleküle und Linien gibt.Das interstellaren Medium ist natürlich auch riesig ausgedehnt und ich habeda diese Molekülwolken und gucke da über tausende von Lichtjahren und wenn ichmit dem Radioteleskop da durchschaue, sehe ich natürlich alles auf dem Mal.Und da ist es schon wichtig, dass man tatsächlich mit extrem hoher spektralerAuflösung arbeitet, damit man die Linie noch voneinander unterscheiden kann,dass man da wirklich mit 10 hoch 7 spektraler Auflösung meinetwegen arbeitet,weil man sonst im sogenannten,das ist ein Fachausdruck in der Radiostromie, Confusion Limit arbeitet.Das heißt, man kann die Linie dann irgendwann nicht mehr unterscheiden,weil es da tatsächlich so viele gibt.Das kommt allerdings im Sonnensystem eher nicht vor. Wir haben jetzt einen Erdvorbeifluggemacht, gerade im August letzten Jahres, Nee, diesen Jahres, sorry, letzten Monat.Mit Juice? Mit Juice, genau, da gab es das.
Tim Pritlove 0:16:10
Die ist ja jetzt gestartet, ist auf dem Weg zum Jupiter, aber muss sich natürlicherst noch ein paar Mal Schwung holen, unter anderem auch an der Erde.Und das ist dann eben die Gelegenheit, auch mal auf die Erde zu schauen.
Paul Hartogh 0:16:20
Genau, das gibt praktisch drei Erdvorbeiflüge, ein Venusvorbeiflug,um sich Schwung zu holen. Und der letzte Erdvorbeiflug findet 2029 statt.Und dann fliegt der Satellit innerhalb von zwei Jahren zum Jupiter,mit entsprechend hoher Geschwindigkeit.Und diesmal wurde erstmalig so eine Art Doppelmanöver gemacht,dass man zunächst am Mond und dann an der Erde vorbeigeflogen ist,sonst hat man nur einen Erdvorbeiflug gehabt das nannte sich halt Lega Luna Earth Gravity Assist,und ja, da waren einige Leute dann bei der J.M.O.G.Juice Mission Operations Center ein bisschen bange, ob das wohl alles gut funktionierenwürde, hat es aber und naja, bei der Gelegenheit haben wir dann unser Instrument auch eingeschaltet,um es das kalibrieren zu können und zu gucken, ob die ganzen wissenschaftlichenBeobachtungsmodi auch funktionieren, so wie wir uns das vorstellen.Und ja, da haben wir uns eben auch die Erdatmosphäre angeschaut und wir warenwirklich erstaunt oder beeindruckt, wie viele Linien man tatsächlich in einigenvon diesen Submillimeterbändern sieht.Gerade im hohen Frequenzbereich, also zwischen 1065 und 1280 GHz,das ist also der obere Submillimeterwellenkanal, da waren zum Teil 25 Ozonlinienin einem Tuning, in einem Durchlassbereich des Spektrometers.Das ist eigentlich, wenn man in diesem Metier arbeitet, eher ungewöhnlich.Da hat man meistens so ein, zwei, vielleicht drei Linien und wenn man plötzlich25 sieht, das ist dann schon eine andere Liga.
Tim Pritlove 0:17:42
Das Besondere ist jetzt, um das nochmal zu betonen, das Instrument ist ja eigentlichgedacht für den Jupiter, aber ist jetzt quasi an der Erde vorbeigeflogen,hat sich die Erde angeschaut und es gab bisher noch nicht so einen Blick auf die Erde,weil das Instrument so noch nicht existierte.
Paul Hartogh 0:17:58
Zumindest nicht in diesem Wellenlängenbereich, da um 250 Mikrometer oder sagenwir mal 1100 bis 1300 Gigahertz.Also es gibt durchaus Satelliten, die bei der halben Frequenz oder bei der doppeltenWellenlänge im 600 Gigahertz Bereich die Erde routinemäßig beobachten.Die dann speziell auf Linien wie zum Beispiel Ozon oder Moleküllinien,die für den Ozonabbau verantwortlich sind, schauen oder auf den Wasserdampf,der auch sehr wichtig ist in der mittleren Atmosphäre.Aber in diesem Frequenzbereich sind noch keine Beobachtungen mit eben diesersehr hohen Auflösung von 10 Millionen gemacht worden.Und von daher haben wir zum ersten Mal sozusagen die Spektren der Erde in diesemWellenlängenbereich sehen können bei diesem Vorbeiflug.Und ja, viele Leute in meinem Team, die arbeiten schon seit 10,20, 30 Jahren teilweise auf diesem Gebiet und die waren alle hellauf begeistert, das zu sehen.Ich glaube, für den normalen Menschen vielleicht gar nicht so interessant,Aber für denjenigen, der sich mit Spektroskopie beschäftigt,ist das dann doch schon ein ganz besonderes Ereignis.
Tim Pritlove 0:18:57
Da macht man schon mal eine Pülle Shampoos auf, wenn sowas passiert, oder?
Paul Hartogh 0:18:59
Ja, ja, haben wir gemacht. Wir haben eine Pülle Shampoos aufgemacht.Auch weil wir dachten, wir hätten jetzt was Neues entdeckt, also eine Wasseratmosphäre auf dem Mond.Wir haben auch den Mond beobachtet und das ist also sehr umstritten.Gibt es Wasser auf dem Mond oder gibt es auch eine dünne Mondatmosphäre?Und das hatten wir vorher gemutmaßt und wollten auch ganz speziell diese Atmosphäre suchen.Leider konnten wir dann die Beobachtungsmodi, die wir ursprünglich durchführenkonnten, dann doch nicht durchführen.Das war kurzfristig im März dann geändert worden, um die ganze Prozedur desMondvorbeiflugs nicht zu sehr zu verkomplizieren.Und wir haben dann eine relativ einfache Messung gemacht, haben dann aber tatsächlichso eine Wasseratmosphäre gesehen, wie auch vermutet.Und dann stellte sich, wir waren dann ganz happy und dann haben wir auch tatsächlicheine Flasche Champagner aufgemacht.Und ja, wir haben also einmal einfach das Spacecraft,der Satellit hat das sogenannte inertiale Pointing gemacht, das heißt das Dingist so am Mond vorbeigeflogen,als wenn es den Mond nicht gäbe, das heißt hat das Pointing auf dem Mond mitder Nadi-Plattform nicht geändert, sondern einfach so am Mond vorbeigeflogenund man kriegte dann, was man da angeboten bekam.Und nachdem wir vorbeigeflogen waren, das dauert dann drei, vier Kilometer proSekunde, dann kann man sich ausrechnen, Monddurchmesser bei 3500,dann ist man so nach 1000 Sekunden vorbei und dann haben wir,wir haben ja ein Teleskop, was wir bewegen können,dann haben wir wieder Richtung Mond geschaut, nachdem wir vorbeigeflogen sindund haben diese Linien auch wieder gesehen, Wasserdampf.Und ja, da waren wir also ganz froh. Tatsächlich, der Mond hat eine Wasserdampfatmosphäreund das war was ganz Besonderes, weil das schon eben sehr lange gesucht wirdund bisher nie gefunden werden konnte.Und wir haben nun in so einem Instrument eine extrem hohe Empfindlichkeit undwir dachten, wir hätten es jetzt gefunden. Das Einzige, was da nicht passte,war die Dopplerverschiebung.Also wenn man mit sehr, sehr hoher Auflösung misst, kann man gleichzeitig auchdie Geschwindigkeit, mit der sich so ein Molekülverband bewegt,also Wind als Beispiel, genau bestimmen. So ähnlich wie ein Radar.Aber in diesem Fall ist es einfach die Dopplerverschiebung, ähnlich wie mandas halt vom Krankenwagen usw. her kennt.Und die hätte eigentlich recht unterschiedlich sein müssen zwischen diesen beiden Beobachtungen.Also einmal steil nach unten im Winkel von 90 Grad und einmal dann,nachdem wir am Mond vorbeigeflogen sind, wieder auf den Mond geguckt,in einem Winkel von 50 Grad und das war aber gleiche Dopplerverschiebung.Und ja, nach einigem hin und her überlegen, kamen wir dann darauf,wenn die Dopplerverschiebung sich nicht ändert, egal wie wir auf diese Atmosphäreschauen, kann das nur bedeuten, dass es eigentlich eine Atmosphäre ist,die der Satellit mit sich herum trägt.Also wir sehen hier eine Wasseratmosphäre um den Satelliten herum.
Tim Pritlove 0:21:51
Ah, okay.Da war der Schampus aber schon offen.
Paul Hartogh 0:21:56
Ja, der war schon weg und das haben wir erst eine Woche später gemerkt,weil diese Auswertungen, die sind dann auch mal sehr aufwendig und die ursprünglicheBegeisterung war dann natürlich ein bisschen verflogen,andererseits natürlich auch ein sehr interessantes Ergebnis und zumal dann irgendwannein Vorbeiflugreport von der ESA veröffentlicht wurde von Angela Dietz und da stand dann drin,dass man genau zu der Zeit, als wir dann tatsächlich diese Wasseratmosphäre entdeckt hatten,Da die Bahn des Satelliten etwas verändert wurde und die wahrscheinlichste Erklärungdafür ist, dass es zu irgendeinem Ausgasen von irgendwelchen Molekülen gekommen ist,die dann den Satelliten in eine etwas andere Richtung gedreht haben.
Tim Pritlove 0:22:46
Ausgasen jetzt aus dem Satellit heraus? ausgasen oder wo rausgasst sich da was aus?
Paul Hartogh 0:22:51
Ja, also man hat ja den Start gehabt, der an Französisch-Goyana,das ist ja feucht am Äquator, ich weiß nicht, ich war dabei und es hat geregnet,es gab Donner und Blitz die ganze Zeit.
Tim Pritlove 0:23:01
Mit einer Ariane 5 gestartet.
Paul Hartogh 0:23:03
Ariane 5, genau und es ist so,dass eine Seite des Satelliten bisher wohl immer nur kalt gewesen ist und,in diesem Falle war es aber so, dass der Mond selber, der Mond ist ja relativdunkel, hat eine Albedo von, weiß ich jetzt gar nicht, aber muss ich jetzt überlegen,also irgendwas war es mit 0,253, ich will jetzt nichts Falsches sagen.Auf jeden Fall, weil der Mond so dunkel ist, absorbiert er das Sonnenlicht vielbesser als die Erde und hat deswegen eine Oberflächentemperatur von bis zu 400Grad Kelvin, also 130 Grad Celsius.Und wenn der Satellit jetzt sehr nah am Mond vorbeifliegt und dann auf der sonnenbeschiedenenSeite sich befindet, dann,ist dann natürlich in einer sehr hohen Infrarotstrahlung des Mondes,aus Wärmestrahlung des Mondes sozusagen ausgesetzt.Und das hat dazu geführt, dass eine Seite des Satelliten, die bisher immer kaltwar, auch nach dem Start, warm geworden ist und dann angefangen hat auszugasen.
Tim Pritlove 0:23:52
Und die Feuchtigkeit, die jetzt schon fast ein Jahr von dem Satelliten durchsWeltall getragen wurde, ist dann in dem Moment einfach losgepufft.
Paul Hartogh 0:23:58
Genau, genau.
Tim Pritlove 0:23:59
Und dann schlugen sofort die Instrumente an.
Paul Hartogh 0:24:03
Ja, und dann, wir hatten so ein schönes Video gemacht, wo man dann sehen konnte,wo sozusagen der Beam des Instrumentes über die Oberfläche so am Äquator entlang geflogen ist.Und dann konnte man sehen, ja, ja, hier in dem Mare so und so geht das dann los.Und am Ende dieses Mares wird es dann wieder weniger.Aber es stellt sich nachher heraus, das war nichts weiter als eben die Variabilitätdes Ausgasens des Satelliten.Und ich war dann letzte Woche in Berlin auf der EPSC, also European Planetary Science Kongresse.Und da wurde ich dann auch von anderen Kollegen, die auch Instrumente auf Tutshaben, angesprochen und.Ich sprach dann auch ganz begeistert von unserem Press Release,was wir gerade hatten auf der ESA-Webseite und auch auf der Webseite unseres Instituts,wo wir dann so viele Spektrallinien in der Erde gesehen hatten und er meintedann, ich bin nicht interessiert an der Erde, die Erde ist ein sterbender Planet,also ich bin nur interessiert am Mond und was wir da gesehen haben und danndachte ich mir schon, aha, er hat also auch irgendwas gesehen.Und er hatte so einen Massenspektrometer und wollte aber nicht so richtig rausrücken,weil das auch natürlich top secret, also wenn das wirklich echt gewesen wäre,über die Mondatmosphäre und so weiter, top secret Informationen waren.Und ich habe ihm dann gesagt, ja, ich glaube allerdings, also seit gestern sindwir so der Meinung, dass wir tatsächlich gar nicht die Mondatmosphäre sehen,sondern die Satellitenatmosphäre.Und gestern hatten wir dann so eine Art Briefing, was Lega anging mit der ESA.Da stellte sich heraus, dass auch noch mindestens ein, vielleicht zwei andereInstrumente gedacht haben, sie hätten was besonders auf dem Mond gesehen.Nachdem ich dann eindeutig sagen konnte, nee, nee, nee, das ist tatsächlichausgereisendes Satelliten, waren alle sehr enttäuscht.Aber immerhin, man hat die Empfindlichkeit, also wir haben mal so ausgerechnet,dass in dieser ganzen Phase des Mondvorbeiflugs, sagen wir, in einer halbenStunde bis einer Stunde,der wir also was gesehen haben, vielleicht ein Gramm Wasser,Eis verdampft ist, sublimiert ist.
Tim Pritlove 0:26:02
Also auf jeden Fall kann man sagen, das Instrument funktioniert gut und ist in der Lage,so feine Dinge zu erkennen wie das eigene Halo, was durch so eine kurzfristigeAuserhitzung quasi durch den Mond,ist ja auch irre, also da fliegt man also wirklich, dann kommt man da so ausder Kälte, kommt am Mond vorbei und der Mond, so im Begriff eigentlich auch so des Nichts,tostet einen dann erstmal so ein bisschen auf.
Paul Hartogh 0:26:29
Und das ist natürlich an sich auch ein sehr interessantes Experiment,so eine Art Grundlagenforschung,weil man tatsächlich, man kann dann anhand der Spektrallinienbreite die Temperaturdes Wasserdampfs zum Beispiel messen.Und man kann dann, wenn man in verschiedene Richtungen guckt,hat man gesehen, ah die Temperatur hat sich geändert so ein bisschen und dannist die Atmosphäre wiederum so dünn, dass man zum Teil gar keine Stöße der Wassermoleküle hat,wie man das normalerweise in der Atmosphäre hat, sagen wir mal oberhalb von einem Mikrobar.
Tim Pritlove 0:27:03
Stöße?
Paul Hartogh 0:27:03
Ja, normalerweise die Moleküle stoßen, hier in diesem Raum zum Beispiel stoßen die Moleküle,ich weiß jetzt nicht so in der Größenordnung, 10 hoch 11, 10 hoch 12 mal proSekunde, Das heißt, die mittlere freie Weglänge von so einem Luftmolekül istso im Nanometer oder Bruchteil eines Nanometers, bevor es sich dann wieder stößt.Was dann dazu führt, dass man eine gewisse Energieverteilung der einzelnen Moleküleder kinetischen Energie hat.Und was dazu führt, dass man ein sogenanntes thermodynamisches Gleichgewicht hat.Das heißt, alle Moleküle in diesem Raum, die fliegen so mit etwa 550 Meter proSekunde, schätze ich mal, jetzt bei 20 Grad, 22 Grad Celsius,führt dazu, dass sie eben so oft stoßen, dass egal wie schwer das Molekül ist,alle einfach die gleiche Geschwindigkeit haben.Egal ob Wasserstoff oder Sauerstoff oder vielleicht ein Edelgas, was sehr schwer ist.Die haben alle die gleiche Geschwindigkeit. Während wenn ich jetzt in die obereAtmosphäre gehe, oberhalb von 100 Kilometern Höhe, fangen die sich an zu trennen,diese verschiedenen Moleküle, weil die halt nicht mehr so häufig stoßen.Und ich kriege dann verschiedene Atmosphären sozusagen. Und beim Satellitenist es so, dass eben die Stöße möglicherweise eben so selten sind,dass die Temperaturen auch völlig anders definiert sind.Also man definiert ja eine Temperatur über die Geschwindigkeit der einzelnenMoleküle und die Energie dieser einzelnen Moleküle.Und da oben in den sehr dünnen Atmosphären ist das nicht so einfach.Da kann das sein, dass ich eine Temperatur in x-Richtung habe, eine in y und eine in z.Je nachdem, ob die Moleküle stoßen oder ob die nur in eine Richtung stoßen oderin alle anderen Richtungen.Und das ist eigentlich eine Sache, die man im Labor relativ schwer simulierenkann, weil man ja ein paar hundert Kilometer freies Volumen darum braucht,weil die Moleküle die Gasen dann aus mit ein paar hundert Metern pro Sekundeoder Kilometer pro Sekunde,und von daher hoffen wir, dass wir sozusagen dann bei noch detaillierterer Analyseder Spektren vielleicht ein bisschen mehr über diese Ausgasvorgänge und dieStoßvorgänge der Wassermoleküle lernen können.Von daher ist es an sich eigentlich ein sehr interessantes Experiment gewesen.
Tim Pritlove 0:29:14
Mit anderen Worten, Druze funktioniert zumindest, was das SWI-Instrument betrifft,kann man schon mal festhalten.Jetzt steht noch eine Reise an. Wir haben es schon angedeutet,29 ist Ankunft oder geht es dann erst richtig los zum Jupiter und dann nochmal zwei Jahre?Also wann ist die Ankunft am Jupiter? 29 oder 31?
Paul Hartogh 0:29:34
31, Sommer 31.
Tim Pritlove 0:29:36
Okay, also müssen wir noch ein bisschen warten, sieben Jahre,bis es dann so richtig interessant wird.Schauen wir doch mal so ein bisschen auf die Erkundung des Jupiters,so wie sie denn bisher so gelaufen ist, weil das ist ja jetzt nicht der ersteBesuch, den die Menschheit dem Jupiter dann abstatten wird, sondern es gab jaschon das eine oder andere,was dort vorbeigeflogen ist, auch wenn das eigentliche Ziel nicht der Jupiter war.Da gehören, glaube ich, diese Pioneer-Sonden dazu, Voyager natürlich,die ja alles abgeklappert haben und auch immer noch abklappern,wenn die Planeten mittlerweile schon weit zurückliegen.Die erste dedizierte Jupiter-Mission war dann Galileo.Galileo ist glaube ich 1994 dort beim Jupiter angekommen und hat sich da relativlang getummelt, neun Jahre lang alles erforscht.Und inwiefern, das wirst du ja auch aktiv quasi begleitet haben, diesen Vorgang.Was war denn so der Erkenntnisgewinn in der Zeit, immer wenn so eine Sonde soeinen Ort erreicht, wo man eigentlich so noch nie war.Und bis dahin ist ja quasi alles, was man wusste, ist, was man von der Erdeaussehen kann, was man von den Weltraumteleskopen um die Erde herum sehen konnteund was man bei den Vorbeiflügen kam und was man sich vielleicht ausgerechnet hat.Was hat dann die Galileo-Mission an neuen Erkenntnissen geliefert?
Paul Hartogh 0:31:13
Ja, ich muss sagen, zur damaligen Zeit, 1994, habe ich mich mit Jupiter nochnicht so intensiv beschäftigt.Aber von dem, was ich so sagen kann, hat man natürlich schöne Bilder von den Monden gekriegt.Man hat Ringe entdeckt, dünne Ringe des Jupiters.Man hat die Magnetosphäre intensiv untersucht. Man hat gelernt,dass Io eben vulkanisch aktiv ist und permanent ungefähr eine Tonne Material,also hauptsächlich Schwefelverbindungen, ausstößt, die das schwere Feld desIo verlassen und dann durch die Sonnenstrahlung ionisiert werden.Und diese elektrisch geladenden Teilchen wiederum, also Protonen oder eben Atome,Moleküle und Elektronen dann entlang der Magnetfeldlinien, des sehr starkenMagnetfelds des Jupiters, gürieren und sehr, sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen,dass also die Strahlung im inneren Jupitersystem extrem hoch ist,also Teilchenstrahlung, die dann Gammastrahlung erzeugt.Und ja, was kann ich sonst sagen? Das ist jetzt so, was mir gerade so einfällt.Interessant war auch übrigens bei Galileo, dass Galileo auch einen Erdvorbeiflughatte und damals dieser Carl Sagan die Idee hatte, anhand der Messdaten derInstrumente auf Galileo festzustellen, ob die Erde bewohnbar ist und ob tatsächlichLeben existiert. Aber das nur so ganz nebenbei.Das haben wir jetzt auch versucht beim Jupiter-Verbeiflug.Also die sogenannten Nicht-Gleichgewichts-Chemie als Beispiel,wenn ich eine Sauerstoffatmosphäre habe wie auf der Erde und messe viel Methan,dann deutet das darauf hin, dass dort viel Methan permanent erzeugt wird.Und die Wahrscheinlichkeit, dass es durch biologische Aktivität erzeugt, ist eben sehr hoch.Oder wenn ich flüssiges Wasser habe, also Ozeane, was man halt auch mit Galileofeststellen konnte. Aber zurück zum Jupiter.Man hat eben sehr viele neue Erkenntnisse im Vergleich zu den Vorbeiflugsonden damals gewonnen.Man wollte auch mit der Galileo Probe in die tiefere Atmosphäre eindringen.Da hat man aber angeblich einen sogenannten Hotspot erwischt. Und man hatte gehofft,dass man Wasserwolken findet oder dass man halt mehr sagen kann über tatsächlichdie Verteilung von Wasserdampfer. Da hat man nichts gefunden.Das war also sehr, sehr trocken, was eigentlich damals eine ungewöhnliche Erkenntnis war.Und man hat die Desphäre versucht zu kompensieren mit der Juno-Mission,die jetzt immer noch aktiv ist.
Tim Pritlove 0:33:44
Ich kann mich ja noch erinnern, ich meine man wird ja auch so groß mit so einemgewissen Weltbild oder vielmehr mit einem gewissen Weltallbild.Am Anfang war Pluto noch ein Planet und andere Dinge ändern sich auch.Und was vor allem sich permanent geändert hat, das war immer so der Mondcount von Jupiter und Saturn.Also ich glaube, ich bin mal, als ich so in die Welt kam, hatte der Jupiter,weiß ich nicht mehr, irgendeine einstellige Zahl an Monden offiziell oder zwölfmaximal auf jeden Fall nicht so viele, wie man heute weiß.Ich glaube, der aktuelle Stand ist 79.
Paul Hartogh 0:34:22
Ich glaube mehr als 100.
Tim Pritlove 0:34:23
Mehr als 100?
Paul Hartogh 0:34:24
Ja, ich musste mal einen Vortrag halten im Rahmen einer Lehrerfortbildung.Und da habe ich angefangen mit meinem alten Was-ist-was-Buch,das ich 1967 geschenkt bekommen habe und 1963 rauskam.Und damals waren es zwölf. Und dann gab es ein Buch, das hatte mein Sohn aus dem Jahr 2001.Da waren es dann schon über 50. Und wenn man jetzt bei Wikipedia nachguckt,kommt man wahrscheinlich auch über 100.
Tim Pritlove 0:34:48
Wikipedia sagt 95.
Paul Hartogh 0:34:50
Ja, gut.
Tim Pritlove 0:34:50
Stand Juni 23.
Paul Hartogh 0:34:53
Ja gut, das heißt jetzt sind wir September 24.
Tim Pritlove 0:34:56
Entdeckt worden sein. Aber Galileo, die Mission hieß ja nicht ohne Grund so,sondern es war die Beobachtung von Galileo Galilei.Man spricht halt von den galiläischen Monden, Io, Europa, Ganymed und Callisto.Das sind die größten Monde und vielleicht auch erstmal so die interessantesten,weil was größer ist, ist immer interessant.Die hat sich dann, die Sonde Galileo auch genauer angeschaut, nehme ich an.
Paul Hartogh 0:35:25
Sicherlich, ja. Und es gibt eben Hinweise darauf, dass diese Monde eben außerIo auch über einen Ozean verfügen unter der Oberfläche.Bei Europa hat man das ja schon relativ früh vermutet, einfach anhand der Oberflächenstruktur.Das sieht ja so ein bisschen aus wie sich bewegende Platten.Und ja, möglicherweise beginnt dieser Ozean schon 10 Kilometer unterhalb der Oberfläche.Bei Ganymed vermutet man auch einen solchen, aber eher so in 150 Kilometer Tiefe und ja,einen relativ dünnen, wenn man so will, was die vertikale Ausdehnung angeht.Ozean vermutet man auch bei Callisto.Das ist zum Beispiel eine interessante Erkenntnis und das ist eben auch eineder großen Fragen, stimmt das wirklich jetzt?Das hat man teilweise anhand von Gravitationsanomalien feststellen können oderanhand von Beeinflussungen des externen Magnetfeldes durch möglicherweise Strömein diesen salzwasserartigen Gebilden, die halt eine hohe Leitfähigkeit dann haben.Und ja, das ist eben auch eine der großen Fragestellungen, die wir jetzt bei Juice haben.Gibt es da Ozeane, in welcher Tiefe sind sie? Wie sind sie ausgedehnt etc.?
Tim Pritlove 0:36:40
Da würde ich gerne nochmal drauf eingehen. Weil, was heißt denn das?Man vermutet, dass da ein Ozean in 150 Kilometer, ich meine das ist ja extremspeziell und ich meine 150 Kilometer haben wir ja auf der Erde noch nicht mal gegraben bekommen.Woraus zieht man solche Schlüsse? Also was, mal abgesehen jetzt von,das sieht mir nach Ozean aus, wenn ich drauf schaue, was sind sozusagen dieMessmethoden, die jetzt hier primär Daten liefern, aus denen man dann ableitenkann, da muss ein Ozean sein.Also wir reden ja von Wasser, also ein Wasserozean.
Paul Hartogh 0:37:13
Ja, das ist zum einen, wie sozusagen der Mond rotiert um seine eigene Achseund wie dann eine Flüssigkeit oder ein Ozean dieselbe beeinflusst.Und zum anderen eben, wie die elektrischen Eigenschaften eines solchen Leiters,Salzwasser leitet ja sehr gut, dann die Magnetfelder und elektrischen Felder,die man um den Mond herum misst,die natürlichen Felder beeinflussen. Das sind so die Hauptmethoden.
Tim Pritlove 0:37:50
Und da ist man sich dann so sicher? oder man...
Paul Hartogh 0:37:54
Man hat halt Fehlerbalken, natürlich, das sind so Abschätzungen.Das ist ja immer so eine Art Fernerkundung und Fernerkundung ist ja kein direktesMessen, man misst die elektromagnetischen Wellen meinetwegen oder man misst,die physikalischen Parameter, aber die Schlussfolgerung ist immer eine Abschätzung.Also eine Messung ist nur, wenn ich einen Thermometer nehme,manche in Quecksilber und direkt jetzt in die Erde stecke oder ins Wasser,das ist eine direkte Messung, aber wenn ich zum Beispiel vom Satelliten ausmit dem Infrarotspektrometer,die die emission von der oberfläche messe ist das immer eineabschätzung weil ich messe die elektromagnetische strahlung muss die interpretierenmit einem modell und so ist es in diesem fall auch ich habe als ein modell unddas modell sagt mir ja es am wahrscheinlichsten dass ich bei europa halten ozeanhabt ja schon in zehn kilometer tiefe beginnt während bei ganymed muss der vieltiefer unten stehen so muss man sich das vorstellen okay.
Tim Pritlove 0:38:47
So, der Jupiter und ich weiß nicht, wie viele von diesen Monden muss man dennsonst noch jetzt sozusagen als relevant für die Erforschung heranziehen,abgesehen von den vier dicken Teilen, die man von hier aus sieht mit dem Fernrohr?
Paul Hartogh 0:39:02
Für die Juice Mission sind eigentlich nur diese vier oder eigentlich sogar nurdrei relevant, weil es da Vorbeiflüge gibt.Aber das kommt natürlich darauf an, wen man da jetzt fragt. Die Frage ist, wo kommen die Monde her?Wie sehen sie aus? Wie ist die Oberflächenstruktur? Wie ist die Helligkeit derOberfläche, die Albedo, die Reflektivität?Wie ist sie zusammengesetzt?Ist dort Material an der Oberfläche, die vielleicht von anderen Monden herrühren?Man kennt ja das Beispiel Enceladus auf Saturn-System.
Tim Pritlove 0:39:36
Der mit den Wasserfontänen.
Paul Hartogh 0:39:37
Genau, genau. Und hier haben wir eben tatsächlich Io. Das Io spuckt sozusagenMaterial in das Jupiter-System.Und da ist dann zum Beispiel die Frage, wie verteilt sich das und kann die Spurendavon auf diesen Körpern sehen.Und ja, in diesem Sinne gibt es da natürlich unzählige Fragestellungen,je nachdem, wie man da fragt und wer sich da jetzt mit auskennt.Ich kenne mich wie gesagt mehr mit Atmosphären aus, ein bisschen mit Oberflächen,aber das sind so die Hauptfragen.Man kennt ja Beispiele, dass die Albedo eines Mondes an zwei verschiedenen Seitensehr unterschiedlich ist,weil er sozusagen entlang seiner Bahn Material aufsammelt und dann sozusagenim Lee eher weniger Material aufsammelt und so weiter.Und das sind dann so die indirekte Hinweise auf die Verteilung von Staub zumBeispiel im entsprechenden System.
Tim Pritlove 0:40:31
Galileo hat ja jetzt auch nochmal so einen besonderen Moment mit messen dürfen,nämlich den Einschlag des Schumacher Levi 9,der halt zufällig mehr oder weniger seine Laufbahn im wahrsten Sinne des Wortesam Jupiter beendet hat und in die Jupiter-Atmosphäre reingestürzt ist.Ich glaube, man hat zwar eigentlich Glück, aber dann doch wieder ein bisschenPech gehabt, weil wäre man ein bisschen früher gekommen, hätte man es noch genauer messen können.Aber da kam, glaube ich, die Challenger-Katastrophe dazwischen,die zu einem verspäteten Start geführt hat von Galileo.Solche Ereignisse sind ja nun wirklich super selten, oder? Dass man da auch noch in der Nähe ist.
Paul Hartogh 0:41:22
Ja, ob die so selten sind, ist natürlich die Frage.Ich meine, möglicherweise gibt es öfter mal so Kometeneinschläge in die Gasriesen,aber man sieht sie denn halt nicht.Ja, trotzdem, man hat ja recht gute Bilder, sowohl im optischen als auch im Infraroten.Man sieht also, dass der Komet, bevor er eingeschlagen ist, auseinandergebrochenist und ich glaube, ich weiß nicht,irgendwie im 44 Grad Süd, ich bin mir jetzt nicht ganz sicher,weil es irgendwie in die südliche Halbkugel eingeschlagen ist und man siehtzum Teil, dass dann Material aus der unteren Atmosphäre nach oben transportiert wurde,also die Farbe sozusagen der Atmosphäre sich geändert hat und gleichzeitig anden Einstiegstellen die Infrarotstrahlung stark anstieg, das heißt es war sehr heiß.Und man weiß halt auch dann eben aus Messungen im Millimeter- und Submillimeterwellenbereichunter anderem, dass dort Material eingetragen wurde, zum Beispiel Kohlenmonoxid, Wasserdampf.HCl, CS. und dass dieses Material dann in der mittleren Atmosphäre hängen geblieben ist.Also so irgendwo im Bereich von einigen hundert Millibar bis vielleicht einigenpaar Millibar sich dann über diese mittleren Atmosphäre verteilt hat,sowohl in der Höhe als auch in der Horizontalen, also Ost, West, Nord, Süd.Also insgesamt kann man sagen, dass diese Atmosphäre von Jupiter sehr wenigSauerstoff enthält und durch diesen Einschlag Sauerstoff in die Atmosphäre eingetragenwurde, was dann zu bestimmten chemischen Reaktionen führt, die ganz interessant sind.Aber in diesem Zusammenhang ist es eben interessant, dass der Wasserdampf sichim Laufe der Zeit sehr langsam nur ausgebreitet hat.Das heißt, das sieht fast so aus, als wenn die sogenannte meridionale Zirkulation,das heißt der Transport von Pol zu Pol eben sehr, sehr langsam geht auf Jupiter.Also das heißt, der Einschlag, wann war das? 94 oder so.Und wir haben mal Messungen gemacht mit dem Hershel Space Observatory, ich glaube in 2011,also fast 30 Jahre später und da konnte man sehen, dass dieser vom Kometen eingetrageneWasserdampf immer noch mehr oder weniger in der südlichen Hemisphäre war.Also ein bisschen über den Äquatorrübergewandert, aber vielleicht bis 10 Grad Nord oder 20 Grad Nord,aber ja, das fand ich war eine interessante Erkenntnis, dass man sozusagen diese.Eingetragenen Gase als Tracer für die Zirkulation verwenden konnte von daherinteressante Geschichte, eine andere interessante Geschichte wäre,das konnte man bisher nicht messen, wie ist eigentlich die isotopische Zusammensetzungdes Wassers, was da eingetragen wurde,man hat so zwei Typen von Kometen, bei denen man das bisher analysiert hat,sogenannte Rodcloud Also Kometen der Ortschen Wolke und Kometen der Jupiter-Familie.
Tim Pritlove 0:44:12
Also die Ortsche Wolke, das war so richtig, richtig, richtig weit gelassen ist.
Paul Hartogh 0:44:16
Genau, richtig, richtig, genau. Und die Kometen der Ortschen Wolke kommen relativselten dann ins Innere-Sonnensystem, während diejenigen der Jupiter-Familiehalt Orbits von, was weiß ich, 5 bis 20 Jahren haben und öfter mal auch an derErde oder eben relativ nah an der Sonne vorbeiziehen.Und die unterscheiden sich, was man bisher so weiß, wobei das auch kontroversdiskutiert wird, weil die Interpretation der Messungen oder die Auswertung derMessungen ein großes Thema sind,unterscheiden sich aber im Isotopenverhältnis vom Wasser, also zum Beispiel dem d zu h Verhältnis.Und nun wäre es mal interessant zu erfahren, wie ist eigentlich das Isotopenverhältnisdes Wassers in der Jupiter-Stratosphäre?Das konnte man bisher halt noch nicht messen. Also das heißt,mit anderen Worten, sehe ich da sozusagen ein Abbild dessen,was ich bisher so in Kometen gemessen habe?Oder sehe ich möglicherweise viel, viel niedrigere Deuterium-Werte,so wie sie im Wasserstoff vorhanden sind?Also die Jupiter-Atmosphäre besteht zum großen Teil aus Wasserstoff,also Moleklar und Wasserstoff H2 und es gibt dann ungefähr mit einem 500.000 Anteil HD,also anstatt H2 HD, D ist Neuterium, also da wird das Proton durch einen Proton und Neutron ersetzt.Und ja, ist es jetzt in den letzten 30 Jahren oder 40 Jahren ja mittlerweilezu einem Austausch, nee 30 Jahre,zu einem Austausch der Isotope des Wasserstoffs mit dem des Wassers gekommen, also des Deuteriums.Und das ist zum Beispiel eine interessante Frage.Ist es möglich, über diesen Zeitplan tatsächlich eine sogenannte Äquilibrierungdes Wassers mit dem umgebenden Wasserstoff herzustellen oder nicht?Oder habe ich nach wie vor den relativ hohen Wert, den ich von einem Kometenerwarte? Also es ist so, dass Kometen, die hauptsächlich aus Eis bestehen,dass die von Haus aus eher viel höhere D-zu-H-Verhältnisse aufweisen als zum Beispiel Wasserstoff.Und das hat einfach mit der Entstehung des Wassers zu tun im interstellaren Medium.
Tim Pritlove 0:46:20
Also man kann quasi daran, man kann die Art des Wassers interpretieren und darauseine Schlussfolgerung vielleicht ableiten mit wo kommt es her?
Paul Hartogh 0:46:31
Ja, unter anderem, wo kommt es her, aber eben interessant ist,diesen Bereich, also man hat bisher einen Bereich von vielleicht 1,4 bis vielleicht5 oder 6 mal 10 und minus 4.An D zu H-Fällen ist im Wasser bisher gemessen und die Frage ist,ist das jetzt ein Wert, der da in diesem Bereich liegt oder ist er möglicherweiseviel höher oder viel niedriger?Wahrscheinlich ist er niedriger, aber jedenfalls mit unserem Instrument werdenwir in der Lage sein, das eben mit sehr hoher Genauigkeit messen zu können.Das ist unter anderem auch eine Motivation, sozusagen das vom Kometen eigentragendeWasser genauer zu analysieren. Es geht nicht nur um Doterium,aber auch um die Sauerstoffisotope 17 und 18.Da sind wir sehr gespannt drauf. Insgesamt ist es übrigens so, dass man,obwohl es in der oberen Troposphäre, also vielleicht bis 10 Bar,relativ viel Wasser in der Jupiter-Atmosphäre geben soll, also relativ,absolut gesehen natürlich nicht,wird dieses aber nicht in die mittlere Atmosphäre eingetragen,weil die obere Troposphäre, die Tropopause sehr, sehr kalt ist und da sozusagenalles an Wasserdampf ausfriert.Und deswegen habe ich praktisch keinen Austausch zwischen der unteren Atmosphäreund der mittleren Atmosphäre.Ähnliches Phänomen wie in der Erdatmosphäre. Dort wird Wasserdampf hauptsächlicham Äquator durch diese Cumulonimbus-Wolken, also diese sehr hoch aufsteigendenWolken in die Mittelatmosphäre eingetragen,weil auch hier in der Erdatmosphäre eben die Troposphäre relativ kalt ist undder Dampfdruck des Wassers dortentsprechend so gering ist, dass nur sehr geringe Mengen vorhanden sind.
Tim Pritlove 0:48:03
Also ich merke schon mal, ich spüre richtig den Blick des Atmosphärenforschersauf den Planeten, aber tatsächlich ist das ja auch etwas, was sehr viel desWesens dieses Planetens ausmacht.Ich meine, man hat so den Kern, keine Ahnung, gibt es eine Annahme darüber,was im Kern des Jupiter so vorliegt?
Paul Hartogh 0:48:25
Ja, es gibt verschiedene Theorien, aber grundsätzlich kann man davon ausgehen,es gibt irgendeinen festen Kern, der aus Silikaten und so weiter,aus Gesteinen entsteht.Dann hat man festen und dann flüssigen Wasserstoff und teilweise sogenanntermetallischer Wasserstoff und irgendwann weiter oben natürlich nur gasförmigen Wasserstoff.Aber durch die hohen Drücke ist es eben so, dass die Aggregatzustände eben selbstvon Wasserstoff sich so ändern, dass man dort festen Wasserstoff hat als Festkörper.Aber trotzdem ist es so, dass der innere Kern wahrscheinlich wie bei anderenPlaneten auch aus Material, was dort halt damals rumflog, sich entwickelt hat.
Tim Pritlove 0:49:10
Auch Eisen?
Paul Hartogh 0:49:11
Ja, kann man von ausgeben.
Tim Pritlove 0:49:12
Kann man von ausgeben.
Paul Hartogh 0:49:13
Ja, also eben alles, was damals halt so in der Protosolanwolke beziehungsweiseProtoplanetanscheibe vorhanden war.
Tim Pritlove 0:49:20
Trotzdem ist ja unser Blick auf den Jupiter immer so ein bisschen geprägt vonStürmen und das ist ja, sagen wir mal, so die populäre Wahrnehmung.Also man hat da in der Horizontalen sehr viel Bewegung, wenn ich dich jetztrichtig verstanden habe, waren die Erkenntnisse dieser Kometenbeobachtung übereinen längeren Zeitraum schon eher die,dass von Pol zu Pol da gar nicht so viel passiert.Also im Prinzip dreht sich alles im wahrsten Sinne des Wortes dort im Kreis,aber das ist alles eine extrem horizontale Bewegung und auch in den Höhenschichtender Atmosphäre gibt es relativ wenig Austausch.
Paul Hartogh 0:50:04
Ja, also man muss hier unterscheiden zwischen eben dem, was man so sieht im optischen Bereich,also diese Wolken, diese Bells and Stripes, da vermutet man ja,dass so eher durch hellen Materialien auch aufsteigende Gase sind und die dunkleren abfallende,also durch das Aufsteigen habe ich eine adiabatische Expansion und dementsprechendeAbkühlung und Kondensation der Gase und umgekehrt eine Sublimation beim Absteigen.Und wichtig ist beim Jupiter halt auch, dass er sehr stark, also sehr schnellrotiert und deswegen ich sehr kleine Wirbelstrukturen erzeugen kann.Der sogenannte Rosspideformationsradius, was man auch sehr schön sieht auf denBildern der Juno-Sonde, die halt erstmalig über die Pole fliegt.Und je weiter ich zu den Polen komme, desto interessantere Strukturen sehe ichda, als wenn das gemalt wäre von irgendeinem Künstler.Und ich sehe, dass die Wirbelstrukturen halt auch immer kleiner werden.Deswegen ist es auch sehr schwierig, Jupiter zu modellieren,so als Klimamodellierer,weil das extrem hohe Auflösung in den allgemeinen Zirkulationsmodellen benötigt.Aber was sozusagen relativ wenig erforscht ist, ist tatsächlich die Atmosphärein dem Bereich, wo ich nichts sehe, weil ich halt dort keine Wolken habe.Das ist eben die mittlere Atmosphäre.Da sieht man ein bisschen was, man sieht da zum Teil Aerosole,aber man sieht halt keine Wolken.
Tim Pritlove 0:51:27
Also warum sieht man nichts?
Paul Hartogh 0:51:28
Ja, weil einfach keine Wolken da sind, weil die Zusammensetzung dieses Bereichshalt ein anderer ist und eben Wolkenbildung nicht möglich ist.
Tim Pritlove 0:51:42
Also man sieht nichts im optischen Bereich.
Paul Hartogh 0:51:45
Man sieht eben tatsächlich nur was in einem Bereich, in dem man sozusagen wiederumdie Moleküle anschauen kann.Wie gesagt, man kann sich ja abschätzen, wie hoch die Windgeschwindigkeitenzum Beispiel in der oberen Troposphäre sind, wo man halt den großen roten Flecksieht oder wo man halt die gegengläufigen Wolkensysteme sieht.Das kann man dann ja so abschätzen, aber in der Mittelatmosphäre hat man haltdiese optischen Hinweise nicht und deswegen weiß man relativ wenig über diesen Bereich.Man weiß also nicht, wie zum Beispiel der Impuls und Energietransport von deroberen Atmosphäre in die oberen Atmosphäre geschieht.In der oberen Atmosphäre hat man nicht so richtig verstanden,warum die obere Atmosphäre, die Thermosphäre so heiß ist.Der Prozess ist nicht so gut verstanden. Und eine Möglichkeit wäre zum BeispielWellentransport aus der unteren Atmosphäre durch die mittlere Atmosphäre indie Thermosphäre, wo die Wellen dann sozusagen disziplieren würden und auchImpuls übertragen würden. Aber das sind alles wiederum nur Theorien.
Tim Pritlove 0:52:43
Disziplieren heißt was?
Paul Hartogh 0:52:43
Dissipieren heißt, dass praktisch die Wellenenergie in Wärme umgewandelt wird, als Beispiel.Weil Wellen übertragen ja immer Energie und Impuls. Und deswegen,also Galileo und auch Juno sind eigentlich Missionen, die tatsächlich,was die Atmosphärenforschung angeht,mehr fokussiert waren auf die Unteratmosphäre.Juno hat versucht bis 100 Bar oder vielleicht sogar bis 1000 Bar Messungen durchzuführen.Während die DUS-Mission eher so den oberen Teil der Atmosphäre sich anschaut.Also obere Troposphäre bis Thermosphäre und dann natürlich weiter die Magnetosphäre.Aber wenn wir jetzt von der eigentlichen neutralen Atmosphäre sprechen,kann man eben sagen Stratosphäre und Thermosphäre.
Tim Pritlove 0:53:31
Juno hatten wir noch gar nicht erwähnt. Also Galileo ist eine abgeschlosseneMission, das ist vorbei.Juno ist 2016 am Jupiter aufgetaucht und ist immer noch aktiv. und macht Dinge.Das ist eine NASA-Mission, die...Ganz erfolgreich ist, kann man sagen?
Paul Hartogh 0:53:52
Ja, kann man sagen, würde ich sagen. Hat viele neuartige Messungen durchgeführt,zum Beispiel durch das Instrument MWR, Mikrowellenradiometer,das eben zum Beispiel in die sehr tiefe Atmosphäre reinblicken kann oder jetztauch Oberflächenmessungen auf den Galileischen Mohnen gemacht haben.Sehr interessante Messungen, die erst teilweise publiziert wurden für Ganymedhauptsächlich, Europa und Io noch nicht.Da gab es also Überflüge. Und man hat dann gesehen, dass bei den größeren Wellenlängendie Temperatur stark ansteigt.Also je größer die Wellenlänge ist, desto tiefer kann man in das Eis hineinschauen.Und da sieht man das eben bei den großen Wellenlängen. Große Wellenlänge istungefähr ein halber Meter Wellenlänge, dass man dort einen sehr starken Anstiegder Temperaturen sieht im Vergleich zur Oberfläche.Und ja, das ist eine relativ komplexe Auswertung. Man hat auch da Wechselwirkungenmit der sogenannten Synchrotonstrahlung des Jupiters.Und das führt aber dazu, dass man mehr und mehr über die Struktur des Eises der Oberfläche lernt.Und das ist jetzt gerade im Moment im Gange, dass dort diese Art von Daten ausgewertet werden.Eben Ganymed ist glaube ich noch in der Mache und Europa, da ist noch nichtspubliziert worden. und neulich war halt Überflug von Io, ist wiederum völlig anders.
Tim Pritlove 0:55:10
Damit wir uns jetzt vielleicht nicht in diesen Details zu sehr verlieren,würde ich es gerne nochmal anders machen.Angenommen wir wären jetzt quasi komplett temperaturresistent und ich könntejetzt einfach und auch druckresistent und überhaupt strahlenresistent,also total resistent und ich falle jetzt quasi aus dem All auf den Jupiter.Was wäre denn das und ich würde jetzt so quasi langsam dem, was auch immer derBoden dort sein könnte, wenn es so einen Ort überhaupt gibt,Was kann man jetzt aus dem, was man bisher meint zu wissen oder was man beobachtethat ablesen Also wann, was ist so das Erste, auf was ich treffe und wie gehtes dann weiter wenn ich so langsam einfach,dem Zentrum mich nähere oder vielleicht schnell, weil das ist ja relativ groß.
Paul Hartogh 0:56:08
Ja und hat eine entsprechend hohe Schwerkraft. Aber ob man so schnell fällt,ist eben die Frage, weil natürlich die Dichte immer weiter zunimmt und deswegen irgendwann… Ja.
Tim Pritlove 0:56:17
Okay, ignorieren wir das einfach mal. Ich bewege mich mit konstanter Geschwindigkeitjetzt sozusagen auf den Jupiter zu.Was spüre ich als erstes? Was ist sozusagen das Erste, was ich wahrnehme von dieser Atmosphäre?Was bildet quasi die Außenhaut, das Erste, was nicht alles?
Paul Hartogh 0:56:35
Ja, es kommt doch an, welcher Geschwindigkeit man da jetzt reinfällt.Also wenn ich jetzt von oben steil, einfach nach unten runter plumpse.Also man stellt sich vor, man ist da in irgendeinem...
Tim Pritlove 0:56:45
Also ich reagiere gar nicht.
Paul Hartogh 0:56:46
Ich schaue nur. Es kommt darauf an, ob man natürlich sozusagen in einem Orbitund so weiter ist oder ob man da einfach steht und dann runterfällt,das ist natürlich was ganz anderes.Wenn ich da mit hoher Geschwindigkeit um Jupiter rumfliege, ist natürlich auchselbst die sehr, sehr dünne Atmosphäre, kann schon eben zu hohen Reibungsverlustenführen und entsprechenden Temperaturen.Ich traue einfach nur ein. Dann habe ich eben erst eine Thermosphäre,eine sehr hohe Temperatur.
Tim Pritlove 0:57:12
Was heißt das, eine sehr hohe Temperatur?
Paul Hartogh 0:57:14
Ja, da kommt man dann auf Werte von 600, vielleicht 1000 Grad.
Tim Pritlove 0:57:19
Tatsächlich so heiß.
Paul Hartogh 0:57:20
So ähnlich auch wie in der Erdmosphäre,da habe ich ja auch sehr hohe Temperaturen in der Thermosphäre.
Tim Pritlove 0:57:24
Aber wo kommen die her, diese Temperaturen?
Paul Hartogh 0:57:25
Das weiß man eben nicht so genau bei Jupiter. Bei der Erde kommen die hauptsächlichdadurch, dass eben sehr kurzfällige UV-Strahlung absorbiert wird.Ähnlich wie mit der Ozonschicht weiter unten, wo die UV-Strahlung ein bisschen...
Tim Pritlove 0:57:36
Also mehr eine Aufheizung durch andere Strahlung, die dort ankommt.
Paul Hartogh 0:57:40
Und gleichzeitig hat man kein Molekül, das im Infrarotbereich abstrahlen kann.So ist es auf der Erde zumindest. Und bei Mars hat man zum Beispiel CO2.CO2 kann immer abstrahlen, deswegenhat man dort keine sehr heiße Thermosphäre, auch wie bei der Venus.Aber auf der Erde hat man das und auf Jupiter hat man das halt auch.Wobei bei Jupiter versteht man das an sich nicht, weil der solare Fluss eigentlich nicht ausreicht.Und da muss es halt noch irgendeine andere Quelle geben.
Tim Pritlove 0:58:05
Aber man weiß, es ist so heiß außen. Ja, genau. Also ich hätte mir das Ganzeeher so als so eine eisige Umgebung vorgestellt, aber tatsächlich als ersteswürde ich erst mal getoastet werden, wenn ich nicht totally invincible wäre.
Paul Hartogh 0:58:18
Ja, getoastet ist vielleicht zu viel gesagt. Die Atmosphäre ist ja sehr,sehr dünn. Man merkt da nicht viel.
Tim Pritlove 0:58:24
Ach so, es ist heiß und ich merke nichts davon?
Paul Hartogh 0:58:27
Ja, weil einfach die ganze, ja, ich meine, ich spreche über Mikrobar bis Nanobar.Das ist also Hochvakuum eigentlich.Oder Hochvakuum vielleicht noch nicht, jedenfalls Vakuum. Das heißt,wenn ich da jetzt, ich meine, wenn ich jetzt in Erd bin gegenüber Temperaturenoder unabhängig von Temperaturen drücken und so weiter, passiert mir natürlichnichts. Aber normalerweise als Mensch würden wir da natürlich sofort,weil Vakuum ist, auseinanderfliegen.Aber wenn man da halt die Temperaturen messen würde, würde man halt feststellen,da geht es dann schon damit los, überhaupt zu schauen, welche Art von Temperatur messe ich da gerade.Es gibt ja die Temperaturen, die Sie am Boden kennen, die charakterisiert sinddie Gase durch Maxwell-Boltzmann-Verteilung und dann gibt es halt die Gase insehr dünnen Atmosphären, wo dann die, wie ich anfangs schon sagte,mit dem Spacecraft da vorhin,dass die Moleküle in verschiedene Richtungen verschieden schnell fliegen könnenund so weiter, wo ich also in dem Sinne verschiedene Temperaturen pro Richtunghabe oder pro Übergang des Moleküls, Rotationstemperaturen, Vibration und soweiter und so fort. Das ist also ein Thema für die Wissenschaft für sich.
Tim Pritlove 0:59:30
Man muss sich also jetzt nicht so eine Temperatur vorstellen,wie jetzt hier, es ist heiß und es ist überall gleichmäßig diese Temperatur,sondern diese Temperatur liegt in diesen Molekülen vor.
Paul Hartogh 0:59:41
Ja, die kinetische Energie der einzelnen Moleküle, genau.
Tim Pritlove 0:59:43
Weil die da einfach hoch angeregt sind und diese Energie in sich tragen,aber es gibt so wenig davon, dass ich also nicht wirklich getoastet werde,sondern es fliegen einfach nur so kleine 600 Grad heiße Moleküle durch mich durch.
Paul Hartogh 0:59:54
Ja, so in der Art, durch mich durch vielleicht nicht, aber fliegen da halt…Gegen mich gegen. Genau, genau.Und dann geht es weiter runter in die Stratosphäre. Stratosphäre heißt ja,das ist eine, das kommt vom Englischen Stratified,also eben eine geschichtete atmosphärische Schicht oder Schale,in der halt keine Konvektion stattfindet.Das heißt so eine Art Inversionswetterlage im Winter, das heißt die Temperaturnimmt nach oben hinzu anstatt ab.Und in der Erde kommt das ja durch die Ozonschicht zustande,die UV-Strahlung absorbiert und deswegen die Temperatur nach oben hin steigen lässt.Also in 50 Kilometer Höhe habe ich ja eine ähnliche Temperatur wie am Boden.Und bei Jupiter geschieht das durch Absorption der Sonnenstrahlung durch Aerosole und Methan.Das heißt, ich habe dann nach oben hin, je weiter ich nach oben komme,desto wärmer wird es. Und irgendwann in der unteren Stratosphäre wird es dannentsprechend kälter, bis ich in die Troposphäre komme.
Tim Pritlove 1:01:00
Aber ist es dann immer noch alles so vakuummäßig oder wird es jetzt schon so dicht?
Paul Hartogh 1:01:06
Nein, da komme ich schon in den Bereich von, also obere Troposphäre komme ichschon in den Bereich von, was weiß ich, Erdatmosphäre in 10 Kilometern Höhe oder so ähnlich.Oder 20 Kilometern Höhe und dann komme ich halt in die Troposphäre und da wirdes dann wieder wärmer, wenn ich nach unten falle.Und da entstehen dann Temperaturen, die gehen dann in die hunderte oder tausendeGrad, je weiter ich nach unten komme, desto wärmer wird es halt.Tausend ist, also ich weiß jetzt gar nicht genau.Ich habe durchaus, glaube ich, Temperaturen, wie sie entstehen bei der Verbrennungim Motor oder sowas, weil es gibt diese Thermochemiker,die die untere Atmosphäre von Jupiter modellieren Und die verwenden halt tatsächlichdiese Chemiemodelle, die in der Verbrennung von Gas in Motoren und so weiter ablaufen.Thermochemie.Weiter oben nennt man das Ganze Photochemie, weil dort die Energiequelle zumgroßen Teil halt tatsächlich die Strahlung der Sonne ist.Photochemie. Aber weiter unten dringt halt kein Sonnenlicht mehr vor und dahabe ich so eine Thermochemie.Also ich kann es jetzt gar nicht so genau sagen, weil ich mich tatsächlich mitdem Inneren des Jupiters gar nicht so gut auskenne. Aber ich kann mir eben durchausvorstellen, dass ich dort Temperaturenim Bereich von 1000, 1500 Grad und wahrscheinlich sogar noch mehr.
Tim Pritlove 1:02:25
Also es ist heiß und es ist dunkel?
Paul Hartogh 1:02:26
Es ist heiß und es ist dunkel.
Tim Pritlove 1:02:27
Okay, das reicht mir auch erstmal. Und würde ich die Gabe haben,durch dieses heiße, dunkel weiter durchzutreffen, würde ich irgendwann auchauf was Festes stoßen, in dem Sinne, dass man jetzt nicht nur so von Luftdruck sprechen könnte.
Paul Hartogh 1:02:42
Sondern eben von einer Oberfläche. Ja, eben dieser berühmte metallische Wasserstoff.
Tim Pritlove 1:02:48
Der berühmte metallische Wasserstoff.Was sind denn jetzt die Ziele, was will man denn jetzt noch herausfinden odermuss man auch herausfinden, um überhaupt auch ein gutes Verständnis von demGesamtsystem zu bekommen,was jetzt mit der JUICE-Mission realisiert werden soll, mit den ganzen Instrumentarien,die dort untergebracht sind.Wovon können wir denn ausgehen? Was denn so in ein paar Jahren,wenn dann der Satellit angekommen ist, was wir dann so beobachten werden?Ich meine, es ist natürlich immer schön zu sagen, was werden wir beobachten?Weil man fliegt ja deshalb hin, weil man es nicht weiß. Aber es gibt ja schon,sagen wir mal, eine konkrete Vorstellung davon, wo man hinschauen möchte.Und man hat ja eine gewisse Vermutung, was dort zu finden ist.
Paul Hartogh 1:03:42
Ja, ich kann ja erstmal anfangen mit dem, was wir mit unserem Instrument machenwollen, also diesem Submillimeterwelleninstrument.Dort schauen wir uns natürlich zunächst Jupiter an und wir haben dann äquatorialenOrbit und sind dort tatsächlich interessiert, hauptsächlich in der mittleren Atmosphäre,die man bisher nicht so gut analysiert hat oder analysieren könnte.Und wir messen dort zum einen die molekulare Zusammensetzung,dann die Zusammensetzung der Isotope, zum Beispiel Wasser, was ich gerade sagte,aber auch von Komponenten, die Schwefel, Kohlenstoff, Phosphor und so weitermöglicherweise enthalten.Und dann messen wir vielleicht Kohlenwasserstoffe, je nachdem,ob man sie messen kann oder nicht, ob sie da sind oder nicht,das wissen wir halt nicht.Wir können aber auch Frequenzen tunen, in denen gewisse Kohlenwasserstoffe vorhanden sind.Wir messen natürlich Methan, weil wir wissen, Methan ist vorhanden und Methanist auch relativ gut durchmischt und deswegen können wir Methan benutzen alsMolekül, mit dem man die Temperaturverteilung in der Mittelatmosphäre messen kann.Also so ungefähr von 50 Kilometer bis 350 Kilometer oberhalb der Tropopause.Und sehr wichtig für uns, wir können Winde messen. Also wir können anhand derDopplerverschiebung, wie wir es jetzt auch bei diesem Mondvorbeiflug gemachthaben, sagen, wie groß die Windgeschwindigkeiten dieser Mittelatmosphäre ist.Und das ist wichtig, weil man zwar aus diesen Klimamodellen oder Atmosphärenmodellenanhand der Temperaturunterschiede Winde berechnen kann oder vorhersagen kann.Das hat man auch beim Cassini-Vorbeiflug gemacht. Da hat man also Temperaturstrukturder Mittelatmosphäre bis 0,1 Millibar gemessen und hat dann anhand dieser Temperaturstrukturenberechnet, wie dann wohl die Winde dort wehen.Also man kann sich das vorstellen, vom Hochdruckgebiet fließt ein Wind ins Tiefdruckgebietund so weiter, um es jetzt einfach darzustellen.Es gibt aber eben auch tatsächlich den Einfluss von Wellen, von Wirbeln undso weiter, die eben auch Energie und Impuls übertragen und die können Windeteilweise sogar umdrehen, wie wir es aus der Erdatmosphäre kennen.Also die Frage ist, was ist jetzt der Einfluss von Wellen und Wirbeln?Die kann man rein anhand von Temperaturmessungen nicht bestimmen.Wichtig ist also, dass man tatsächlich Temperaturen und Winde gleichzeitig misst.Und wenn man das macht, kann man damit halt im Endeffekt sagen,wie funktioniert die Zirkulation überhaupt? Wie wird sie angetrieben?Und gibt es vielleicht einen großen Antrieb von unten? Eben durch Wellen,die aus der unteren Atmosphäre in die mittlere Atmosphäre gelangen.Oder gibt es einen Einfluss des Polarlichtowals?Dort werden riesige Energiemengen umgesetzt, dadurch, dass diese hochenergetischenTeilchen in die Atmosphäre eingetragen werden und dort Polarlichter erzeugen.Oder auch Energie umsetzen in riesigen Mengen, die dann möglicherweise überUmwege auch wieder in die Atmosphäre, die Energie in die Atmosphäre eingetragen wird.
Tim Pritlove 1:06:39
Dieses Polarlicht oval, das ist ja, wenn ich es richtig sehe,eine Entdeckung, die Juno erst gemacht hat?
Paul Hartogh 1:06:46
Nein, das wurde schon. Hubble hat das zum Beispiel gesehen und ich bin mir jetzt nicht sicher.
Tim Pritlove 1:06:50
Aber es gab jetzt richtig gute Aufnahmen von Juno davon, wenn ich das richtig sehe.
Paul Hartogh 1:06:55
Bessere, aber es gab auch schon gute Aufnahmen von Hubble. Also man wusste auch schon,es gibt halt uralte Aufnahmen von Hubble, indem man halt Polarlichter sieht,aber Juno hat natürlich vielleicht nochmal mit höherer Auflösung diese Polarlichter aufgenommen.
Tim Pritlove 1:07:13
Ja, also wer das Bild vielleicht nicht vor Augen hat, aber das ist sozusagen,also der Jupiter hat eine Magnetosphäre, so wie die Erde auch.Mit anderen Worten, die kosmische Strahlung und was von der Sonne kommt etc.Trifft nicht gleichförmig auf den Jupiter auf, sondern wird eben von dem Magnetfelddann auch in der Polregion quasi umgeleitet, umgesogen und wie auf der Erdeauch entstehen diese Auroren.Diese Polarlichter, also eine aufglühende Atmosphäre durch diese verdichteteStrahlung und das tut es auf dem Jupiter halt super extrem.Also es sieht irgendwie irre aus und dieses Oval ist sozusagen so.Ist das permanent, ist das immer oder ist das manchmal? Das ist immer, ne?Genau, also sozusagen der Lichtschalter ist immer an, bei uns muss man die Auroradann immer suchen oder Glück haben und da ist sozusagen Dauerbeleuchtung.
Paul Hartogh 1:08:11
Kann man so sagen, ja. Und wie gesagt, die Mengen, die an Energie umgesetztwerden, sind eben in Größenordnung mehr als zum Beispiel in der Erde und inder Erdatmosphäre, in der polaren Erdatmosphäre, Junosphäre und so weiter.Und die Frage ist eben, ist es möglich, dass sozusagen aus dieser EnergiequelleEnergie abgezapft wird, die dann die Zirkulation der mittleren Atmosphäre beeinflusst.Thermosphäre, Stratosphäre, Kopplung sozusagen. Das sind Sachen,die wir dann messen wollen, indem wir halt die Windgeschwindigkeiten bis ebenin die untere Thermosphäre messen, um zu sehen, dass möglicherweise eine Kopplungentsteht oder besteht oder nicht.Und ob es dort Transportphänomene gibt, generell halt zu verstehen,wie funktioniert da diese Zirkulation überhaupt.Bisher gibt es da halt viel Spekulation und wir wissen halt ein bisschen wasüber den Transport durch Schumacher-Levy 9, aber so richtig wissen wir haltnicht, wie die Zirkulationssysteme dort funktionieren.Das ist eben eine große Fragestellung, die wir haben jetzt speziell mit unseremInstrument, weil wir unter anderem eben halt Temperaturen und gleichzeitig Winde messen können.Und anhand dieser Parameter tatsächlich die Modelle dann, den Modellen haltRandbedingungen liefern können.Um zu sehen, ob jetzt diese Vorhersage oder jene Vorhersage korrekt ist oderkeine, das vielleicht ganz anders funktioniert.
Tim Pritlove 1:09:31
Das heißt im Idealfall...Den wünscht man sich ja immer, man weiß es ja nicht, aber im Idealfall würdeman eigentlich einen ganz neuen Blick auf den Jupiter gewinnen,weil man das erste Mal nachweisen kann,wie diese Strömungen tatsächlich sind und es nicht nur quasi so in zweiter Ordnungnachgerechnet hat mit das, was wir da sehen, könnte in etwa auf das und daspassen, weil mein Simulationssystem hat gesagt,das könnte Winde dieser Art ergeben, sondern diesmal werden wir das erste Malwirklich den Fühler reinhalten und sagen so,ja, das ist jetzt mal hier genauso schnell und jetzt könnt ihr mal eure Modelleüberarbeiten, weil das ist ja dann auch immer so ein Spiel in der Raumfahrt und Wissenschaft,dass man sagt, okay, auf der einen Seite haben wir eben viele Modelle,wir können viel vorhersagen, das ist ja auch eine wichtige Nahrung,um überhaupt auch erstmal solche Missionen auf bestimmte Ziele hin zu optimieren,Aber in dem Moment, wo man es dann eben auch wirklich konkret messen kann,ist das ja dann auch wieder eine Feedbackschleife für die Simulationen,die dann eben sagen, ja okay gut, wir hatten es im Prinzip richtig,aber diesen Aspekt haben wir offensichtlich nicht genug gewichtet oder überhauptnicht bedacht, sodass ja dann in derZukunft dann wiederum auch die Simulationsmodelle besser werden können,um eben weitere Voraussagen über den Jupiter oder vielleicht auch andere Planeten,vielleicht auch Exoplaneten später machen zu können.
Paul Hartogh 1:10:56
Ja genau, das ist eben so eine interessante Frage.Gibt es dort überhaupt einen Energietransport von unten nach oben oder einenImpulstransport oder gibt es dort eine Wechselwirkung mit der oberen Atmosphäre,weil ich dort halt diese riesige Energiequelle habe um den Pole herum und wiefunktioniert das, wie ist eigentlich die Physik dahinter?Und das kann man natürlich, man kann da jetzt sehr viel spekulieren,wie das vielleicht sein könnte, aber man braucht im Endeffekt Messdaten dazu,um dann die verschiedenen Theorien verifizieren zu können oder widerlegen zu können.
Tim Pritlove 1:11:32
Also eigentlich ist der Jupiter noch ein ziemliches Fragezeichen,so kann man sagen, in der planetaren Forschung.
Paul Hartogh 1:11:37
Jaja, natürlich, sonst wären wir ja nicht hingeflogen. Ja klar,es gibt ja noch mehr Fragezeichen.
Tim Pritlove 1:11:44
Aber ich meine dafür, dass er so groß ist, würde man ja meinen,der bietet so viel Beobachtungsfläche, zum wahrsten Sinne des Wortes,dass die Erkenntnislage da schon besser sein sollte. Aber ist sie nicht.
Paul Hartogh 1:11:57
Nein, ist sie nicht. Aber gut, das ist auch bei anderen Planeten so.Venus hat man das auch schon vor 50 Jahren analysiert und jetzt gibt es sechsVenus-Missionen, die bis 2030 starten sollen.Das ist jetzt auch getrieben durch neue Erkenntnisse. Und bei Jupiter ist es eben so,dass es eben nach wie vor ein sehr interessanter Planet ist und nachdem manjetzt naturenintensiv mit Cassini erforscht hat und dort auch viele neue Erkenntnisse gewonnen hat,möchte man die natürlich auch anwenden für Jupiter und damit dann viele Fragestellungenmöglichst beantworten,unter anderem auch zum Beispiel wie die Monde entstanden sind.
Tim Pritlove 1:12:37
Ein gutes Stichwort ist Cassini-Huygens, ist ja also auch eine Sonde,die am Jupiter vorbei geflogen ist, weil sie halt zum Saturn wollte und dasfinde ich schon fast ein bisschen absurd, dass man eigentlich so ein bisschen,vielleicht täusche ich mich auch, aber ich habe so ein bisschen den Eindruck,das Saturnsystem ist in gewisser Hinsicht schon mehr erforscht als das des Jupiters,obwohl es ja nochmal weiter weg ist. Kann man das so sagen?
Paul Hartogh 1:13:02
Kann man so sagen, tatsächlich durch die Cassini.
Tim Pritlove 1:13:04
Durch die Cassini-Mission, genau. Cassini-Huygens hatte ich hier in Raumzeitauch schon mal erzählt bekommen,ganz früh schon 2011 mit Michael Kahn von der ESA haben wir über diese Missiongesprochen, die ja nicht nur jetzt besonders war, weil es halt mit der Cassini-Missionso eine Langzeitmission der Beobachtung des Saturn-Systems an sich gab und der Monde,so wie eben Juno auch und eben jetzt auch Drews, sondern eben mit Huygens auchnoch diese Kapsel gab, die ja auf dem Titanenmond abgeworfen wurde.Etwas Vergleichbares gibt es jetzt für den Jupiter glaube ich noch nicht,dass man jetzt wirklich mal einem Mond besonders auf die Schliche kommen wollte.Indem man was abwirft?
Paul Hartogh 1:13:49
Nein, das ist vielleicht was für die Zukunft. Also wäre natürlich sehr interessant,auf dem Mond Europa zu landen, unter anderem, je nachdem, mit wem man da spricht.Aber Europa ist natürlich sehr interessant wegen des potenziellen Ozeans oderdiesem sogenannten chaotischen Gelände, chaotic terrain, im Englischen,wo man irgendwelche Wasserpockets, ich weiß gar nicht, Wassertaschen unter der Oberfläche vermutet.Und das dann zu analysieren. Das Problem ist aber, dass die Strahlung eben tatsächlichauf dem Europa so extrem hoch ist, dass es technologisch extrem anspruchsvoll ist,Geräte zu bauen oder Instrumente zu bauen oder Elektronik zu bauen,die dort länger als ein, zwei, drei Wochen überlebt.
Tim Pritlove 1:14:34
Ach echt?
Paul Hartogh 1:14:35
Ja, das sind halt diese extrem energiereichen Teilchen, die dort eben über Bremsstrahlung,unter anderem dann extrem hochenergetische elektromagnetische Strahlung erzeugen,die dann die Elektronik zerstört.
Tim Pritlove 1:14:48
Wo kommt die Strahlung her?
Paul Hartogh 1:14:50
Also Bremsstrahlung.
Tim Pritlove 1:14:52
Bremsstrahlung.
Paul Hartogh 1:14:52
Ja, das heißt, wenn ich irgendwie ein Teilchen habe, was mit extrem hoher Geschwindigkeitauf Material trifft, dann entsteht Bremsstrahlung.
Tim Pritlove 1:15:02
Also nicht der Mond strahlt, sondern die Strahlung wird von dem...
Paul Hartogh 1:15:06
Das sind die Teilchen, die da um Jupiter rumfliegen im Endeffekt.
Tim Pritlove 1:15:09
Achso, generell die Jupiter-Strahlung, nicht die von dem Mond aus geht.
Paul Hartogh 1:15:13
Ne, das ist eben die Strahlung, die entsteht durch die Wechselwirkung der extremschnell fliegenden Teilchen mit Materie.Und diese Teilchen werden eingetragen durch Io, durch diese vulkanische Aktivität,der ungefähr eine Tonne pro Sekunde erzeugt, werden dann ionisiert durch dieSonne und werden dann im Jupiter-Magnetfeld extrem beschleunigt.Und dort kann ich halt zum Teil Teilchen, Elektronen mit relativistischen Geschwindigkeitenantreffen. Und wenn die halt auf Materie treffen, dann führt es eben zu Zerstörung der Elektronik.
Tim Pritlove 1:15:46
Also relativistische heißt sehr hoch.
Paul Hartogh 1:15:49
Sehr hoch, 10.000 Kilometer pro Sekunde.
Tim Pritlove 1:15:52
Und das heißt, das Problem besteht jetzt nicht nur am Europa,sondern generell, wenn man sich da in dem System bewegt.
Paul Hartogh 1:15:58
Ja, je weiter man nach außen geht, desto geringer wird sozusagen der Beitrag.Also bei Ganymed ist es nicht mehr ganz so schlimm und bei Callisto ist es noch unproblematischer.
Tim Pritlove 1:16:08
Weil die weiter draußen.
Paul Hartogh 1:16:09
Weil die weiter draußen sind und ursprünglich war es vielleicht auch mal geplant,anstatt zum Ganymed zu Europa zu fliegen in dieser Mission, also die ist seit 2005 diskutiert.Und dann ist man aber doch ziemlich schnell zu der Erkenntnis gelangt,dass mit dem Geld, was man in Europa zur Verfügung hat und mit der Technologie,das nicht möglich ist, einen Orbiter zu bauen, der jetzt um Europa fliegt.Das versuchen jetzt die Amerikaner mit Europa Clipper.
Tim Pritlove 1:16:38
Genau, eine geplante Mission, die vielleicht auch irgendwann ein Länder dannauch haben soll in einer Erfolgemission.
Paul Hartogh 1:16:44
Wenn ich das richtig sehe. Genau, ja das ist so die Idee, dass man tatsächlich,da gibt es ja viele Studien, dass man auf Europa landet, Löcher bohrt und versuchtzu diesem Ozean vorzudringen.Da gibt es ja tatsächlich Versuche, habe ich gesehen, Diplom- und Doktorarbeiten,teilweise sogar auch an deutschen Universitäten.Allerdings ist das im Moment wohl alles sehr unrealistisch, weil dieses Bohrenallein erfordert extrem viel Energie.Und ja, da sind wir also wahrscheinlich noch 100, 200 Jahre davon entfernt,dass die Technologie dafür zur Verfügung steht.Das würde wahrscheinlich auch bedeuten, dass man Raumfahrzeuge mit irgendeinerArt von Nuklearantrieb braucht, also Kernspaltung und so weiter,also Atomkraftwerke an Bord. Da sind wir wieder bei 2001.Also das ist eben Zukunftsmusik und ja, das ist eigentlich jetzt Science Fiction.Man überlegt sich zwar, wie man das machen könnte, aber ist einfach technischnicht realisierbar und finanziell erst recht nicht. Aber vielleicht in 100 Jahren, wer weiß.
Tim Pritlove 1:17:42
Zukunftsmusik ist ja immer die schönste Musik. Ich meine, es besteht ja jetztsozusagen die realistische Chance, dass wir demnächst unseren Helikopterflugauf dem Titan dann noch anschauen dürfen.Ich bin da ganz optimistisch, dass da noch eine Menge gehen wird.Ich würde schon gerne nochmal so ein bisschen auf diese Monde jetzt nochmalspeziell drauf eingehen. Und welche Rolle die spielen.Jetzt insbesondere mit dem Io, der also diese hohe vulkanische Aktivität hat.Und wenn ich das jetzt eben richtig verstanden habe, macht der sozusagen richtigStress mit seinem Vulkanismus.Und zwar nicht nur auf sich selber, sondern für das gesamte Jupiter-System durchdiesen hohen Auswurf von Zeug.Was wirft er denn dann so aus?
Paul Hartogh 1:18:32
Ja, vulkanische Gase, Aerosole, also zum Beispiel SO2 als Beispiel,aber auch Salze, KCL, NaCl.Und die werden ausgestoßen eben mit einer Geschwindigkeit, die hoch genug ist,sodass das schwere Feld des IOS verlassen wird.Und deswegen verteilt sich das Ganze dann sozusagen im inneren Jupiter-System.
Tim Pritlove 1:18:54
Und Io ist dem Jupiter nächster Mond, also das ist wahrscheinlich auch der Grundfür diesen hohen Vulkanismus, weil der vermutlich von der Gravitation des Jupiterdie ganze Zeit so durchgeweigt wird.
Paul Hartogh 1:19:06
Genau, genau.
Tim Pritlove 1:19:07
Okay und das dankt er sozusagen dem Jupiter durch diesen hohen Auswurf von Zeugund das flirrt dann herum und zusammen mit der hohen Strahlung,die ohnehin um den Jupiter herrscht.
Paul Hartogh 1:19:23
Ja, Strahlung selber, die Strahlung wird halt im Endeffekt durch diese Teilchen erzeugt.Also der Jupiter selber strahlt natürlich nicht als Planet selber,sondern eben hervorgerufen durch die Wechselwirkung der Teilchen mit dem Starkmachnetfeldund der Ionisation dieser Teilchen durch die Sonnenstrahlung.
Tim Pritlove 1:19:41
Also es ist ein totales Chaos da oben.
Paul Hartogh 1:19:43
Ja, es ist zumindest eine unwirtliche Umgebung.Das gibt Schülerexperimente, also diese Wechselwirkung, die ich da jetzt kurz angesprochen habe,führt unter anderem dazu, dass eben nicht nur im UV und im sichtbaren Polarlichterund im Infraroten riesige Mengen an Energie umgesetzt wird, sondern auch im Radiowellenbereich.Und man kann mit einem Kurzwellenempfänger sozusagen Jupiter,wenn er über den Horizont kommt, empfangen.Da hört man so komisches Knistern und Knacken und so weiter.Das sind halt tatsächlich Signale, die in einem extrem breiten Spektralbereichvon ULF bis ins UV oder Gammastrahlung abgestrahlt werden.Und ja unter anderem zum Beispiel eben durch das,Polarlicht, aus dem Polarlicht oval heraus oder generell durch die Wechselwirkungmit dem Manetfeld starke Mikrowellenstrahlung stattfindet und so weiter und so fort.Das heißt was da an Energie umgesetzt wird ist also deutlich mehr als bei allenanderen Planeten im Sonnensystem zusammen und das ist von daher eine ganz interessante Geschichte.
Tim Pritlove 1:21:01
Also Io macht Alarm und ist sozusagen der vulkanische Mond und ist auch überhaupt der nächste.Also der erste, der sozusagen überhaupt… Der innerste Mond, ja.Genau, dem folgt ein Europa, der ist nicht ganz so durchgeweigt,deswegen offensichtlich auch keine vulkanische Aktivität, aber wahrscheinlichimmer noch genug Einfluss, um den in irgendeiner Form in Bewegung zu halten.
Paul Hartogh 1:21:28
Ja, vulkanische Aktivität ist so die Frage. Auf Island hat man ja Geysire undman glaubt ja auch mindestens drei Anzeichen eines großen Geysirs auf Europa entdeckt zu haben.Da gibt es halt zwei Hubble-Messungen und einmal Messungen vom Erdboden aus,von Hawaii aus im Infraroten.Dort glaubt man tatsächlich Geysire entdeckt zu haben, die etwa 2000 TonnenWasser in die Umgebung von Europa geschleudert haben.
Tim Pritlove 1:21:59
So pro Spritzer.
Paul Hartogh 1:22:01
Pro Spritzer kann man so sagen, ja. Und gut, das Ganze ist so ein bisschen fragwürdig,weil die Signale, von denen man da spricht, sind meistens so 3,3 bis 3,5 Sigma.Das kennt man ja auch vom Higgs-Boson, dass man gesagt hat, bevor wir keineFünf-Sigma-Detektion haben, glauben wir das nicht.Das ist jetzt so die Frage, das ist natürlich eine sehr interessante Fragestellung,weil wenn es tatsächlich diese Geysire geben würde,da hat man halt Wasser gemessen, weil Wasser noch, also von Hubble zum Beispiel,noch am einfachsten zu messen ist, weil es halt sehr, sehr stark absorbiert bzw. imitiert.Dann gibt es vielleicht auch andere Gase, die dort vorkommen.Also wenn tatsächlich so ein Geysir jetzt Wasser aus dem Inneren,im Idealfall von dem Ozean, meinetwegen in 10 Kilometer Tiefe in die Atmosphäreschleudert, dann werden ja möglicherweise auch noch alle anderen Moleküle mitgerissen.Und kann man vielleicht die molekulare Zusammensetzung im Wasser bestimmen?Und da gibt es dann diese berühmte Frage nach diesem Schnopps,also C-A-O-N-P-S, also das sind die sogenannten essentiellen Elemente für Lebensfreundlichkeit.Neuntlichkeit, also Schnopps, C-A-O-M-P-S, so kann man sich das am leichtsten merken.
Tim Pritlove 1:23:26
Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel.
Paul Hartogh 1:23:30
Richtig. Und da ist dann die Frage, also für uns zum Beispiel,wir können unser Instrument so auf hunderte von Spektrallinien einstellen undknapp hundert verschiedene Moleküle oder tausende von Übergängen im Endeffekt.Da ist dann die Frage, finden wir tatsächlich Moleküle, die eins dieser Elemente enthält?Und falls tatsächlich wir feststellen sollten, dass diese Aktivität existiert,werden wir natürlich dann unsere Empfänger auf Moleküle tunen,die dann möglicherweise da gefunden werden oder auch nicht.
Tim Pritlove 1:24:09
Aber ist denn Europa nicht schon beobachtet worden von Galileo und von Juno?Da muss man doch irgendwie was gesehen haben.Also wenn man sich jetzt hier nur auf Hawaii beruft, wundere ich mich ja,warum man nicht schon mal näher hingeschaut hat.
Paul Hartogh 1:24:23
Ja, das ist eben die Idee, warum man halt diese neuartigen Instrumente baut,die halt viel höhere Empfindlichkeit ermöglichen und liefern als eben die mehrin Anführungsstrichen klassischen wie Infrarot-Experimente.Im Endeffekt kommt es bei dieser Spektroskopie immer darauf an,dass man eine sehr, sehr hohe spektrale Auflösung hat.Einfach deswegen, weil die Spektrallinien selber da in dieser Situation im mehroder weniger Vakuum extrem schmal sind.Und ich muss die auflösen können, damit ich die entsprechende Empfindlichkeit habe.Wenn ich ein normales Gitterspektrometer oder FTS im Infrarot nehme,habe ich vielleicht Auflösungen von 5.000, 10.000, wenn es hochkommt und damitkann ich diese Linien nicht auflösen.
Tim Pritlove 1:25:03
10.000 was, so einzelne Linien?
Paul Hartogh 1:25:05
Also das ist praktisch das Frequenzintervall oder die Frequenz geteilt durchdas Frequenzintervall. Also wenn ich zum Beispiel, was weiß ich.Ein Terahertz, sage ich jetzt einfach mal, 10 hoch 12 Hertz als Frequenz desMoleküls habe und löse das auf mit einem Megahertz,dann ist das 10 hoch 12 geteilt durch 10 hoch 6, dann habe ich eine Auflösung von einer Million.Und um alle Linien sicher auflösen zu können, braucht man etwa so 10 Millionen Auflösung.Das heißt, je höher ich in der Frequenz gehe, desto schlechter muss jetzt dieabsolute Auflösung sein, damit ich das Ganze erreiche.Die normalen Gitterspektrometer oder so oder Fourier-Transform-Spektrometerim Paroten, die so fliegen, haben meistens Auflösungen 1000,maximal 5000, vielleicht 10.000.Wenn man eine höhere Auflösung haben will, dann werden sie sehr groß und schwerund schwierig zu fliegen. Also am Boden habe ich durchaus diese Art von Spektrometern.Ich stelle Spektrometern bis Auflösung von vielleicht 100.000.Aber die kann man halt nicht so ohne weiteres fliegen. Und deswegen haben wireine andere Methode angewandt. Das nennt sich Heterodynspektroskopie,mit der ich halt 10 Millionen erreiche.Und dadurch erreiche ich eben die extrem hohe Empfindlichkeit,weil ich die Linien tatsächlich auflöse.Und deswegen hoffen wir eben, dass wir Moleküle sehen können,die man vorher nicht sehen konnte, weil die Empfindlichkeit einfach fehlte.Wir haben zum Teil tausendfach höhere Empfindlichkeit als das,was man da vorher geflogen ist.
Tim Pritlove 1:26:37
Also man war schon da, aber man hatte einfach noch nicht das Instrumentarium,durch Juice wird jetzt alles besser. Genau.
Paul Hartogh 1:26:43
Als Beispiel, man hat jetzt halt, von Hubble beziehungsweise vom Boden aus,eine Empfindlichkeit sowas von, also man hat 2000 Tonnen gemessen mit einerEmpfindlichkeit vielleicht von 600 Tonnen, also 3, irgendwas Sigma.Und wenn wir dort sind, haben wir dann eine Empfindlichkeit,die ist meinetwegen 10 Kilogramm oder 1 Kilogramm. Also wir sind da in fünfGrößenordnungen empfindlicher.Das heißt, wenn da irgendwas rumschwirrt an Geysieren und so weiter,selbst im ganz kleinen Bereich sehen wir das sofort.Und deswegen ist es auch so, wenn wir um Jupiter herumfliegen in der Anfangsphase,wollen wir jeden Tag eine Stundedie Monde beobachten, ob es da irgendeine atmosphärische Aktivität gibt.Wir können die Monde aus Entfernung von einigen Millionen Kilometern beobachtenund trotzdem noch die Atmosphäre entsprechend nachweisen.
Tim Pritlove 1:27:27
So, das heißt, wir haben jetzt Io und Europa schon ein wenig gewürdigt.Ganymed und Callisto sind dann die anderen von den vier großen.Alle außer Io gelten quasi als Eismonde.Also heißt das, dass sie im Wesentlichen aus Wasser bestehen oder nennt mansie Eismonde, weil sie so kalt sind?
Paul Hartogh 1:27:51
Nee, weil wohl der Anteil von leichteren Elementen und Wasser unter anderemrelativ gesehen zu Io größer ist.Also insgesamt ist es ja so, dass die Dichte von innen nach außen abnimmt.Ich weiß jetzt nicht auswendig, aber ich meine, Io hat eine Dichte von 3,6.Ich glaube Europa von 3 und dann Ganymed von 1,8 und so weiter.Also die werden immer leichter sozusagen von innen nach außen.
Tim Pritlove 1:28:19
Das ist so Gramm pro Kubikzentimeter.
Paul Hartogh 1:28:22
Genau, oder Tonnen pro Kubikmeter.
Tim Pritlove 1:28:25
Ja, das geht von 3,5 bis 1,8, wenn ich das hier richtig sehe.Okay, aber so Ganymed und Kalusso haut dich jetzt nicht so vom Hocker,ist nicht so interessant?
Paul Hartogh 1:28:39
Doch, ich meine natürlich haut mich das vom Hocker.
Tim Pritlove 1:28:42
Weil… Ich spüre die Begeisterung noch nicht so richtig.
Paul Hartogh 1:28:46
Ja, ja, ja, natürlich finde ich das auch sehr interessant.Ich meine, wie gesagt, diese Frage der Lebensfreundlichkeit,Habitability im Englischen, ist natürlich auch eine große Frage,Aber damit haben wir eigentlich gar nicht angefangen, sondern da geht es auchwieder um grundsätzliche Fragestellungen.Ganymede ist auch ein sehr breites Gebiet, ein sehr breites Thema und wir speziellinteressieren uns für die Exosphäre oder die Atmosphäre.Und zwar, es gibt dort wohl eine Atmosphäre, man hat Sauerstoff gemessen,man hat CO2 gemessen, man hat Wasser gemessen.Aber da gibt es zum Beispiel die Frage, wie funktioniert die Atmosphäre überhaupt?Was sind die Quellen der Atmosphäre?Was führt dazu, dass dort eine Atmosphäre existiert? Wodurch entsteht die?Und nächste Frage ist dann, was passiert mit dieser Atmosphäre?Sind dort Dichten vorhanden in der Unternehmensphäre, die hoch genug sind?Dass sie stoßdominiert ist, dass ich dort wirklich von der Atmosphäre sprechenkann oder habe ich sowas ähnliches wie jetzt um den Satelliten herum,wie ich vorhin gesagt habe, dass die Moleküle kaum Möglichkeit haben zu stoßen.Das kann ich tatsächlich in einer Art von dynamischem Modell anwenden,um das zu modellieren oder ist das eine rein kinetische Atmosphäre,meinetwegen eine ballistische Atmosphäre, wo irgendwo aus dem Boden Materialin Form von Gas nach oben geschleudert wird und dann irgendwo anders wieder runterfällt.Und wir können dann halt, wie gesagt, wiederum die Dichte messen,wie viele Moleküle sind vorhanden, mit welcher Geschwindigkeit verlassen sieden Boden, in welche Richtung wird dieser Wind in Anführungsstrichen geblasen.Das sind also viele grundsätzliche Fragestellungen, Messungen,die man bisher so noch nie gemacht hat.Jedenfalls nicht bei Monden, vielleicht bei Kometen, Miro, Rosetta.Aber andere Frage sind dann wiederum die isotopische Zusammensetzung.Wir wissen, dort ist Wasser, wir wissen, wir sind sehr empfindlich.Wir können diese Wasseratmosphäre sehr genau charakterisieren und wir könneneben auch sagen, wie das Wasser wiederum sich zusammensetzt und daraus Rückschlüsseziehen, wie der Mond entstanden ist und wo er entstanden ist.Ist der Mond sehr schnell entstanden bei sehr, sehr hohen Temperaturen,was darauf hindeutet, dass wir wahrscheinlich ein sehr niedriges Dezuharverhältnisim Wasser sehen würden oder ist er sehr langsam entstanden und weiter außen.Und wenn er sehr langsam entsteht, kann man davon ausgehen, dass die Temperaturen,die bei der Entstehung entstanden sind, in der Scheibe um Jupiter herum niedrigersind, weil der Energieumsatz entsprechend geringer war beziehungsweise die Wärmestrahlungdazu geführt hat, dass das System mehr gekühlt wurde und so weiter und so fort.Man kann halt anhand der isotopischen Zusammensetzung der Gase,die man dort sieht, Wasser wird man auf jeden Fall sehen, vielleicht sieht manauch noch andere Gase, eben Aussagen darüber machen, wie der entsprechende Mond,Und also Ganymed zum Beispiel in diesem Fall entstanden ist.Das ist also eine völlig andere Fragestellung als diese der Habitabilität,die auch interessant ist.Und man kann auch nicht ausschließen, dass es möglicherweise Geysir oder sowasähnliche Phänomene auch im Ganymed gibt.Wie gesagt, wir haben hier mindestens tausendfache Empfindlichkeit gegenüberallem, was man bisher hatte.Das heißt, wir werden auch sehr kleine und sehr schwache lokale Prozesse sehen können.Und es ist ja so, dass die JUICE-Mission dann irgendwann in einen polaren Orbitum Ganymed einschwenkt.Erst 5000, dann schließlich 500 Kilometer im Durchmesser.Das heißt, man ist sehr nah dran und kann dann halt hochpräzise atmosphärischeMessungen mit sogenanntem Limp-Scanning durchführen,indem man manchmal den Höhenbereich von 0 bis 500 Kilometern immer abscanntund dort dann halt Windetemperaturen und Dichten der Atmosphäre bestimmt,beziehungsweise molekulare Zusammensetzung.Und das ist für uns jetzt eben von sehr großem Interesse, weil es ist also relativ exotisch.Titan hat ja eine sehr dichte Atmosphäre mit 1,5 Bar am Boden und hier sprechenwir eben über Atmosphären, die so etwa der Erdatmosphäre in 90,100 Kilometern Höhe entsprechen.Aber wie gesagt, bei der Erdatmosphäre wissen wir ja, wie die entstanden istund wie die funktioniert und da wissen wir das überhaupt nicht.Also wir wissen überhaupt nicht, wie gesagt, was die Prozesse sind,die überhaupt dazu führen, dass ich dort Gase habe.Also ist es Sublimation, die Sonne scheint praktisch einfach auf den Mond undführt dann dazu, dass Eis sublimiert oder sind es diese hochenergetischen Teilchen, Sputtering,die also dazu führen, dass dort Gasmoleküle die Oberfläche verlassen oder Radiolyseund das sind alles so die verschiedenen Theorien, die es dort gibt.Aber wie gesagt, wenn wir auf Europa zurückkommen als Beispiel.Dort haben wir bisher eine Empfindlichkeit von 600 Tonnen und da kommen wirvielleicht auf, ich weiß jetzt nicht, ich muss jetzt nochmal genau nachreichen,aber vielleicht 600 Mikrogramm Empfindlichkeit.
Tim Pritlove 1:33:32
Was heißt das 600 Mikrogramm Empfindlichkeit? Was ist da empfindlich?
Paul Hartogh 1:33:35
Wenn da jetzt so ein Plum rauskommt, also so ein Geysir,da hat man bisher halt drei bis dreieinhalb Sigma-Detektionen von 2000 Tonnengehabt und wir würden Geysire sehen, die da vielleicht eine Masse haben,anstatt von 2000 Tonnen von ein paar Mikrogramm.
Tim Pritlove 1:33:54
Okay, das ist schon mal eine Ansage.
Paul Hartogh 1:33:57
Ja, das sind also, wie gesagt, jetzt als Beispiel.
Tim Pritlove 1:34:00
Also vorher hat man gesehen, dass da überhaupt irgendwas ist und jetzt würdeman es schon sehr feinfühlig messen können.
Paul Hartogh 1:34:05
Genau, von daher war dieser Mondvorbeiflug ganz interessant.Da hatten wir eigentlich einesogenannte Säulendichte von 2 mal 10 hoch 17 Molekülen pro Quadratmeter.Das sind etwa 7 Größenordnungen weniger als ein Mol Wasser. Ein Mol Wasser sind 18 Gramm.Das sind 6 mal 10 hoch 23 und hier sprechen wir von 2 mal 10 hoch 17.Und da konnten wir richtig dicke Linien sehen. Also in Wirklichkeit haben wirnoch eine Impflichkeit, die etwa 3, 4 Größenordnungen darunter liegt.Und ja, das ist eben das Interessante, man sieht da fast nichts.Also extrem geringe Mengen werden wir dort aufspülen können.Und das kann man natürlich auch mit Massenspektrometern und Massenspektrometersind ja auch in der Vergangenheit geflogen und dadurch bekannt,dass sie eben sehr, sehr geringe Mengen von Stoffen, teilweise auch unbekanntenStoffen, die man dann erst identifizieren muss, finden können.Aber dazu muss man natürlich durch so eine Wolke oder durch eine Atmosphäre durchfliegen.Und das ist ja nicht so einfach.Wenn man weiß, dass dort irgendwie eine Aktivität ist, kann man vielleicht malGlück hat, die Trajektöre des Satelliten zu ändern, dass man da mal irgendwanndurchfliegt, wie zum Beispiel bei Enceladus.Aber wir können das eben halt aus der Entfernung machen. Wir können eben ausgroßer Entfernung bis zu 1, 2, 3, 5 Millionen Kilometer Entfernung diese Zusammensetzung bestimmen.Das ist halt das Neue und eben auch mit extrem hoher Empfindlichkeit.Von daher ist es eben für uns eben doch, allein diese, ich meine das hört sich jetzt sehr speziell an.Tatsächlich diese Exosphären genau analysieren zu wollen oder zu können.Aber es ist eben, bisher weiß man nicht viel.Und das wird uns die Augen öffnen. Wir werden komplett neue Erkenntnisse gewinnen.
Tim Pritlove 1:35:48
Diese Monde, von denen wir sprechen,sind ja auch alle so in etwa in der Größenordnung unseres Mondes.Bisschen kleiner, bisschen größer. Aber auch Titan ist ja auch alles so in derselbenGrößenordnung. Also würden die jetzt quasi um die Erde herumschwimmen,die wären am Himmel so in etwa in derselben Größenordnung.Verwundert das eigentlich so ein bisschen, dass bei so einem Riesenteil wieJupiter die Monde auch nur so vergleichsweise kleine Kleckse sind?Oder ist das jetzt einfach nur so eine spezifische Erdgeschichte,weil wir hier davon ausgehen, dass der Mond dann doch im Wesentlichen wahrscheinlichaus der Erde heraus geschlagen wurde und deshalb relativ groß ist?
Paul Hartogh 1:36:32
Ja, ich denke, das ist wahrscheinlich ein Zufall. Also wie gesagt,der Erdmond ist ja durch diesen Einschlagkörper teilweise höchstwahrscheinlich entstanden,was man allein schon an der eben tatsächlich isotopischen Zusammensetzung derMaterialien des Mondes weiß.Die ist praktisch identisch mit dem, was wir auf der Erde sehen.Und man kann davon ausgehen, dass die Monde des Jupiters also völlig andersentstanden sind, sondern nämlich aus einer Gaswolke, die in der Umgebung desJupiters in irgendeiner Form vorhanden war.
Tim Pritlove 1:37:06
Es ist mehr so eine Resteverwertung als ein großer kosmischer Unfall.
Paul Hartogh 1:37:10
Könnte man vielleicht so bezeichnen, ja.
Tim Pritlove 1:37:13
Da muss man sich ja auch mal klar machen, das haben wir glaube ich auch hierbeim Gespräch um das Saturnsystem gemacht, Jupiter ist ja eigentlich so groß,er ist ja so ein bisschen schon fast so ein verhinderter Stern.Also der ist ja sehr groß und sehr schwer und alles und so weiter,aber es ist halt jetzt einfach so ein Gasriese ein großer Planet,aber es hätte jetzt auch nicht mehr so sehr viel mehr gebraucht, um das Ding auch,selber zu zünden also ein bisschen mehr schon, aber ist ja,schon so, also ich weiß nicht, sehr viel größere Planeten gibt es glaube ichdann auch sonst gar nicht mehr oder?
Paul Hartogh 1:37:53
Doch, denke ich schon, also wenn man sich im Sonnensystem natürlich nicht,aber Wenn man sich Exoplaneten anschaut, gibt es auch durchaus größere.
Tim Pritlove 1:38:01
Bis zum Faktor was ungefähr?
Paul Hartogh 1:38:03
Das kann ich jetzt nicht sagen, aber ich meine, das wäre ja sehr unwahrscheinlich,dass Jupiter allein von der Statistik her der größte Planet wäre.Es gibt sicherlich diese heißen Jupiter. Im Endeffekt ist es so,dass es verschiedene Kategorien von Planeten gibt. Die nennt man dann eben Jupiteroder nennt man Neptun anhand der Masse und der Größe.Aber ich bin überzeugt, dass es also deutlich größere Planeten gibt,weil wie groß ein Planet ist, hängt ja im Endeffekt davon ab,wie viel Material in der Protoplanetanscheibe, aus dem er entstanden ist,vorhanden war. Aber es gibt wahrscheinlich Planeten, die zehnmal so groß im Durchmesser sind.
Tim Pritlove 1:38:36
Ja, aber wenn sie dann eine gewisse Masse haben, dann zünden sie ja dann vielleichtauch irgendwann, wenn sie sich zusammenklappen.
Paul Hartogh 1:38:42
Ja, kommt dann auch auf die Zusammensetzung an. Klar, wenn es nur Wasserstoff ist.
Tim Pritlove 1:38:45
Auf jeden Fall spielt der Jupiter ja im Sonnensystem auch eine besondere Rolle.Nicht nur, weil er jetzt der Größte ist, sondern weil er durch seine Masse jaauch das Gesamtsystem ordentlich durcheinander bringt.Also wir haben ja den Merkur, die Venus, uns, die Erde, dann halt den Mars unddann passiert ja erstmal eine ganze Weile lang nichts, beziehungsweise passiertja eigentlich eine ganze Menge, weil wir ja diesen riesigen Asteroidengürtel haben.Und da fliegt ja auch eine ganze Menge Zeug rum, aus dem ja nie ein Planet geworden ist.Und der Grund dafür ist der Jupiter, weil er einfach mit seiner Gravitationso viel Ärger macht, dass sich einfach diese Asteroiden nie so richtig habenzusammenfinden können.Ist denn das ein geklärter Bereich oder kann man jetzt mit diesen Missionen,die wir dorthin schicken, auch aus diesem Bereich des Asteroidengürtels nochirgendwelche Erkenntnisse gewinnen?Schaut man da einfach nochmal auf irgendwas drauf oder ist das alles schon kalterKaffee, interessiert keinen mehr?
Paul Hartogh 1:39:47
Ne, das ist natürlich kein kalter Kaffee, aber ich glaube rein aus praktischenGründen wird man jetzt mit der Juice-Mission keine Asteroiden untersuchen können,einfach weil man nicht genug Treibstoff hat.Also man wählt eine Trajektüre natürlich hauptsächlich danach,um mit möglichst viel Energie dort anzukommen und wenn man Glück hat,liegt dann auf dem Weg irgendwie ein Asteroid, den man sich anschauen kann.Es ist mal tatsächlich diskutiert worden, ob man die Bahn nicht ein bisschenändern kann, um dort irgendwelche Untersuchungen zu machen.Das ist aber im Endeffekt verhofft worden. Was natürlich nicht heißt,dass jetzt die Erforschung des Asteroidengürtels nicht interessant wäre.Das ist natürlich an sich schon interessant.Und nach wie vor, also zum Beispiel ein interessantes Gebiet,was mir gerade so einfällt, sind die sogenannten Mainbelt-Kometen.Also Asteroiden, die tatsächlich so eine Art Kometenschweif hinter sich herziehen.Und die Frage ist, wie kommt das überhaupt dazu?Weil man ja glaubt, dass Kometenschweife entstehen durch Ausgasen,zum Beispiel von Wasser oder anderen Molekülen, die dann sozusagen den Stauban der Oberfläche mit sich mitreißen.Man hat aber erst bei einem dieser Mainbelt-Kometen, ich glaube letztes Jahroder vorletztes Jahr, mit dem James-Webb-Teleskop letztes Jahr überhaupt Wasserentdecken können, während zig andere Messungen nichts gefunden haben.Das ist die Frage. Was sind eigentlich die Prozesse, die dann dazu führen,dass tatsächlich so ein Staubschweif entsteht?Ist das vielleicht ein völlig anderer Prozess als Ausgasen? Das ist natürlichauch noch eine von vielen Fragen.Dann gibt es natürlich die Leute, die interessiert wären, die Zusammensetzungdes Oberflächenmaterials sich anzuschauen. also Sample Return,Um dann mit viel höherer Genauigkeit.
Tim Pritlove 1:41:27
Da gibt es ja eine Menge Missionen, vor allem die Amerikaner und die Japaner ganz eifrig dabei.
Paul Hartogh 1:41:31
Hayabusa, genau, Osiris Rex.Und ja, dann eben die Frage der Asteroiden im äußeren Asteroidengürtel, der Kohlenkondriten,wie viele Organe des Materiales vorhanden ist, wie ist die genaue Zusammensetzung,wie viel Wasser ist dort vorhanden.
Tim Pritlove 1:41:53
Was genau bezeichnet man als den äußeren und den Hauptgürtel?Wir reden jetzt schon noch immer nur von dem Bereich zwischen Mars und Jupiter,der teilt sich nochmal in verschiedene Bereiche.
Paul Hartogh 1:42:04
Ja, verschiedene, die dadurch charakterisiert sind, dass sie eben eine verschiedeneEntfernung von der Sonne haben und deswegen der Solare Fluss,der Energiefluss der Sonne halt immer weiter abnimmt und es wird halt immerkälter und irgendwann ist man so, dass ist man in einem Bereich,wo im Wassereis existieren kann,während im inneren Bereich das Wassereis eben weg sublimieren würde und somitauch die Zusammensetzung entsprechend.
Tim Pritlove 1:42:32
Ja, verstehe. Also Asteroid ist nicht gleich Asteroid, sondern hängt schon einbisschen davon ab, wo man ist.
Paul Hartogh 1:42:36
Ich bin kein Experte, hängt nicht nur davon ab, wo man ist. Es gibt auch natürlichan sich kohlige, nicht kohlige Konteriten, es gibt dann Eisenmeteoriten, alles mögliche.
Tim Pritlove 1:42:46
Okay, also aber für Juice ist das erstmal kein Thema. Ist ja eigentlich auchganz gut, wenn man einen Weg wählt, wo man jetzt nicht unbedingt mit Asteroidenkollidieren würde, weil das will man ja dann auch nicht.Ja, was birgt denn so die Zukunft für den Jupiter?Also gut, jetzt ist natürlich die Zukunft erstmal Juice und haben wir jetztschon gehört, da geht es erstmal hart an die Atmosphäre ran.Ist dann in Zukunft, geht es dann noch darum,noch genauer hinzuschauen, Instrumente zu bauen,die nochmal höhere Frequenzen machen und dann macht man dasselbe einfach nochmalmit Faktor 10 bis 100 oder wäre es eigentlich so für die Jupiter-Erforschung wichtiger,dass man mehr auf Lander geht, dass man also wirklich auf die Monde herabsteigt,dass man irgendwas in den Jupiter rein versenkt.Wonach schreit das Jupitersystem?Das möchte doch bestimmt von uns erforscht werden. Was wünscht sich denn derJupiter, wie wir uns ihm annähern?
Paul Hartogh 1:43:56
Ja, zunächst muss man sagen, man muss natürlich jetzt erstmal abwarten,was diese Mission, was Juice zum Beispiel, Euclipa bringt.Was gibt es an neuen Erkenntnissen? Und ähnlich wie die Cassini-Mission ja Erkenntnissezum Beispiel über Enceladus gebracht hat Und jetzt ist geplant,in der Zukunft Missionen zu entwickeln,die entweder sehr oft an Enceladus vorbeifliegen oder auf Enceladus sogar landen.So ähnlich wird es dann auch bei der Jupiter-Mission sein. Ich vermute mal,es werden neue Erkenntnisse, jede Menge neue Erkenntnisse gewonnen werden undbasierend auf diesen Erkenntnissen wird es Ideen geben, was man als nächstes machen kann.Die Ideen, dass man jetzt auf den Monden landet und dort irgendwelche Untersuchungenmacht, die sind natürlich trotzdem schon lange da und gerade Europa,da gab es ja Ideen, sich durch die Eisschicht durchzuschmelzen und dann einU-Boot unter der Eisschicht fahren zu lassen, um zu untersuchen, was da so passiert.In dieser Richtung gibt es natürlich alles mögliche, aber das ist energetisch,wie gesagt, im Moment nicht möglich.Dann müsste man zunächst mal ein Atomkraftwerk da oben auf der Oberfläche installieren,das genügend Energie liefert, damit man sich durch eine 10 Kilometer Eisschicht durchschmelzen kann.Aber grundsätzlich ist es natürlich, klar, es ist immer interessant,dass man jetzt zum Beispiel Dragonfly auf Titan landet und dort sich das allessehr genau anguckt, wie zum Beispiel ja auch einige Leute.
Tim Pritlove 1:45:12
Also Dragonfly ist der von mir angesprochene Sporber.
Paul Hartogh 1:45:15
Genau, das ist die nächste Frontiersmission, die dann auch viermal so teuerbisher schon ist, wie sie eigentlich ursprünglich hätte werden sollen.Und genau wie auf Mars. Sample Return ist eben interessant oder Elon Musk möchteja sogar auf Mars landen und dann durch Astronauten die Oberfläche erforschen lassen bzw.Eine Stadt dort aufbauen. Und wenn natürlich Leute auf dem Mars sind,sind natürlich die Forschungsmöglichkeiten nochmal wieder ganz andere,als wenn man das alles remote mit Robotern macht, weil man ja vor Ort sieht,was da gerade so passiert.Und von daher kann man sich alle möglichen Sachen ausdenken.Das meiste sind schöne Gedankenexperimente, weil es praktisch nicht durchführbarist aufgrund der Kosten und der nicht vorhandenen Technologie und der nichtvorhandenen Möglichkeit,größere Raumschiffe dorthin zu transportieren mit entsprechenden Ressourcen,die man braucht, um etwas entsprechend aufzubauen.Nichtsdestotrotz gibt es Vorschläge für eine Vorbeiflugmission von Io.Also da ist dann die Idee, dass man also relativ tief über die Vulkane fliegtund dann über Aerogel oder andere Möglichkeiten versucht Material,was die Vulkaner ausstoßen, also Festkörpermaterial einzufangen.
Tim Pritlove 1:46:35
Wie man das auch schon bei Kometen gemacht hat, dass man hinter dem Kometenherfliegt und in diesem Aerogel, also in diesem super leichten Stoff,ich weiß gar nicht, wie soll man den beschreiben, ich habe sowas mit meinerHand gehabt, das finde ich bemerkenswert leicht,also wie so ein super durchsichtiger Schwamm quasi, wo dann halt die kleinenTeilchen einfach drin hängen bleiben und wenn man das dann wieder zurückführt,dann kann man eben diese Partikel da sich rauspuppeln.
Paul Hartogh 1:46:59
Genau, das ist vielleicht etwas, was auch schwierig ist, aber vielleicht nochrealisiert werden kann in absehbarer Zeit. Da gab es halt auch Vorschläge.Aber wie gesagt, so Landen, Sample Return, das sehe ich in nächster Zeit nicht.Es gibt ja auch Leute, die sehr gerne Sample Return für Venus machen würden,für die Oberfläche, was wissenschaftlich sicherlich auch sehr interessant ist.Aber es ist auch technisch sehr anspruchsvoll wegen der hohen Drücke und der hohen Temperaturen.
Tim Pritlove 1:47:26
Und Jupiter ist halt einfach super weit weg, wenn man da wieder zurück muss,das ist eine lange Reise.
Paul Hartogh 1:47:31
Richtig, richtig. Das ist ja bisher eben überhaupt noch nicht gelungen,dass man an der Oberfläche landet und dann halt wieder startet.Das muss man erstmal können und nachweisen, dass es geht.Das ist ja jetzt für Mars, wird das Ganze diskutiert. Beim Mond hat man dasnatürlich gemacht, klar.Und die Chinesen wollen es ja jetzt auch bei der Tianhe-Ven-3-Mission beim Marsdurchführen, glaube ich sogar bis Ende des Jahrzehnts.Aber das muss erstmal gelingen und sowas beim Mars zu machen mit einer Atmosphäre,wo man im Prinzip mit Fallschirmen Energie abbauen kann oder bei einem atmosphärenlosenKörper, das ist nochmal wiederum eine andere Dimension, also einem Körper mitSchwerkraft und Atmosphären.Ohne Atmosphäre ist natürlich, bedeutet man braucht noch mehr Energie und wirdentsprechend schwieriger und teurer.Alles theoretisch machbar, aber wahrscheinlich nicht darstellbar im Rahmen derfinanziellen Möglichkeiten.
Tim Pritlove 1:48:22
So, jetzt muss ich aber trotzdem noch fragen, was ist dein Lieblingsmond aufdem Jupiter? Hast du einen?
Paul Hartogh 1:48:28
Äh, ja, ich meine...
Tim Pritlove 1:48:30
Oder sind bei dir alle Kinder gleich?
Paul Hartogh 1:48:32
Also im Moment ist es eigentlich so, ja, ich kann mich nicht so entscheidenzwischen Ganymed und Europa.
Tim Pritlove 1:48:37
Tatsächlich Ganymed.
Paul Hartogh 1:48:39
Ja, beide haben so, also Ganymed deswegen, weil wir uns halt sehr intensiv damitbeschäftigt haben, wie dann wohl eine solche Atmosphäre überhaupt entstehenkann und so weiter und so fort.Und Europa eben, weil da ja angeblich diese Blumes gemessen wurden, diese Geysire.Und wenn es die wirklich gibt, falls es die geben sollte, interessiert michnatürlich, wie sind die jetzt molekular zusammengesetzt?Und haben wir da tatsächlich Zeichen davon, dass es Lebensfreundlichkeit unter dem Eis gibt?Aber wie realistisch das nun ist, das wissen wir erst, wenn wir dort sind.Ob es da Aktivität gibt, das ist das Interessante, denn eben wenn wir im Jupiter-Orbitsind und aus ein paar Millionen Kilometer Entfernung die Monde beobachten können,dann können wir aus ein paar Millionen Kilometer Entfernung schon sagen,ob dort tatsächlich irgendeine Aktivität stattfindet. Oder nicht?Und das Ganze finde ich eben sehr spannend.Ist da eigentlich Aktivität? Man hat jetzt ein paar Mal von Hubble oder sonstwie irgendwie was gemessen.Ist das jetzt permanent vorhanden oder ist das so ein transienter Prozess,der mit irgendeinem anderen physikalischen Prozess zu tun hat?Und gibt es tatsächlich so eine Art Tektonik da und dass irgendwann die Plattenso übereinander stehen, dass es Möglichkeiten gibt, dass Wasser von unten andie Oberfläche gelangt und so weiter und so fort.Das sind viele interessante Fragen. Für mich persönlich sind diese beiden aminteressantesten natürlich IO im Endeffekt, auch deswegen, weil er permanentaktiv ist und wir auch aus großer Entfernung die Zusammensetzung dieser Abgasfahnen gemessen können.Wir haben, wie gesagt, diese Möglichkeit, sehr, sehr viele verschiedene Molekülezu sehen und da machen wir dann immer die sogenannten Line-Surveys,dass man den gesamten Bereich mal durchstimmt und guckt, ob man nicht irgendeinMolekül entdeckt, was vorher noch nicht entdeckt wurde.
Tim Pritlove 1:50:20
Ja, dauert ja alles nicht mehr so lange. In zehn Jahren treten wir schon indie Umlaufbahn um Ganymed ein. Ist ja quasi morgen.
Paul Hartogh 1:50:31
Naja, die Missionen, also die Ideen fingen 2005 an, also 19 Jahre haben wirschon hinter uns und die letzten zehn Jahre gehen dann schnell vorbei.
Tim Pritlove 1:50:40
Timeline, ja. Na gut, schauen wir mal.Ich habe ja schon über so einige Missionen berichtet, die dann irgendwann auchmal angefangen haben, dort anzukommen.Demnächst geht es ja dann bei Bibi Colombo zum Beispiel auf der anderen Seite los, etc.Und das, ja, mal gucken, wie lange ich den Podcast hier noch mache,dann kriege ich vielleicht die Ergebnisse hier auch nochmal berichtet.Paul, vielen Dank für die Ausführungen.Jetzt wissen wir mehr über die atmosphärische Situation am Jupiter,auch wenn wir noch nicht so richtig viel wissen.Aber demnächst ein bisschen mehr wissen.Ja, und ich sage auch vielen Dank fürs Zuhören hier bei Raumzeit. Das war's mit der 123.Und ihr wisst, bald geht es wieder weiter. Bis dahin sage ich Tschüss und bis bald.

Shownotes

Themen und Gesprächspartner für Raumzeit gesucht

Raumzeit bringt Euch jetzt schon seit gut 14 Jahren in Kontakt mit dem Weltraum und hat dabei einen weiten Bogen geschlagen. Zunächst als Gemeinschaftsprojekt mit ESA und DLR gestartet lag der Fokus anfangs noch stark auf deren Kernkompetenz: dem Raumfahrtbetrieb und der damit verbundenen Wissenschaft mit dem Schwerpunkt auf Deutschland und Europa.

Als ich dann vor 10 Jahren Raumzeit komplett selbst übernommen habe, hat sich das Themenbild erweitert und es gab mehr Einblicke in kosmologische Aspekte und andere Bereiche wie z.B. die Erforschung des Weltraums vom Boden aus.

Weitere Sendungen sind geplant doch wurde mir klar, dass viele Bereiche bereits gut besprochen wurden und sich manches ggf. wiederholen würde. In den nächsten Jahren ist sogar die Zahl neuer europäischer Missionen recht überschaubar und so stellte sich mir die Frage, ob es Themen gibt, die ich hier aufgreifen sollte, die ich vielleicht selbst noch nicht so im Fokus habe.

Daher würde ich mich über Euer Feedback freuen. Gibt es Themen, die Ihr Euch mehr (oder wieder) wünschen würdet? Habt ihr konkrete Vorschläge für bestimmte Missionen, Forschungsbereiche, Wissenschaftsfelder oder Technologien, die ich genauer in den Fokus nehmen sollte? Für solche Vorschläge wäre eine Rückmeldung hier in den Kommentaren sehr hilfreich für mich.

Oder seid Ihr vielleicht selbst im Raumfahrt- und Forschungsumfeld unterwegs und wüsstet sogar konkrete Gesprächspartner:innen, die zu einem bestimmten Projekt oder Thema kompetent und unterhaltsam Auskunft geben könnten, die ich mal ansprechen sollte? Dann würde ich mich über eine E-Mail unter raumzeit@metaebene.me sehr freuen.

RZ122 Cosmic Dawn

Ein Blick auf die Frühzeit nach dem Urknall, der Lichtwerdung des Universums und der Entstehung der ersten Galaxien

Laut der aktuellen wissenschaftlichen Sichtweise ist das Universum aus einer Singularität heraus durch eine dramatische Expansion entstanden: dem Urknall. Dabei war alle die Materie die das All heute ausmacht auf einen einzelnen Punkt konzentriert und die daraus resultierende Temperatur machte auch noch mehrere hundertausend Jahre der Ausdehnung später unmöglich, dass sich auch nur Atome bildeten, was dann aber irgendwann geschah.

Trotzdem war das Universum dann noch lange für Licht ein undurchdringbares Medium bis die ersten Sterne mit ihrer Strahlung sich langsam einen Weg bahnten bis das transparente Weltall entstand. Erste Galaxien bildeten sich und legten die Grundlage für die Ausprägung des Weltalls wie wir es heute kennen.

Dauer:
Aufnahme:

Anne Hutter
Anne Hutter

Ich spreche mit der theoretischen Physikerin Anne Hutter vom Cosmic Dawn Center am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen über diese Phasen der Weltwerdung, welche physikalischen Grundlagen diese Entwicklung erklären und welche wissenschaftlichen Maßnahmen unternommen werden, um dem Wesen des Urknalls und seinen Folgen auf die Spur zu kommen.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:35
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Prittlaff und ich begrüße euch hier zur 122.Ausgabe von Raumzeit.Und heute bin ich mal wieder auf Reisen gewesen,oder bin es gerade, und zwar hat mich der Weg geführt nach Kopenhagen,Konkret ans Nils Bohr-Institut in das Cosmic Dawn Center und Cosmic Dawn,der Name kündigt es ein wenig an.Wir blicken heute mal richtig weit zurück ins Universum und gucken uns mal an,wie denn da die Sonne mal aufgegangen ist.Und um darüber zu sprechen, begrüße ich meine Gesprächspartnerin,nämlich die Anne, Anne Hutter. Schönen guten Tag.
Anne Hutter 0:01:25
Hallo Tim.
Tim Pritlove 0:01:26
Herzlich willkommen bei Raumzeit. Anne,du bist hier als theoretische Physikerin, als Postdoc unterwegs hier am NielsBohr-Institut eben in diesem Cosmic Dawn Center und das gemeinsam mit vielenanderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern,die sich dem Universum verschrieben haben, kann man sagen.
Anne Hutter 0:01:49
Ja, genau.
Tim Pritlove 0:01:53
Da gehen wir gleich mal drauf ein. Es würde mich natürlich erst mal interessieren,was deine eigene wissenschaftliche Reise so bisher gewesen ist.Womit hat es denn angefangen bei dir mit der Wissenschaft?Hast du schon als kleines Kind im Sandkasten Atome resoniert?
Anne Hutter 0:02:11
Okay, nicht als kleines Kind.Aber ich glaube, zumindest als Teenager war mir ziemlich klar,ich will Astronomie oder Astrophysik machen.
Tim Pritlove 0:02:20
Warum?
Anne Hutter 0:02:21
Das weiß ich bis heute nicht. Ich weiß nur, ich mochte die ganzen Star TrekFilme und ich weiß bis heute nicht, ob es die waren, die mich auf diese Routegebracht haben oder andersrum.
Tim Pritlove 0:02:34
Was ist denn dein Lieblingscharakter bei Star Trek gewesen?
Anne Hutter 0:02:37
Spock. Natürlich.
Tim Pritlove 0:02:38
Das hätte ich jetzt auch schon vorher sagen können. Faszinierend.Gut, und dann bist du es auch geworden.
Anne Hutter 0:02:48
Ja, dann ging es ziemlich schnurstracks. Ich habe Physik in Würzburg studiert,obwohl meine Bachelorarbeit noch nicht in der Astrophysik war.Das habe ich dann erst zum Master geschafft.Dann bin ich weitergegangen. Während meines Masterstudiums habe ich einen Vortragüber den kosmischen Mikrowellenhintergrund gehalten.Und fand das super spannend, was man im Prinzip aus, ja eigentlich nur so einerKarte, im Prinzip was für Informationen man da rauslesen kann und was man danndarüber lernen kann, wie das Universum sich eigentlich gebildet hat.Das fand ich sehr spannend und dann wollte ich eben auch in die Richtung wasmachen und hab mich eben umgeguckt und bin dann am Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam gelandet.
Tim Pritlove 0:03:38
Wann?
Anne Hutter 0:03:41
Ende 2010 habe ich dann dort angefangen. Und dann war ich da bis Anfang 2015.Und dann bin ich danach für einen Postdoc nach Melbourne,nach Australien gezogen, an das Center for Astrophysics and Supercomputing vonder Swinburne University und war dann drei Jahre dort und bin dann in die Niederlande,an das Kapteininstitut an der Universität Groningen.Und Australien und die Niederlande sind ja beide sehr radio dominiert,wenn es geht um Radiowellen.Echt? Ja, das hängt dann auch im Prinzip so ein bisschen mit meiner Forschungzusammen, obwohl ich Theoretikerin bin.
Tim Pritlove 0:04:30
Ja, warum sind die Länder so darauf fixiert? Das war mir noch gar nicht so klar.
Anne Hutter 0:04:36
Ich glaube in den Niederlanden ist es hauptsächlich historisch.Australien liegt wahrscheinlich daran, dass die etliche Bereiche haben,wo im Prinzip niemand lebt.
Tim Pritlove 0:04:44
Die können überall Teleskope aufstellen.
Anne Hutter 0:04:47
Im Prinzip ja, alles, kein Radio.
Tim Pritlove 0:04:51
Insofern passt natürlich jetzt Holland da gar nicht so richtig im Vergleich.Aber inwiefern ist das in der Geschichte der Niederlande?
Anne Hutter 0:04:59
Weiß ich nicht.
Tim Pritlove 0:05:00
Also jetzt in der Wissenschaftsgeschichte kommen einfach viele Radioforscher.
Anne Hutter 0:05:04
Die haben zumindest eins, ich glaube der ältesten, bin mir nicht sicher.Also sie haben zumindest eins einen sehr älteren Radioteleskope und ja,das hat sich irgendwie so rauskristallisiert.
Tim Pritlove 0:05:16
Okay, die haben da ein Ding am Laufen, wir nehmen das jetzt einfach mal so hin.Jeder hat so seine Spezialisierung, aber dass Niederlande und Australien daauf derselben Schiene sind, das war mir selber noch nicht so ganz bewusst.Okay, war das einfach da immer zu wechseln? Also wird man da so einfach durchgereichtoder ist das ein großer Aufwand, sich da zu bewerben und genommen zu werden?
Anne Hutter 0:05:37
Ja, sicherlich. Ich meine, mittlerweile sind diese ganzen Stellen ziemlich kompetitiv.Ja, ich weiß es nicht. Dich haben sie genommen. Ich habe immer wieder eine Stelle gefunden.Insofern ist es vielleicht nicht ganz repräsentativ.
Tim Pritlove 0:05:57
Vielleicht, die Frage ist eher so in Richtung, ob die sozusagen, also ob das,dann auch immer so Institute sind, die dann auch viel ohnehin schon miteinanderzu tun haben, dass da so ein natürlicher Flow zwischen den Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftlern ist,dadurch, dass sie sich auch mit ähnlichen Themen beschäftigen und vielleicht halt… Ja.
Anne Hutter 0:06:17
Teilweise. Ich sag mal in dem Fall nicht unbedingt, aber sie haben natürlichteilweise ähnliche Forschungsschwerpunkte, was natürlich…,Macht dann Sinn, dass man von dem einen zu dem anderen geht.
Tim Pritlove 0:06:31
Okay. Und so war es dann wahrscheinlich auch hier.
Anne Hutter 0:06:33
Genau.
Tim Pritlove 0:06:35
Ja, das Cosmic Dawn Center. Seit wann gibt es das?Und wie wurde das so?Also es ist ja, wenn ich das richtig sehe, so eine Kooperation der Uni Kopenhagenund der Technischen Universität, die auch so das National Space Institute,ist das vergleichbar mit dem DLR?Also ist das sozusagen hier so der Körper in Dänemark, der sich so um Raumfahrt kümmert?
Anne Hutter 0:07:00
Ich weiß nur, dass sie auch Instrumentierung machen. Insofern würde ich dasannehmen, aber wissen tue ich das nicht genau.
Tim Pritlove 0:07:07
Aber die sind ja auf jeden Fall mit drin und das ist sozusagen der Grund,warum das hier eingerichtet wurde.
Anne Hutter 0:07:14
Ja, einer der Gründe. Ja, der Cosmic Dawn Center wurde 2018,glaube ich, hat das angefangen.Und im Prinzip das ist so eine, wie sich das hier nennt, Exzellenzzentrum,wo der Dänische Forschungsbund im Prinzip Geld für zehn Jahre gibt,für die Forschung, die sozusagen da beantragt wurde.Ja, man sozusagen fokussiert auf ein Thema oder auf einen Themenblock forschenkann und auch Wissenschaftler anstellen kann, um das zu bearbeiten.Und ja, der Cosmic Dawn Center selber ist sehr fokussiert im Prinzip auf dasJames Webb Space Telescope.Hauptsächlich eben, um diese Daten auch auszuwerten. Im Prinzip war die Idee,eins der vielen internationalen Zentren zu sein, wo man spezialisiert daraufist, das alles auszuwerten und zu interpretieren.
Tim Pritlove 0:08:10
Also es war schon so klar in der Voraussicht, irgendwann wird man das Ding auchmal gestartet bekommen und wenn es dann losgeht mit dem Datenstrom,muss ja auch jemand geben, der sich diesem Datenstrom annimmt.Das ist natürlich weltweit der Fall.James Webb beschäftigt glaube ich derzeit sehr viele.James Webb war ja hier auch bei Raumzeit schon ein Thema.Also einerseits im Mittelpunkt einer Sendung Raumzeit 93 mit Günter Hasinger,wo wir generell drüber gesprochen haben, was das Ding so kann und machen soll.Auch konkret wird auch die ganze Provisionierung der Wissenschaft dann letztenEndes läuft von der ISA von Madrid aus.Aber natürlich mittlerweile auch bei fast jedem Thema spielt irgendwie JamesWebb in irgendeiner Form eine Rolle, weil das einfach in so viele Bereiche rein strahlt.Ja, und hier ist das sozusagen im Zentrum des Geschehens, aber es ist vielleichtnicht die einzige Datenquelle, die hier ausgewertet wird, oder?
Anne Hutter 0:09:20
Nein, das ist nicht das einzige Datenquelle.Es werden auch viele Beobachtungen mit ALMA, also auch ein Radioteleskop.
Tim Pritlove 0:09:32
In Chile in der Atacama-Wüste, das gibt es ja schon sehr lange.
Anne Hutter 0:09:36
Ja, das ist glaube ich ein zweites großes Standbein und jetzt eben seit letztemJahr auch Euclid, das langsam auch kommt.
Tim Pritlove 0:09:47
Genau, also der Satellit, der auch ein weiteres Weltraumteleskop,was sich ja auch auf die Suche nach dunkler Materie und dunkler Energie gibt, Galaxien beobachtet,hier bei Raumzeit in Sendung Nummer 117 ein ausführliches Thema schon gewesenund mittlerweile eben auch gestartet und mittlerweile kommen auch Daten.Also da geht es schon richtig los.Ja, gut. Dann kommen wir nochmal so ein bisschen auf dein Forschungsfeld,weil du hast dich ja jetzt sozusagen dieser Phase auch sehr verschrieben.Also Cosmic Dawn heißt ja literally sozusagen quasi das Morgengrauen des Universums,so könnte man das ja definieren.Sprich, es geht um die Frage, was ist denn eigentlich nun damals passiert?Und ich denke, jeder hat schon mal so ein bisschen was vom Urknall gehört.Also sozusagen das aktuelle wissenschaftliche Bild, ein Modell kann man sagen, eine Idee,wie all das zusammenpassen kann, was wir bisher beobachtet haben.Und was wir uns aus unseren Vorstellungen, wie Physik funktioniert und Einsteinund anderen immer wieder bestätigten Theorien so zusammenbauen können,wie das alles zusammenpasst mit dem, was wir beobachten.Aber das ist halt nach wie vor ein Feld, was sich auch schwer beobachten ließ,weil es halt einfach alles schon lange her ist.Und ich finde es immer wieder faszinierend, weil ich denke, das ist auch vielenLeuten nicht so klar, dass ja der Blick ins All ja auch immer ein Blick in die Zeit ist.Wenn wir einen Stern sehen, dann ist das Licht ja nicht gerade vor zehn Minutenentstanden, sondern es ist halt teilweise Millionen und teilweise Milliarden Jahre her,dass dieses Licht erzeugt und auf die Reise zu uns geschickt wurde und so diesesexpandierende Universum.Bietet uns sozusagen beliebig viel Beobachtungstiefe, nur gab es eben dieseInstrumente bisher nicht, um eben auch beliebig tief reinzuschauen.Also beliebig tief können wir immer noch nicht reinschauen, aber es hat sichja einiges getan und durch James Webb ist jetzt eben nochmal so eine ganz neueZeit eigentlich angebrochen, kann man sagen.Also ein neues Zeitalter der Beobachtung, wo wir jetzt also jahrzehntelang eigentlichimmer alles so ein bisschen dominiert war von Hubble,dem Weltraumteleskop, was ja jetzt glaube ich vor ein paar Tagen schon mal soin den vorübergehenden Ruhestand geschickt wurde.Also es ist noch da, aber man glaubt, es hält nicht mehr lang.Und um es noch erhalten zu können, sind sozusagen viele Systeme jetzt schonmal runtergefahren worden.Aber jetzt ist halt James Webb gelauncht und ist ja auch super erfolgreich gestartetund sieht ja auch so aus, als ob es sehr viel länger auch am Leben erhaltenwerden kann, als man sich das halt da am Anfang nur erträumen können.Und wie schon gesagt, jetzt kommen halt diese Daten.Jetzt reichert sich sozusagen auch wieder ein Blick mit Daten an,der ja vorher eigentlich nur in der Theorie entstanden ist.Was ist denn jetzt sozusagen unser aktuelles Bild,also das der Wissenschaft sozusagen,was ist sozusagen bisher der kleinste gemeinsame Nenner, der Konsens,was da mal wohl passiert ist und womit fing es an oder was ist der frühesteZeitpunkt, von dem wir eine Meinung haben,wie es vielleicht angefangen sein könnte, um es mal ganz zurückhaltend zu formulieren.
Anne Hutter 0:13:40
Ja, also der früheste Zeitpunkt, den wir tatsächlich sehen können,ist die sogenannte kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung.Und im Prinzip, wenn wir anfangen nach der Urknalltheorie gehen,dann hatten wir den Urknall und da gab es eine Phase, in der das Universum ganzschnell expandiert ist.Währenddessen sind dann auch danach dann die ganzen Teilchen haben sich geformt.
Tim Pritlove 0:14:08
Was ist denn der Blick dann drauf, aus was es expandiert ist?Also nicht was es war, aber wie klein wird es irgendwann mal gewesen sein, alles?
Anne Hutter 0:14:18
Im Prinzip der Urknall in sich selber ist eine Singularität, im Prinzip ein Punkt.Also im Prinzip von einem Punkt zur Dimension.
Tim Pritlove 0:14:27
Indem sich alles befindet, was wir heute sehen und meinen zu sehen.Das ist mindboggling, oder? Das ist schwierig. Wie gehst du damit um?Singularität und so. Kann man sich das irgendwie vorstellen?Ist das irgendwie abbildbar?
Anne Hutter 0:14:48
Ich würde sagen, nein. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich glaube,das ist so ein bisschen wie Quantenmechanik.Ich habe es gelernt zu akzeptieren und als abstraktes Konzept irgendwie damit zu arbeiten.Aber es ist sehr schwierig vorzustellen, weil es komplett anders ist,als was wir sehen oder erleben.
Tim Pritlove 0:15:08
Gut, ich meine, es kann ja auch sein, dass das so ein sehr vorübergehender Zustandist. Und ganz kurz davor war es schon wieder ganz anders.Man weiß es nicht.
Anne Hutter 0:15:17
Okay, gut.
Tim Pritlove 0:15:18
Aber das ist sozusagen das Bild. Also das muss man sich ja mal klar machen.Jetzt hätte ich fast gesagt Stecknadelkopf, aber es ist ja eigentlich mehr die Stecknadelspitze.
Anne Hutter 0:15:26
Ja.
Tim Pritlove 0:15:27
Okay, und in dem war alles und das expandiert. Und dann?
Anne Hutter 0:15:31
Im Prinzip werden es expandiert. Also man muss sich vorstellen,es war am Anfang wie ganz heiß. Und werden es expandiert, kühlt es im Prinzip auch ab.
Tim Pritlove 0:15:41
Und es ist sozusagen alles, was wir an Materie heute wahrnehmen und auch vielleichtMaterie, die wir heute noch nicht,oder die wir nur indirekt wahrnehmen, die auch noch nicht die Struktur hat,in der wir es heute wahrnehmen.
Anne Hutter 0:16:00
Und im Prinzip haben sich auch erst in dieser allerersten Phase dann nach dieserExpansion eigentlich die Teilchen gebildet.Und irgendwann ist das Universum im Prinzip, also in bestimmten Punkten bestehtes im Prinzip aus den klassischen Komponenten, die wir kennen.Protonen, Neutronen, Elektronen und auch Strahlung natürlich.Und die waren ja bis zu knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall.Haben die sozusagen, was wir sagen, Wechselwirkung, also die Strahlung ist dannan Elektronen oder an Protonen gestoßen und dann haben die sozusagen ihre Energieangeglichen aneinander und damit hatten die immer ungefähr die gleiche Energie.Aber irgendwann ist das Universum im Prinzip 400.000 Jahre nach dem Urknall,so weit abgekühlt, dass das nicht mehr möglich ist.
Tim Pritlove 0:16:49
Dass was nicht mehr möglich ist?
Anne Hutter 0:16:51
Dass sozusagen die Strahlung nicht mehr oft mit den Teilchen interagiert.Im Prinzip kann man sich vorstellen, dann ist der Abstand einfach zwischen denTeilchen schon so groß, dass die Wahrscheinlichkeit für diese Strahlung,dass sie ein Teilchen treffen, sehr gering ist.Und was dann passiert ist, ist im Prinzip, dass wir eigentlich erst dann dieElemente im Universum gebildet wurden, als der Wasserstoff, das ist der Punkt.
Tim Pritlove 0:17:20
Also wenn wir sagen die Teilchen, dann reden wir von dem kompletten Teilchen Zoo,von dem Standardmodell der Physik,also da haben wir noch keine Atome und vielleicht ein Elektron,Aber alles ist sozusagen die kleinste Einheit,von der wir heute meinen zu wissen,dass sie alles ausmacht, auch wenn wir noch keine Erkenntnis darüber haben,aus was diese Teilchen wiederum bestehen und auch entstanden sind.Das heißt, man muss sich das sozusagen vorstellen wie so eine heiße Gas-Plasma-Wolke,also alles ist eins sozusagen, um mal metaphorisch zu sprechen.Ich finde das irgendwie sehr wichtig, sich das so vorzustellen,dass da nicht sozusagen ein fertiges Universum einfach nur größer geworden ist,sondern eigentlich ist eigentlich,wenn man das jetzt mal rückwärts denkt, ist das ganze Universum zusammen komprimiert worden,bis es so heiß wurde, bis es in sich geschmolzen nur noch irgendwie aus,was auch immer dann das Kleinste ist, was es sein kann, nur noch daraus besteht.Und jetzt ist sozusagen der Urknall, ist rückwärts das Ganze abgespielt, dieser Film.Es wird irgendwie größer und es ist aber alles heiß.Also heiß, und jetzt reden wir wahrscheinlich von Abermillionen von Grad heißoder wie heiß, also furchtbar heiß.
Anne Hutter 0:18:55
Ja, ich nehme...
Tim Pritlove 0:18:57
Also nicht, was eine normale Sterntemperatur heiß ist, sondern noch heißer.
Anne Hutter 0:19:03
Ja, definitiv noch heißer.
Tim Pritlove 0:19:05
Ähm,Und du sagst jetzt 400.000 Jahre und dann ist das alles überhaupt erst soweitabgekühlt, dass es anfangen kann,dass die Teilchen überhaupt ordentlich miteinander interagieren können,um daraus zusammengesetzte Teilchen zu bauen.
Anne Hutter 0:19:24
Ja, dass wir eigentlich erst die ersten Atome formen können.Vorher war das im Prinzip nicht wirklich möglich.
Tim Pritlove 0:19:28
Also es gab in dem Sinne auch vorher keine Protonen oder so,also die ganzen Quarks, die flogen dann alle noch einzeln rum?
Anne Hutter 0:19:38
Die gab es schon. Man kann sich das ungefähr so vorstellen.Je kleiner der Baustein ist, desto früher hat er sich im Prinzip geformt.Und dann mit der Zeit bilden sich aus den kleinen Bausteinen sozusagen die größeren.Und die 400.000 Jahre ist im Prinzip wirklich die Krönungsstufe,die allerletzte Stufe, wenn wir tatsächlich die Atome bilden.
Tim Pritlove 0:20:03
Aber wie groß war dann das Universum zu diesem Zeitpunkt?Wenn es sich extrem expandiert, wie groß ist es dann vermutlich erstmal geworden,um überhaupt erstmal Atome bilden zu können?Ist das irgendwie eine darstellbare Größe? Ist das überhaupt noch vorstellbar? Also es ist schon...
Anne Hutter 0:20:27
Naja, Pi mal Daumen ist es ungefähr, man kann es sich vorstellen,tausendmal kleiner als heute.
Tim Pritlove 0:20:33
Tausendmal? Okay, also schon recht groß. Weil tausendmal kleiner ist ja...
Anne Hutter 0:20:37
Ungefähr, also größenordnungsmäßig.
Tim Pritlove 0:20:40
Okay. Also schon eine beträchtliche Expansion.
Anne Hutter 0:20:44
Jaja, definitiv groß. Also ich sag mal, nee, nicht irgendwie 10 Zentimeter oder 10 Meter.
Tim Pritlove 0:20:48
Naja, keine Ahnung. War ja nicht dabei.
Anne Hutter 0:20:52
Nee, schon ziemlich groß.
Tim Pritlove 0:20:53
Okay, gut. Und dann erst nimmt die Temperatur so sehr ab, dass überhaupt erstmaleine Interaktion möglich ist zwischen den Teilchen.Und dann haben wir Atome, beziehungsweise wahrscheinlich nur genau eine Art von Atom.
Anne Hutter 0:21:09
Ja, im Prinzip in dieser Phase wird dann Wasserstoff gebildet.Und das einzige andere Teilchen, was sich danach auch noch bildet, ist Helium.Und es gibt auch noch ein bisschen Lithium, aber mehr wird eigentlich nicht gebildet.Also das sind alle Teilchen, die es dann quasi gibt.
Tim Pritlove 0:21:27
Also im Periodensystem halt eins, zwei und drei.
Anne Hutter 0:21:30
Ja.
Tim Pritlove 0:21:30
Ein Proton, zwei Protonen.
Anne Hutter 0:21:32
Und mehr existiert da auch noch nicht zu der Zeit.
Tim Pritlove 0:21:34
Warum jetzt nicht noch das nächste Element? Also warum ein bisschen Lithiumund warum ist dann da Ende?
Anne Hutter 0:21:43
Im Prinzip macht das energetische im Prinzip nicht so wirklich.Sind sozusagen die Kräfte noch nichtstark genug, dass man die energetisch miteinander verschmelzen könnte.Dazu braucht man im Prinzip nachher dann diese Massen und diese Kräfte,die sozusagen dann in Sternen herrschen.
Tim Pritlove 0:22:06
Also das nächste wäre dann Beryllium gewesen, was hätte folgen müssen.Und dafür brauchst du dann schon Sternenbrut sozusagen, um dann was zu machen.Also das ganze Weltall besteht jetzt im Wesentlichen aus Wasserstoff und Helium, kann man sagen.Und sehr viel mehr Wasserstoff als Helium, nehme ich mal an.
Anne Hutter 0:22:27
Ja, im Prinzip ja.
Tim Pritlove 0:22:30
Und ist das jetzt schon der Moment, wo diese Hintergrundstrahlung entsteht oderkommt das erst noch später?
Anne Hutter 0:22:38
Nee, das ist genau der Punkt, als sie entsteht. Im Prinzip kann man sich vorstellen,bis zu diesem Zeitpunkt waren die Teilchen und die Strahlung im Gleichgewicht,also hatten dieselben Energie.Und plötzlich wird sozusagen die Strahlung wie losgekoppelt von diesen Teilchen.Also die bleibt dann auch, die hat so eine bestimmte, wir sagen Temperatur,also die dann sozusagen auch die Temperatur, die damals im Universum herrschte, darstellt.Und wir sehen sie auch heute sozusagen, ja im Prinzip bei dieser Temperatur,obwohl natürlich sich das Ganze auch rot verschiebt.Also wir wissen dann auch genau, wir können die Temperatur dann auch eigentlichgenau messen, die es dann dort gab, genau.Und das ist eben das Spannende. Also diese Hintergrundstrahlung ist eben eigentlich sehr homogen.Also es gibt nicht viele Fluktuationen. Also wenn nur ganz kleine und die sindvier, fünf Größenordnungen kleiner als die Temperatur an sich.Also wenn man die Temperatur nimmt und dann hat man 10.000 bis 100.000 mal kleinereTemperaturfluktuationen.
Tim Pritlove 0:23:43
Ich habe da noch ein Verständnisproblem mit dieser Hintergrundstrahlung.Also ich stelle mir das jetzt so vor, man hat so diesen riesigen Blob,so ein tausendstel Universum groß,also sehr groß und diese Temperatur,die dann zu diesem Zeitpunkt herrscht und die bis dahin ja so im Wesentlichengleichmäßig verteilt war bis auf diese kleinen Fluktuationen,die ist ja jetzt nicht nur am Rand des Ganzen, sondern die ist ja überall.Jetzt expandiert das irgendwie weiter.Ist dann nicht diese Temperatur auch weiterhin überall?Warum nehmen wir die sozusagen aus der Ferne wahr und warum ist die nicht überall?
Anne Hutter 0:24:26
Sie ist überall.
Tim Pritlove 0:24:26
Sie ist überall.
Anne Hutter 0:24:27
Auch heutzutage. Also heutzutage ist sie überall. Und wir können sie auch messen.Also die ersten Messungen wurden zum Beispiel mit dem COPI-Satelliten gemacht.Und dann kam WMAP und die letzte Mission war im Prinzip die Planck-Mission,die es genau auskartiert hat im Prinzip.
Tim Pritlove 0:24:47
Aber die Strahlung kommt ja sozusagen aus der Ferne zu uns.Oder ist das falsche Bild?
Anne Hutter 0:24:57
Ja, ich würde mal mehr sagen, man kann sich vorstellen, vielleicht man hat verschiedeneStrahlungskomponenten, die in ganz verschiedene Richtungen gehen und es gibtquasi ja nicht eine Quelle.Im Prinzip waren im Universum ja überall, wurde diese Strahlung sozusagen losgeschickt.Deswegen kommt sie sozusagen von überall.Selbst wenn sich das Universum expandiert, im Prinzip relativ dehnen sich jaauch diese, wenn wir jetzt sagen, wir haben ganz, ganz viele Quellen,die dehnen sich ja mit aus.Und insofern, ja, vielleicht ist das, wie man es sich vorstellen kann,dass es von überall kommt.
Tim Pritlove 0:25:31
Und diese Fluktuationskarte, viele werden das wahrscheinlich schon mal gesehenhaben, es wird oft so grün, blau, rot, blau dargestellt,dann hat man halt so diese ganze Ellipse, also quasi einmal so der Blick rundherum,so ein 360 Grad Foto und darin kann man sozusagen diese Temperaturschwankungen sehen.Und das Ganze ist ja wie so ein Foto vom Universum zu dem Zeitpunkt,aus dem man dann Dinge rauslesen kann, reden wir bestimmt gleich drüber.Würde ich jetzt dasselbe machen, aber von einer anderen Stelle aus im Universum?Würde die Karte genauso aussehen oder anders?
Anne Hutter 0:26:12
Prinzipiell sollte sie ziemlich gleich aussehen.
Tim Pritlove 0:26:14
Also es ist wirklich sozusagen ein universelles Bild.Also das gilt so überall, überall war diese Strahlung gleich verteilt oder sah sie gleich aus.
Anne Hutter 0:26:28
Ja, statistisch definitiv.
Tim Pritlove 0:26:32
Was können wir der jetzt ansehen? Was sagen diese Fluktuationen aus?Was kann man daraus deuten? Weil es hat ja zu einiger Begeisterung geführt,auch die Bilder von Planck und so.
Anne Hutter 0:26:44
Im Prinzip sind diese Fluktuationen, die wir dann sehen, also manche Stellen,wo es wärmer oder wo es kälter ist,die sagen uns im Prinzip aus, wo das Universum anfangs ein Tick dichter undein Tick weniger dicht war.Und im Prinzip sind das sozusagen die ersten Überdichten.Das sind dann auch die Regionen, in denen wahrscheinlich die Materie sich anfängtzu kollabieren oder zusammenzuziehen und dann auch die ersten Sterne darin zu entstehen.Insofern gibt es uns eine Idee, wie sozusagen überhaupt die Struktur,also wir sagen die großräumige Struktur im Universum damals ausgesehen hat.
Tim Pritlove 0:27:31
Ja, weil so rein statistisch betrachtet, auch wenn alles im Wesentlichen eineTemperatur hat, hat es nicht alles dieselbe Temperatur, sondern hier war esein Tick mehr und da war es ein Tick weniger und das sind dann sozusagen so diese Fehlstellen,die sich dann über die Zeit verstärkt haben.Wo es irgendwo mal heißer war, dann ist es dann auch heißer geblieben.Wo es mal kälter war, ist es dann auch kälter geworden.Und während sich halt alles so auseinander zieht, waren das dann vermutlichauch die Stellen, die dann später dazu geführt haben, wo sich die Materie angereichert hat.Weil wenn man sich heute das Universum anschaut, dann bildet es ja Stellen aus,wo weniger ist, die Voids, also nicht komplett leer,aber da ist dann halt nicht so viel, da hängen nicht so viele Galaxien rum,während die Galaxien alle sich in so längeren Straßen in diesen Filamenten rumtummeln.Und wenn irgendwo mal eine Galaxie ist und wo eine Galaxie ist,ist eine andere nicht weit entfernt, kann man es mal so sagen.Es gibt wahrscheinlich auch ein paar, die völlig verloren in irgendeinem Voidrumhängen und sich fragen, wie sie da jetzt hingekommen sind.Also das hängt sozusagen unmittelbar oder davon geht man derzeit aus,dass das unmittelbar zusammenhängt.
Anne Hutter 0:28:47
Ja, ja, ja, im Prinzip, ja.
Tim Pritlove 0:28:51
Dann springen wir doch mal wieder zurück in diesen Moment, wo also jetzt dieAtome sich geformt haben.Was ist dann als nächstes passiert?
Anne Hutter 0:29:02
Im Prinzip haben wir es eigentlich schon jetzt angesprochen.Das Spannende ist jetzt im Prinzip, man kann sich vorstellen,die Strahlung kann keine Ansammlung mehr von Teilchen sozusagen zerschießen.Wenn zum Beispiel jetzt die Teilchen angefangen haben mit der Gravitation zuklumpen, dann kann die Strahlung diesen Klumpen nicht mehr aufweichen.Und somit kann die Materie immer weiter sich anreichern und verklumpen.Und das wird dann immer alles dichter und dichter. Und damit formen sich dann die Strukturen.Und in der klassischen Theorie, wenn man das sozusagen in erster Ordnung zum Beispiel rechnet,wenn man annimmt, man hat eine homogene eine Massenverteilung,also gleichförmig verteilt und sich dann fragt, wie sowas eigentlich kollabiert.Was man dann rauskriegt ist, dass man Flächen bildet.Also die kollabieren sozusagen in einer Dimension und dann bilden sich in dernächsten Dimension, dann kommen diese Straßen, von denen du gesprochen hast,also wir nennen die Filamente.Und die letzte Struktur ist dann, wenn du mehrere Filamente hast,dann kannst du, was wir sagen, dann halos.Das sind, ja, Ja, sozusagen mehr kugelförmige, nicht kugelförmige Gebilde,die dann eben nochmal dichter werden und in denen entstehen dann die ersten Galaxien.
Tim Pritlove 0:30:28
Aber mit Galaxien geht es ja nicht los, man braucht ja erstmal ein paar Sterne für Galaxien.
Anne Hutter 0:30:32
Ja, gut. Die Definition, was ist eine Galaxie, ist natürlich dann auch nochmal zu diskutieren.Ob man sowas schon mit ein, zwei Sternen sagt, das ist jetzt eine Galaxie.
Tim Pritlove 0:30:46
Also die Sternentstehung beginnt. Und wie schnell ist das dann vorangegangen?Also ich meine, okay, jetzt ist das irgendwie alles expandiert,400.000 Jahre, so wumms, dann bilden sich schlagartig Atome.Also das dürfte ja dann wahrscheinlich auch ein relativ schneller Prozess gewesensein, weil es ja dann sozusagen auch überall sofort oder mehr oder weniger sofortdieselben Bedingungen geherrscht haben.Also wurde sozusagen mit so einem Fingerschnips ab einer bestimmten erreichtenniedrigeren Temperatur wandelte sich auf einmal alles in Wasserstoff um, kann man fast sagen.
Anne Hutter 0:31:23
So ungefähr, ja.
Tim Pritlove 0:31:23
Ein bisschen Helium. Und dann standen sich die Anturbe sozusagen gegenüber unddann ging das Gravitationsspiel los,dass dann Gas sich zusammenfindet, sich anzieht und dann ist sozusagen Sternenentstehungmehr oder weniger automatisch das nächste, was passiert.Kann man das so sehen oder ist das zu einfach gedacht?
Anne Hutter 0:31:46
Im Prinzip. Also diese Zusammenfindung von dem Gas, wir nennen das den Zeitraumsozusagen die Dark Ages, die dunklen Zeiten, in denen es im Prinzip noch kein Licht gab.Und die ersten Sterne, man weiß es nicht so genau, sind wahrscheinlich 100 bis200 Millionen Jahre nach dem Urknall, haben sich wahrscheinlich gebildet.Und das ist eben in diesen Verdichtungen passiert, wo das Gas so dicht ist,dass es anfängt unter dem Gravitationsdruck zu kollabieren.
Tim Pritlove 0:32:26
Also wir sind jetzt von 400.000 Jahre, wo sich das ganze Gas bildet,mal eben 100 Millionen Jahre nach vorn.
Anne Hutter 0:32:33
Weitergereiht.
Tim Pritlove 0:32:33
Und das sind die dunklen Zeiten. Ja. Okay, die Dark Ages.
Anne Hutter 0:32:38
Dark Ages, ja.
Tim Pritlove 0:32:39
Und wie nennt man die Phase davor? Überhaupt einen Namen?
Anne Hutter 0:32:43
Ja, das ist die Phase der Rekombination. Also Rekombination.Im Prinzip sagt man, wenn man das Wasserstoff nimmt, vorher war es im Prinzipein Proton und ein Elektron.Also war es sozusagen ionisiert und dann wurde es sozusagen kombiniert.Warum sie Rekombination sagen, weiß ich nicht.
Tim Pritlove 0:33:06
Weil es überhaupt erstmal kombiniert wurde.
Anne Hutter 0:33:08
Ja, genau.
Tim Pritlove 0:33:11
Okay, Begriffsunschärfer.Ionisiert heißt ja, das Elektron ist irgendwie nicht da.
Anne Hutter 0:33:18
Sozusagen.
Tim Pritlove 0:33:19
Das war quasi der Zustand, weil es vorher sich gar nicht zusammenfinden konnte.Aber dann haben sich halt die Protonen gebildet und dann haben die sich quasidie Elektronen dann geschnappt und dadurch hatte man dann Atome.Und das ist die Kombination oder die Rekombination. Also das ist sozusagen die erste Phase.Dann geht es halt los mit dem Wasserstoff, der dann auf dem Weg ist, sehe ich jetzt.Aber dann dauert es halt einfach mal. Ich meine, 100 Millionen Jahre ist jajetzt nicht nix, sozusagen.Und die Phase heißt dann wie?
Anne Hutter 0:33:51
Dark Ages. Ja, man muss sich das auch vorstellen.Ich meine, bei der Rekombination war alles noch sehr gleichförmig verteilt.Und wenn wir uns dann angucken, wie dicht etwas sein muss oder diese Gasansammlungsein muss, damit sich Sterne formen, das sind ja verschiedene Größenordnungeneben sozusagen auch höher.Und das braucht eben auch seine Zeit, dass es sich überhaupt formen kann.
Tim Pritlove 0:34:17
Okay, und dann haben sich diese Sterne gebildet, aber man konnte sie nicht sehen. Warum nicht?
Anne Hutter 0:34:23
Man könnte sie vielleicht zum Teil sehen. Also diese Sterne bilden sich und senden Licht aus.Und wir wissen ja von der Rekombination, der Wasserstoff, der war zu dem Zeitpunkt immer noch neutral.Das heißt, das Elektron und das Proton blieben beieinander.Und was jetzt passiert, wenn die allerersten Sterne sich formen,die senden ja auch Licht aus, was relativ energetisch ist, also ultraviolette Strahlung.Und diese ultraviolette Strahlung ist energiereich genug, dass sie das Wasserstoffatomwieder ionisieren kann.
Tim Pritlove 0:35:02
Also sie kickt das Elektron raus. Ist das jetzt die einzige Strahlung,die diese Sterne von sich gegeben haben?Man würde jetzt erwarten, die geben alle möglichen Strahlung von sich,aber nur der ultraviolette Anteil ist in der Lage, diese Elektronen wieder ausden Atomen rauszuschießen, die sie jetzt gerade erst gefunden haben. Ist ja auch dramatisch.
Anne Hutter 0:35:23
Ja, genau. Aber sie geben sozusagen,für Sterne ist es relativ genau eine Schwarzkörperstrahlung ungefähr.Also es ist eine Verteilung über verschiedene Wellenlängen oder Energiebereiche.Und die ultraviolette Strahlung ist sozusagen mehr der energiereichere Teil.Man kann sich jetzt zum Beispiel auch vorstellen, je heißer ein Stern ist,was eigentlich auch damit korreliert, dass er größer und massereicher ist,wenn er heißer ist, desto mehr energiereiche Strahlung entsendet er auch.Und dementsprechend, je mehr massereiche Sterne ich habe, desto mehr von dieserStrahlung, die Wasserstoff ionisieren kann, wird auch gebildet.Um jetzt auf deinen eigentlichen Punkt wieder zuzukommen, warum man diese Sternevielleicht dann nicht wirklich sieht.Also können wir uns vorstellen, dass der energiereiche Teil der Strahlung vondem Wasserstoff, der teilweise in der Galaxie ist, aber auch außerhalb,also wir nennen zum Beispiel den Wasserstoff und auch das Helium,zwischen den Galaxien intergalaktisches Medium.Weil im Prinzip, wir haben ja nicht nur Galaxien, sondern überall anders auch das Gas.Und diese Strahlung, die ultraviolette Strahlung von den Sternen,ionisiert dann oder fängt an zu ionisieren den Wasserstoff im intergalaktischen Gas.Und man kann sich das jetzt vorstellen, das ist wie eine Welle,die sich so langsam ausbreitet.Im Prinzip ist es eher eine Sternansammlung, was so eine erste Galaxie ist.Das Licht wird ausgesendet, fängt an, den Wasserstoff im intergalaktischen Gas,das direkt um die Galaxie ist, anzujonisieren. Und dann kann es ja,wenn es den ersten Wasserstoff ionisiert hat, kann es sozusagen weiter durchgehen.Weil es ja den ersten Teil, den er schon ionisiert hat, absorbiert ja nichtmehr diese ultraviolette Strahlung.
Tim Pritlove 0:37:28
Dann breitet sich das langsam auf.
Anne Hutter 0:37:30
Genau, und dann breiten sich diese ionisierten Gebiete langsam mehr und mehr aus.
Tim Pritlove 0:37:35
Also alles ist sozusagen eine riesige Gassuppe.So stelle ich mir das vor. Und durch die Verdichtung über diese Millionen vonJahren bilden sich dann halt die Sterne.Die Sterne sind ja im Prinzip eine Zusammenklumpung von Gas,dann setzt halt die Fusion ein, dann wird das eben verbrannt,das kennen wir ja von unserer Sonne auch.Aber sind halt einfach noch umgeben von diesem neutraler Wasserstoff,wo sozusagen alles dabei ist.Und erst durch ultraviolette Strahlung, also durch besonders energetische Sonnen,wird dann diesem Wasserstoff sozusagen die Elektronen weggekickt.Sind dann nach wie vor noch Wasserstoffatome, aber die haben halt einen Elektron weniger.Oder keins mehr. Es ist ja eh nur eins da.Ist ja eigentlich ziemlich fies. Und jetzt haben sie sich gerade erst gefunden, ähm.Und das dauert natürlich dann eine Weile, aber in dem Moment,wo das stattfindet, dann hebt sich sozusagen diese Strahlung,also in dem Moment, wo die Strahlung auf das Atom trifft, wird das Elektronweggeschossen, aber damit ist dann die Strahlung quasi weg.Also sie ist dann vollständig energetisch absorbiert, es strahlt dann nicht darüber hinaus.Das ist dann sozusagen der Trade, der dann gemacht wird.Strahlung kommt, Elektronen wird rausgekickt und das hat dann diese Energiein dem Moment vernichtet.Sprich, es braucht dann noch mehr Strahlung, damit dann die dahinterliegendenAtome auch noch kommen und so weiter. Und so breitet sich das langsam aus.Und das ist dann sozusagen diese Reionisierung des Weltalls,die sich jetzt, naja, ich meine, in kosmischen Dimensionen dauert das dann jadann wahrscheinlich auch eine Weile.
Anne Hutter 0:39:27
Ja.
Tim Pritlove 0:39:28
Also das ist ja dann sozusagen eine Stück für Stück, eine Beendigung dieserDark Ages, kann man das so sehen?
Anne Hutter 0:39:36
Ja, ich würde sagen, die Dark Ages, die enden wirklich mit der Entstehung derersten Sterne, während diese Phase der Ionisierung ist.
Tim Pritlove 0:39:45
Eine neue Phase.
Anne Hutter 0:39:47
Ist im Prinzip eine neue Phase.
Tim Pritlove 0:39:50
Und wie lange braucht die dann, bis sozusagen alles durchionisiert ist?
Anne Hutter 0:39:56
Ungefähr na, Na, wahrscheinlich 800, 900 Millionen Jahre ungefähr.Ja, momentan sehen wir das ungefähr, wenn das Universum eine Milliarde Jahrealt ist, dass im Prinzip diese Reionisierung abgeschlossen ist,dass das Gas zwischen den Galaxien im Prinzip alles ionisiert ist, der Wasserstoff.
Tim Pritlove 0:40:17
Das heißt, das ist jetzt auch der Normalzustand. Der ganze Wasserstoff,der da rumhängt, hat keine Elektronen mehr.
Anne Hutter 0:40:22
Ja.Das ist heutzutage immer noch so.
Tim Pritlove 0:40:27
Aber nur deshalb kann jetzt Strahlung, die von Sternen kommt, beliebig weit reisen.
Anne Hutter 0:40:34
Ultraviolette Strahlung.
Tim Pritlove 0:40:35
Ultraviolette Strahlung.
Anne Hutter 0:40:36
Die andere Strahlung, die niederenergetisch ist, die können wir sehen.
Tim Pritlove 0:40:40
Also normales Licht kam schon immer durch?
Anne Hutter 0:40:45
Das sollte soweit eigentlich durchkommen.
Tim Pritlove 0:40:48
Warum sagt man dann, dass das Universum undurchsichtig war, wenn das Licht durchkommt?
Anne Hutter 0:40:54
Da wird eben sozusagen darauf zurückgegangen, dass es diese ultraviolette Strahlungist, die so absorbiert wird.Das ist im Prinzip auch genau der Effekt, was man sich zunutze macht, um Galaxien,also die ersten Galaxien überhaupt zu detektieren oder zu bestimmen,zu welcher Zeit, wie alt ist diese Galaxie im Prinzip.Und genau das ist dieser Effekt, dass man eben sagt,okay, zu dem Zeitpunkt war noch der Wasserstoff vorhanden,er kann sozusagen alle Strahlung energiereicher als eine bestimmte Wellenlängeabsorbieren und dann sieht man nichts und alles,was energieärmer ist, sehen wir.Das heißt, wenn man dann guckt, dann sieht man sozusagen in den Spektren,wir nennen das ein Lime Break.Dann sieht man diese Breaks. Und je nachdem, wo dieser Break ist,können wir sozusagen feststellen, wie alt die Galaxie oder wann sie in der Geschichtedes Universums, wie wir sie jetzt gerade sehen.
Tim Pritlove 0:42:00
Aber nur noch zum Verständnis, weil es wird ja immer gesagt,das Universum sei undurchsichtig gewesen. Das stimmt in dem Sinne eigentlich gar nicht.Also das Licht, was wir sehen, das nicht ultraviolette Licht,das konnte schon immer weiterziehen oder ist es auch von irgendetwas aufgehalten worden?
Anne Hutter 0:42:20
Ich meine, die andere Komponente, die das etwas sozusagen runterdimmt,ist, wenn man hat die erste Generation der Sterne, die sich formen.Und dann sterben die massereichsten Sterne als erstes und die produzieren jadann tatsächlich auch die schweren Elemente, also hauptsächlich Sauerstoff,Stickstoff, Kohlenstoff.Und diese Elemente bilden dann auch in den Galaxien, was wir Staub nennen.Und Staub kann auch sozusagen die andere Strahlung absorbieren.Und im Prinzip, wenn man sich das vorstellt, man hat diese Sternansammlung unddie produziert jetzt Staub und dann bildet sich Staub um diese Sterne,dann kommt selbst wenn die jetzt sozusagen nicht ultraviolette Strahlung aussenden,kann diese Strahlung teilweise von diesem Staub absorbiert werden.Und damit wird es noch weiter gedimmt.Der andere Punkt, mit dem das vielleicht verwechselt werden kann,ist, dass wenn die Sterne früh im Universum ihre Strahlung aussenden,die kommt ja bei uns rot verschoben an.Das heißt, wenn das Universum sich ausdehnt, wird die sozusagen immer energieärmerund damit schiebt sie sich immer mehr ins Rote,sodass was damals ultra oder sichtbar war, eben heutzutage eher im Infrarotist und da für uns nicht mehr wirklich sichtbar.
Tim Pritlove 0:43:56
Aber natürlich schon noch, also nicht für uns sichtbar, nicht für Menschen sichtbar,aber für unsere Instrumente natürlich sehr wohl sichtbar.Das ist ja genau das, was jetzt das James Webb Teleskop so schön macht.Okay, aber jetzt verstehe ich auch den Punkt.Also es gab im Prinzip zwei Unsichtbarkeiten, die zusammenkamen.Das eine ist die ultraviolette Strahlung, die noch von dem neutralen Wasserstoffabsorbiert wurde. Die kam nicht durch.Es gibt ja auch noch andere Strahlenkategorien, noch höher energetische Strahlungwird vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, aber das war sozusagen das,was vor allem vorgeherrscht hat.Das, was wir als Licht bezeichnen, also unter dem ultravioletten Spektrum,das wurde zwar von diesem neutralen Wasserstoff nicht aufgehalten, aber.Aber der ganze Prozess war ja mit Sternenbildung verbunden und am Anfang hatsich eben sehr viel zusammengeklammert.Und du sagst es ja schon, die Sterne, die massereichen Sterne,also umso größer sie sind, umso schneller sterben sie.Das ist ja im Prinzip die Regel bei Sternen. Das heißt,die ganze Zeit sind Sterne entstanden, sind dann auch verhältnismäßig,also alles natürlich jetzt im universellen Maßstab,relativ schnell wieder verpufft und haben in dem Moment durch die Fusion dieneuen Elemente erzeugt, die ja sozusagen alles auch ausmachen,was heutzutage für uns zumindest relevant ist, weil ohne Sauerstoff,Stickstoff und so weiter wären wir irgendwie nicht so wirklich da.Sprich, da ist dann diese Elementefabrik dann angeworfen worden und dadurchwurde all diese ganze Wasserstoffsuppe noch um weitere Elemente bereichert,die dann wiederum das normale Licht auch aufgehoben haben.Und von daher war das alles noch eher dunkel. Also es ist nicht so,dass jetzt überall komplett das Licht aus war, aber es ist auch nicht so diesternenklare Nacht gewesen, wie wir das heute sozusagen wahrnehmen.
Anne Hutter 0:46:00
Ja, man kann da jetzt noch unterscheiden. Man kann sich vorstellen,wenn man ganz sozusagen kleine Galaxien, und mit klein meine ich eben nichtviel Masse, die noch nicht viele Sterne gebildet haben, dann kann man sich vorstellen,die haben noch nicht viel Staub.Weil da haben noch nicht viele Sterne sozusagen gelebt und sind gestorben.Während wenn man sich massereichere Galaxien anschaut,dann sind da ja viel mehr Generationen von Sternen schon entstanden und dannauch sozusagen gestorben oder als Supernovae explodiert im Prinzip. Ja.Und damit hängt dann auch, wie viel von der Strahlung, die von den Sternen abgegebenwird, von diesem Staub absorbiert wird, eben von der Staubmasse ab und auchwie viel Staub schon produziert wurde.Und das ist wahrscheinlich für massereichere Galaxien ein bisschen höher als für masseärmere.
Tim Pritlove 0:47:00
Jetzt haben wir, wenn ich es richtig sehe, jetzt eigentlich die wilde Phasejetzt einmal so besprochen.Urknall, alles irgendwie ein dickes Plasma,dann kombiniert sich das Material zusammen zu Wasserstoff,dann entstehen die Sterne, durch die Sterne wird der gerade schon erst entstandeneWasserstoff seiner Elektronen wieder,beraubt, sozusagen.Dadurch kann Strahlung in jeder Hinsicht überall rum und Und es bilden sichhalt Sterne, es bilden sich auch automatisch Galaxien von Sternen,weil kein Stern so für sich alleine bleibt.Und wir blicken jetzt sozusagen auf die erste Milliarde Jahre Zeit des Universums.Und ab da kann man sagen, geht es in Anführungsstrichen normal weiter.Ist das so oder gibt es da jetzt noch eine Phase, die nochmal irgendwie andersist als das, was wir heute sehen?
Anne Hutter 0:48:05
Es unterscheidet sich zu dem Zeitpunkt schon sehr stark, wie es dann weitergegangen ist.Ich würde nicht sagen, dass es eine Milliarde nach dem Urknall schon so aussahwie heute. Wir sind dann immer noch in der Phase, in der in den meisten Galaxienviel Sternentstehung passiert.Und das geht auch eine ganze Weile weiter.Und erst später kommt die Phase, man kann sich das so vorstellen,man hat die Galaxie und die wachsen ja, indem sie sozusagen das Gas immer weiteransammeln, was im intergalaktischen Medium ist.Wenn man sich das so vorstellt, ja im Prinzip wird der Kontrast immer höher.Also die Galaxien kriegen immer mehr Gas und da, wo vorher kein Gas oder wenigGas wird, dann ist da noch weniger Gas.
Tim Pritlove 0:49:01
Also diese Filamente bilden sich noch stärker heraus.
Anne Hutter 0:49:03
Genau, genau. Der Kontrast dieser Filamente wird noch stärker.Und jetzt kann man sich natürlich vorstellen, je mehr Gas man hat,desto mehr Gas gibt es auch im Stern entstehen zu lassen. Das heißt,diese Phase der Sternentstehung geht noch eine Weile weiter.Und dann gibt es aber den Punkt im Universum, wo wir sehen, dass die allgemeineSternentstehungsrate,also wenn wir uns alle Galaxien zu einem Zeitpunkt anschauen und uns überlegen,wie viele Sterne haben die gebildet, dann sehen wir, das steigt an bis zu einembestimmten Zeitpunkt und dann sinkt es ab.Und das liegt wahrscheinlich daran,dass im Prinzip nicht mehr so viel Gas akkreditiert oder angesammelt wird.Und dann fangen an die Galaxien, ich will nicht sagen sterben,aber sie haben natürlich kein Gas, sie können nicht mehr viel mehr Sterne finden.
Tim Pritlove 0:49:53
Schreibstoff ist alles.
Anne Hutter 0:49:54
Genau. Okay. Und dann ändern sich eben auch wie die Galaxien aussehen.
Tim Pritlove 0:50:00
Wenn man jetzt so eine Kurve zeichnen würde, wie viele Sterne entstehen zu einem bestimmten Zeitpunkt.Wie lange geht das dann sozusagen, bis der erste wirklich nennenswerte Knick kommt?Also wann wurde das Gas alle? Knapp.
Anne Hutter 0:50:17
Jetzt bin ich der klassische Astronom und weiß das natürlich nur in Rotverschiebung.
Tim Pritlove 0:50:22
Ja, das ist dann ein Z-Wert.
Anne Hutter 0:50:24
Nehme ich mal an. Genau.
Tim Pritlove 0:50:25
Und welcher ist das?
Anne Hutter 0:50:27
Na, bei Rotverschiebung zwei. Bis dahin steigt es sozusagen an und dann fängt es an abzusinken.
Tim Pritlove 0:50:34
Also Z, muss man vielleicht mal erklären, Rotverschiebung, das ist so ein Faktor,den man nimmt, um das schnell mal zu klassifizieren.Umso höher dieser Wert, umso älter ist das Licht.
Anne Hutter 0:50:46
Genau.
Tim Pritlove 0:50:47
Und wenn man so ganz am Anfang schaut, dann ist man so bei 14 oder sowas.
Anne Hutter 0:50:53
Also, Rionisierung endete bei Rotverschiebung 6. Ja. heute sind wir bei Rotverschiebung 0,und angefangen hat Reionisierung um Rotverschiebung wahrscheinlich 20.
Tim Pritlove 0:51:07
Ah, okay. Okay, das ist doch mal ein brauchbarer Maßstab.Weil so in Milliarden Jahre zu reden ist auch irgendwie, weiß ich nicht, schwer handhabbar.Was ist der Unterschied zwischen 5 Milliarden Jahre und 10 Milliarden Jahre?Das kann man sich irgendwie nicht mehr so richtig vorstellen.
Anne Hutter 0:51:25
Nee, nee, in der Tat nicht. Ich finde es auch immer sehr amüsant,wenn Astronomen sagen, das passiert ganz schnell, dann sagen sie,das ist eine Million Jahre, das ist nichts.
Tim Pritlove 0:51:35
Ja, das stimmt.Jetzt noch mal die Zahlen. Also bei 20 ging es los, dann bei 6 war was?
Anne Hutter 0:51:49
Die Regenisierung zu Ende. Und bei 20 hat im Prinzip diese Sternentstehungsrateangefangen zu steigen und sie steigt ungefähr bis Rotverschiebung 2.
Tim Pritlove 0:52:01
Okay, also das hielt lange an sozusagen.
Anne Hutter 0:52:04
Das hielt ziemlich lange an. Ja, man muss jetzt aufpassen, Rotverschiebung 1war vor 6 Milliarden Jahren, glaube ich, ungefähr.
Tim Pritlove 0:52:11
Also es ist jetzt keine lineare Geschichte oder so?
Anne Hutter 0:52:14
Nee.
Tim Pritlove 0:52:14
Okay.
Anne Hutter 0:52:15
Nee.
Tim Pritlove 0:52:18
Okay. Aber dann hat sich dann alles sozusagen auf den Level eingestellt.Also wir sind jetzt in einer Phase, wo das Universum, sagen wir mal,dieses maximale Wachstum im Sinne von wie viele Sterne entstehen,wie viele Galaxien entstehen, da sind wir sozusagen über den Peak.Natürlich entstehen immer noch neue Sterne und vielleicht auch neue Galaxien,aber halt nicht mehr in diesem Maße, wie man es sicher beobachten kann,wenn man eben in die Zeit guckt, also sprich ins Universum schaut und sich andereLichtbereiche anschaut und damit mehr in die Vergangenheit schaut,eben weil das Universum sich ausdehnt und durch diesen Doppler-Effekt halt alleFrequenzen in die Länge gezogen werden und damit halt sozusagen ins Rot verschoben werden.Okay, dann haben wir doch im Prinzip einmal die Geschichte des Universums schonmal ganz gut beobachtet.Was ist jetzt in deinem Forschungsfokus?Was schaust du dir jetzt genau an und wie gehst du damit um?
Anne Hutter 0:53:26
Momentan fokussiere ich mich auf die Galaxien, die ungefähr 200 bis 600 MillionenJahre nach dem Urknall entstanden sind oder existiert haben.Und die Frage da ist, was das James-Webb-Space-Teleskop misst,können wir momentan mit unseren Modellen, bisherigen Modellen, nicht gut beschreiben.Und was das James Webb Space Telescope uns sagt oder die Daten zeigen,wir haben ja vorhin schon von der ultravioletten Strahlung geredet und es gibtja auch den Teil, den wir noch sehen, also der nicht noch energiereich genugist, dass er vom Wasserstoff absorbiert wird.Und wenn man den Teil des Spektrums, den man von Galaxien misst,dann kann man ja messen, wie hell ist der.Und im Prinzip, was wir sehen, wenn wir 200 bis 400 Millionen Jahre nach demUrknall die Galaxien uns da anschauen, die sind heller in diesem Bereich,in dem ultravioletten Bereich, als wir dachten oder unsere Modelle es uns vorausgesagt haben.Sie sind entweder heller oder, um es genauer zu sagen, eigentlich sehen wirzu viele von diesen hellen Galaxien. Damit haben wir nicht gerechnet.Jetzt gibt es verschiedene Ansätze im Prinzip, wie man das versucht zu erklären.Und ich arbeite eben daran, wie man das erklären könnte oder was mit unserenmomentanen Modellen, wenn ich so sagen will, schief läuft.
Tim Pritlove 0:55:12
Erklär uns doch mal, wie so ein Modell entsteht.Also Modell heißt ja, es gibt Annahmen und man rührt jetzt diese Annahmen zusammenmit den Daten, die man hatte. Also sagen wir mal, James Webb war noch nicht gestartet.Sprich, was man so hatte, waren halt das, was all die anderen Missionen,die sich bisher den Infrarotbereich angeschaut haben.Und ich weiß jetzt nicht ganz genau, wie weit die dann alle schauen konnten,aber die Zs waren noch nicht so groß.
Anne Hutter 0:55:45
Ne, Hubble Space Telescope würde ich sagen, ja, bis Rotverschiebung 8 und JamesWebb Space Telescope hat das jetzt, wir haben jetzt tatsächlich bei Rotverschiebung14 jetzt auch die Galaxien, also die Spektren von denen schon messen können.Das heißt, wir haben in diesem Rotverschiebungsbereich schon noch ein ganzesStück sozusagen weiter in die Vergangenheit, die wir gucken.
Tim Pritlove 0:56:08
Und wenn ich das richtig verstehe, ist es so, also nicht nur,dass James Webb jetzt quasi noch langwelligeres Licht zu messen in der Lageist, dadurch, dass das Ding halt so,super runtergekühlt ist und einfach wie es eben gebaut ist,sondern man kriegt jetzt nicht nur irgendeinen Helligkeitswert,sondern man kann sozusagen eben auch so eine spektrale Analyse vornehmen undsieht von daher viel tiefer in die Galaxien rein,als das andere Instrumente bisher getan haben.
Anne Hutter 0:56:41
Ja, das Spannende mit Spektren ist, man kann viel mehr, wenn man das Spektrumvon Galaxien aufzeichnet, also die Lichtintensitätverteilung.
Tim Pritlove 0:56:52
Über verschiedenste Frequenzen. Genau.
Anne Hutter 0:56:56
Dann kann man auch lernen, was für Elemente sind in der Galaxie.Also sieht man, man kann darüber lernen, wie viele Sterne momentan entstehenund eventuell auch, wenn zum Beispiel die Galaxie momentan keine Sterne produziert,wie lang war das vielleicht ungefähr her?Also die beherbergen jede Menge an Informationen.Und ich glaube momentan auch so viele Informationen, die wir nicht unbedingt alle schon verstehen.
Tim Pritlove 0:57:24
Aber ist das jetzt wirklich das erste Mal, dass Daten in dieser Form sind?Oder hatte man das bisher nur von anderen Bereichen?
Anne Hutter 0:57:33
Man hatte Spektren schon auch von anderen Galaxien, allerdings nicht bei diesenhohen Rotverschiebungen, also bei viel niedrigeren Rotverschiebungen eben näher bei uns dran.
Tim Pritlove 0:57:44
Also wir konnten sozusagen nicht so tief ins Universum mit der entsprechendenAnalyse-Tiefe reinschauen.Ohne jetzt sozusagen die Daten von James Webb zu haben, woraus hat sich danndas bisherige Modell informiert?Also wie baut man das jetzt zusammen? Ist das irgendwie…,Das sind einfach Annahmen, Hypothesen. Kannst du uns mal so ein bisschen mitnehmen,wie jetzt überhaupt so ein Modell entsteht? Weil ich meine, das ist ja letztlichein Werk der theoretischen Physik. Dafür ist sie ja da.Es geht ja darum, sich sozusagen das auszudenken, was man nicht messen kann.Und da irgendeine Annahme zu machen und auch eine Vorhersage zu machen.Und wenn ich das richtig mitbekommen habe, gab es ja viele Vorhersagen und jetztist halt James Webb da und schaltet den Apparat ein und sagt so, ja nee, ist nicht so.Ist ja auch irgendwie ein bisschen frustrierend, oder?
Anne Hutter 0:58:42
Oder spannend.
Tim Pritlove 0:58:42
Oder spannend. Okay, aber wie geht man da ran?Also was muss konkret getan werden, dass so ein Modell überhaupt erstmal daist? Wie funktioniert das?
Anne Hutter 0:58:52
Ja, man macht sehr vereinfachte Annahmen. Zum Beispiel, wenn man sich jetzteine Galaxie anschaut, dann überlegt man, okay, wie ist eine Galaxie wahrscheinlich entstanden?Ich habe wahrscheinlich irgendwie Gas.Jetzt kann ich mir überlegen, ja okay, das Gas muss wahrscheinlich eine bestimmteTemperatur haben, damit es zu einem Klumpen weit genug kollabieren kann,damit Sterne entstehen.Das heißt, ich sollte eben schauen, okay, wenn ich Gas habe,was kann das Gas kühlen, welche Prozesse?Dann kann ich diese Prozesse sozusagen beschreiben.
Tim Pritlove 0:59:23
Was können das für Prozesse sein?
Anne Hutter 0:59:25
Das sind hauptsächlich, was wir, der Fachbegriff ist Radiative Cooling, also im Prinzip.
Tim Pritlove 0:59:32
Durch Abstrahlung.
Anne Hutter 0:59:33
Genau, durch Abstrahlung kühlt sich das Gas runter.Das ist den ersten Prozess, den man sich anschauen kann. Damit kann man dannzum Beispiel berechnen, wie viel Gas es in der Galaxie überhaupt fähig, Sterne zu formen.Und dann nimmt man an, okay, das Gas formt jetzt Sterne.Dann nimmt man an, muss man sich fragen, was für Sterne formen sich?Also sind das ja massereiche Sterne oder Sterne mit niedrigeren Massen?Und wie wir vorhin schon gesagt haben, das ist dann unterschiedlich,was deren Strahlung dann ist, also wie viel ultraviolette Strahlung sie haben.Und was man dann die meisten Modelle heutzutage annehmen, man nimmt die Sternenmasseverteilungan, die wir lokal in unserer Milchstraße gemessen haben.
Tim Pritlove 1:00:27
Weil von irgendwas muss man ja ausgehen.
Anne Hutter 1:00:30
Ja, das ist im Prinzip, wir wissen es nicht besser. Das heißt,wir nehmen das jetzt einfach an.Und dann hat man ja im Prinzip schon, man sagt, okay, so viele Sterne entstehen.Das ist das Licht, das sie produzieren.Dann kann ich jetzt noch ausrechnen, wenn ich sozusagen dieses intergalaktischeGas dazwischen habe, wie viel von dieser Strahlung absorbiert wird und ab welchemPunkt es vielleicht noch durchkommt teilweise.Das kann ich noch draufsetzen oder auch den Staub kann dann sagen, okay.Durch die Sternentstehung weiß ich ja, wie viele Sterne entstehen.Ich weiß auch, dass die massereichsten Sterne als sogenannte Supernovae explodieren.Und damit auch die Elemente, die in dem Stern dann geformt wurden,die schweren Elemente, die werden dann in der Galaxie sozusagen verteilt.Die den Staub bilden und dann auch diese Strahlungshäuser absorbieren.Das kann ich im Prinzip beschreiben mit dem Modell.Und ich kann auch weiter beschreiben, wenn diese massereichen Sterne explodieren,dann haben wir ungefähre Abschätzungenund Berechnungen, wie viel Energie dabei zum Beispiel frei wird.Und das ist eigentlich auch sehr spannend, weil diese Energie,man kann sich jetzt vorstellen, wo bleibt die?Die muss ja irgendwas machen. Wenn ich so einen massereichen Stern habe,der in so einem Gashaufen explodiert, dann werde ich wahrscheinlich so eineSchockwelle haben, die im Prinzip dieses Gas erstmal wegschiebt.Und wahrscheinlich auch dieses Gas erstmal nochmal erhitzen.Und beides kann man sich vorstellen, A wird das Gas dann wahrscheinlich wenigerdicht und es wird wärmer.Und das sind beides Komponenten, die nicht sonderlich zuträglich sind für Sternentstehung.Also das heißt, wenn sowas dann passiert, dann formen sich wahrscheinlich inder nächsten Zeit erstmal nicht so viele Sterne.Und diese Mechanismen, die kann man sozusagen modellieren oder auch beschreiben.
Tim Pritlove 1:02:39
Also Hollywood hat mir ja gelernt, dass die richtig tollen Wissenschaftler machendas mal so eben am Nachmittag auf der Tafel.Ich habe so die Vermutung, das ist nicht ganz realistisch. Was bedeutet das jetzt konkret?Also wie viele Datenpunkte, also wir reden ja jetzt von Software,wir reden von Computerprogrammen und von Daten, die hier gewälzt werden und wenn ich jetzt einen,Also eine Galaxie, also ich meine, wenn wir jetzt mal davon ausgehen,unsere Galaxie hat, was weiß ich, 100, 200 Millionen Sterne.Ist glaube ich so die aktuelle Annahme, so in der Größenordnung.Und so ein Stern besteht ja aus unfassbar viel Materie, was von noch sehr vielmehr Gas und Staub und so weiter umgeben ist.Das sind ja Aber-Penteliaden, riesige Mengen an Atomen.Kann man da jetzt irgendeine Zahl ausdenken und die ist dann immer noch zu klein.Die kann ich ja nicht alle einzeln, ich kann ja nicht jedes Atom einzeln inmeinem Programm von links nach rechts schieben und mit irgendwelchen Energiewertenbelegen. Also wie quantisiert man so ein Modell?Also wann ist so ein Modell ausreichend detailliert? Was ist da so der Faktor?Also wie groß muss das sein, damit es irgendein brauchbares Ergebnis gibt?
Anne Hutter 1:04:05
Das ist ehrlich gesagt sehr, sehr unterschiedlich.
Tim Pritlove 1:04:08
Ja.
Anne Hutter 1:04:09
Man hat ganz verschiedene Modelle. Es gibt zum einen die ganz simplen Modelle,wo man im Prinzip sagt, okay, ich habe nur eine Größe, das ist wie viel Gas die Galaxie hat.Ich habe noch eine Größe, wie viel Masse ist in den Sternen.Und ich habe noch eine Größe, wie viel dunkle Materie ist auch noch in der Galaxie.Und dann weiß ich meine Sternmasse, ich weiß mein Gas und dann sage ich, okay,der Anteil oder der Bruchteil von dem Gas formt Sterne dann weiß ich,wie viele Sterne sich gerade formen und dann nehme ich an, ich habe diese Massenverteilungund damit kann ich direkt dann schon ein Spektrum,vorhersagen,Und ich kann auch sagen, okay, diese Sterne werden wahrscheinlich so viel Energiein das Gas reinbringen, dann kann ich fragen, okay, welcher Anteil von dieserGasmasse, die ich hier habe, wird wahrscheinlich dann irgendwie nicht mehr kühl sein.Wird dann sozusagen nicht mehr da sein für Sternentstehung.
Tim Pritlove 1:05:16
Aber sind das jetzt einfach nur so isoliert Zahlenwerte, die so ein bisschenineinander gegeneinander gerechnet werden oder reden wir wirklich von einerräumlichen Modellierung?
Anne Hutter 1:05:25
Das ist noch keine räumliche Modellierung. Das sind wirklich abstrakte Zahlen.
Tim Pritlove 1:05:31
Pi mal Daumen.
Anne Hutter 1:05:31
Genau, Pi mal Daumen. Der Vorteil von diesen Pi mal Daumen Berechnungen isteben, dass wir das für ganz viele Galaxien machen können und damit uns anschauenkönnen, wie die verteilt sind.Also habe ich da in der einen Stelle eine leuchtstärkere Galaxie,in der anderen eine weniger leuchtstärkere.Wie ist das verteilt? Und man kann sich auch vorstellen, das hat dann auch wiedereinen Einfluss, wie diese Reionisierung vonstattengegangen ist.Also im Prinzip wie diese ionisierten Regionen um diese Galaxien sich ausgebreitet haben.Und in der Hinsicht sind die eben ziemlich gut, weil sie eben schnell sind. und nicht, ja.
Tim Pritlove 1:06:13
Und das ist dann im eigentlichen Sinne auch intergalaktisch,also man kann sozusagen auch Beziehungen zwischen einzelnen,also Galaxien beeinflussen, andere Galaxien. Ja.Think big. Aber dann ist man halt nicht so detailliert sozusagen.Man modelliert nicht jetzt wirklich so das räumliche, tatsächliche Spiel,was in der Galaxie abliefert, sondern es geht darum, mehr oder weniger so inClustern zu denken, also riesigen Galaxienhaufen.
Anne Hutter 1:06:42
Ja, also das sind wirklich große Skalen.Ja, und die andere Komponente, die es eben gibt, das nennen wir eine klassischehydrodynamische Simulation oder in der Phase der Reionisierung sind es auch,strahlungshydrodynamische Simulationen. Und was wir da machen,oftmals, wir teilen entweder unser Volumen in kleine Zellen ein,und dann wird quasi in jeder Zelle hat man Gas, eventuell Sterne,und dann schaut man, wie unter den Gesetzen der Physik, also Gravitation,Hydrodynamik, würde sich das Gas dann da bewegen und man kann natürlich dannauch berechnen, wie stark wird das Gas gekühlt oder erhitzt und so weiter und so fort.Und damit kann man auch wirklich dann einzelne Galaxien wirklich genauer sich anschauen.
Tim Pritlove 1:07:37
Wie viele Zellen muss man dann aufmachen, um dann ein sinnvolles Ergebnis bei rauszubekommen?
Anne Hutter 1:07:48
Ja, das ist eben noch eines der großen Probleme.Weil im Prinzip idealerweise würden wir gerne Zellen so klein haben,dass wir die Sterne eigentlich schon auflösen können. Ist aber nicht möglich.
Tim Pritlove 1:08:01
Also umso mehr, umso besser, aber da ist ja dann irgendwann eine Grenze,wenn man jetzt 100 Millionen Sterne haben will, dann braucht man ja auch denSpeicher dafür und die Processing-Power.
Anne Hutter 1:08:11
Genau, und was wir im Prinzip dann machen müssen, ist sagen...Wir suchen jetzt aus, wie groß unsere Auflösung ist, aber wir müssen im Prinzip,was wir dann machen müssen, die Prozesse, die dann innerhalb dieser Zelle ablaufen,müssen wir sozusagen, was wir ja Subgrid Models nennen.Also sozusagen repräsentativ beschreiben, okay, ich hätte jetzt eigentlich daso viele Sterne, aber mich interessiert im Prinzip nur die gesamte Auswirkungzum Beispiel dieser Sterne jetzt auf,wie hoch ist jetzt die Temperatur des Gases oder wie dicht ist jetzt das Gas.Aber ich kann in dieser Zelle nicht genau auflösen, hier ist es dichter,da ist es weniger dicht und so weiter.Das ist eben eine der großen Herausforderungen, was man mittlerweile eben auchprobiert und sagt, wir machen eben verschiedene Simulationen,machen eben Simulationen, wo die Zellen im Prinzip ganz klein sind.Wir können das alles auflösen und dann schauen wir uns an, okay,wenn wir zum Beispiel die Sternenpopulationhaben, dann beeinflusst das das Gas in der Art und Weise.Dann können wir das, was wir nennen, parametrisieren, also beschreiben,wie wenn ich die Konditionen habe,dann kommt das raus und das kann ich die Resultate in eine Simulation einbauen,wo sozusagen meine Zelle größer ist.Und damit habe ich im Prinzip so ein bisschen imitiert, was eigentlich passierenwürde auf kleineren Skalen.
Tim Pritlove 1:09:47
Das heißt, man hat keine uniforme Zellenaufteilung, sondern Bereiche,wo mehr passiert oder wo die Interaktion komplexer ist, die werden höher aufgelöstund andere Bereiche, wo weniger passiert, werden gröber aufgelöst.Ist, nur um jetzt mal so ein Gefühl dafür zu bekommen, angenommen,ich würde jetzt also unsere Milchstraße mal so jetzt modellieren,also sozusagen in der Größenordnung gedacht.
Anne Hutter 1:10:12
Ja.
Tim Pritlove 1:10:13
Auf wie viele Zellen würden wir dann kommen? Also was wäre machbar mit einemheutigen Computersystem, mit der Technik, die euch hier auch zur Verfügung steht,der Processing Power, die ihr nutzen könnt?Ist das jetzt eine sehr kleine Zahl oder eine sehr große Das sind ja auch allesWerte, die man einstellen muss am Ende, wo ja auch Entscheidungen gefällt werden müssen.Wie genau lasse ich jetzt dieses Modell rechnen?
Anne Hutter 1:10:41
Ja, ganz genau weiß ich es nicht. Ich nehme an, für eine einzelne Galaxie kannman das noch relativ gut, also genaue Zahlen weiß ich leider nicht.
Tim Pritlove 1:10:51
Da reden wir von 10 Zellen, 100.000, 10.000, 100.000, eine Million,10 Millionen, wie viel sind das?
Anne Hutter 1:10:58
Das sind schon mindestens um die Ordnung 10 hoch 9, also eine Milliarde. Ja, Milliarde.
Tim Pritlove 1:11:05
Okay, nur um eine Vorstellung zu bekommen. Also man baut sozusagen sich einSoftwaremodell, was aus einer Milliarde Orten besteht, die dann bestimmte Räumerepräsentieren, die parametrisiert sind.Hier ist so und so viel Gas, hier ist so und so viel von dem Element,von dem Element, von dem Element.Die Temperatur davon ist und so weiter. und dann lässt man das irgendwie alleslaufen und rechnet das sozusagen über einen längeren Zeitraum durch und schaut, was passiert.
Anne Hutter 1:11:35
Genau, genau.
Tim Pritlove 1:11:37
Und dann glühen die Rechner und man hat dann erstmal drei Wochen nichts zu tunund wartet nur auf das Modellergebnis.Oder ist das etwas, was die ganze Zeit immer läuft?Also habt ihr diese Modelle permanent im Betrieb und die verfeinern sich die ganze Zeit?Oder ist das etwas, was man mal so am Wochenende laufen lässt und dann gucktman sich montags das wieder an?
Anne Hutter 1:12:03
Also typischerweise würde ich sagen, gibt es sozusagen die Entwicklungsphase,wo man den Code, um die Simulation laufen zu lassen, eigentlich erstmal entwickelt.Das heißt, und auch zu testen, ob der eigentlich das macht, was man will,lässt man meistens kleinere, also weniger stark aufgelöste Simulationen laufenund testet, dann kommt jetzt ungefähr das raus.Die kann man meistens irgendwie auf einem lokalen Cluster laufen,vielleicht auch wenn man es klein genug macht, auf einem eigenen Computer laufen lassen.Und wenn man dann an einem Punkt angekommen ist, wo man seinem Modell vertrautund sagt, okay, der Code ist jetzt gut genug und er scheint auch was zu reproduzieren,was Sinn macht, dann geht man sozusagen in die Produktionsphase.Also dann kann man auch größere, also besser aufgelöste Boxen simulieren.Und das ist aber für diese Art Simulation, also vor allem für die hydrodynamischenSimulationen, wo wir auch die Strahlung mit reinnehmen, explizit, werden die sehr teuer.Also das ist schon in der Größenordnung mehrere Millionen CPU-Stunden.Das heißt, da muss man schon in die Computing Cluster oder High PerformanceComputing Systems gehen Das.
Tim Pritlove 1:13:19
Muss man dann beantragen oder habt ihr so ein Kontingent?
Anne Hutter 1:13:23
Das ist unterschiedlich je nachdem wo man ist Also wenn das Institut natürlichschon irgendwie genügend Computing Power hat und man das zur Verfügung hat, kann man das nutzen,Ansonsten muss man die beantragen die Rechenzeit Rechenzeit,das geht dann ganz klassisch, so ähnlich wie bei Teleskopen.
Tim Pritlove 1:13:41
Und gibt es hier genug Power im Keller?
Anne Hutter 1:13:45
Wir haben Zugang zu einem Supercomputer in Finnland, über die Uni hier.Aber wenn es wirklich größer wird, müssen wir auch beantragen, Rechenzeit. Okay.
Tim Pritlove 1:13:58
Das heißt, man baut sich jetzt, nehmen wir mal an, okay, Software ist jetztlokal getestet, sieht alles total super aus, wobei es ja schwierig ist,jetzt so ein Modell auch zu bewerten, weil letzten Endes versuchen diese Modelle ja sozusagen.Irgendein Szenario zu beschreiben, was man ja so gar nicht überprüfen kann,weil es ist ja ein Modell.Also es ist ja sozusagen überhaupt erstmal eine Voraussage. Das ist ja der Versucheiner Vorhersage für, also meiner Auffassung nach müsse das so aussehen.Und meiner Meinung nach bedeutet das, dass sich in diesem Zeitraum Galaxiendieser Größenordnung, in dieser Form, in dieser Geschwindigkeit entwickeln müssten.Das ist ja sozusagen das, was man versucht aus diesem Modell herauszulesen.So eine Beschreibung dessen, was man, immer noch James Webb ist nicht da,man macht halt Annahmen auf Basis dessen,was man bisher gesehen hat und wofür es Daten gibt und wie viele Ideen kommen da noch mit dazu?Also ist das alles datenbasiert oder sitzt man dann da auch so und sagt sich so,okay, jetzt habe ich hier noch so eine super Theorie, was die Welt im Innerstenzusammenhält und das baue ichjetzt einfach mal an das Modell ein und dann gucke ich später, was ist.Oder verlässt man sich einfach nur auf das, was bisher gesehen wurde?
Anne Hutter 1:15:39
Ja, also Modelle werden normalerweise, was wir nennen, kalibriert.Das heißt, es gibt bestimmte, in den meisten Modellen bestimmte Parameter,zum Beispiel wie effektiv Sternentstehung ist, also welcher Anteil des Gas formt Sterne.Und bei diesen Kalibrierungen kann das Modell ja voraussagen,zum Beispiel wie viel ultraviolette Strahlung wir sehen würden oder was gemessen wurde.Und das heißt, man versucht das Modell auch dahin zu kalibrieren,dass es das erstmal produziert.Das heißt, bestimmte Beobachtungsdaten benutzen wir sozusagen als Kalibrierungsdatenset.
Tim Pritlove 1:16:25
Aber so eine Hutter-Konstante oder so hast du noch nicht eingebaut?
Anne Hutter 1:16:28
Nein.
Tim Pritlove 1:16:33
Könnte ja sein, dass man da irgendwie auf solche Ideen kommt.Okay, was haben denn diese Modelle, die es bisher gab,über diese Zeit des Universums gesagt und wie hat das dann zusammengepasst mit dem,was man jetzt von James Webb an neuen Beobachtungen bekommen hat und von vielleichtanderen Satelliten, die jetzt in letzter Zeit noch dazu beigetragen haben?
Anne Hutter 1:16:57
Ja, was die Modelle gesagt haben, sie haben im Prinzip gesagt,wir haben eine bestimmte Anzahl von Galaxien, die eine bestimmte Leuchtkraftim Ultravioletten haben.Und die war ungefähr 200 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall.Leicht niedriger die Anzahl von diesen leuchtstarken Galaxien verglichen mitdem, was jetzt das James-Webb-Space-Teleskop beobachtet hat oder wir sehen.Und jetzt gibt es eben so verschiedene Theorien dazu, warum das so ist.Und momentan wird stark geforscht, wenn wir jetzt zum Beispiel die Annahme ändernoder die, wie würde sich das auswirken? Würde das das erklären?Also zum Beispiel, was man machen kann, ist, die meisten Modelle bisher nehmenan, wir nehmen die Sternmassenverteilung von heute.Aber man kann sich dann auch überlegen, in den ersten Galaxien ist das wahrscheinlichnicht unbedingt der Fall.Weil wenn man zurück in die Sternentstehung geht, kann man sich ungefähr vorstellen,wenn man Sterne nur aus Wasserstoff und Helium produziert, dann sind das meistenssehr massereiche Sterne.Das heißt, sie sind sehr leuchtstark.Aber sobald wir dann auch noch andere Elemente haben, das Gas im Prinzip nichtnur Wasserstoff und Helium ist, sondern auch Kohlenstoff, Stickstoff,Sauerstoff hat, dann kann das Gas auch besser kühlen.Also es kann zu niedrigeren Temperaturen runtergekühlt werden und damit entstehendann auch weniger massereiche Sterne.Und das ist natürlich heutzutage in unserer Milchstraße, haben wir eben vielmehr Generationen von Sternen,sind da schon entstanden und haben das auch angereichert und dementsprechendsind unsere Sterne auch weniger massiv oder weniger massereich.Und damit kann man sich vorstellen, wahrscheinlich bei den ersten Galaxien wareneben die meisten Sterne eigentlich viel massereicher, als was wir jetzt geradein unseren Modellen annehmen.
Tim Pritlove 1:19:21
Also unsere Sonne ist ja nicht so fett im Vergleich.
Anne Hutter 1:19:26
Ne, die ist, wenn man es sich so vorstellt, ist es eine Sonnenmasse und dieSterne, von denen wir reden, naja, also.
Tim Pritlove 1:19:35
Massereich heißt? Ja.
Anne Hutter 1:19:37
Masse heißt in der Astronomie oft ab 8 Sonnenmassen, aber kann hochgehen bis100, 200, man weiß es nicht genau, Sonnenmassen.
Tim Pritlove 1:19:46
Was ist so die größte Sonnenmasse, von der man heute weiß?Also was ist so der fetteste Stern, in welcher Größenordnung bewegt sich das?
Anne Hutter 1:19:57
Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich glaube, die hat man nicht unbedingt direktgemessen, die hat man auch teilweise einfach durch ihren, wie ich es sagen will,Elementfußabdruck, den sie hinterlassen haben, also welche Elemente sie produzierthaben, das kann man teilweise im Gas messen und mit Modellen sozusagen berechnen,das muss wohl irgendwie so ein massereicher Stern gewesen sein.Ich weiß es nicht genau, aber ich würde annehmen so um die 100 Sonnenmassen.
Tim Pritlove 1:20:30
Aber unsere Sonne, wir sind ja überhaupt, also insofern sind wir vielleichtmal was Besonderes, weil wir so eine kleine Sonne haben und es funktioniert trotzdem noch.Immer der Versuch irgendwie, was Tolles zu sein hier. Aber wir sind ja eigentlichganz durchschnittlich, was viele Sachen betrifft.
Anne Hutter 1:20:47
Ja, wir sind auch sehr zahlreich, wenn es um Sonnenmassen oder Sterne mit Sonnenmasse geht.Das ist ja allgemein so, wenn man sich anschaut, die Verteilung von den Massen,von den Sternen, die sie formen. Es formen sich meistens viel mehr niedrigmassigeSterne, sehr massereiche Sterne.
Tim Pritlove 1:21:10
Also hier wird gerade mal so ein bisschen rumgeforscht aber ich glaube ESO meinteinen Stern gesehen zu haben mit 320 Sonnenmassen,und hat heute noch 265 also in der Größenordnung Okay,Okay das heißt wir müssen das jetzt interpretieren also die James-Webb-Datensind reingekommen und dann war das so naja im Wesentlichen lagen wir richtig,jetzt müssen wir noch an ein paar Parametern,schrauben und passt schon?Oder war das eher so mit oh weia, ist alles anders, als wir gedacht haben,wir können jetzt alle unsere Modelle wegschmeißen?
Anne Hutter 1:21:55
Also mit den allerersten Daten,da war das tatsächlich, da war der Unterschied auch noch viel größer.Zwischen den Modellen und den Beobachtungen. Da war das schon so ein bisschen okay.
Tim Pritlove 1:22:08
Also was genau war dann größer, also was hat diesen Unterschied im Wesentlichen ausgemacht?Größe der Galaxien oder Menge der Galaxien?
Anne Hutter 1:22:18
Nee, die Leuchtstärke. Einfach wie viele leuchtstarke Galaxien da sind.Das waren einfach viel mehr, als wir erwartet haben. Okay.Das hat sich jetzt, am Anfang muss man sich vorstellen, die Beobachtungen wurdeneben relativ schnell ausgewertet.Das heißt, man hat da nicht die ganzen Spektren bekommen von den Galaxien.Man hat nur Datenpunkte in bestimmten Energiebändern bekommen.Also wenn man einen bestimmten Wellenlängenbereich nimmt, dann weiß man,ich habe die Intensität von dem Wellenlängenbereich.Somit hat man aber nur eine begrenzte Anzahl an Datenpunkten.Da kann man natürlich alle möglichen Spektren annehmen, die diese Datenpunktewahrscheinlich beschreiben.
Tim Pritlove 1:23:08
Okay, aber man wusste, wie viel Energie da ist, aber man wusste nicht,wie sie verteilt ist und wie sie sich auf die einzelnen Frequenzbereiche verteilt.Aber es war dann schon so, alle Theoretiker haben da so einen Schockmoment bekommenund gesagt, oh Gott, das Software taugt gar nichts. Das war wahrscheinlich so die Angst, oder?
Anne Hutter 1:23:25
Ja, obwohl wenn man sozusagen das Beobachtungsfeld kennt, weiß man auch,wenn diese Art von Beobachtungen kommen….
Tim Pritlove 1:23:32
Heißt das erstmal noch gar nichts.
Anne Hutter 1:23:34
Das will ich jetzt nicht sagen, aber…,Galaxien man hat, gesteigert. Dann hat sich das mehr angenähert.Also die Anzahl der Leuchtstarken-Galaxien ist im Prinzip runtergegangen.
Tim Pritlove 1:24:11
Okay, also ihr werdet nicht alle sofort gekündigt, sondern es hat schon auch ein bisschen gepasst.Also es ist jetzt auch nicht so, dass jetzt diese Modelle…,eine Realität versucht haben zu beschreiben, die so gar nicht existiert.
Anne Hutter 1:24:26
Das kann man auch nicht sagen. Nee, also ich sag mal bis Rotverschiebung 10,ungefähr 400 Millionen Jahre nach dem Urknall, also alles bis 400 MillionenJahre nach dem Urknall, haben die Modelle auch gut beschrieben.Es war nur das Problem, alles was sozusagen früher war.Ja.
Tim Pritlove 1:24:48
Das sieht anders aus. Also man ist jetzt natürlich ein bisschen zu früh,jetzt hier irgendwelche Zusammenfassungen zu machen, aber wie viel Auswirkungscheint das zu haben, was da an Datenmaterial jetzt kommt?Also wie sehr wird das die Modellierung und unser Verständnis von dem,was in dieser Phase passiert ist, ändern?
Anne Hutter 1:25:11
Wir bekommen schon entscheidende Informationen, die wir vorher nicht hatten, definitiv.Wir werden viel mehr lernen über die ersten Galaxien, wie Galaxien entstandensind und was ihre Eigenschaften waren, welche Arten von Sternen geformt werden.Auch zum Beispiel das Heranwachsen von den schwarzen Löchern,wie schnell die sozusagen gewachsen sind, ob die so aussehen,wie wir es bisher kannten oder nicht.Es sieht momentan so aus, dass wir im Prinzip eine ganze Art von Galaxien sozusagenneu entdeckt haben, die wir vorher gar nicht gesehen haben.Das sind alles solche Entdeckungen, die jeder in sich eigentlich sehr interessantist und auch viele physikalische Fragen aufwirft und die eigentlich sehr fundamental sind in dem,wie wir Galaxienentstehung verstehen und welche physikalischen Prozesse da relevant sind.
Tim Pritlove 1:26:20
Jetzt hast du ja vorhin schon bei der Modellierung gesagt, was du da alles soreinschmeißt in deinen Kochtopf sozusagen.So ja, hier Gas, Temperatur, Elemente, dunkle Materie packen wir auch noch mit rein.Nein, da muss ich jetzt natürlich nochmal nachhaken, weil das ja so ein Dauerbrennerist, weil die dunkle Materie, also die Materie, von der man annimmt,dass sie da ist, weil wenn sie nicht da wäre,dann macht das mit der Gravitation auf einmal alles keinen Sinn mehr und Galaxienkönnten nicht so aussehen, wie sie aussehen.Also nimmt man an, dass sie da ist aber man sieht sie halt nicht und man weißweder warum man sie nicht sieht oder woraus sie bestehen könnte,also sozusagen eines der ganz großen Fragezeichen der Kosmologie die aber trotzdemjetzt in so ein Modell einfach mal so reingeschmissen wird, weil gibt's halt, so denkt man,kann das was jetzt sozusagen gerade entdeckt und analysiert wird in dem Bereichirgendwelche neuen Erkenntnisse liefern?
Anne Hutter 1:27:28
Also Erkenntnisse vom James Webb Space Teleskop würde ich jetzt erstmal denken,eher unwahrscheinlich, bin mir natürlich nicht sicher, aber,wenn es um dunkle Materie und vor allem dunkle Energie geht,dann ist es hauptsächlich,Euclid, wo man sozusagen große Gebiete beobachtet und sich dann anschaut,wie die Verklumpung oder die Verteilung von Materie sich ändert.Im Bereich der Galaxien selber ist das Problem, dass unser Verständnis von dereigentlichen Gasphysik und die Sternentstehung so groß ist,dass es sehr schwer wird, viel über eigentlich dunkle Materie an sich zu lernen.Das Einzige, wo man eventuell was mit lernen kann, Aber das ist nicht unbedingtJames Webb direkt oder vielleicht auch indirekt.Es ist im Prinzip der Zeitpunkt, wenn die ersten Galaxien sich formen.Das kann etwas zum Beispiel über die Eigenschaft von der dunklen Materie aussagen.Zum Beispiel, wie wir sagen, wie warm oder wie kalt sie ist.Das heißt im Prinzip, auf welchen Skalen kann sie klumpen.Und man kann sich vorstellen, wenn sie im Prinzip auf kleineren Skalen klumpenkann, dann bilden sich die ersten Galaxien viel früher im Universum.Also in der Hinsicht würde ich sagen, kann das James Webb Space Teleskop,wenn es sozusagen sagen kann, wann die ersten Galaxien sich vor dem Indirekteine Aussage darüber machen.Aber ich würde das sehr mit Vorsicht genießen und eigentlich sagen,da braucht man eigentlich eher Experimente, die das nicht nur fokussiert aufeinzelne Objekte, sondern die Gesamtheit der Objekte.
Tim Pritlove 1:29:24
Also wie es Euclid macht. Ich wollte es jetzt auch gar nicht so sehr auf JamesWebb festlegen, sondern sozusagen auf die aktuellen neuen Beobachtungssysteme.Also man kann es ja ein bisschen weiter aufdrehen und da gehört natürlich jetztEuclid auf jeden Fall auch noch mit dazu.Ich weiß nicht, ob es noch andere Systeme gibt, außer jetzt diesen beiden,die jetzt gerade in diesem Bereich wichtige neue Daten liefern.
Anne Hutter 1:29:46
Ich meine, ein anderes Instrument, was in den nächsten hoffentlich fünf Jahrendann auch kommt, ist das Square Kilometer Array.Was auch dann die Materieverteilung im Universum, wirklich im frühen Universum,Cosmic Dawn und eben zu den Dark Ages, also in dunklen Zeiten,die sozusagen abbilden wird, ja so eigentlich sogar 3D.
Tim Pritlove 1:30:11
Das ist ein neues Radioteleskop, was in Australien gebaut wird.
Anne Hutter 1:30:15
Genau.
Tim Pritlove 1:30:15
Und noch nicht ganz fertig ist, aber ich glaube so in drei Jahren oder so irgendwie. viel.
Anne Hutter 1:30:21
Ja, die sind momentan in der Konstruktionsphase. Und soweit ich glaube,den ersten Konstruktionsphasenschritt haben sie jetzt abgeschlossen und siekriegen, glaube ich, jetzt auch die allerersten Daten rein.Aber wirklich, was wir First Light nennen, also wenn das Teleskop wirklich anfängtzu beobachten und ist auch offen dann für die Forschungsgemeinde,ich glaube soll 2029, ist momentan angepeilt.
Tim Pritlove 1:30:48
Ja.Wikipedia sagt noch 27, aber das kann sich natürlich auch alles verschieben.Okay, also das ist sozusagen ein ganz wichtiges neues Instrument, was noch mit dazu kommt.Und das er von der Erde aus macht, ganz klar. Also Square Kilometer heißt halteinfach auf einen Quadratkilometer mehrere einzelne Radioteleskopantennen verteilt,die dann sozusagen in der Kombination alles wahrnehmen, was ankommt.
Anne Hutter 1:31:19
Ja, was die im Prinzip wahrnehmen, ist eine Strahlung, die kommt vom neutralen Wasserstoff.
Tim Pritlove 1:31:26
Gibt es doch noch welchen?
Anne Hutter 1:31:29
Das ist genau der Spaß daran.
Tim Pritlove 1:31:32
Ich dachte, der wäre jetzt alles wegionisiert.
Anne Hutter 1:31:35
Ja, deswegen kann das Square Kilometer ja auch nur die Zeit sozusagen vor oderwährend der Ionisierung anschauen.Aber das ist natürlich auch sehr spannend, weil was wir damit auch dann sehenkönnen, wenn es wirklich so 3D-Karten von der Verteilung von dem neutralen Wasserstoff.Das heißt, wir können da auch sehen, wie diese ionisierten Regionen um die Galaxiensozusagen wachsen mit der Zeit.Und dann kann man sich natürlich vorstellen, wenn man das analysieren kann,kann man dann auch Rückschlüsse auf die ersten Galaxien nehmen.
Tim Pritlove 1:32:09
Sehr interessant. Das heißt, dieses Square Kilometer Array,liefert quasi nochmal einen komplett neuen Daten Ein Datenpunkt,den es so noch gar nicht gibt, der so ein bisschen vergleichbar ist vielleichtmit dieser kosmischen Hintergrundstrahlung, weil es ja auch so ein globalerSchnappschuss einer alten Zeit des Universums dann ist.
Anne Hutter 1:32:31
So ungefähr, genau.Das ist sehr spannend. Also man kann sich das so vorstellen,das ist wie so eine Tomografie, wo man an jeder Zeitpunkt dann sozusagen eine 2D-Karte bekommt.An der Stelle ist es neutral, da ist es ionisiert.Und dann kann man sich vorstellen, je weiter man sozusagen in die Vergangenheitgeht, je neutraler wird es dann. Und man kann auch sehen, okay,habe ich hier ganz viel neutralen Wasserstoff oder habe ich weniger neutralen Wasserstoff?Das heißt, ganz am Anfang sieht man sozusagen auch die allerersten Filamenteund die überdichten Regionen, wo dann wahrscheinlich auch die Galaxien anfangen.
Tim Pritlove 1:33:15
Aber was strahlt denn dieser neutrale Wasserstoff ab, dass man das jetzt nochmessen kann auf der Erde?
Anne Hutter 1:33:19
Im Prinzip ist es eine Wechselwirkung mit der kosmischen Hintergrundstrahlung.Man nennt es die Hyperfeinaufspaltung des neutralen Wasserstoffs.Das ist auch ein Energieübergang.Und man kann sich jetzt vorstellen,dass die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahle sozusagen den neutralen Wasserstoffin einen höheren energetischen Zustand versetzt und dann geht er eben wiederrunter und emittiert dabei ein Photon und das ist die klassische 21 Zentimeter Linie.
Tim Pritlove 1:33:54
Ah, okay. Und sogar sowas kann man noch messen.Was haben wir denn jetzt sozusagen gelernt aus all dieser Modellierung und Auswertungder ganzen Beobachtungen bisher über Galaxien?Also was lässt sich da sozusagen herausziehen bisher?Also klar, man weiß, dass sie entstehen und so weiter und in welcher Größenordnungund so weiter. Aber was folgt daraus?Was ist sozusagen die Erkenntnis, die man aus dieser Forschung gewinnt vor allem?
Anne Hutter 1:34:37
Was wir definitiv sehen ist, dass die ersten Galaxien energiereichere Strahlung hatten.Also die Sterne haben energiereichere Strahlung abgestrahlt.Damit könnten es wahrscheinlich massereichere Sterne sein.Wir wissen auch, dass es teilweise Galaxien gibt, sehr junge,oder wenn das Universum noch relativ jung ist, die schon relativ viel Staub haben.Das ist auch eine Frage, die so ein bisschen uns umtreibt.
Tim Pritlove 1:35:15
Also wo viele Sterne schon in Supernova aufgegangen sind.
Anne Hutter 1:35:19
Ja, aber vielleicht missinterpretieren wir auch das Spektrum, auch möglich.Aber bisher haben die eben auch einfach viele Fragen aufgeworfen.Ja, ich glaube, zusammenfassend lässt sich sagen, wir haben gelernt,sie haben wahrscheinlich energiereichere Strahlung.Wir können auch definitiv sehen, dass das Gas weniger angereichert ist mit,was wir metallikern, also Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und all die schwerenElemente als Wasserstoff und Helium und Lithium.Das können wir definitiv sehen.Und ich glaube ansonsten hat es auch viele Fragen dann einfach aufgeworfen.Was sind jetzt die ersten Sterne? Wie beeinflussen sie das Gas und was bedeutetes dann für die Sternentstehung danach?Und das ist ja eigentlich noch so ein bisschen so ein Fragezeichen.
Tim Pritlove 1:36:18
Es ist nicht auch eine Beobachtung gewesen, dass man auch bestimmte Ausprägungen,es gibt ja verschiedenste, haben wir noch gar nicht so drüber gesprochen, Galaxieformen.Ja, man kennt halt diese Andromeda Milchstraße, die halt so Balken- und Spiralgalaxien sind.Dann gibt es ja kugelförmige Ellipsoide, alle möglichen ganzen,weiß gar nicht wie viele verschiedene Galaxientypen so unterschieden werden, so 10 oder sowas.Kann das hinhauen in etwa in Größenordnung oder sind es schon mehr?Es gibt auf jeden Fall verschiedene Typen und man hat glaube ich von bestimmtenGalaxiearten angenommen, dassdie auch viel Zeit brauchen, um überhaupt erstmal so sich auszuformen.So eine Balkengalaxie, da muss halt erstmal viel passieren und wenn das nichterstmal alles ein paar hundert Milliarden Jahre um sich herum rotiert ist,dann kann das erstmal nach gar nichts aussehen.Und jetzt, glaube ich, hat man auch schon mal mit James Webb gesehen,so, ja, nee, ganz so ist es jetzt auch nicht.
Anne Hutter 1:37:23
Ja, ein Klassisches ist, dass man, also Galaxien, die traditionellen, die haben so Scheiben.Also klassische Spiralgalaxie, kann man sich vorstellen, die Spirale ist jetzt so eine Scheibe drin.Und was jetzt diese Daten im Prinzip sagen, dass diese Scheiben sich eventuellschon sehr früh ausgeprägt haben.Allerdings muss man da auch berücksichtigen, dass wahrscheinlich in dieser frühenZeit diese Scheiben noch nicht so dünn waren, wie wir sie heute teilweise sehen,sondern viel, viel dicker.Und das andere ist, dass natürlich weil es so weit weg ist, können wir sie teilweiseauch nicht so gut auflösen räumlich das heißt wir kriegen nur so ein paar Pixelund dann basierend auf den Messungen von den Spektren von diesen Pixeln,machen wir dann diese Schlussfolgerung aber es sieht so aus,ob die schon rotieren, also das in jedem Fall.
Tim Pritlove 1:38:23
Und das war jetzt auch nicht unbedingt erwartet worden?
Anne Hutter 1:38:26
Das ist eine offene Forschungsfrage Also die Antwort war nicht klar.
Tim Pritlove 1:38:33
Wenn ich jetzt mal so ein Mysteriumskoeffizienten abbilden möchte,also wie gut haben wir diese Galaxienbildung verstanden?Also wenn man jetzt sagen würde, oh, was wissen wir denn schon?Wissen wir jetzt schon alles? Wie viele Fragezeichen gibt es da noch?Wie kommt ihr das so persönlich vor? Boah, wir wissen gar nichts oder wir kratzenan der Oberfläche oder naja, so im Wesentlichen haben wir es schon irgendwie drin,aber es fehlen noch ein paar Daten oder das war es jetzt. Was würdest du sagen?
Anne Hutter 1:39:09
Ich würde sagen, naja zu Nullter und vielleicht Erste Ordnung haben wir ein grobes Verständnis.
Tim Pritlove 1:39:15
Erste Ordnung heißt jetzt was?
Anne Hutter 1:39:17
Ja, wir haben ein grobes Verständnis von den ungefähren physikalischen Prozessen,die wahrscheinlich eine Rolle spielen und was sie dann bewirken.Aber im Detail wissen wir das eigentlich, also wie genau und wenn ich jetztden einen Parameter da vielleicht verändere, wie genau sich das dann auswirkt.Im Prinzip in dem Moment, wo ich es ein bisschen mehr komplizierter mache,dann werden da schon viele Fragezeichen. Das ist alles nicht klar.
Tim Pritlove 1:39:50
Okay. Und wie wichtig ist das Verständnis der Galaxienbildung für das Gesamtverständnis Universum?Ist das so der Schlüssel dafür?
Anne Hutter 1:40:04
Na, ich würde sagen, im Prinzip ist es so ein bisschen Beantwortung der Frage, woher kommen wir?Ich sage mal, die ersten Galaxien ist sozusagen die Sternentstehung,das ist im Prinzip eventuell dann auch die Elemente, aus denen wir gemacht sindund überhaupt zu verstehen,warum dann auch unsere Galaxie so aussieht, wie sie aussieht.Das ist im Prinzip die Antwort auf, ja.
Tim Pritlove 1:40:32
Aber es ist jetzt sozusagen nicht nur ein, wie sieht es am Ende aus,sondern man kann aus dem Verständnis, wie es sich so gebildet hat,um da hinzukommen, wo es heute ist, auch Aussagen darüber machen,was vorher passiert ist.
Anne Hutter 1:40:47
Ja, zum Teil schon.
Tim Pritlove 1:40:48
Weil man es jetzt auch gar nicht modellieren könnte.
Anne Hutter 1:40:50
Ja, also das hängt immer davon ab, was vorher passiert ist. wie etwas dann danach auch aussieht.Und ich glaube auch, das ist, warum es so komplex ist, weil es eben so vielpassieren kann und so viele Komponenten mit reinspielen, dass es sehr schwierigdann auch komplett zu verstehen ist.
Tim Pritlove 1:41:15
Wenn jetzt Raumfahrt wünscht dir was wäre, ja,theoretische Physikerin darf sich jetzt sozusagen ein Beobachtungssystem wünschen,was dann einfach gebaut wird, weil kein Problem, Leben, Geld spielt keine Rolle, Technik, alles gelöst.Was wäre so dein Wunschgerät? Egal ob das jetzt auf der Erde ist oder im Weltallrumkurvt, was müsste sich das anschauen, auf welche Art und Weise,wo du das Gefühl hast, okay, das wäre jetzt aber wirklich mal genau das,wo ich Sachen rauslese, wo absehbar ist, wo wir mit den heutigen Instrumenten,soweit die die uns auch bringen, vielleicht da nie wirklich eine Erkenntnis haben.Also selbst mit James Webb jetzt mit all seinen außerordentlichen Fähigkeiten,wo das irgendwie nicht reicht.Ist das nur schneller, höher, weiter? Also James Webb zehnmal so groß oder brauchstdu auch noch ganz andere Beobachtungsmethoden?
Anne Hutter 1:42:18
Ich glaube, momentan am spannendsten finde ich die 21-Zentimeter-Linie.Und da wäre es natürlich sehr hilfreich, irgendwo hinzugehen,wo nicht so viele Radiowellen da sind.Also wenn man sich das vorstellt, selbst in Australien wird man wohl auf irgendwelchenRadiofrequenzen wird irgendwas gesendet werden.Die können zum Beispiel dann auch sehen, ob ein Flugzeug oben drüber hinweg fliegt.Und in der Hinsicht wäre es schon ziemlich cool, wenn wir sozusagen so ein Radiointerferometerirgendwo außerhalb des Sonnensystems hätten, wenn wir uns jetzt ganz weit greifen.
Tim Pritlove 1:42:55
Also im Prinzip dieses Square-Kilometer-Array im Weltall.
Anne Hutter 1:42:58
Ja. Dann könnte man es ja auch viel größer machen. Das heißt,dann hätte man auch eine viel bessere Auflösung.Also je länger sozusagen denn die verschiedenen, oder je weiter die Stationenvoneinander entfernt sind, desto kleinere Skalen kann man sozusagen messen.
Tim Pritlove 1:43:15
Also quasi so ein Million-Kilometer-Array im Weltall, was dann eben mit dieser,21-Zentimeter-Linie oder HI-Linie sagt man glaube ich auch oder H1-Linie,was du so schön bezeichnet hast als so der Tomograf des Universums zu welchem Zeitpunkt nochmal?Als die Reionisierung angefangen hat sozusagen oder Oder dieser gesamte Bereich,wo sie stattgefunden hat.
Anne Hutter 1:43:48
Ja, im Prinzip der ganze Bereich, in dem sie stattgefunden hat und eigentlichauch davor. Also wir kommen auch in die Dark Ages rein.
Tim Pritlove 1:43:56
Womit man quasi so ein plastisches Bild gewinnen würde des Universums zusätzlichzu dieser Hintergrundstrahlung, mit der es ja auch zusammenhängt,um sich ein bisschen fleischiger vorzustellen, wie das alles in seiner Struktur war.
Anne Hutter 1:44:12
Genau, genau. Man kann sich vorstellen wie so eine 3D-Karte des Universums.
Tim Pritlove 1:44:19
Baut das schon einer?
Anne Hutter 1:44:23
Bisher gibt es nur Überlegungen, auf den Mond zu gehen.Da ist natürlich auch immer die Frage, momentan, ich glaube,der Drang zum Mond ist ziemlich groß.Und die Frage ist dann, okay, ist es auf dem Mond dann immer noch radio-ruhig?Also haben wir da nicht viele Radiostörsender?
Tim Pritlove 1:44:40
Ja.
Anne Hutter 1:44:41
Das ist eben die große Frage.
Tim Pritlove 1:44:43
Das ist überhaupt ein interessantes Problem, dass wir uns ja im Prinzip geradedie die Weltraumbeobachtung durch unsere eigenen Aktivitäten ganz schön verbauen.Also man kennt das ja einerseits hier mit den Starlink und vergleichbaren Satellitensystemen,die also mit diesen vielen Mikrosatelliten sind, die also auch den Blick,den Lichtblick sozusagen schon einschränken.Die Gravitationswellen haben schon das Problem, dass Wellen an den Strand schlagenund im Radiobereich ist es halt einfach die übermäßige Nutzung des Frequenzspektrumsfür alle möglichen Anwendungen,die das sozusagen einschränken.Aber so krass wird es ja dann glaube ich auf dem Mond erstmal nicht sein, oder? haben.
Anne Hutter 1:45:32
Ja, definitiv nicht so wie auf der Erde.Es wird definitiv besser sein. Ich glaube, die Idee ist aber auch,dass man, wenn man das auf dem Mond baut, im Prinzip in der Sensibilität,also wie klein das Signal sein könnte, damit man es immer noch detektiert,wesentlich besser sein würde.Es würde viel geringer oder Signale geringere Intensität detektieren können.Und das würde auch dann neue,Bereiche eröffnen oder Fragen beantworten, die mehr in die Richtung von Materie,Verteilung oder auch Dark Matter geht.
Tim Pritlove 1:46:13
Ist das nicht so bei der Hintergrundstrahlung, ich meine wir hatten jetzt Plancksozusagen als bisher die feinste Messung der Hintergrundstrahlung und ich weißnicht, ob noch feiner überhaupt was bringen würde.Wahrscheinlich gar nicht mal, oder? Also gibt es da nochmal eine Initiativemit, jetzt brauchen wir das selber, aber nochmal in genauer.Meine Wahrnehmung war eher so, das passt schon, das haben wir jetzt,wir könnten eine Auflösung vielleicht noch erhöhen, aber wir würden dabei keineInformationen gewinnen, die wir nicht im Prinzip schon haben.Und das war ja eine Mission, die an Lagrange-Punkt L2 weit rausgeflogen,da hatte man dann irgendwie auch so seine Ruhe, also Ruhe im Sinne von Wärmestrahlung,Ruhe, also keine warme Sommel in der Nähe und die Erde auch nicht und schönversteckt im Dunkeln, hat man dann eben sozusagen das Universum abgetastet.Und dann war das ja nach einer bestimmten Laufzeit dann abgeschlossen.Wäre das dann mit dieser Messung der H1-Linie, dieser Wasserstofflinie auch so,dass man das eigentlich nur über einen bestimmten Zeitraum mal messen muss unddann hat man die Daten und dann kann das Projekt auch beendet sein?Oder gibt es irgendetwas, wo sinnvoll wäre, das über einen möglichst langenZeitraum zu beobachten?
Anne Hutter 1:47:46
Ja, ich glaube, bei der 21-Zentimeter-Linie macht es schon Sinn,das über einen längeren Zeitraum zu beobachten, zumal das Signal an sich so klein ist.Man muss sich das vorstellen, das ist tatsächlich auch wieder ein Hunderttausendstelvon dem eigentlichen Signal.Also wenn ich 21 Zentimeter das Signal messe, das eigentliche Signal,an dem ich interessiert bin, ist irgendwie ein Hunderttausendstel davon.Das heißt, es ist sehr gering.Und dementsprechend brauchen wir eben relativ viele Daten über einen längerenZeitraum, damit wir uns sicher sein können.
Tim Pritlove 1:48:22
Wir kriegen wirklich… Was ist jetzt hier Signal, was ist Rauschen?
Anne Hutter 1:48:26
Genau, was ist sozusagen der Vordergrund, den wir eigentlich wegsubtrahieren müssen.Und der kommt hauptsächlich von unserer eigenen Galaxie.
Tim Pritlove 1:48:38
Okay. Und das kann dann, also es könnte sein, dass, was weiß ich,wenn man das 30 Jahre lang misst, dann hat man immer noch ein besseres Bild,als wenn man es nur 10 Jahre misst.
Anne Hutter 1:48:49
Ja, die Statistik wird einfach besser.
Tim Pritlove 1:48:51
Okay.Wahrscheinlich auch schwer vorher zu sagen, wie lange man jetzt wirklich lauschen muss.Ist die denn überhaupt schon mal gemessen worden von irgendetwas?Oder ist das nur so eine theoretische Messung, die man anstrebt?
Anne Hutter 1:49:04
Naja, also man kann die 21 cm Zentimeterlinie auch von,Galaxien, die näher an uns dran sind, messen und dann sieht man,bekommt man sozusagen Karten, wie der neutrale Wasserstoff in den Galaxien verteilt ist. Ähm,Aber bisher gemessen zur Zeit der ersten Galaxien, der Rionisierung oder dieserdunklen Zeiten der Dark Ages wurde sie noch nicht.Es gab eine potenzielle Messung 2018, da gab es eine Publikation,die gesagt hat, wir haben es detektiert.Ich glaube, mittlerweile ist der Konsens, da gab es noch Fehler in der Analyseoder da wurde was nicht genau berücksichtigt. Das ist sehr schwer umstritten.
Tim Pritlove 1:49:53
Und wenn man jetzt sagt, man misst jetzt die Wasserstofflinie von etwas,was näher dran ist, aber man möchte es lieber von etwas haben,was weiter weg ist, ist das dann auch wieder so ein Rotverschiebungsaspekt? Perfekt.Okay, also auch hier muss man sozusagen langwelliger arbeiten,um tiefer reinzuschauen und dann kann man damit auch im Wesentlichen vorhersagen,in welche Zeit man schaut.
Anne Hutter 1:50:14
Genau, genau. Deswegen hat das Square-Kilometer auch zwei Komponenten.Einen niedrigfrequenten Bereich, der im Megahertz-Bereich ist, der ist in Australien.Und der andere, der bis in den Gigahertz-Bereich geht, der ist in Südafrika.Und der in Australien, der fokussiert sich dann auf Rionisierung,dunkle Zeiten oder Dark Ages.Und der in Südafrika eher auf die nahegelegenen Galaxien, wie ist der neutraleWasserstoff in denen verteilt.
Tim Pritlove 1:50:48
Cool. Bin ich auch mal gespannt, was dabei rauskommt.
Anne Hutter 1:50:51
Ich auch.
Tim Pritlove 1:50:52
Das kann ich mir vorstellen. Dann ist hier wieder richtig Alarm.Ja, Anne, haben wir jetzt eigentlich alles abgeklappert.Gibt es noch irgendetwas, was du noch gerne hinzufügen möchtest?Wir haben jetzt, glaube ich, einen recht intensiven Blick auf diese Zeit geworfen.
Anne Hutter 1:51:12
Ich glaube nicht. Also ich glaube, wir haben einen ganz guten Rundumschlag vonganz früh bis heute gemacht.
Tim Pritlove 1:51:19
Super, na das freut mich. Dann sage ich vielen Dank für deine Ausführungen.
Anne Hutter 1:51:24
Danke dir auch.
Tim Pritlove 1:51:26
Ja und damit sage ich auch vielen Dank fürs Zuhören hier bei Raumzeit.Bald geht es wieder weiter. Ich sage Tschüss und bis bald.

Shownotes

RZ121 EarthCARE

Eine neue Mission studiert auf neue Art die Zusammensetzung von Wolken und deren Auswirkungen auf das Klima

Die neue EarthCARE Mission der ESA (European Space Agency), die in Zusammenarbeit mit der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA durchgeführt wird, zielt darauf ab, unser Verständnis über die Rolle von Wolken und Aerosolen bei der Reflexion von einfallender Sonnenstrahlung zurück ins Weltall und der Speicherung von von der Erdoberfläche emittierter Infrarotstrahlung zu erweitern. Durch die Kombination von vier wissenschaftlichen Instrumenten an Bord des Satelliten, der in einer sonnensynchronen polaren Umlaufbahn die Erde umkreisen wird, sollen globale Beobachtungen von Wolken, Aerosolen und Strahlung ermöglicht werden. Diese Beobachtungen sind entscheidend, um die Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und Strahlung sowie deren Einfluss auf das Erdklima besser zu verstehen und zu modellieren​.

Dauer:
Aufnahme:

Björn Frommknecht
Björn Frommknecht
Thorsten Fehr
Thorsten Fehr

Ich spreche heute gleich mit zwei Repräsentanten der Mission. Björn Frommknecht ist Missionsleiter von EarthCare und ist vor allem für die technischen Aspekte dabei. Thorsten Fehr wiederum leitet das wissenschaftlichen Team der Mission und berichtet über die wissenschaftliche Seite des Projekts. Wir sprechen gemeinsam über die Entstehungsgeschichte der Mission, den bevorstehenden Start, das technische Design, die wissenschaftlichen Ziele und Herangehensweisen und viele andere Details.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:35
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle zur 121.Ausgabe von Raumzeit. Und ja, heute bin ich mal wieder unterwegs und der Weghat mich ins gute alte Darmstadt geführt, da wo alles hier schon mal begann.Und das bedeutet, ich bin am ESOC, dem Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum,da, wo die Satelliten gesteuert werden und andere verrückte Sachen passieren.Und heute geht es um eine Mission mit dem schönen Namen EarthCare.Das heißt, man kümmert sich jetzt mal ein bisschen um die Erde, wurde ja auch mal Zeit.Und begrüße dafür heute gleich zwei Gesprächspartner, nämlich auf der einenSeite den Björn Frommknecht. Hallo Björn.
Björn Frommknecht 0:01:27
Hallo.
Tim Pritlove 0:01:28
Und den Thorsten, Thorsten Fehr. Hallo.
Thorsten Fehr 0:01:30
Hallo.
Tim Pritlove 0:01:30
Herzlich willkommen bei Raumzeit. Genau, heute machen wir es mal im Doppel,denn ihr seid beide bei EarthCare mit im Programm, habt aber so ein bisschenunterschiedliche Ausrichtungen.Du Björn bist Missionsleiter, also Chef vom Ganzen kann man sagen, oder? oder?
Björn Frommknecht 0:01:50
Könnte man so sagen, ja. Also meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen,dass alle ihren Job gut machen können und dass wir das meiste aus der Mission rausholen können.Und ich darf mich dann auch zum Beispiel um ein bisschen mehr administrativeTätigkeiten kümmern, während die spannende Wissenschaft dann zum Beispiel vom Thorsten betreut wird.
Tim Pritlove 0:02:08
Wie schön, genau. Und du bist Missionswissenschaftler, wie man so schön sagt.Bestimmt auch nicht der Einzige.
Thorsten Fehr 0:02:15
In dem Fall bin ich der Einzige auf der ESA-Seite, wo wir noch später zukommenwerden. Es gibt natürlich auch noch unsere Partneragentur, wir machen es janicht alleine, wir machen es in dem Fall zusammen mit unseren japanischen Kollegen.Da gibt es auch noch einen Missionswissenschaftler, der dann auf der japanischenSeite die Wissenschaft koordiniert.
Tim Pritlove 0:02:33
Genau. Kommen wir doch vielleicht erstmal zu euch, fangen wir mal mit dir an, Björn.Wann hast du denn angefangen das erste Mal in die Sterne zu schauen und warum Raumfahrt?
Björn Frommknecht 0:02:45
Ja, also ich habe eigentlich eine relativ bodenständige Ausbildung gemacht.Ich bin Geodät, also Vermessung der Erde.Ich habe in München studiert, an der TU München und bin da aber relativ schnellin Kontakt mit Satelliten gekommen, weil wir Satelliten-Geodäsie gemacht haben.Also die Vermessung der Erde mit Satelliten.Habe da dann auch promoviert und bin dann in Kontakt mit der ESA gekommen überdie Schwerefeld-Mission Goce, Ghosts.Und da haben wir angefangen. Unser Institut war quasi unter Vertrag von eineritalienischen Softwarefirma. So bin ich da reingerutscht, bin nach Italien gekommen, nach Esrin.Und das hat mir dann so gut gefallen, dass ich dann da geblieben bin und habedann eigentlich auf allen wissenschaftlichen Erdbeobachtungsmissionen der ESA gearbeitet.Das war GOCE, Cryosat, SWARM, EOLOS, ALTIOS und so weiter, bis ich dann jetztendlich bei EarthCare gelandet bin.
Tim Pritlove 0:03:41
Ja, GOCE war hier auch schon mal ein Thema. Raumzeit Nummer 40,da war ich 2012, ich glaube in München an der Universität, und habe mit RainerRummel über das Projekt gesprochen.
Björn Frommknecht 0:03:55
Genau, das war mein Professor.
Tim Pritlove 0:03:56
Ja, ja.
Björn Frommknecht 0:03:58
Gibt es da die Verbindung, ja?
Tim Pritlove 0:04:00
Genau, die Kartoffel.
Björn Frommknecht 0:04:02
Genau, die berühmte Kartoffel des Geoid, genau.
Tim Pritlove 0:04:07
Und wie war es denn bei dir, Thorsten?
Thorsten Fehr 0:04:09
Ich habe einen sehr ungradlinigen Weg zu ESA gefunden.
Tim Pritlove 0:04:11
Das ist interessant.
Thorsten Fehr 0:04:12
Ja, ich habe erst Physik studiert, wollte unbedingt ans CERN gehen.Das war immer mein Traum, Hochenergiefysik zu betreiben.War auch am CERN und bin dann allerdings eher in die theoretische Physik gekommen,wollte dann medizinische Physik machen, habe an einem Universitätsklinikum inMünchen gearbeitet und wollte dann promovieren in dem Bereich,hat versucht mich zu bewerben und wollte mich als Test beim DLR bewerben.Das war so gar nicht mal das Ziel, dass ich dort arbeiten wollte.Und dann ist meine Bewerbung falsch gelaufen und die ist dann im Institut fürPhysik der Atmosphäre gelandet. Die hatten eine Promotion für Gewitter,für Wolken, für Stickoxide und das fand ich dann so spannend,dass ich gesagt habe, das mache ich gerne.Dann war ich erst am DLR, am Physik der Atmosphäre in Oberpaffenhofen,habe dann dort primär Wolkenphysik gemacht, bis ich dann die Möglichkeit hattevom DLR zur ESA sekundiert zu werden.Das heißt, die haben mich die Möglichkeit gegeben, dafür zwei Jahre hinzukommenund bin dann auch in Estrin gelandet und habe dann primär auf Envisat gearbeitet.Also Envisat ist, glaube ich, immer noch der größte Abbeobachtungssatellit,den wir jemals gebaut haben, zumindest in Europa mit zehn verschiedenen Instrumenten.
Tim Pritlove 0:05:20
Der VW-Bus in Space.
Thorsten Fehr 0:05:22
Der VW-Bus in Space. Ich glaube sogar deutlich größer als ein VW-Bus im Schluss.Und habe dann da primär die atmosphärischen Instrumente behandelt.Das war GOMOS, MIPAS und da war auch ein deutscher Beitrag bei Skiamaki dabei.Und bin dann dort Qualitätsmanager gewesen, das sagt man so,aber auch da schon die Wissenschaft mitbetrieben.Und bin dann von Esrin nach Estik gewechselt, habe dann Kampagnen gemacht undbin dann später als Missionswissenschaftler für EarthCare auch dazugekommen.
Tim Pritlove 0:05:51
Esrin hat ja einen ziemlichen Schwerpunkt auf diesen Erdbeobachtungsmissionen, kann man sagen.Das ist schon so ein Fokus.
Björn Frommknecht 0:06:00
Das Zentrum für die Missionsleitung der Erdbeobachtungsmissionen der ESA.Das andere Zentrum wäre ESAC, das wäre dann für die Weltraummissionen.Aber für die Erdbeobachtungsmissionen ist das Zentrum in Esrin.Und genau deswegen sitzen die Missionmanager auch da.
Thorsten Fehr 0:06:20
Und dann zusätzlich natürlich in Estek, wo die ganzen Missionen auch gebaut werden.Das heißt, wir sind wirklich europäisch aufgestellt. Wir haben das Erdbeobachtungszentrumin Esrin in Italien, aber gebaut oder entwickelt werden die Missionen in denNiederlanden, in ASTEC.Das heißt, wir sind also wirklich ganz gut hier in Europa auch verteilt.
Tim Pritlove 0:06:40
So, jetzt kommen wir zu EarthCare. Also wenn ich das richtig sehe,ist EarthCare ein Projekt im Rahmen der sogenannten Earth Explorer Missions,die wiederum zu diesem Living Planet Programm der ESA gehören.Also es ist ja ohnehin so, dass die ESA sehr stark im Bereich Erdbeobachtungist generell und ich würde sagen auch führend eigentlich.Also die, glaube ich, mit Abstand meisten Erdbeobachtungsmissionen sind letztenEndes von der ESA initiiert.NASA hat nach wie vor die Nase vorn, wenn es um Mars und einige andere Dinge geht,aber das ist ja definitiv eine europäische Domäne und es sind auch schon soviele verschiedene Missionen, dass ja dann man fast schon gar nicht mehr auseinanderhalten kann,wer da jetzt eigentlich wo drauf schaut.Daraus leitet sich ja im Prinzip dann auch gleich wieder die Frage ab,also wozu brauchst du dann hier diese Mission?Vielleicht können wir mal so ein bisschen in diese Vorgeschichte einsteigen.Was war eigentlich jetzt erstmal der initiale Treiber, also die Uridee für diese Mission?Was sollte sozusagen grob erstmal als Ziel erreicht werden und wie ist es dann gelaufen?
Thorsten Fehr 0:07:54
Du hattest ja schon vorhin erwähnt, dass wir, was die Erdbewerber angeht,so mitführend sind auch global.Und eine dieser Elemente, die wir haben, sind eben diese Earth Explorers.Und die Earth Explorers sind ganz klar da, um wissenschaftliche Fragen zu beantworten.Wir haben auch noch andere Elemente, das ist Copernicus, was wir zusammen mitder Europäischen Kommission machen, ist für Services auch ein sehr erfolgreiches Projekt.Wir haben noch die meteorologischen Systeme, die wir ganz spezifisch für dieWettervorhersage zum Beispiel auch entwickeln.Aber gerade die Earth Explorers sind dazu da, um wirklich wissenschaftlicheFragen, sagen, fundamentale wissenschaftliche Fragen zu beantworten.Und bei Earthcare hat sich schon in den 90er Jahren die Frage gestellt,wie beeinflussen eigentlich Wolken und Aerosole, das sind diese kleinen Teilchen,die in der Luft fliegen, das kann Dunst sein, das kann Staub sein,das kann kleine Salzpartikel sein, wie beeinflussen die das Klima?Das war so eine Fragestellung, die sich schon damals gestellt hatte.
Tim Pritlove 0:08:45
Oder Vulkanasche.
Thorsten Fehr 0:08:46
Oder Vulkanasche zum Beispiel.
Tim Pritlove 0:08:48
Genau. Ich hatte auch schon mal hier eine Sendung gemacht zur Atmosphäre,wo natürlich die Aerosole auch eine große Rolle gespielt hat.Damals mit Bernadette Weinzierl, die zu den Wissenschaftlerinnen gehörte,die damals den unaussprechlichen isländischen Vulkan und die Auswirkungen davon untersucht haben.
Thorsten Fehr 0:09:07
Ah ja, Eyjafjallajökull.
Tim Pritlove 0:09:09
War das jetzt auch richtig oder war das nur so getan? Ich glaube,es war einigermaßen okay.
Thorsten Fehr 0:09:15
Bernadette ist jemand, mit der ich auch im Institut war.
Tim Pritlove 0:09:18
Ah ja, okay, alles klar. Ja, genau.Also Aerosole spielen eine große Rolle und Wolken spielen eine große Rolle,das ist ja vollkommen klar.Aber was weiß man denn dann noch nicht? Also ich meine, was ist sozusagen jetztder Trigger, dass man sagt, okay, jetzt brauchst du ja auch nochmal eine neue Mission?
Thorsten Fehr 0:09:35
Also wir alle kennen natürlich Wolken und Wolken ist das, was uns ja auch ständig umgibt.Wenn wir an den Himmel schauen, meistens, so in meinem Fall in Holland,da sehen wir ständig Wolken, meistens regnet es auch aus denen.Das heißt, im Prinzip sind Wolken etwas, was wir eigentlich kennen und die Physikder Wolken ist auch etwas, was wir kennen.Schon über Jahrzehnte, Jahrhunderte auch schon uns genau anschauen.Aber eine Sache, die nie ganz klar war, ist, wie beeinflussen Wolken auch das Klima?Wir wissen ja zum Beispiel, dass Treibhausgase einen sehr deutlichen Einflusshaben auf die Klimaentwicklung.Wir kennen das sehr wohl, dass wir zum Beispiel unsere Klimagasemissionen auchreduzieren müssen oder auf jeden Fall, um das Klima zu stabilisieren oder besser zu machen.Aber der Einfluss von Wolken und Aerosolen auf das Klima ist etwas,was nicht ganz so klar ist. Weil Wolken sind sehr schwierig zu greifen.Wir wissen alle, Wolken sind schwierig zu greifen.Wie die entstehen, wo sie entstehen und wie sie das Licht, was von der Sonnekommt, reflektieren oder auch die Wärmestrahlung, die von der Erde abgestrahltwird, auch wieder zurückhalten.Das sind so die Effekte. Und nachdem Wolken sehr komplex sind,wir wissen das, wenn wir an einem Sommerabend den Himmel anschauen,dann sieht man Wolken, die weit oben sind, Zirnenwolken, diese Wolken,die wirklich nur ganz dünn zu sehen sind.Man kann Gewitterwolken sehen, man kann Schönwetterwolken sehen.Und all diese Wolken haben einen anderen Einfluss auf die Abstrahlung der Erde,auf die Einstrahlung von der Sonne.Und das ist, was die Sache so sehr komplex macht.Also der ganze Zusammenhang zwischen Aerosolen, wie sie die Wolkenentstehung auch beeinflussen.Und wie das dann auf den Strahlungshaushalt der Erde zurückfällt,das sind die Punkte, die einfach immer noch sehr, muss man sagen,nicht so genau zu wissen sind. Die sind noch nicht so sehr bekannt.Und das ist auch in den Klimaberichten immer wieder zu sehen.Bis vor einigen Jahren hieß es zum Beispiel, dass gaben diese Wolken-Aerosol-Klima-Auswirkungen,die am wenigsten bekannten, am wenigsten gut eingeschätzten Bereiche unserer Klimaforschung sind.Das hat sich in den letzten Jahren ein bisschen verändert, aber es ist immernoch so, sodass wir hier einen großen Wissensnachholbedarf haben.
Tim Pritlove 0:11:40
Und gab es denn nicht schon auch Missionen, Raumfahrtmissionen,die sich der Wolkenthematik angenommen haben bisher?
Thorsten Fehr 0:11:51
Auf jeden Fall. Ich meine, die meisten oder sehr viele zumindest von den meteorologischenSystemen, die schauen sich natürlich auch Wolken an. Das ist ganz klar.Das wollen wir auch machen. Aber was wir hier noch weitermachen wollen,ist die ganz spezifische Wolkenentstehung auch sich anzuschauen.Es gab schon Missionen davor. Unsere NASA-Kollegen hatten zwei Missionen.Fliegen, die sehr ähnlich sind wie EarthCare.Das eine ist der CloudSat, das war ein Wolkenradar, was geflogen worden ist,sehr erfolgreich und auch ein LIDAR, da kommen wir auch später dazu,wenn wir dann die Instrumente betrachten.Das heißt, ähnliche Missionen wurden auch schon geflogen.Aber diese Missionen waren zum Beispiel auf zwei verschiedenen Plattformen.Das waren andere Systeme und mit EarthCare versuchen wir das nochmal deutlich besser zu machen.Wir bauen natürlich auch auf diese Informationen auf, aber der Satellit,den den wir haben, erweitert das Wissen noch deutlich.
Tim Pritlove 0:12:41
Und wann ist jetzt das erste Mal darüber nachgedacht worden?Also was ist sozusagen jetzt, wann ging es los?
Thorsten Fehr 0:12:49
Wann ging es los? Es ging los vermutlich in den frühen 90er Jahren,wenn die ersten Ideen kommen.Das heißt, den Zeitraum von der ersten Idee, wo ein paar Wissenschaftler,so wie wir jetzt auch, am Tisch sitzen und sich unterhalten,was wird benötigt, wo sind denn wirklich die Punkte, wo unser Wissen erweitertwerden muss, um die Welt besser zu verstehen,bis zu dem Zeitpunkt jetzt, da kann schon mal ein paar Dekaden auch vergehen.Also sprich, die Abfolge war, wie gesagt, Wissenschaftler unterhalten sich,sie entwickeln ein Konzept,Und dann können Sie mit dem Konzept natürlich auch zu ESA gehen.Das ist praktisch der Werdegang.Und hier ist es dann so gewesen, dass ungefähr 2001 das EarthCare-Konzept,wie wir es jetzt sehen, wurde vorgeschlagen. Der ESA als ein EarthExplorer,als eines der Missionen, die ganz spezifische wissenschaftliche Fragen auch beantworten.2004 wurde es dann ausgewählt in die Implementierungsphase. Das heißt,davor waren noch andere Missionen auch noch mit dabei.EarthCare wurde ausgewählt, um dann weiter aufgebaut zu werden.Ja und seit 2004 bauen wir die Mission auf.Das heißt, es sind vermutlich jetzt dann 30 Jahre, dass von der ersten Ideebis wo wir den Launch haben, hoffentlich jetzt dann bald Ende Mai,aber so lange dauert das, bis es vom Konzept zum wirklichen ersten Datensatz auch kommen kann.
Tim Pritlove 0:14:05
Mhm. Und die Kooperation mit JAXA, war die dann sozusagen von Anfang an da oderhat man sich da später erst so entschlossen?Also wie kommt das dann sozusagen, das waren jetzt so eine Mission auch konkretmit einer anderen Agentur zusammen plant?
Thorsten Fehr 0:14:19
Das ist natürlich auch das Schöne an solchen Missionen, sowas wächst ja auch.Das heißt, der erste Vorschlag, der gekommen ist von den Wissenschaftlern,war die sogenannte Earth Radiation Mission, IRM.Und diese Mission hatte noch keinen Lachseanteil dabei. Und natürlich suchtman immer wieder auch nach Kooperationen, nicht nur die Wissenschaft.Die Wissenschaftler arbeiten immer sehr, sehr eng miteinander.Es ist wirklich ein globaler Austausch der Ideen.Aber auch auf der Agenturseite war das Bestreben, hier eine Kooperation zu finden.Und das kam dann so, dass die japanischen Kollegen Erfahrung hatten mit einemMesssystem, was eben in Europa nicht so bestanden hat, mit dem Wolkenradar.Und hier wurde dann praktisch vorgeschlagen, ja, die Japaner kamen,wir haben dieses Wolkenradar, mit dem wir eure Mission noch besser aufbauenkönnen. Das war auch etwas, was notwendig ist.Und dementsprechend haben dann die Japaner das Wolkenradar für unser System geliefert.Das heißt, die Systeme, die wir auf Earthcare fliegen, sind vier Hauptinstrumente.Drei davon sind europäisch.Eins davon ist von den japanischen Kollegen.
Tim Pritlove 0:15:16
Mhm.
Thorsten Fehr 0:15:18
Und gleichzeitig haben die Japaner auch dann um die Mission herum auch ihrenwissenschaftlichen Bereich mit aufgebaut.Das heißt, wir haben also auch hier einen sehr regen Austausch zwischen deneuropäischen und den japanischen Kollegen, wie es auch sein soll.Das ist Wissenschaft. So muss es funktionieren.
Tim Pritlove 0:15:32
Und dann ging es 2014 los.
Thorsten Fehr 0:15:36
2004 ging es los mit dem Bauen.
Tim Pritlove 0:15:37
Mit dem Bauen, aber 2014 sollte eigentlich der Start sein. Darauf wollte ich hinaus.
Thorsten Fehr 0:15:41
Ja, ich glaube sogar 2013 hätte es zum ersten Mal der Start sein müssen.Als ich zur ESA gekommen bin, war das glaube ich noch 2013.Manche Dinge sind etwas komplizierter, als man am Anfang sich denkt.Und deswegen hat es hier auch länger gedauert, bis wir es geschafft haben,wirklich alle technischen Probleme zu lösen.Manchmal dauert es länger.
Tim Pritlove 0:16:02
Aber welcherlei Art waren jetzt sozusagen diese Probleme?Also was genau war jetzt schwierig? War es ein Problem, die richtige Raketezu finden? Das ist ja oft, oder?
Björn Frommknecht 0:16:13
Also ich glaube, bei Earthcare haben wir eine schöne Sammlung an Problemen, die wir gelöst haben.Also natürlich war es erstmal technisch einfach schwierig, die Instrumente zu bauen.Also zum Beispiel das Instrument für die Aerosole ist ein UV-Laser, ein LiDAR-Instrument.Und es ist einfach sehr schwierig, so ein Instrument weltraumtauglich zu machen.Also das UV-Laser bedeutet, es ist hohe Energie.Das heißt, wenn kleinere Verschmutzungen auf der Optik sind oder so,dann verschmutzt sich das und ist nicht mehr benutzbar.Also das stellt sehr hohe Anforderungen schon allein, um nur die Komponentenzu bauen und dann zusammenzustellen, testen und so weiter.Und das dann funktionsfähig über eine längere Zeit im Weltraum zu halten, ist nicht sehr einfach.Und wir sind, wenn es dann hoffentlich funktioniert,die ersten, die das über längere Zeit fliegen, wenn man absieht von der Eolus-Mission,die ja Windmessungen mit einem UV-Laser, mit einem weltraumtauglichen UV-Laser gemacht hat.Und das hat einfach immer wieder zu Verzögerungen geführt.Je näher man dann kommt, um Teile des Instruments zu fertigen.Zusammenzufügen, desto mehr Probleme kommen dann auch ans Licht,die man dann in den Griff kriegt, aber halt leider unvermeidlich Verzögerungen in Kauf nehmen muss.Was das japanische Instrument angeht, da gab es, wenn ich mich recht erinnere,der Tsunami hat die Fabrik zerstört, in der Teile des Instruments gebaut werden.Und dann muss man eben die Teile, also zuerst mal die Fabrik wieder aufbauensozusagen, die Produktionsanlagen und dann die Teile wieder bauen.Ja, das hat natürlich, das war glaube ich mindestens ein Jahr Verzögerung,wenn ich mich recht erinnere.
Tim Pritlove 0:18:04
Nur ein Jahr?
Björn Frommknecht 0:18:05
Also mindestens, es war vor meiner Zeit, da war ich noch nicht dabei.
Tim Pritlove 0:18:09
Das ist mich ja sehr überrascht schon.
Björn Frommknecht 0:18:10
Aber ja, also das war so eine Serie an, sagen wir mal, Ereignissen und natürlich in letzter Zeit,was für uns auch unerwartet war, der Ukraine-Krieg, der uns gezwungen hat,den Launcher zu wechseln, zweimal.War eigentlich eine Sojus. War eigentlich eine Sojus, soweit so gut,alles dafür getestet und haben gedacht, das ist eingetütet, wenn wir mal soweit sind, kann eigentlich nichts mehr passieren.War dann aber nicht so und dann hieß es, okay, wir gehen auf Vega-C,europäische Rakete, aber da war es einfach so, dass wir so am Limit waren vonder Spezifikation der Oberstufe.Sowohl die Größe, wir hätten sozusagen Aussparungen in die Abdeckung machenmüssen, um den Satellit überhaupt reinzukriegen und auch, weil wir so schwer und so groß sind,war das einfach nicht sicher, ob das überhaupt klappt und deswegen haben wirja dann Gott sei Dank die Erlaubnis bekommen, auf,Falcon 9 zu wechseln, als,Rakete, aber auch da ist es nicht so, man kann nicht einfach Rakete wechseln,sondern es kommt ja immer wie die einzelnen Raketen verhalten sich unterschiedlich,was die Geräusche angeht, Vibrationen und so weiter. Die Kräfte, die beim Start wirken.Und das kann natürlich negative Auswirkungen auf die sehr empfindlichen Instrumente haben.Und da muss man dann erstmal sicherstellen, dass alles den Start gut überstehtund dann auch nach dem Start so funktioniert wie geplant. Also das war eben,wir sagen immer, ÖSKR ist wirklich wie eine Achterbahn der Gefühle.Immer wenn wir denken, wir haben es jetzt, dann kommt wieder was Neues.Deswegen, wir sind bereit für alles.Im Moment sieht es sehr gut aus. Der Start ist quasi morgen,das ist in eineinhalb Monaten. Aber wir sind gespannt, was dann als nächstes kommt.
Tim Pritlove 0:20:01
Genau, wir sprechen jetzt hier gerade im März 2024 und für den Mai besteht sozusagendie Hoffnung, dass der Start stattfindet.Stattfindet. Aber dieser Wechsel der Träger, das interessiert mich jetzt nochmalgerade aus dieser Missionsleiter-Perspektive.Ich meine, ihr werdet ja dann vorher sehr viel mit den Russen zusammengearbeitethaben, die halt diese Sojus betreut haben.Das ist ja auch, das ist ja jetzt nicht nur die Abarbeitung von so einer technischen,Checkliste, sondern das sind ja auch Leute, mit denen man wahrscheinlich überJahre auch schon zusammengearbeitet hat.Und ich meine, die Leute, die da in der russischen Raumfahrt arbeiten,sind ja nun nicht unbedingt jetzt diejenigen, die daran Schuld tragen,dass das dass alles jetzt ganz anders ist.Jetzt muss man sozusagen von heute auf morgen letztlich auf ein amerikanisches Team wechseln.Das ist ja dann auch kulturell, nehme ich an, schon ein Shift,gerade weil jetzt auch SpaceX natürlich als rein privates Unternehmen wahrscheinlichnochmal ein ganz anderes Grundverhalten an den Tag legt.Wie war das so für euch? Ist das so, Raumfahrt, alle kennen sich,Und das läuft schon und dann geht das von heute auf morgen oder muss man dannauch Änderungen am eigenen Projekt in irgendeiner Form vornehmen,ein neues Team aufstellen oder was hat das für Auswirkungen?
Björn Frommknecht 0:21:19
Also rein formell funktioniert das natürlich so, wir haben einen Hauptvertragspartner,der auch dafür verantwortlich ist, den Satellit zu bauen und über den wir dannauch den Start sozusagen machen.Kaufen, wenn man das so w ill. Wer ist der Partner? Das ist Airbus Friedrichshafen.Das hat sich nicht geändert, aber was sich da natürlich geändert hat,ist klar, es gibt eine ganz andere Unternehmenskultur oder das,was ziemlich schnell klar geworden ist bei SpaceX, das ist für die ein Staat,das ist für die nichts Besonderes mehr und man ist einfach ein Kunde unter vielen.Die haben so viel Geschäft, dass man, gibt es keinen Raum für Sonderwünscheoder so, sondern man muss sich halt deren Rhythmus anpassen,auch was zum Beispiel die Bekanntgabe von Startdaten und so weiter gibt.Ihre Abläufe sind, sagen wir mal, inzwischen gut strukturiert und gut eingelaufenund da machen die keine Ausnahmen normalerweise, nur weil wir sagen,okay, wir sind jetzt die ESA und wir haben eine tolle Mission und sagen,okay, wenn ihr nicht wollt, dann nehmen wir halt einen anderen. Also, wollt ihr, oder?Das hieß natürlich auch, dass wir zum Beispiel bei den Preisverhandlungen fürden Start hat, da gab es nicht viel Spielraum, sondern es war halt ein bestimmter Preis.Das war auch eine große Arbeit vom Projektteam, auch den finanziellen Aspektzu regeln, weil man natürlich für Soyuz zum Beispiel hat man schon einen Teil dann ja auch bezahlt.Es ist ja nicht so, dass man erst am Ende nach einem erfolgreichen Start zahlt,sondern da fließen ja auch größere Summen schon, nicht alles Gott sei Dank,aber das alles muss gehandelt werden Und dazu kommt dann eben auch noch,dass es eben ein anderes Team ist, andere Abläufe.Gut, man muss dann nicht zum Beispiel nach Kourou den Satellit transportieren,sondern nach Amerika, Einfuhr, Zölle etc.Also es gibt da einige Änderungen, die man nicht vorhersehen kann,aber im Endeffekt haben wir es dann geschafft und es war ja auch nicht das ersteMal, dass die ESA-Raketen mit SpaceX startet, sondern da gab es ja schon Vorläuferund da haben wir uns natürlich dann auch abgesprochen mit den Kollegen.
Thorsten Fehr 0:23:33
Es macht natürlich auch programmatisch einen großen Unterschied.Ich meine, natürlich als europäische Raumfahrtagentur ist unser Ziel natürlichauch mit einer europäischen Rakete unsere Satelliten in den Orbit oder in den Saal zu bringen.Und das ist natürlich auch etwas, wo wir umdenken mussten, dass wir sagen,okay, können wir rausgehen?Wer kann denn das anbieten? Und hier muss man sagen, da haben auch im speziellenFall von Earthcare uns die Mitgliedstaaten auch durchaus unterstützt.Also es war natürlich klar, am Anfang wollten die auf ihre Seite,dass wir nach Sturios auf Vega-C gehen, einfach um sicherzustellen,dass auch hier europäische Systeme verwendet werden.Aber aufgrund auch der Notwendigkeit der Messung.Deswegen konnten wir dann auch unsere Mitgliedstaaten davon überzeugen,dass wir eben auf einen kommerziellen, auf einen amerikanischen Launcher auch gehen.Und es ist auch wichtig zu sehen, dass wir hier die Flexibilität auch haben.Wenn Sachen notwendigerweise gemacht werden müssen, wenn was passieren muss,dann finden wir auch einen Weg.Also es ist nicht, dass wir hier ganz verbotprogrammatisch sagen,es muss aber so sein, sondern wenn wir müssen, dann können wir auch anders denken.
Tim Pritlove 0:24:35
Ja, Euclid, das Weltraumteleskop, das vor kurzem gestartet ist,hat ja im Prinzip dieselbe Geschichte gehabt.Auch da sollte es ja mit einer Sojus hochgehen und ist dann am Ende mit SpaceXerfolgreich gelauncht worden.Das steht euch dann sicherlich auch bevor. Ich bin da ganz zuversichtlich.Jetzt sind wir ja noch vor dem Start, aber mich würde trotzdem kurz interessieren,was ist jetzt die konkrete Raumfahrtmission?Also wohin geht die Reise mit dem Satelliten?In was für einen Orbit soll er denn nun kommen und warum und wie kommt er da hin?
Björn Frommknecht 0:25:15
Okay, also die Bahn ist polare Bahn.Das heißt, man fliegt vom Nordpol zum Südpol oder vom Südpol zum Nordpol, je nachdem wie rum.
Tim Pritlove 0:25:23
…ist nur ein ein Katzensprung…
Björn Frommknecht 0:25:25
Weil sich dann einfach die Erde drunter wegdreht. Also typisch für Erdbeobachtungsmissionen,damit man polare Orbits hat. Im Prinzip eine komplette Abdeckung der Erde, beobachtungsmäßig.Bahnhöhe sind 400 Kilometer, relativ niedrig.Und es heißt Sonnensynchron. Das bedeutet, dass die Bahnebene sich einmal imJahr um sich selber dreht, damit immer Sonne auf die Solarpanels scheint,weil wir einen sehr hohen Energiebedarf haben. Wir haben aktive Instrumente.
Tim Pritlove 0:25:57
Also immer scheint sozusagen.
Björn Frommknecht 0:26:00
So viel wie möglich. Man muss ja korrekt sein. Es macht bei den Jahreszeiten einen Unterschied.Es gibt dann auch Phasen, wo wir quasi Eklipsen haben.Also wenn wir durch den Schatten fliegen, wo wir ein bisschen weniger haben,aber immer noch so, dass die Batterien voll bleiben praktisch und dass wir keinen Energiemangel haben.Wir brauchen ungefähr 1,7 Kilowatt an elektrischer Energie. Das ist relativ viel Energie.Für so einen normalen Erdbeobachtungstatelliten ist das schon,also unser Solarpanel ist, wenn ich es richtig, jetzt hoffe ich,ich erinnere mich richtig, ist glaube ich elf Meter lang.
Thorsten Fehr 0:26:32
Elf und ein halb Meter.
Björn Frommknecht 0:26:33
Und das ist schon größer als, jetzt sagen wir mal, bei den normalen.
Tim Pritlove 0:26:37
Was wäre so ein typischer Strombedarf?
Björn Frommknecht 0:26:40
Ja, unter einem Kilowatt vielleicht, um Größenordnungsmäßig.Aber wir haben eben zwei aktive Instrumente und dann verdoppelt sich das fast.
Tim Pritlove 0:26:48
Okay. Okay.
Björn Frommknecht 0:26:50
Und am energiehungrigsten sozusagen ist der LIDAR, der Laser.Aber auch das Radarinstrument hat fast gleich so viel.
Tim Pritlove 0:26:59
Das heißt, der LIDAR wird dann nach Norden oder nach Süden gestartet?
Björn Frommknecht 0:27:05
Der wird dann, wenn ich mich richtig erinnere, nach Süden gestartet.Also wir starten von Kalifornien aus und fliegen dann Richtung Antarktis.Also wir fliegen sozusagen, wenn man es so einfach sehen will,von oben nach unten, von Norden nach Süden runter.Und Sonnensynchron heißt auch, dass wir dann immer zur selben lokalen Zeit amselben Ort sozusagen vorbeifliegen.Ich glaube, wir haben 14 Uhr.
Thorsten Fehr 0:27:27
Ja, und 14 Uhr ist auch wichtig, weil wir wollen ja uns Wolken anschauen.Und wir wissen, dass es auch bei der Entstehung von Wolken über den Tagesganghinweg auch immer Zeitpunkte gibt, wo es mehr oder weniger Wolken gibt.Das heißt zum Beispiel morgens haben wir relativ wenige Wolken.Das heißt zum Beispiel auch viele Satelliten, die keine Wolken haben wollen,die praktisch nur mit der Kamera die Erde beobachten, die wollen eigentlichlieber morgen fliegen, Irgendwann hat es weniger Wolken.Wir sind genau im umgekehrten Fall. Wir wollen eigentlich Wolken haben.Das heißt, wir haben für unseren Satelliten 14 Uhr ausgesucht als die lokaleZeit, in der wir praktisch über die Erde messen.
Tim Pritlove 0:28:02
Also 14 Uhr, also immer da, wo man ist, ist es gerade 14 Uhr?
Thorsten Fehr 0:28:08
Das muss man sich so vorstellen, ja.
Tim Pritlove 0:28:11
Also ich meine, so mit Uhrzeit und wenn man über die ganze Welt fliegt, ist ja so eine Sache.
Thorsten Fehr 0:28:16
Wir können sagen, dass praktisch, wenn immer wir den Äquator bei Tageslichtüberqueren, ist es 14 Uhr. Und die Erde dreht sich praktisch unten durch.
Björn Frommknecht 0:28:23
Das ist der Zeitpunkt der Äquatorüberquerung. Da ist es am Äquator.
Thorsten Fehr 0:28:26
Am Äquator ist es 14 Uhr.
Tim Pritlove 0:28:27
In der jeweiligen Zeitzone oder hier?
Thorsten Fehr 0:28:30
Lokal. Es ist immer in der lokalen Zeit. Ansonsten, die Wolken halten sich janicht an die globale Zeit.
Tim Pritlove 0:28:36
Und 14 Uhr ist sozusagen so der optimale Wolkenzeitpunkt?
Thorsten Fehr 0:28:40
Das ist ein sehr optimaler Wolkenzeitpunkt.
Tim Pritlove 0:28:42
Warum ist das ein optimaler Wolkenzeitpunkt?
Thorsten Fehr 0:28:44
Das ist praktisch, bevor auf der Landmasse die Konvektion einsetzt.Das heißt, wenn wir uns Europa anschauen, das ist ja bloß ein kleiner Teil derWelt. Die Tropen sind natürlich der größte Teil der Welt.Und hier ist es so, dass die Konvektion am frühen Nachmittag einsetzt.Wir wollen praktisch dieses Einsetzen auch der Konvektion, auch diese Wolkenmitnehmen. Auf der anderen Seite...
Tim Pritlove 0:29:03
Mit Konvektion meinst du?
Thorsten Fehr 0:29:04
Oh, Konvektion, Entschuldigung. Konvektion bedeutet, wie sich die Wolken entstehen.Wir kennen das ja alle auch bei uns an einem schönen Sommertag.Wenn wir mal einen richtigen Sommer haben, dann entstehen immer am Nachmittagdie Gewitter. Das ist der ideale Sommerfall.Am Nachmittag entstehen Gewitter und das ist das Entstehen von diesen Wolken.Es muss nicht mal gleich Gewitter sein.Das nennen wir Konvektion. Das heißt, die Luft steigt vom Boden in die Höheund bildet dabei Wolken aus. Und das passiert in den Tropen eben ungefähr um diese Uhrzeit auch.Umgekehrt, die Wolken über dem Meer bilden sich meistens am Vormittag.Das heißt, wir nehmen das auch noch mit. Das heißt, diese 14 Uhr sind im Prinzipder optimale Zeitpunkt, um vom Satelliten aus Wolkenfelder zu betrachten.Du schaust noch ein bisschen kritisch.
Tim Pritlove 0:29:47
Aber Ich versuche es mir nur gerade so vorzustellen, wie man so auf diese Optimierungkommt, aber es ist ja nachvollziehbar Also man will natürlich irgendwie nichtgenau dann irgendwo langfliegen, wenn da keine Wolken sind Genau.
Thorsten Fehr 0:29:57
Wir wollen ja Wolken vermessen und deswegen müssen wir uns das so ein bisschenoptimieren, wo finden wir den Zeitpunkt an dem die Wolken da sind nicht zu viele,nicht zu wenige, damit wir das auch alles schön bestimmen können.
Tim Pritlove 0:30:08
Weil es halt hier in dieser Mission auch konkret um das Untersuchen der Wolken geht.Es geht jetzt hier nicht so sehr um festzustellen, ob da Wolken sind oder nicht,sondern man will eigentlich so viel Wolken sehen, wie es nur irgendwie geht,weil man sie sich genau anschauen möchte.Weil bei anderen Erdbeobachtungen will man halt alle Wolkenfelder sehen oderWettersatelliten wollen natürlich sozusagen auch sehen, wenn da keine Wolken sind.Also das ist glaube ich schon etwas, was man auch im Kopf haben muss,wenn es jetzt hier sozusagen um das ganze Design geht.So gesteuert wird das dann alles von Von Darmstadt aus?
Björn Frommknecht 0:30:45
Genau, also die Flugkontrolle ist in Darmstadt. Das heißt, der Satellit wirdhier von dem Kontrollzentrum in Darmstadt ausgeflogen, kann man sich so vorstellen.Die Kommunikation mit dem Satelliten findet dann über Bodenstationen statt,die auf der Erde verteilt sind. sind.Vorzugsweise nimmt man welche, die an den Polen sind, wenn man kann,weil die einfach dann jeden Vorbeiflug auch sehen.Weil wir fliegen jedes Mal, bei jedem Umlauf fliegen wir über die Pole und dasheißt, da kommen wir dann vorbei und da kann man dann sowohl Daten runterladen,also die wissenschaftlichen Daten.
Tim Pritlove 0:31:19
Also Pole heißt jetzt nicht am Nordpol, sondern halt möglichst weit nördlich, so Kiruna oder so.
Björn Frommknecht 0:31:24
Svalbard zum Beispiel, was ja schon relativ weit nördlich ist,auf jeden Fall nördlich vom Polarkreis, wenn man kann.Genau am Nordpol Pol nicht, das ist richtig, da gibt es keine Station.Aber es gibt eben, auch in Kanada zum Beispiel, je näher am Pol,desto besser für die Station.Und das ist auf jeden Fall ein Geschäft, das sich ausweitet.
Tim Pritlove 0:31:43
Und am Pol kann man ja nicht so, ist das Feuerland?
Björn Frommknecht 0:31:45
Trollstation.
Tim Pritlove 0:31:47
Auf der Antarktis?
Björn Frommknecht 0:31:48
In der Antarktis ist es natürlich schwieriger zu erreichen, logistisch und so weiter.Datenverbindungen, da muss man dicke Kabel legen. Und das ist schwieriger in der Antarktis.
Tim Pritlove 0:31:57
Heißt die Station Troll?
Björn Frommknecht 0:31:58
Troll, ja.
Tim Pritlove 0:31:59
So wie der Troll, ja?
Björn Frommknecht 0:32:00
Wie der Troll, ja. Ich glaube, es gibt keine Trolle. Ich war noch nicht dort, das weiß ich nicht.Aber Pinguine wahrscheinlich.
Tim Pritlove 0:32:09
Ja, wahrscheinlich.Okay, das heißt, da werden dann halt die Daten eingesammelt und ich vermutemal, da kommen auch eine ganze Menge Daten runter.
Björn Frommknecht 0:32:18
Ja, das ist richtig. Also wir liegen ungefähr, um eine Größenordnung zu geben,ungefähr bei 60 Gigabyte pro Tag alles zusammen.
Tim Pritlove 0:32:26
60 Gigabyte pro Tag?
Björn Frommknecht 0:32:28
Ungefähr, ja.
Tim Pritlove 0:32:28
Okay, und wie viel Ausfall kann man sich dann erlauben, sollte es mal Problememit der Datenstation geben?
Björn Frommknecht 0:32:36
Also unser Ziel bei unseren Wissenschaftsmissionen ist, dass wir eigentlichkeinen Ausfall haben wollen. Wir wollen das wirklich maximieren.
Tim Pritlove 0:32:44
Aber ich meine, wäre jetzt sozusagen eine Bodenstation mal für eine Weile nichtin der Lage, die Daten anzunehmen, wie viel kann der Satellit zwischenspeichern?
Björn Frommknecht 0:32:54
Ah okay, da sind wir glaube ich bei fast zwei Tagen, wenn ich mich recht erinnere.Also da ist eine gewisse Toleranz und wir haben zwei Bodenstationen für dieDaten allein, also die Wahrscheinlichkeit, dass wir da was überschreiben,ist eigentlich relativ gering.
Tim Pritlove 0:33:08
Und die 60 Gigabyte sind dann sozusagen jetzt also brutto, was man am Ende rausbekommt?
Björn Frommknecht 0:33:14
Die Rohdaten sind weniger, das sind alle Produkte zusammen, also quasi alleVerarbeitungsstufen zusammengerechnet, japanische Produkte, europäische Produkte,also wirklich komplett global.
Tim Pritlove 0:33:24
Aber ist das jetzt sozusagen der reine komprimierte Datenstrom oder ist dasdas, was man am Ende erhält?
Björn Frommknecht 0:33:28
Der komprimierte Datenstrom sind vielleicht ungefähr 10 Gigabyte.Das ist deutlich weniger.
Tim Pritlove 0:33:34
Ja, klar. Gut, das heißt, aber auch 10 Gigabyte muss man natürlich erstmal wegkriegen.Ich meine, wie lange dauert so ein Polarer Orbit letztlich?
Björn Frommknecht 0:33:45
Ungefähr eineinhalb Stunden. So ein Überflug über eine Bodenstation dauert einpaar Minuten, fünf, sechs Minuten, zehn Minuten maximal, kommt drauf an.Die Länge variiert ein bisschen, aber das reicht locker aus,um die Daten runterzuladen. und dann werden sie im Prinzip in das Datenverarbeitungszentrumübermittelt und dann prozessiert.Wir haben ja einen Nutzerkreis, dem es wichtig ist, die Daten so schnell wiemöglich zu bekommen und das ist die Wettervorhersage.Wir haben ja mit ECMWF, dem Zentrum, eine Zusammenarbeit, wo wir dann die Datenvon den aktiven Instrumenten so schnell wie möglich geben wollen,um dann die Wettervorhersage zu verbessern.
Tim Pritlove 0:34:26
Was ist das für eine Organisation? EWF?
Björn Frommknecht 0:34:28
European Center for Medium Weather Forecast, ECMF.
Thorsten Fehr 0:34:31
Gibt es auch auf Deutsch. Europäisches Zentrum für Mittelfristvorhersage.
Björn Frommknecht 0:34:35
Ich bin schon zu lange... Genau.
Tim Pritlove 0:34:39
Ja, okay.Das heißt, es ist eben nicht so, dass man jetzt nur Wissenschaft in dem Sinnemacht, sondern die Daten, die in dem Moment auch akut sinnvoll sind für dieWetterbeobachtung, werden auch noch mit ausgeschieden.
Björn Frommknecht 0:34:55
Das ist richtig. Also da haben wir sozusagen eine operationelle Anwendung,so könnte man das bezeichnen, was über unsere ursprünglichen Missionsziele hinausgeht.Der schöne Nebeneffekt dabei ist, dass in dem Moment, wo die Kollegen das inihre Wettermodelle einspeisen, sehen die sofort, wenn da was nicht stimmt.Wenn die Daten, sagen wir mal, irgendwelche Abweichungen haben,sich anders sind als sonst, dann würden die das sofort sehen und können unsdas als Rückmeldung geben, was natürlich für uns super ist. Das ist sozusagenwie ein Frühwarnsystem.Bevor wir die Daten großartig verarbeitet haben, würden die schon sehen,okay, da können es Probleme geben. Müsst ihr genauer reinschauen.
Tim Pritlove 0:35:33
Was könnte da schief gehen?
Thorsten Fehr 0:35:35
Es kann alles mögliche schief gehen. Es kann in der Prozessierung schief gehen.Aber ich möchte nochmal kurz auf das ICNRBF, auf das Europäische Zentrum fürMittelfristfähigkeit zurückkommen.Die benutzen unheimlich viele Daten. Die können bodengespülten sein,die klassische Wetterstation.Das kann von Flugzeugen kommen, das kann aber auch von Satelliten kommen.Das heißt, die haben unheimlich viele Daten, die sie in ihren Vorhersagen verarbeiten.Wir nennen das assimilieren. Die nehmen die Daten und versuchen dann damit ihreVorhersagen zu verbessern.Und wenn jetzt ein Satellit oder ein Datenstrom, wie zum Beispiel EarthCare,nicht in das Schema passt, dann bekommen die sozusagen eine Warnung und sagen,schaut, bei euch funktioniert was vielleicht nicht richtig.Das kann auch sein, dass wir die Einzigen sind, die diese Daten zur Verfügungstellen und deswegen sind die besonders.Aber sehr häufig kann man auch sagen,okay, die machen so eine Art Qualitätsmonitoring, die checken das ab.Und das ist für uns natürlich extrem interessant, dass wir praktisch direkt,near real time nennen wir das, so praktisch fast zeitnah, auch diese Art derQualitätskontrolle bekommen.Die vergleichen wirklich alle möglichen Datensätze untereinander,EarthCare ist eins davon und können dann direkt sagen, wo wir stehen.
Tim Pritlove 0:36:47
Und wie schnell landen die Daten dann dort? In Reading ist das.
Björn Frommknecht 0:36:52
Wettervorhersage funktioniert so, im Moment machen sie vier Prozessierungsläufeam Tag. Das sind sechs Stunden Zeitfenster.Und die Daten, wenn ich in einen Prozessierungslauf reinkommen will,dann dürfen meine Daten relativ zum Startpunkt nicht älter als sechs Stunden sein.Also hier dreht es sich wirklich um Stunden. Deswegen versuchen wir auch,auch eben jeden Überflug über den Pol, auch die Daten runterzuladen.Ist natürlich ein Kostenfaktor. Jeder Pass, wie man das nennt, hat seinen Preis.Aber wir versuchen wirklich, den Anteil der Daten, die wir mit dieser geringenVerzögerung liefern können, zu maximieren.
Tim Pritlove 0:37:33
Aber ich meine, das ist ja im Prinzip auch so ein Notfallsystem.Wie müsste man sich das so vorstellen?Sagen wir mal, ein Sensor dreht jetzt mal komplett frei. Und auf eine Art undWeise, wie man das jetzt nicht so ohne weiteres jetzt erstmal aus den Daten herauslesen kann,sondern ihr bekommt das eigentlich nur indirekt über die Meldung,also über die Übertragung der Daten zu dem ECMWF,langer Begriff, sozusagen mit. Also die stellen das dann fest.Wie lange dauert das, bis die...Und daraus sozusagen auch eine akute Warnung erzeugen. Und wie laut ist dieSirene, die dann hier losgeht?
Thorsten Fehr 0:38:14
Also es kommt darauf an. Wenn es Fehler sind, die, sagen wir,unmittelbar die Daten drastisch verändern,dann sehen wir das nicht nur da, das sehen wir nicht nur am Europäischen Zentrumfür Mittelfristvorhersage, sondern wir haben auch unsere eigenen,sagen wir, Qualitätskontrollen.
Tim Pritlove 0:38:30
Also wenn jetzt einfach sowas kaputt ist, dann merkt man sofort.Aber wenn das so eine Degradation ist über die Zahlen.
Thorsten Fehr 0:38:35
Genau, das sind die Punkte, die natürlich für uns sehr viel interessanter sind.Wenn was auf einen Schlag nicht mehr funktioniert, das sehen wir auch.Dazu brauchen wir kein ISMWF, dazu brauchen wir auch keine großartige,sagen wir mal, Analyse-Technik.Sondern hier geht es darum, wenn man sagt, okay, da ist so ein leichtes Drift drin,keine Ahnung, eine Temperaturveränderung auf dem Spiegel von dem LIDAR-Gerätoder irgendwelche Kleinigkeiten, wo man dann sagt, okay, über einen gewissenZeitrahmen, ihr fallt immer mehr raus.Und das ist das, was für uns eigentlich dann wirklich interessant ist.Und dann können wir auf unserer Seite anfangen zu überlegen,woran hängt es? Ist es eine Prozessierungssache? Ist es was vom Instrument?Und können dann auch entsprechend korrektive Maßnahmen auch starten.Und das ist wirklich hier eher diese mittelfristige Monitoring,diese Qualitätskontrolle, wo wir stark daran interessiert sind bei denen auch.
Björn Frommknecht 0:39:22
Na genau, also wenn man sozusagen will, die Gesundheit des Satelliten und derInstrumente, die wird von der Flugkontrolle auch überwacht und ebenso,sagen wir mal, grobe Aussetzer oder wirklich,wenn was kaputt gehen würde, das würden die auch sofort sehen, einfach an der,das nennt man dann die Housekeeping Telemetry, also die Gesundheitsdaten vondem Satellit, wenn man hier wirklich auf eine längerfristige Qualitätskontrolleund Sicherung abzielt dann.Also es ist quasi eine Ebene drunter.
Thorsten Fehr 0:39:52
Aber wenn ich nochmal ganz kurz auf die Wettervorhersage und EarthGal zurückkommen kann.Als die ersten Ideen kamen, das als Wettervorhersage, also für die Wettervorhersageauch zu verwenden, da habe ich meinen Kollegen gesagt, das funktioniert nie.Weil ich komme aus dem Bereich und das war 2007 ungefähr.Da hat ein sehr guter Kollege von mir, der leider verschrauben ist,aber diese Sachen angefangen hatte, der kam mit den ersten Ideen und ich habegesagt, das kannst du vergessen, das funktioniert nie. kann nicht funktionieren.Ich komme aus dem Bereich.Und hier einfach, du musst dir überlegen, du versuchst in ein numerisches Modellwas reinzupressen, was vielleicht gar nicht dahin kommt.Du hast eine Vorhersage und was die machen ist, die lassen es erstmal laufenund dann versuchen sie es zu verändern.Das heißt, sie versuchen es so hinzudrehen, dass es so ein bisschen wie die Messung auch aussieht.Und wenn du Temperatur oder Wasserdampf hast, dann ist es eine relativ einfache Sache.Das ist groß verteilt, das ist nicht wirklich sehr sehr lokal,aber wenn du versuchst eine Wolke irgendwo in ein numerisches Modell,in ein Wettervorhersagemodell reinzutun, wo sie gar nicht ist,wird es natürlich sehr schwierig, weil du kannst ja nicht irgendwie hier plötzlichganz viel Wasser entstehen lassen. Das lassen numerische Modelle nicht zu.Und dennoch haben die Kollegen vom Europäischen Zentrum für Mittelfristvorhersage,Entschuldigung, dass das so ein langer Name ist, die haben das dann über dieseJahre geschafft, die Modelle so auch zu verändern,dass sie hier jetzt auch auch EarthCare-Daten auch mit einlesen können.Also das ist, weil wir hatten schon die Frage gehabt, was sind denn die Dinge,die wirklich einfach nicht vorhersehbar waren und die Dinge,die entwickelt worden sind,ohne dass wir eigentlich jemals daran bei der Missionsdefinition so konkretdaran gedacht haben, das ist einer von den Dingen.Das ist wirklich dieses Assimilieren dieser Wolkendaten, insbesondere in einWetter-Frächer-Sage-Modell, istetwas, was wirklich auch mit EarthCare angefangen hat, auch ganz Neues.Und das ist wirklich auch, wo man sagen kann, die Wissenschaft hat hier einengroßen Schritt mit uns schon vor dem Launch auch schon gemacht.
Tim Pritlove 0:41:57
Bevor wir vielleicht auch konkreter mal auf die Instrumente zu sprechen kommen,nochmal so, die Inbetriebnahme eines Satelliten ist ja auch so ein Ding.Man fliegt ja nie los und kaum, dass das Ding das erste Mal über die Pole ist,schaltet man die Datenpumpe an, sondern man muss man ja erstmal sicherstellen,dass das auch alles irgendwie funktioniert und dass das eben auch belastbare Daten liefert.Zumal wenn man das erste Mal solcheDaten erhebt, hat man ja in dem Sinne überhaupt gar keinen Vergleich.Wie ist das jetzt hier geregelt? Also wie funktioniert da diese Inbetriebnahmeund diese Validierungsphase?Wie parametrisiert man das sozusagen? Also wie ist man sich sicher,dass es auch funktioniert?
Björn Frommknecht 0:42:43
Ich fange mal an mit dem Anschalten. Also das ist natürlich alles streng festgelegt,in welcher Reihenfolge man welche Teile des Satelliten aktiviert.Der erste Schritt ist immer Energieversorgung sicherstellen,das heißt das Solarpanel ausfahren. Dann fahren wir die Antenne vom japanischenInstrument, von dem Radar aus.Und dann werden sukzessive die Instrumente angeschaltet. In unserem Fall istes so, dass wir erst das Radiometer anschalten und das Radarinstrument,weil die keine Optik haben.Das heißt, die müssen nicht, wie man sagt, ausgasen erst mal,damit man sicherstellt, dass da keine Verunreinigungen sind,die sich einbrennen würden, wenn wir die anschalten.Das heißt, es gibt auch einen klaren zeitlichen Ablauf. Also am Anfang habenwir Daten vom Radar und vom Radiometer und dann ungefähr nach sechs Wochen schaltetman dann die optischen Instrumente ein und bekommt da dann die ersten Daten.Und zeitgleich mit unserem Start findet auch eine sehr große Validationskampagnestatt und da kann der Thorsten wahrscheinlich was dazu sagen.
Thorsten Fehr 0:43:47
Ja, also Valiation ist auch mein Thema so ein bisschen.In der Tat ist es so, dass wir die Instrumente anschalten und dann wollen wirnatürlich so schnell wie möglich auch sicherstellen, dass die Datenqualität auch gut ist.Und das machen wir, indem wir bodengestützt auch, wir nennen es Kampagnen, Experimente haben.Diese Experimente, das können bodengestützte Instrumente sein,die so ein bisschen ähnlich sind, wie was wir auf dem Satelliten haben,zum Beispiel ein bodengebundenes LIDAR-System, was nach oben schaut und so Wolken und Aerosole misst.Das kann ein Radarsystem sein, was so dieselbe Signalfolge hat,wie das, was wir auch am Satelliten fliegen. Das können auch Flugzeugexperimente sein und,Da haben wir eine ganze Menge erlaufen, die im Prinzip auch schon kurz nachdem Start von EarthCow auch anfangen.Das sind Experimente, wo wir auf dem Flugzeug praktisch Instrumente fliegen,die genauso oder ähnlich sind wie auf dem Satelliten.Und vielleicht sagt man sich, warum machen wir es dann nicht gleich mit demFlugzeug? Das Flugzeug kann bloß immer eine kleine Region abtasten und sindauch sehr teuer und sehr kompliziert aufzubauen.Aber wir haben diese Experimente, die uns dann auch sehr schnell sagen können,Wenn wir die Daten vergleichen, was vom Satelliten kommt, was wir von den besserkontrollierten Systemen am Boden oder im Flugzeug haben, können wir schon ganzschnell sagen, wie sieht die Qualität der Daten auch aus.
Tim Pritlove 0:45:08
Sind das Flugzeuge, die es ohnehin gibt oder sind das jetzt auch Flugzeuge,die für diese Mission konkret bestückt und ausgerüstet und vorbereitet und geflogen werden?
Thorsten Fehr 0:45:16
Das sind meistens Missionen, die Flugzeuge, die geflogen werden,sind Forschungsflugzeuge.Das heißt, wir haben als ESA keine eigenen Flugzeuge. Wir sind leider nichtin derselben Situation wie NASA, die eine ganze Flotte hat.Aber das DLR hat zum Beispiel, das DLR fliegt mit ihrem Harlow-Flugzeug,das ist eine Gulfstream, ein hochfliegendes Flugzeug, wo zum Beispiel jetztein Radarsystem und ein LIDAR-System drauf sind, die sehr ähnlich sind wie das,was wir auch auf Satelliten fliegen.Und die unterfliegen dann den Satelliten, das heißt, sie versuchen möglichstdas so abzustimmen, dass das Flugzeug unter dem Satelliten durchfliegt.Natürlich ist der Satellit viel, viel schneller, der macht wusch, fliegt vorbei,aber wir fliegen unten praktisch zum selben Zeitpunkt auch eine Linie ab undso können wir dann zum Beispiel die Wolkensignale, die Signale von den Wolken,die Signale von den Aerosolen auch eins zu eins vergleichen und können hierdann schon relativ schnell feststellen,was hier auch, wir nennen es geophysikalisch, was mit den physikalischen Parameternokay läuft oder auch nicht okay läuft.
Tim Pritlove 0:46:13
Muss man das noch irgendwie korrigieren? Also ist eine Messung von unten dannwirklich genauso wie von oben?Da hat man ja noch so ein Ozean meistens noch da drunter oder Erdmasse.Wenn man nach oben guckt, hat man halt den Himmel.
Thorsten Fehr 0:46:26
Also die ganzen Korrekturen, die versuchen wir natürlich schon im Vorhineinfeld auch einzubauen.Sprich, diese ganzen Algorithmen, diese ganzen Programme, die wir haben,um diese Produkte zu produzieren, die sind schon fertig.Die sind schon da. Wir sind noch hier ein bisschen hier und da drehen.Da werden wir wahrscheinlich auch nie aufhören. Das wird auch nach dem Startder Mission noch nicht beendet sein.Das heißt, diese ganzen Korrekturen im Prinzip haben wir schon.Und wenn alles gut geht, dann schalten wir das ein und alles funktioniert perfekt.Ich habe noch keine Mission gesehen, wo alles perfekt funktioniert hat.Das ist einfach so. Wir werden immer Überraschungen sehen.Und dafür braucht man eben auch diese Messungen am Boden. Und der Vorteil vonden Instrumenten am Boden ist,wir bauen die ein in das Flugzeug und wir messen und wir kommen zurück.Wir können uns die Instrumente dann sofort auch wieder am Boden anschauen.Wir können also sehr spezifisch sehen, wie die Qualität von den Flugzeug getragenen Instrumenten ist.Die können wir einfach nehmen und, wenn wir wollten, sogar auseinanderbauen.Das geht natürlich mit dem Satelliten nicht mehr. Das heißt,hier können wir nicht mehr direkt reingehen und das am Instrument verändernoder sagen wir mal sofort nachschauen, was denn vielleicht nicht funktioniert haben könnte.Das sind Dinge, die wir natürlich mit dem Flugzeuginstrument oder mit dem Bodeninstrument machen können.Da kann jedes Mal jemand da sein, der das Instrument repariert,wartet, genau nachschaut, die Datenqualität auch direkt vor Ort vermisst.Das sind Dinge, die wir ausnutzen, um eben die Qualität von den Satellitendaten zu verbessern.
Tim Pritlove 0:47:53
Wie lange wird diese Validierungsphase dann voraussichtlich dauern müssen,bis man sich dann sicher ist, dass es auch alles passt?
Thorsten Fehr 0:48:00
Also auch hier ist meine Erfahrung aus 20 Jahren, wir hören nie auf zu validieren. Das hört nie auf.
Tim Pritlove 0:48:07
Achso, das wird also am Laufen im Meter?
Thorsten Fehr 0:48:08
Das wird am Laufen gehalten.
Tim Pritlove 0:48:09
Okay, verstehe.
Thorsten Fehr 0:48:10
Unser Ziel ist es, dass wir dieersten Daten nach sechs Monaten an die Wissenschaftler weitergeben können.Aber das sind nur die Instrumentdaten. Das sind wirklich Daten,wo im Prinzip auch primär die Experten damit arbeiten können.Dann die, was wir die geophysikalischen Daten bezeichnen würden,wie zum Beispiel Wolkenhöhe, Wolkenwasser,Eis, Inhalte der Wolken, solche Dinge, die werden wir dann nach ungefähr neun Monaten rausgeben.Aber das sind dann primär dieProdukte, die aufgrund von einem oder zwei Instrumenten erstellt werden.Und dann gegen später haben wir eine ganze Reihe von Produkten,wo wir versuchen werden, alle Instrumentdaten, diese ganzen Datenströme in einProdukt hineinzuführen.Und da kommen wir vielleicht noch später zu, wenn wir von der Wissenschaft reden.Und das ist dann der nächste Schritt.Aber all diese Schritte haben alle ihre Vor- und Nachteile und die müssen immergecheckt werden, ob das auch funktioniert hat.Und deswegen die Validation werden wir durchgängig betreiben.Am Anfang etwas intensiver, das ist normalerweise so, aber dann später auch immer noch weiter.Wie gesagt, wir haben bei der ESA keine eigenen Flugzeuge. Wir haben auch keineeigenen bodengestützten Instrumente notwendigerweise. Aber wir arbeiten sehreng mit den Wissenschaftlern zusammen.Das heißt, wenn die eine wissenschaftliche Messkampagne haben,dann versuchen wir immer damit auch teilzunehmen.Und die Wissenschaftler sind sehr offen dafür, weil die wollen natürlich auchsicherstellen, dass die Daten, die von den Satelliten kommen,die ja auch global uns die Informationen geben, auch so gut wie möglich sind.
Tim Pritlove 0:49:39
Schauen wir doch mal konkret, was jetzt an Bord ist.Also was sind denn jetzt genau die Instrumente, die auf EarthCare dann die Arbeit übernehmen?Also wenn ich es richtig sehe, sind es derer vier? Ja, das ist richtig.
Björn Frommknecht 0:49:56
Wir haben vier Instrumente, zwei aktive, also die selber Strahlen absenden undaktiv messen können und zwei passive.Die aktiven Sensoren ist einmal, das heißt Atlet, Atmospheric LiDAR.Das ist ein europäisches Instrument, hauptsächlich in Toulouse gebaut,in Frankreich. Die sind da führend.Also ein Laserradar. Also kann man sich so vorstellen, wie wenn man eine Wohnungbesichtigt und mit so einem Laserentfernungsmesser die Größe messen will.Das ist dasselbe Prinzip, nur ist unser Laser nicht rot, sondern der ist imUV-Bereich, das heißt den sehen wir so nicht.Und der hat eben den Vorteil, dass er messen kann, wo Aerosole sind,also Staubwolken, Wasserdampf nicht, da muss ich aufpassen, genau.Zum Beispiel über dem Meer gibt es aber auch Aerosole vom Meerwasser,Vulkanausbrüche, Aschewolke und so weiter.
Tim Pritlove 0:50:53
Das muss UV sein, weil die Teilchen so klein sind? Hat das was mit der...
Björn Frommknecht 0:50:58
Genau, die Aerosole sind kleiner als Wolken, also Wassertröpfchen in Wolkenund ansonsten würden die nicht reflektiert werden.
Thorsten Fehr 0:51:08
Und dieses LIDAR, was wir haben, ist ein ganz besonderes, weil wir wollen damitnicht nur die Streuung an den Staubteilchen messen, nicht nur an Aerosolen messen,sondern wir wollen hier auch die Streuung im Prinzip an der freien Luft messen.Das ist das Entscheidende, dass wir hier ein System haben, was ziemlich einmaligist auf dem Satelliten, wo wir nicht nur die Teilchen messen,sondern wir messen im Prinzip auch, was von der freien Atmosphäre,von der Luft praktisch zurückgestreut wird.Und auch deswegen haben wir das UV, weil das ist da am effektivsten.Das ist ein bisschen ein schwieriges Konzept, aber aufgrund dieser Messung könnenwir nicht nur bestimmen, da ist was streut, nicht nur, dass da Teilchen in derLuft fliegen, sondern wir können auch noch damit sagen, was für Teilchen das sind.Und das ist wirklich auch eine der Neuerungen von ATLIT, dieses LIDAS, das wir haben.Dass wir nicht nur sagen können, da ist irgendwas und wir glauben,weil es über Meer ist, dass es dann Salz ist oder weil es über der Wüste ist,dass es dann Staub ist, sondern aufgrund dieser Messtechnik,dass wir sowohl die Rückstreuung von den Luftteilchen, also von den Luftmolekülen haben,wie auch die Rückstreuung von den festen Teilchen, von Aerosolen, die viel größer sind.Diese Kombination erlaubt uns festzustellen, was denn wirklich diese Aerosole sind.Wie gesagt, das kann Staub sein,das kann Sand sein, das kann Produkte sein, die durch Verbrennung entstehen,die durch Industrie entstehen und es ist wichtig für uns, dass wir diese Unterschiede kennen,weil all diese Teilchen sich wieder anders verhalten, wenn es darum geht,wie sie Wolken bilden oder auch wie sie dann auch wiederum klimawirksam sind.Und das ist wirklich ein ganz, also dieses Athlet ist ein faszinierendes Instrumentdas wir so noch nicht gesehen haben Ich.
Tim Pritlove 0:52:49
Habe auch gehört, es gab ein bisschen Streit darum wie groß das ausgelegt werden soll,dass es irgendwie mal kleiner ausgelegt werden sollte und die Wissenschaft war dagegen?
Thorsten Fehr 0:53:01
Oh ja, das gibt es natürlich immer. Es gab sogar mal den Vorschlag,ein ganz anderes System zu bauen, weil über die lange Zeit, die wir das Systementwickelt haben, ist es natürlich so, dass aufgrund auch gewisser Randbedingungen,wie zum Beispiel den Kosten,neue Ideen auch entwickelt werden mussten.Und da kamen natürlich immer auch wieder Vorschläge, ein anderes System aufzubauenoder geht es vielleicht auch ein bisschen einfacher.Aber die Wissenschaftler waren ganz klar, wenn wir unsere wissenschaftlichenZiele erreichen wollen, dann brauchen wir das System so, wie es ist.Wir brauchen nicht ein System, wie es auch schon unsere amerikanischen Kollegensehr erfolgreich auch geflogen haben, sondern wir brauchen eins,was einen deutlichen Schritt vorwärts macht.Und das ist eben, wir nennen das das High Spectral Resolution Lidar.Das ist wirklich ein System, wo wir nicht nur diese Rückstreuung sehen,sondern dann im Endeffekt auch sehen können, was rückstreut.
Tim Pritlove 0:53:52
Wie muss man sich das vorstellen? Also ich meine, das ist im Prinzip ein Laserstrahl,der aus diesem Instrument rauskommt und der, ja was macht der denn dann?Also der scannt dann so horizontal einen Bereich ab und empfängt gleichzeitigdas, was wieder zurückkommt.Und daraus kann man dann jedes einzelne kleine Rußpartikelchen,was da irgendwo über eine Strecke von ein paar hundert Kilometern fliegt, messen?
Thorsten Fehr 0:54:18
Nicht ganz, aber sehr ähnlich. Also wir scannen natürlich nichts,sondern unser Laser, der schaut einfach nur nach unten. Der schaut einfach nur pulsiert.
Björn Frommknecht 0:54:25
Einfach nur gerade. Das sind sozusagen Schüsse. Genau. Und ich kriege dann das Echo zurück.Und wenn ich dann eben vergleiche, wie das Licht, das ich aussende,sich verändert hat, durch die Reflexion kann ich dann eben Rückschlüsse ziehenauf die Art der Aerosole, was ich da getroffen habe.Und wir können ja ein Profil erstellen. Also es ist nicht nur sozusagen,wenn man eine Aerosolwolke hat, dann kann ich quasi auch messen, wie…,die sozusagen ist. Ich kann nicht nur, ich sehe nicht nur, ah,da ist was, sondern ich kann auch sagen, okay, die ist zu dick und das bestehtaus dem und dem und so weiter.Es ist also ein vertikales Profil und dadurch, dass ich, ich fliege ja mit demSatellit entlang, es ist quasi wie ein Schnitt.
Thorsten Fehr 0:55:09
Wie ein Vorhang.
Björn Frommknecht 0:55:10
Ich habe mich, glaube ich.
Tim Pritlove 0:55:11
Gerade so ein bisschen leiten lassen von, wenn LIDAR eben für so Höhenmessungenoder sowas eingesetzt wird, da will man natürlich jede Nuance haben,aber hier reicht es im Prinzip, wenn man quasi ein Sample nimmt.
Björn Frommknecht 0:55:22
Natürlich hätten wir gern mehr, aber es geht leider nicht. Das ist das, was wir machen.
Thorsten Fehr 0:55:27
Aber es ist trotzdem so, wir machen einen vertikalen Vorhang.Also unter dem Satelliten sehen wir praktisch einen Vorhang von Aerosolen. Das ist die Idee.Und bei dem, was du gefragt hattest, wie sehen wir das?Diese Teilchen, im Prinzip haben wir drei Hauptmöglichkeiten,wie sie mit den Lichtpulsen auf die Lichtpulse reagieren können.Die können sie einfach bloß wegstreuen.Sie können sie absorbieren, aufnehmen oder sie können auch, und das ist einbisschen schwieriger, die können auch die Polarisation des Lichtes auch verändern.Wir kennen das alle mit Brillen, die haben zum Teil einen Polarisationsfilterund wenn man da so ein bisschen spielt, dann sieht man, wenn man die dreht,dass es eben Licht gibt, die in verschiedenen Ebenen vibriert, sagen wir mal.
Tim Pritlove 0:56:09
Oder halt so Filter für Kameras. Dann hat man auch keine Spiegelung mehr,wenn man auf dem Fach fotografiert.
Thorsten Fehr 0:56:14
Und das können wir auch. Sprich, wir können all diese Elemente von diesen Aerosolen,und das sehen wir mit diesen Lichtpulsen, die da kommen.Und das können wir eben in verschiedenen Höhenschichten auch machen,sodass wir praktisch vertikale Profile bekommen von Allosolen.Und wie gesagt, diese vertikalen Profile, die nehmen wir alle,Die Daten haben wir alle 280 Meter oder sowas. Und dann haben wir praktischalle 280 Meter so ein Profil.Und wenn wir diese ganzen Profile zusammen machen, wie so an Schnüren,wie so an Ketten, die man so auch hat, wenn man seine Fliegen sozusagen nicht im Raum haben möchte,so haben wir praktisch wie jede Kette, können wir zusammenhängen und dann habenwir praktisch hier einen Vorhang von diesen Aerosol-Informationen.
Tim Pritlove 0:56:57
Kann man jetzt wirklich, man kann jetzt an einer Stelle alle 280 Meter fokussierenoder wie stelle ich mir das vor? Ich denke ja, das ist jetzt ein durchgehenderStrahl und ich empfange ja permanent die Reflektion aus allen Höhen gleichzeitig.
Björn Frommknecht 0:57:11
Es kommen Impulse abgeschossen, es ist an und aus. Es ist kein kontinuierlicherStrahl und dann habe ich einfach mit der Pulsfrequenz und wie schnell ich fliege,ungefähr 7,3 Kilometer in der Sekunde, daraus ergibt sich dann die Abtastung.
Tim Pritlove 0:57:26
Aber wie kann man jetzt die Höhe beeinflussen? Also kann man messen,von wo es zurückgestrahlt wurde oder kann man auf eine bestimmte Höhe ziehen?
Björn Frommknecht 0:57:34
Ich kann die Zeit messen, die es dauert, um wieder zurückzukommen.Und dadurch kann ich dann die Höhe ableiten.
Tim Pritlove 0:57:39
Also an der Laufzeit kann man sozusagen merken, wo jetzt was reflektiert wurde.Genau, die Laufzeitmessung. Okay, man hat quasi immer nur eine Reflektion,die man jetzt gerade zur Kenntnis nimmt, aber davon sehr viele.
Björn Frommknecht 0:57:49
Genau, und dann schaue ich mir noch das Spektrum an, von dem Licht,das zurückkommt und da kann ich dann eben Rückschlüsse sie drüber ziehen,was ich da tatsächlich gemessen habe.
Tim Pritlove 0:57:58
Ja, okay, verstehe. Also das Athlet ist, sagen wir mal, schon mal ein ganz wichtigesTeil hier auf diesem Apparat.Das ist sozusagen schon das wichtigste Instrument, kann man sagen?Also man ist wahrscheinlich alle irgendwie wichtig.
Björn Frommknecht 0:58:13
Ja, es deckt halt genau die Hälfte ab, sozusagen, weil,der Laser geht durch, kann Aerosolprofile messen, Aber bei Wolken sieht er eigentlichnur die Oberfläche. Der kann die Wolke nicht durchdringen.Und da kommt das japanische Instrument ins Spiel. Das misst den Mikrowellenbereich.Heißt Cloud Profiling Radar, also Wolkenprofil Radar.Und das kann eben dasselbe, was wir mit den Agressoren machen,mit dem Athlet. Das kann ein Profil von den Wolken erstellen.Weil das da eben die auch durchdringt. Und zusätzlich noch, und das ist wirklichdas Besondere dabei, das hat eine Doppler-Messfunktion.Doppler bedeutet, es kann Bewegungen, vertikale Bewegungen innerhalb der Wolkemessen mit einer gewissen Genauigkeit.Ich glaube, ein Meter pro Sekunde ist das Ziel.Und das kann man sich natürlich, das ist klar, zum Beispiel Regen.Ich kann also nicht nur ein Profil der Wolke erstellen, sondern ich kann auchsagen, was passiert denn in der Wolke gerade? Regnet es da oder nicht?Gibt es andere Bewegungen? Und das kann man sich natürlich auch vorstellen,dass das dann für Klimamodelle, aber auch für die Wettervorhersage natürlich auch interessant ist.
Thorsten Fehr 0:59:26
Es geht noch weiter, diese Fallgeschwindigkeit, die wir messen.Was wir messen, ist im Prinzip, wie schnell fallen die Tröpfchen,wie schnell fällt der Regen, wie schnell fällt aber auch das Eis.Und je nachdem, wie schnell die fallen, das hängt davon ab, wie die aufgebaut sind.Was für Kristalle haben wir, wie groß sind die Tröpfchen etc.Das heißt, es geht nicht nur darum, dass wir am Schluss eine Regenrate haben,sondern wir können auch mit dieser Information besser bestimmen,was für eine Art von Wolkentröpfchengröße zum Beispiel wir haben oder was füreine Art von Eis wir haben.Und das sind alles wichtige Dinge, die wieder für Klima entscheidend sind.
Tim Pritlove 0:59:58
Was heißt, was für eine Art von Eis? Also ob es Schnee oder Hagel ist?
Thorsten Fehr 1:00:02
Also Hagel dürfen wir wahrscheinlich nicht mehr sehen, weil der ist sehr,sehr dicht. Aber wir können die Art der Kristalle sehen.Wenn große Kristalle oder kleine Kristalle, die fallen unterschiedlich schnell.Und das können wir zum Beispiel mit diesen Messungen auch bestimmen.Also wir können praktisch noch besser sagen, wie die Wolke aufgebaut ist.Wir können natürlich nicht sagen, der Kristall sieht so oder so aus,aber wir haben eine bessere Annahme dazu.
Tim Pritlove 1:00:25
Und das heißt, das Cloud-Programming-Radar und das ATLIT, die ergänzen sich sozusagen.Das ist, um so einen holistischen Blick reinzubekommen, sowohl eine Vorstellungdavon zu haben, woraus ist es gemacht, aber auch, was bewegt sich da drin.Was ist da jetzt sozusagen der vermutlich wirkliche Durchbruch,was im Vergleich zu den anderen Missionen, mit denen man bisher Wolken hat beobachten können,was gewinnt man jetzt hier an Informationen, die so in der Qualität vielleichtoder überhaupt so noch gar nicht da waren?
Thorsten Fehr 1:01:03
Also eine ist die Qualität, das ist ganz klar. Die Systeme sind so genau wiewahrscheinlich keines davor. Das ist die eine Seite.Genauigkeit ist der eine Punkt, aber auch die Unterschiedlichkeit der Dinge,die wir sehen können. Wir haben es gerade schon bei dem Update auch gesagt gehabt,dass dieses spezielle LIDAR eben nicht nur die Rückstreuung erkennt,sondern dass wir eben mit all den Informationen auch sagen können, was es ist.Und dasselbe natürlich auch mit dem Radar, das hatten wir ja auch eben,dass wir eben auch noch präziser sagen können, was für eine Art von Wolkenteilchen,Eisteilchen hier in der Wolke sind. Und das zusammenzubringen, ist eben entscheidend.Hier in unserem Fall haben wir die Systeme auf einem Satelliten.Das heißt, wir können sicherstellen, dass die beiden Instrumente sich genaudieselbe Szene anschauen.Die schauen sich genau dieselben Wolken an, die schauen sich genau dieselben Aerosole an.Das CPR, das Radar sieht keine Aerosole, aber man sieht immer dasselbe.Und das ist also auch schon mal ein ganz wichtiges Element. Wir können die Datenströmezusammenbringen. Wir wissen genau, wie die zusammengehören.Und das ist wirklich der neue Schritt, den wir bisher noch nicht so gehabt haben.Wir können also noch besser für die Wissenschaftler diese Charakterisierungder Wolken und der Aerosol auch darstellen.
Tim Pritlove 1:02:15
Jetzt gibt es ja noch zwei Instrumente, die haben wir noch nicht erwähnt, die passiv sind.
Björn Frommknecht 1:02:21
Genau, also das erste passive Instrument ist im Prinzip eine Art Fotokamera,Multispectral Imager heißt es.Das ist eine Streifenkamera, der scannt so einen Streifen ab,der ist 150 Kilometer breit, Das ist also deutlich breiter als der Fußabdruckder anderen aktiven Instrumente.Das ist nämlich 30 Meter für den LIDAR und ungefähr ein Kilometer für den Radar.Also sehr schmal. Da kann man sich auch vorstellen, dass zum Beispiel,wenn man eine Bodenstation hat, ist es gar nicht so wahrscheinlich,dass man da getroffen wird.Und deswegen haben wir auch die Flugzeugkampagnen, um einfach mehr Messungen zu haben.
Tim Pritlove 1:02:57
Wie groß ist denn der Abstand zwischen zwei Durchläufen? Also wenn jetzt maneinmal über den Nordpol nochmal rüberkommt?
Björn Frommknecht 1:03:03
Also wenn man das mal wieder am selben Punkt auf der Erde vorbeifliegt, das ist 25 Tage.
Tim Pritlove 1:03:09
Und wie weit ist sozusagen die Linie?
Björn Frommknecht 1:03:13
Die Linie, das kommt darauf an, wo man ist auf der Erde. Am Pol sind sie natürlichnäher zusammen, am Äquator, das ist über 1000 Kilometer.
Tim Pritlove 1:03:20
1000 Kilometer pro Durchlauf, okay.
Björn Frommknecht 1:03:22
Also ziemlich groß eigentlich.
Tim Pritlove 1:03:25
Das heißt, auch mit diesen Imagern hat man auch nur eine Linie?
Björn Frommknecht 1:03:31
Da geht es darum, Kontextinformationen zu bekommen.Also das MSI hat sieben Kanäle, sowohl Infrarot als auch im sichtbaren Bereich.Und das unterstützt einfach die Klassifizierung sowohl von den Aerosolen als auch von den Wolken.Da kann man sagen, was für Wolken, wo ist es, was passiert da drumherum.Wir kriegen ja nur ein vertikales Profil mit den aktiven Sensoren.Und die Daten von dem Imager werden dann auch verwendet, um dann eine 3D-Wolken-und Aerosol-Szene zu berechnen und dann mit den Messungen vom dritten Instrument, das ist das Radiometer,zu vergleichen, um zu sehen, ob unsere Annahmen, die wir haben über Aerosoleund Wolken, ob die stimmen tatsächlich. Das dritte Instrument ist ein Radiometer.
Tim Pritlove 1:04:20
Dieser Imager, ich meine, der ist ja passiv, das heißt, er kriegt ja nur, was ihm geliefert wird.So, da sieht man ja nicht nur Wolken, sondern da sieht man ja alles sozusagen.Oder ist das so ausgelegt, dass man nur Wolken...
Björn Frommknecht 1:04:33
Also man sieht da die komplette Strahlung, also in den Bändern eben die gesamteStrahlung, die zurückkommt.Also es trägt dann auch für die Berechnung der Strahlungsbilanz trägt der auchbei. Aber da sieht man ja alles.
Tim Pritlove 1:04:46
Also sieht man auch Wasser.
Björn Frommknecht 1:04:47
Erde, Ozean, alles, was eben unterschiedliche, auch thermische Signaturen...
Thorsten Fehr 1:04:54
Es ist praktisch wie ein klassischer Imager. Wir haben zum Beispiel Sentinel-2oder Spotty Marsh, die wirklich dazu da sind, nur einfach die Erde zu beobachten.Für die sind in der Tat Wolken und Aerosole, was die am liebsten herausfiltern wollen.Das ist ganz klar. Aber im Prinzip sind diese Imager, die wir haben, ist genau das auch.Es ist eine Kamera, was praktisch nur den Boden sich von oben aus anschaut unddie Wolken natürlich dazwischen drin sind. Aber für uns ist das entscheidend,weil wir wollen uns genau auf diese Wolken und auf die Aerosole auch konzentrieren.
Tim Pritlove 1:05:26
Okay, so, dann kommen wir zum vierten Instrument und dem letzten Instrument, das ist das Radiometer.
Björn Frommknecht 1:05:32
Breitbandradiometer heißt das, weil das im Prinzip das gesamte Spektrum abdeckt,das auch das MSI abdeckt, also wirklich vom Infrarot bis dann über den sichtbarenBereich und beinahe fast bis in die Mikrowellen, glaube ich.Es geht relativ weit raus und da ist der Fußabdruck relativ groß, 10 Kilometer.Das ist ein Pixel. Man schaut dann direkt unter den Satellit zurück und nach vorne.Da werden dann drei Messungen kombiniert, um ein besseres Signal-Rausch-Verhältnis zu haben.Und das Instrument misst eben die Strahlung, die am Satellitenort ankommt und das dient dann dazu,die Messungen, die Annahmen, die man macht über Aerosole und Wolken,wie die die Strahlung der Sonne reflektieren, absorbieren und so weiter, zu überprüfen.Wir berechnen dann in 3D-Szene, 10 mal 10 mal 10 Kilometer, Also eine Art Würfel,wo wir sagen, okay, das ist die aktuelle Situation.Wir haben bestimmte Annahmen, wie sich diese Arten von Wolken und Aerosolenverhalten, was die Strahlung der Sonne angeht.Und wenn wir recht haben, dann müsste die und die Strahlung in dem Moment amOrt des Satelliten ankommen.Und das können wir mit dem Radiometer dann vergleichen.Da wird es Unterschiede geben und da kann Thorsten noch mehr dazu sagen.Das ist natürlich dann nicht ganz so einfach zu sagen, okay,Moment mal, wo ist denn jetzt der Fehler?Weil das kann natürlich, habe ich meinen Radiometer richtig kalibriert?Habe ich meine Instrumente richtig kalibriert?Habe ich bei der Prozessierung alles richtig gemacht und so?Das ist dann auf jeden Fall eine der großen Herausforderungen der Mission.Aber das macht es eben auch einzigartig. Weil da kann ich an einem Ort zu einembestimmten Zeitpunkt tatsächlich messbar überprüfen, meine Annahmen.Haben, wo ich sonst natürlich immer andere Plattformen, Sensoren usw.Brauche und das ist bei EarthCare eben nicht der Fall. Da haben wir alles aneinem Ort auf einem Satelliten.
Thorsten Fehr 1:07:34
Also vielleicht noch auf das BBA ganz kurz zurückzukommen. Wir messen da in zwei Kanälen.Wir messen einmal, wie du schon gesagt hast, vom UV, das thermische Infrarot.Das ist der Bereich, wo die meiste Energie in das Erdsystem von der Sonne reingestrahltwird und wo wir auch wieder abstrahlen.Das heißt, wir wollen praktisch hier einmal den gesamten Bereich abmessen,um zu sehen, wie viel Energie da ist.Wird dann weggestrahlt. Und dann haben wir noch einen kleineren Bereich,der nur das Solare betrifft, also sprich nur die Wellenlänge sich anschaut,die wir von der Sonne bekommen, die auch wieder von der Erde abreflektiert werden.Das heißt, wir haben hier praktisch Solaris, was wir Solare,Sonneneinstrahlung nennen, und die thermische Strahlung, die messen wir mit dem.Und das ist richtig, wir haben drei Direktionen. Und wichtig ist auch zu verstehen,dass die Erde nicht homogen abstrahlt.Es ist also nicht so, dass wir immer nur nach oben gleichmäßig abstrahlen,sondern je nachdem, was wir für Verhältnisse auf dem Boden haben,das hängt mit der Bodenbeschaffenheit ab, das hängt mit der Vegetation ab,kann die Strahlung durchaus nicht isotrop sein.Die kann durchaus in die eine Richtung mehr, seitlich mehr als nach oben oderin die andere Richtung abgestrahlt werden.Deswegen ist es auch für uns wichtig, dass wir diese drei Blickwinkel haben.Am liebsten hätten wir natürlich noch viel, viel mehr, das ist klar,aber drei sind schon mal ein ganz guter Ansatzpunkt. Und damit können wir dannbesser das Abstrahlen von der Erde, die Deflektion der Sonnenstrahlung,des Sonnenlichts besser bestimmen.
Tim Pritlove 1:08:58
Und dann kann man natürlich auch die Differenz bilden. In dem Moment,wo man über eine Wolke rüberfliegt,sieht man ja, okay, eben gerade kam noch so viel Strahlung, jetzt haben wireine Wolke mit der und der Beschaffenheit und auf einmal fehlt uns diese Mengean Energie in diesem thermischen Bereich.
Thorsten Fehr 1:09:17
Genau, wir werden dann natürlich sehen, dass wenn die Sonne scheint,wir messen ja nicht nur, wenn die Sonne scheint, sondern dadurch,dass wir auch aktive Instrumente haben, können wir natürlich auch auf der Sonne...
Tim Pritlove 1:09:26
Also die Sonne scheint ja immer. Die Sonne scheint immer.
Thorsten Fehr 1:09:29
Aber nicht immer da, wo der Satellit ist. Das heißt, wir umkreisen ja die Erdeund wir haben auch eine dunkle Seite.Wir gehen natürlich auch in die Eclipse-Seite und auch da können wir trotzdemnoch messen mit den Instrumenten. Das ist auch wichtig, deswegen sind aktiveInstrumente auch so wichtig für uns.Mit dem Imager wird es ein bisschen schwieriger, aber auch der kann die thermischenMessungen immer noch durchführen.Und das ist also auch diese Kombination aus dem Messsystem ist hier wieder entscheidend.
Tim Pritlove 1:09:54
Aber der sonnensynchrone Orbit soll ja auch eigentlich sicherstellen,dass man die Sonne immer sieht.
Björn Frommknecht 1:10:01
Fast, wie gesagt, weil die Erdachse ja nicht ganz senkrecht steht zur Ekliptik,ändert sich das mit den Jahreszeiten leicht.Es gibt dann Jahreszeiten, wo wir ein paar Minuten Eklipse haben und es gibtnatürlich im Sommer fliegt man dann nur in der Sonne.Das ändert sich im Laufe des Jahres um wenig, aber ja, also wir werden auchDaten im Schatten haben.
Tim Pritlove 1:10:27
Genau, und auf der einen Seite ist es halt immer 14 Uhr und auf der anderenSeite ist es natürlich nicht 14 Uhr.
Thorsten Fehr 1:10:31
Genau.
Tim Pritlove 1:10:33
Das muss man auch erstmal im Kopf kriegen. Okay, also das waren sozusagen die Instrumente.Das ist sozusagen das ganze Paket. Stimmt das, dass der insgesamt sehr eng gebautist und auch so eine gewisse Stromlinie Linienförmigkeit noch aufweist. Warum ist das so?
Björn Frommknecht 1:10:52
Das sieht man, ist auch äußerlich dann erkennbar.An dem Satellit, 400 Kilometer ist schon so niedrig, dass der Luftwiderstand eine Rolle spielt.Und da ist die Restatmosphäre noch so dicht, dass man auch die normalen Satelliten,sind ja eigentlich dunkel, haben eine dunkle Außenhaut.Wir haben eine weiße Außenhaut. Oder golden, oder je nachdem.Und wir haben eine weiße Außenhaut. Das ist eine andere Oberfläche,die eben mit der Restatmosphäre besser umgehen kann, die sich dann nicht sozusagen kaputt geht.Wäre die Atmosphäre zu dicht für eine normale Beschichtung, die würde sich dannabnutzen, kann man sagen.Und wenn man den Satellit anschaut, der ist auch auf Stromlinienform optimiert.Deswegen ist auch das Solarpanel nach hinten.Das ist eine langgestreckte Form. und die Oberfläche, die man dem Luftwiderstand aussetzt, minimiert.Also das, und muss, also schlank ist relativ,ja, ist immer noch relativ groß, aber man hat wirklich versucht,das zu optimieren und wenn man zum Beispiel in das LIDA-Instrument reinschaut,dann wird einem klar, dass sie da wirklich alles so dicht gepackt gemacht haben,wie nur möglich, was natürlich auch dann,es ist schwierig, sowas zu bauen, weil, darf man auch nicht vergessen,da geht es ja auch um quasi die Abwärme, muss man ja loswerden und so weiter,das ist ja dann alles nicht so einfach im Weltraum.Gibt es keine Luftkühlung in dem Sinn und das war auf jeden Fall eine Herausforderung.Auch vom Ingenieurtechnischen das so auf dem zur Verfügung stehenden Volumenzum Funktionieren zu bringen.
Tim Pritlove 1:12:33
Ich habe jetzt nicht verstanden, warum Weiß jetzt hilft gegen Luft?
Björn Frommknecht 1:12:37
Das ist eine andere Oberfläche einfach, die nicht reagiert mit der Restatmosphäreund sich nicht kaputt geht dabei.
Tim Pritlove 1:12:45
Also die aus was besteht dann? Was ist das für ein Material?
Thorsten Fehr 1:12:49
Das ist ein ein Stoff. Das ist ein Stoff, der das, was wir haben in der Höhe,ist atomarer Sauerstoff.Und der atomare Sauerstoff ist sehr aggressiv.Und das im Prinzip ist das wie ein Stoff, der in dem Fall eben die Oxidierung,der Teile verhindert, dadurch, dass es eben auf der Oberfläche passiert.Was wir normalerweise fänden, Mylar oder ähnliche Produkte, die werden angegriffen.Aber das ist kein Problem.Diese Satelliten fliegen auf 800 Kilometer Höhe. Da ist fast keine Atmosphäre mehr.Wenn wir weiter unten sind, haben wir eben immer noch diese,wie Björn gerade gesagt hat, die Restatmosphäre.Und dieser atomare Sauerstoff, der wird praktisch auf dieser Oberfläche absorbiert,ohne dass er zum Schaden führt.
Tim Pritlove 1:13:34
Hm, also ich meine 400 Kilometer, das ist ja eigentlich schon richtig Weltraum.Also sagt man ja, ab 100 Kilometer gilt, also man war im All,wenn man 100 Kilometer hoch war.Das ist ja so eine Definitionsfrage und man kann natürlich auch sagen,das hört ja nie auf, der Einfluss der Erde. Aber bei 400 Kilometern ist nichtviel los, da kann man nicht atmen, aber da ist eben auch nicht leer.Genau, das kann man so sagen.
Björn Frommknecht 1:14:06
Natürlich ist es klar, dass es nicht so ein Luftwiderstand ist,wie wenn man sich in der Atmosphäre bewegt, wo das quasi eher eine Strömung ist.Sondern es sind einzelne Teile, die auf den Satelliten treffen.Aber es sind trotzdem genug, um so einen Effekt zu haben, dass man eben einebesondere Beschichtung haben muss. Das war zum Beispiel bei unserer SchwerefeldmissionGoetje, die ist ja auf 250 Kilometer geflogen.Die hat dieselbe, die war auch weiß, der Satellit, genau deswegen.Um eben auch der Restatmosphäre, sagen wir mal, standhalten zu können.
Tim Pritlove 1:14:37
Weil das, was noch rumfliegt, ist dann halt vor allem Sauerstoff.
Björn Frommknecht 1:14:40
Heißt Atomarer Sauerstoff.
Tim Pritlove 1:14:42
Sonst nichts oder nur das ist das Problem sozusagen.
Thorsten Fehr 1:14:46
Das ist das Problem.
Björn Frommknecht 1:14:47
Weil der besonders aggressiv ist.
Tim Pritlove 1:14:48
Der wird ja immer oxidierend. Genau. Der Name schon sagt.Genau. Und wenn es so viel rumoxidiert, dann ist ja alles verrostet. Das will man nicht.Okay, das heißt, mit weißem Stoff kann man sich da schützen.Ist ja auch sehr elegant auf eine gewisse Art und Weise.
Thorsten Fehr 1:15:02
In der Tat.
Tim Pritlove 1:15:04
Gekleidet im Orbit.Gut.Dann kommen wir noch mal so ein bisschen auf den Nutzen und wie man jetzt sozusagendaraus auch wirklich wissenschaftliches Kapital schlagen kann.Also haben wir jetzt schon mehrfach angesprochen, es geht hier vor allem erstmalum Grundlagen, um erstmal Daten zu sammeln,die so noch nicht haben gemessen werden können, weil man einfach dieses Instrumentso in der Form noch nicht hatte.Und klar, da kommen viel Rohdaten raus,die wahrscheinlich auch als solche erstmal weitergereicht werden und dann werdenirgendwelche Wissenschaftler irgendwas damit machen, aber es gibt ja jetzt gewisseErwartungshaltungen, die ja dann letzten Endes auch in das Design hier mit eingeflossen sind.Das klang ja schon so ein bisschen an, so Klimamodelle teilen ja,wenn ich das richtig sehe, auch so diese Gesamtatmosphäre halt in solche Voxel,in solche Volumenpixel sozusagen auf und man versucht in irgendeiner Form abzubilden, was ist da los,was ist da drin, was macht das, wie kalt ist das, wie nass ist das und so weiter.Und das ist ja hier dann sozusagen so ein neues zusätzliches Mosaiksteinchenfür diese Gesamtmodelle.Inwiefern ist denn jetzt die Mission da auch wirklich mit solchen Fragen beschäftigtoder ist das einfach nur ein Datenlieferant und man lässt den Kram woanders machen?
Thorsten Fehr 1:16:29
Also das ist gerade bei Earthquake genau umgekehrt. Hier ist die wissenschaftlicheFrage in der Tat in das System mit reingebaut worden.Weil die Frage, die sich uns stellt, ist natürlich, wie Wolken und Aerosoleauf den Strahlungshaushalt der Erde einwirkt.Und das ist wirklich, wo wir unseren Fokus drauf haben, ist,wie können wir das besser charakterisieren.Wir alle sind uns klar, dass...Dass Klimagase schädlich sind, dass sie zur Wärmung führen. Das sind alles Dinge, die bekannt sind.Und in dem Fall sind diese, das Wissen ist eigentlich relativ klar,das ist uns relativ bekannt.Also es gibt jetzt hier nichts Geheimnisvolles an Treibhausgasen.Wir müssen natürlich wissen, wo sie herkommen, wie sie entstehen,wie man sie verhindern kann.Das ist alles ganz klar. Aber die physikalische Frage dahinter ist nicht wirklich so unbekannt.Das sind Prozesse, die wir kennen, schon seit langem. Bei Wolken ist es durchausanders. Dadurch, dass Wolken so divers mit dem Klima interagieren,sind da immer noch viele Fragen offen.Und das ist, weswegen wir EarthCare haben. Deswegen versuchen wir eben all dieseElemente auch zusammenzubringen.Das Ziel von EarthCare ist es, den Strahlungshaushalt der Erde besser zu bestimmenund wie es mit Aerosolen und auch mit Wolken interagiert.Das ist das Ziel. Und das ist, was wir messen mit dem Satelliten,mit dem LIDAR, mit dem Radar, auch mit der Kamera, die uns die Wolkenbilderliefert und dann am Schluss auch mit dem Radiometer.Und was wir versuchen, ist festzustellen, wie die Abstrahlung durch Wolken undAerosole entsteht, sozusagen.Das heißt, wir versuchen hier so die Abstrahlung besser festzustellen.Vielleicht beginne ich mal von der Fragestellung als solches.Wir wissen zum Beispiel aus den Klimaforschungsberichten, dass Wolken und Aerosoleprimär zum Kühlen des Klimas beitragen.Treibhausgase erwärmen, aber in den letzten Jahren durch die Aktivitäten vonMenschen seit der Industrialisierung haben wir so viele Aerosole durch Verbrennungsprozessein die Atmosphäre eingetragen,dass es insgesamt dazu geführt hat, dass wir auf der Seite sogar einen Kühlender Atmosphäre beigetragen haben.Das heißt, wir haben mehr Wolken, wir haben andere Wolken, wir haben die Aerosole.Die streuen mehr Licht zurück, als sie Energie im System festhalten.Und die Frage ist, wie verändert sich das auch in der Zukunft?Zum einen, was passiert hier im Moment und wie verändert sich das in der Zukunft?Und deswegen versuchen wir, all diese Elemente zusammenzutragen mit den Aerosolen und den Wolken.Es gibt Vorhersagen, die ganz klar sind, dass in einem veränderten Klima derkühlende Einfluss von Aerosolen und Wolken geringer wird.Das heißt, es ist eine Fragestellung auch der Klimavorhersage.Das heißt, wir müssen all diese Prozesse auch besser verstehen.Und hier trägt auch der Satellit wieder dazu bei. Das heißt,wir versuchen wirklich, das in ein System zu integrieren.Björn hat es vorhin schon ein bisschen angedeutet. Wir haben auf der einen Seitedie aktiven Instrumente und die Kamera, die uns Informationen über die Wolkengeben, über die Aerosole geben.Und all das bauen wir zusammen zu einem dreidimensionalen Modell,in dem wir mit all unserem Wissen, was wir wissenschaftlich haben,versuchen, den Strahlungshaushalt zu bestimmen.Also wir versuchen praktisch alles, was wir wissen, in die Modelle mit den neuen Daten einzufügen.Und daraus können wir berechnen, wie viel Strahlung reflektiert wird,wie viel in der Atmosphäre festgehalten wird.Auf der anderen Seite haben wir das Breitbandradiometer, was uns direkt auchdiese Messung ermöglicht.Und das ist das wirklich Coole an der Mission, dass wir auf der einen Seitemit den aktiven Instrumenten und unserem wissenschaftlichen Wissen,das Wissen, was wir haben.Einen Strahlungshaushalt berechnenkönnen, den wir dann direkt mit dem Breitbandradiometer abschätzen können.Wenn unsere Berechnungen genau dieselben sind wie das, was uns das Radiometersagt, dann können wir eigentlich davon ausgehen, dass wir ziemlich viel vonder Atmosphäre verstehen.Dann wissen wir, wie Wolken, Aerosole und der Strahlungshaushalt zusammenhängen.Aber wir sind uns ziemlich sicher, dass wir Unterschiede sehen werden.Und wenn wir unseren Daten vertrauen können, das machen wir,wie wir vorhin gesagt haben, durch die Validierung der Daten,durch die Kalibrierung der Daten.Wenn wir den Daten vertrauen und wenn wir vertrauen, dass alles unser Wissen,was wir haben, in den Modellen besteht und wir vergleichen es dann mit diesendirekten Messungen, das ist da, wo dann wirklich the magic happens.Das ist da, wo dann wirklich das passiert, was wir eigentlich wissen wollen.Wenn wir Unterschiede sehen und dann zurückverfolgen, wo unser Verständnis vonAerosolen und Wolken vielleicht dann doch nicht so richtig ist,wo wir vielleicht doch unsere Ideen abgleichen müssen, Wo wir physikalischeProzesse vielleicht nicht ganz hundertprozentig verstehen. Das ist das, wo wir hinwollen.
Tim Pritlove 1:21:15
Aber sehe ich das richtig, dass das jetzt bei Earthcare ein bisschen andersorganisiert ist mit der Wissenschaft, als man das jetzt zum Beispiel bei James Webb hat?James Webb nimmt halt Bilder auf und dann werden die halt dahin geschoben,wo sie beauftragt wurden,dass hier bei Earthcare es eher ein wirklich missionsnahes Wissenschaftsteamgibt, was sich um ganz konkrete Fragestellungen kümmert und sozusagen unmittelbarmit dieser Maschine arbeitet.Weil das ist ja jetzt nicht unbedingt normal oder ist das auch bei anderen Missionen oft so?
Thorsten Fehr 1:21:48
Also bei den Erdmacht, bei unseren Earth Explorer Missionen ist es schon sehrhäufig so, dass das ganz klar für eine wissenschaftliche Community gemacht worden ist.Ich würde jetzt nicht sagen, es ist für ein paar Leute gemacht,aber es gibt eine ganze Community, diesich auch hier speziell auf die wissenschaftlichen Fragen konzentriert.Wir haben gesehen, dass praktisch bei allen unseren Erdbeobachtungssatelliten,bei unseren Earth Explorern oder auch bei den Sentinels oder auch bei den meteorologischenMissionen, dass da immer wieder neue Fragestellungen, an die wir gar nicht gedachthaben, auch dann beantwortet werden können oder neue Applikationen entwickelt werden.Aber im Prinzip ist es natürlich schon so, dass wir hier eine ganz klare Fragestellunghaben, die in den Klimabereich hineinfällt.Wie du schon gesagt hast, wir haben unser Core-Team an Wissenschaftlern,die zum Beispiel auch für die Entwicklung der Algorithmen auch verantwortlich sind.Aber dann haben wir einen großen Kreis an Klimawissenschaftlern,die auf diese Daten warten.Wir hatten vor ein paar Monaten im November einen Workshop, also eine Konferenzin Frascati, wo wir vor dem Launch die Wissenschaftler eingeladen haben,ihre Wissenschaft, die in dem Bereich ist, auch zu präsentieren.
Tim Pritlove 1:22:51
Also Frascati ist in Essien.
Thorsten Fehr 1:22:54
Ist in Italien. Und die Rückmeldung, die wir bekommen hatten von den Wissenschaftlernwar, ja, EarthCare ist immer noch eine Vision, die wir dringend brauchen.Und uns hat vielleicht sogar diese Verzögerung der Entwicklung auch in dem Sinnegeholfen, dass die Modelle, die die Klimawissenschaftler entwickelt haben,vor zehn Jahren waren die noch auf einer Skala, wo die eine Vox ist,die du gesagt hast, wo die horizontale Auflösung, die war eher so im mehrere-zehn-Kilometer-Bereich.Dank der Rechenkapazitäten, die wir heute haben und auch dem besseren Verständnis,gehen diese Modelle immer mehr in, was wir sagen, in einem Kilometer-Bereich.Das heißt, wir können praktisch die Erde unterteilen in Kilometer-Voxels oderin Gitter, die horizontal ungefähr in Kilometer sind.Und das passt jetzt natürlich auch wieder sehr gut mit den Messungen von EarthCare auch überein.Das heißt, wir können hier in einer relativ direkten Art und Weise die Earth-Care-Messungenauch in die Klimamodelle übertragen, um auch hier besser zu verstehen,wie deren Physik funktioniert.
Tim Pritlove 1:23:52
In welche Höhe gehen diese Modelle?
Thorsten Fehr 1:23:55
Die Modelle, die gehen bis in 20, 30 Kilometer Höhe, die sind meistens so aufgebaut,dass du unten eine höhere Auflösung hast, wir nennen es die Troposphäre,das heißt die untersten, sagen wir mal 8 bis 15 Kilometer,die sind höher aufgelöst, da kann es dann ein paar hundert Meter sein und danndesto höher wir gehen, desto gröber aufgelöst sind die und das hängt dann davonab, von welchem Modell wir da reden,aber meistens haben die noch die Stratosphäre, das kann bis in die mittlereStratosphäre gehen, also sprich so, sagen wir mal bis 30 Kilometer,das kann auch manchmal ein bisschen höher gehen. Aber das hängt dann wirklich sehr vom Modell ab.EarthCare kann dazu Daten liefern. Wir können die gesamte, wir sagen mal dieTroposphäre und die Stratosphäre abdecken, das heißt die untersten,was sind das, 12 bis 15 Kilometer.Da können wir Daten direkt an die Modelle und auch an die Wissenschaftler liefern.Das heißt, wenn du sagst, ja, wir haben natürlich ein Team, was ganz dezidiertuns auch unterstützt in der Entwicklung der Mission von Anfang an.Also wir würden nie auf unserer Seite eine Mission entwickeln,ohne dass wir eine wissenschaftliche Betreuung auch dabei haben.Es ist auch ein bisschen anders wie bei den Instrumenten, die in dem Space ScienceBereich der ESA entstehen,wo die Instrumente direkt von wissenschaftlichen Teams praktisch geliefert werdenund die dann auch primär die Auswertung machen.Bei der Erdbeeraufzugsposition, die wir haben, bauen wir die Instrumente undmüssen sicherstellen, dass wir auch damit einen möglichst weiten Bereich,einen möglichst großen Bereich an wissenschaftlicher Community,an wissenschaftlichen Teams auch ansprechen.Und dementsprechend, wie gesagt, wir haben Core, aber wir haben hunderte vonWissenschaftlern, die auch mit den Daten weiterarbeiten werden.Das ist für uns ganz wichtig, dass wir nicht nur hier eine Vision bauen,die für eine Nische ist, sondern wirklich was, was auch global verwendet wird.Wir arbeiten zusammen nicht nur mit europäischen Wissenschaftlern und mit denJapanern, wie wir auch vorhin schon erwähnt haben.Wir haben hier eine sehr enge Zusammenarbeit, aber auch mit unseren amerikanischen Kollegen.Und eigentlich ist es eine globale Zusammenarbeit, die wir haben und noch weiter ausbauen.
Tim Pritlove 1:25:48
Wie viele Voxels sind das dann so in modernen Klimamodellen,die da mittlerweile dann bei rauskommen mit dieser höheren Auflösung?Also wie feingliedrig ist das?Ich habe jetzt keine Rechnung im Kopf angestellt, weil da scheitert man natürlich sofort wieder dran.
Thorsten Fehr 1:26:02
Also ich möchte jetzt auch da keine Zahl geben. Das sind sehr,sehr, sehr viele. Wir haben uns überlegt.
Tim Pritlove 1:26:08
Klar, die Erde ist groß.
Thorsten Fehr 1:26:09
Die Erde ist groß.
Tim Pritlove 1:26:10
Die Voxels sind klein. Eine komplette Zahl habe ich jetzt auch nicht im Kopf.
Thorsten Fehr 1:26:12
Das würde ich jetzt auch nicht hinbekommen. Ich kann es ehrlich gestehen,da müsste ich auch bloß mit dem Taschenrechner, dann könnten wir das vielleichtdann irgendwie ausrechnen.
Tim Pritlove 1:26:18
Ich speichere das mal unter eigentlich eine gute Frage gewesen.
Thorsten Fehr 1:26:20
Eine gute Frage kann ich dir leider nicht so schnell beantworten.
Tim Pritlove 1:26:23
Aber es ist auf jeden Fall mehr geworden und es ist halt auch um einen Faktor,also um Größenordnung sozusagen gestiegen.
Thorsten Fehr 1:26:30
Um Größenordnungen, das ist wirklich um Größenordnung gestiegen.
Tim Pritlove 1:26:32
Also wenn das so auf einmal ein Kilometer ist, wo vorher zehn ist,das ist natürlich eine totale Datenexplosion.Ist das sozusagen das Einzige, was sich an den Klimamodellen verbessert oder gibt es auch...Nennenswert vielmehr Parameter, die sozusagen so einem Voxel zugeordnet werden?
Thorsten Fehr 1:26:52
Was in diesen Modellen gemacht wird, ist, dass man manche Prozesse,die kann man nicht auflösen, die kann man nicht mit diesen Gittern direkt vermessen.Du musst dir nur vorstellen, du nimmst, nehmen wir mal wieder unser Sommergewitter.Dieses Sommergewitter, das hat vielleicht eine Skala von, ach sagen wir mal,horizontal 10 auf 10 Kilometer. Machen wir ein kleines Gewitter.Dieses Gewitter konnte man früher zum Beispiel in diesen Modellen gar nichtauflösen, weil die haben eine Gitterweite von 10 Kilometern gehabt.Das heißt, alles, was da drin passiert, wurde ein Gewitterwurzel.Um dann den vertikalen Prozess auch irgendwo darzustellen oder auch dann denStrahlungsprozess darzustellen, dazu hat man dann Parametrisierung verwendet.Das heißt, man hat gesagt, okay, wir wissen, was da für Wind,Wetter, Wasser drin ist Und aufgrund der Beobachtung sagen wir,okay, wir transportieren jetzt mal was nach oben.Die neuen Modelle können wirklich auch diese Wolken schon direkt auflösen.Noch nicht auf dem Kilometerbereich, aber die werden immer besser.Sodass wir praktisch jetzt direkt für jeden Gitterpunkt in diesem Gewitter auchdirekt ausmessen können, was ist die Windgeschwindigkeit, ist es ein Aufwind,ist es ein Abwind, wie viel Eis, wie viel Schnee, wie viel Wasser, was ist die Temperatur.Das heißt, wir können das immer besser auch auflösen. Und da,um wieder den Dreh auf EarthScape zu machen, können wir auch direkt Daten liefern.Das heißt, was vor zehn Jahren vielleicht in eine Parametrisierung reingegangenwäre, mit all ihren Annahmen, geht jetzt direkt in diese Modelle mit ein.Dadurch, dass wir eben jetzt zum einen diese Messung zur Verfügung haben,aber auch diese höhere Auflösung.Und da nimmt natürlich auch sehr viel, sagen wir mal, uns heraus.
Tim Pritlove 1:28:28
Das heißt, die Modelle werden konkreter werden.
Thorsten Fehr 1:28:31
Die Modelle werden konkreter.
Tim Pritlove 1:28:32
Sie werden mit echten Daten beliefert, wo man vorher gesagt hat,können wir die messen, haben wir auch nicht die Auflösung für,aber so Pi mal Daumen irgendwie, da legen wir jetzt mal hier Faktor und Skalarein, dann passt das schon irgendwie.
Thorsten Fehr 1:28:43
Wenn wir Pi mal Daumen sein würden, dann würde ich wahrscheinlich mit vielenmeiner Modellierungskollegen Schwierigkeiten bekommen. Das sind auch sehr komplexe Parametrisierungen.
Tim Pritlove 1:28:50
Aber im Prinzip ist es das.
Thorsten Fehr 1:28:51
Aber im Prinzip ist das. Und desto höher aufgelöst wir werden,desto besser können wir natürlich auch all diese Prozesse auch bestimmen undkönnen natürlich dann auch besser diesen Strahlungshaushalt auch ausreichen.Sprich, wie viel Strahlung wird jetzt von den Wolken reflektiert,wie viel wird zurückgehalten.
Tim Pritlove 1:29:07
Und die Wolken waren bisher eigentlich so ein bisschen so ein Unsicherheitsfaktorin dieser ganzen Klimageschichte.Und das ist sozusagen jetzt auch ein Ziel vom Unsicherheitsfaktor zum Datenlieferanten zu werden.
Thorsten Fehr 1:29:18
Genau, das ist eben eines der Ziele. Wie ich vorhin schon erwähnt hatte,Wolken und Aerosole, insbesondere die Wolken, sind sogar ein Kühlungsfaktor.Und es war immer klar, dass es wahrscheinlich in die Richtung geht,aber niemand konnte wirklich genau sagen, wie sicher dieser Kühlungsfaktor ist.Wie sicher ist denn die Wahrscheinlichkeit, dass es jetzt sehr stark kühlt oder nur ein bisschen kühlt?Und das hat sich in den letzten Jahren auch verändert schon bereits,eben auch mit den Satellitenmissionen von unseren amerikanischen Kollegen,aber die Unsicherheit ist immer noch sehr, sehr groß.Und da kann eben Earthquake dazu beitragen.Dass eben diese Unsicherheiten weiter reduziert werden.Und wie ich auch schon vorhin gesagt hatte, es hängt sehr stark davon ab,was für Wolken wir haben, was für Wolken wir auch in der Zukunft haben.Und auch da kann EarthCare helfen. Wir können natürlich nicht 20 Jahre in dieZukunft messen. Unser Satellit hat eine Lebensdauer von drei Jahren.Das ist also relativ kurz. Wennman Klima betrachtet, sind drei Jahre im Prinzip ja ein Wimpernschlag.Aber mit den Datensätzen als solches können wir unser Verständnis deutlich verbessern.Und mit diesem verbesserten Verständnis können wir dann auch die Klimamodelle,die uns dann die Zukunft voraussagen, in einer Art und Weise auch verbessern.
Tim Pritlove 1:30:31
Es gibt ja sehr viele unterschiedliche Arten von Wolken. Also das kann man jarein optisch schon unterscheiden.Und dann gibt es ja, was weiß ich, wie breit gefächert eigentlich so die Wolkentypisierung so ist.Wie unterschiedliche Wolkenarten muss man so grob unterscheiden?
Thorsten Fehr 1:30:50
Also wir unterscheiden im Prinzip in drei unterschiedliche Schichten die Atmosphäre.Das heißt, das ist die untere Schicht, das sind so die Atmosphären.Die Wolken, die mehr oder weniger nah am Boden sind, Wolken in der mittlerenAtmosphäre, das kann dann sozwischen zwei und acht Kilometer sein und die Wolken, die sehr hoch sind,das sind dann zum Beispiel Zirnen, die man sieht oder auch, wenn man möchte,auch die Kondensstreifen von Flugzeugen, das sind zum Beispiel Wolken,die sehr weit oben sind und dann haben wir noch Gewitter, die praktisch durchall diese drei Etagen durchgehen. Das ist, was wir so grob klassifizieren.Und in diesen drei Etagen gibt es dann Wolken, die wir nennen es eher konvektiv,also die so ein bisschen zusammengebauscht sind oder die stratiform sind,die eben sehr flach sind und einen durchgängig grauen Tag zum Beispiel liefern.Sprich, da gibt es ganz verschiedene Arten von Wolken.Die Wolkenkataloge haben zig verschiedene Arten, Unterarten,Unterklassifizierung.Also ich weiß gar nicht, wie viele verschiedene Wolkentypen wir da haben,aber so grundsätzlich unterscheiden wir in der Höhe, wo die Wolken sind undwir unterscheiden in der Art und Weise, wie sie geformt werden. Das ist so grob die Idee.
Tim Pritlove 1:31:58
Okay, also so wie man den Inuit nachsagt, dass sie 100 Worte für Schnee haben,habt ihr ja auch 100 Worte für Wolken sozusagen.
Thorsten Fehr 1:32:04
Oh, mit Sicherheit mehr. Da bin ich auf jeden Fall sicher.Und der Trick, den wir jetzt haben, oder die Fragestellung, die sich stellt,ist, dass unter diesen 100 verschiedenen Wolken, sagen wir mal 100,vielleicht ein bisschen mehr, ein bisschen weniger, ich kann es jetzt wirklichnicht genau sagen, jede dieser Wolken hat eine andere Art und Weise,wie sie mit Strahlung interagiert.Zum Beispiel, wenn du hohe, dünne Wolken hast, hoch wie in, sagen wir mal,10 oder 12 Kilometer Höhe, dann führen die dazu, dass sich unser Klima erwärmt.Also die hoch fliegen nicht.
Tim Pritlove 1:32:32
Die hoch sind.
Thorsten Fehr 1:32:33
Nein, genau, die hochfliegen. Nehmen wir an, die sind vielleicht ein paar Kilometerhoch, tief, ich weiß gar nicht, wie man das sagt.Die können von 8 bis 10 Kilometer Höhe gehen, sind dünn, also sprich so eineArt Zirrus. Die führen zu einer Erwärmung unseres Klimas zum Beispiel.Die tun weniger Licht zurückreflektieren, weniger Sonnenlicht reflektieren zurück ins All,als wie sie von der Erde wieder zurückstreuen, sprich die Wärme,die nach oben abgestrahlt wird, wird von denen eingefangen.Wenn man dicke Wolken hat, auch in der Höhe, dann tun die mehr Sonnenlicht wegreflektieren,als sie fangen. Das heißt, die führen zu einer Kühlung.Und dasselbe ist auch, wenn wir weiter unten am Boden sind. Sehr dicke Wolkenam Boden sind auch sehr effektiv im Wegstreuen.Und zum Beispiel Wassertröpfchen sind sehr viel besser im Wegstreuen von Sonnenstrahlung,wie Eiswolken zum Beispiel.Also es ist wirklich ein sehr komplexes Spiel zwischen der Wolken-Mikrophysik,nennen wir das, welche Art von, sagen wir, Tröpfchen, Eispartikel wir habenund der Strahlung, die dann eben entsprechend zurückgehalten wird oder zurückgestreut wird.
Tim Pritlove 1:33:45
Gibt es denn eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass jetzt im Rahmen dieser Missionauch noch neue Wolkentypen entdeckt werden?Weil ich meine, okay, man hat jetzt schon so diese Flugzeuge und man hat schonden einen oder anderen Lieder mal reingehalten und denke im Wesentlichen hatman so eine gewisse Vorstellung.Aber jetzt kann man ja im Prinzip Wolken auch auf eine Art und Weise an Ortenbeobachten, wo das vielleicht so bisher noch nicht so ohne weiteres möglichwar oder nicht so oft gemacht wurde. Pole, Ozeane, keine Ahnung.
Thorsten Fehr 1:34:12
Also ich glaube, da muss ich unsere Hoffnungen ein bisschen bremsen.Ich denke, dass wir nicht unbedingt neue Wolken sehen werden,aber was wir hoffen zu verbessern natürlich, ist, dass wir besser feststellenkönnen, welche Wolken wann wie häufig auch auftreten.Das ist natürlich eine Sache, die wir haben seit den ersten Meteosat-Messungen,irgendwann Ende der 80er Jahre, wissen wir, wo Wolken sind und die Messungender meteorologischen Systeme sind immer besser geworden.Das heißt, wir wissen, wie viele Wolken da sind.Wir wissen, wo die sind. Wir haben verschiedene Wolkentypen auch schon klassifiziert.Aber was uns immer fehlt, ist die vertikale Struktur der Wolken.Und das ist eigentlich viel entscheidender. Die kennen wir vom Boden aus.Also sprich, ich wäre überrascht, wenn wir jetzt einen ganz neuen Wolkentyphaben, ob wir dann einen, keine Ahnung, Cirrus Earthkerus oder sowas finden.Ich glaube, das werden wir nicht haben.Aber wir können das sehr viel besser charakterisieren. Wir können bessere Statistiken aufbauen.Und das ist das, worum es uns eigentlich auch geht.Hier bessere Statistiken, damit wir besser den Strahlungshaushalt der Erde kennenlernen.Über die Wolken auch feststellen.
Tim Pritlove 1:35:18
Genau, weil man stellt dann fest, von diesem Wolkentyp haben wir jetzt bei einemKomplettdurchlauf so und so viel gesehen.Was hast du gesagt, wie oft, wie lange dauert das, um einmal komplett rum zu sein?
Björn Frommknecht 1:35:31
25 Tage.
Tim Pritlove 1:35:32
25 Tage, okay.
Björn Frommknecht 1:35:33
Ein bisschen weniger als einen Monat.
Tim Pritlove 1:35:34
Okay, also so grob, man schaut halt mal so einen Monat auf die Erde,das tut man dann über drei Jahre, dann kriegt man eine relativ gute Vorstellung davon,was man jetzt wie oft wo findet Und dann kennt man ja dann sozusagen auch so,okay, aber dieser Wolkentyp, der strahlt mehr ab oder der kühlt mehr und derführt eher zur Erwärmung und was weiß ich, dann hat sich das über die drei Jahrevielleicht auch noch leicht verändert, kann ja auch sein.
Thorsten Fehr 1:36:01
Was wir wahrscheinlich weniger sehen werden als die Veränderung von den Wolkenin dem Zeitraum, sind eher vielleicht auch singuläre Ereignisse.Vulkanausbruch zum Beispiel. Wir hatten vorhin den Eyjafjallajökull,den Vulkan in Island, aber es gibt natürlich auch andere Vulkane.Hungartonga, da habe ich ja mögliche Schwierigkeiten, wie der wirklich heißt.
Tim Pritlove 1:36:24
Was ich doch immer mit Vulkanen so ein Problem ist.
Thorsten Fehr 1:36:27
Die sind immer an Orten, wo die Sprachen...
Tim Pritlove 1:36:31
Stimmt, da will immer keiner hin. Das sind nur irgendwelche Bergvölker, die sich dann was...
Thorsten Fehr 1:36:34
Wenn der Brock ausbrechen würde, wäre es einfach.
Tim Pritlove 1:36:37
Das ist vollkommen klar.
Thorsten Fehr 1:36:38
Dass die eben in Regionen sind, die ein bisschen schwieriger aussehen.Solche Sachen werden wir sehen. Die sind auch wichtig für uns.
Tim Pritlove 1:36:46
Oder auch Industriegebiete.
Thorsten Fehr 1:36:48
Industriegebiete, Waldbrände, das ist ein anderer Punkt.
Tim Pritlove 1:36:51
Auch hier.
Thorsten Fehr 1:36:52
Also solche Sachen werden wir sehen, wollen wir auch sehen. Eigentlich wollenwir sie nicht sehen. Also abgesehen, wir wollen es eigentlich nicht sehen,aber werden wir sie sehen.Und auch hier haben wir dann aufgrund der neuartigen Messmethoden,die wir haben, können wir auch hier mehr Wissen noch beisteuern,was eben früher noch nicht da war. Das ist ein anderes Element dazu.
Björn Frommknecht 1:37:10
Eine andere Sache, die wir dann auch sehen können, wenn sie groß genug sind,sind zum Beispiel Stürme, Extremwetterereignisse, Hurricanes,Tornados und so weiter, wo man dann eben auch detaillierter sozusagen reinschauen kann.
Tim Pritlove 1:37:21
Ja, sozusagen so richtig förmlich ins Auge des Geschehens, ins Auge des Flurmsreinschauen und da Erkenntnisse gewinnen.
Thorsten Fehr 1:37:31
Aber Graben, diese unterschiedlichen Wolken sind für uns eben extrem wichtig,weil ich, wie ich vorhin schon gesagt hatte, unterschiedliche Wolken wirkenunterschiedlich auf die Strahlung und wirken unterschiedlich aufs Klima.Und wir wissen, dass eben manche Wolkentypen weniger werden,manche werden häufiger in einem verändernden Klima.Und diesen ganzen Einfluss besser abzuschätzen, ist eben extrem wichtig,damit wir wissen, wo wir stehen in Zukunft.Wir reden immer davon, okay, wir müssen unsere Klimagase-Emissionen deutlichreduzieren, das ist auch richtig, aber es sind noch so viele andere Elementeim Klimasystem, die wir auch noch besser bestimmen müssen, die wir auch nochbesser verstehen müssen.
Tim Pritlove 1:38:09
Drei Jahre Laufzeit ist ja eigentlich nicht so viel. Würde man sich ja mehr wünschen.Das ist jetzt treibstoffbedingt? Bedingt?
Björn Frommknecht 1:38:21
Hauptsächlich treibstoffbedingt. Also bei anderen Satellitenmissionen ist jaoft die Batterie, die sagen wir mal irgendwann schwächelt.Aber bei uns dadurch, dass wir so niedrig fliegen und eben konstant dem Luftwiderstandtrotzen müssen, wir aber nur eine bestimmte Menge an Treibstoff mitnehmen können,einfach aufgrund der Beschränkungen, die wir haben, ist die Lebensdauer von daher begrenzt.Das hängt natürlich von der Sonnenaktivität ab.Je höhere Sonnenaktivität, desto kürzer. Da haben sich die Verzögerungen,die wir jetzt erfahren haben, wirken sich da positiv aus.Wir sind ja jetzt dann wieder auf dem, sagen wir mal, wir haben das Maximum überschritten.Und das könnte für eine Verlängerung der Lebenszeit.
Tim Pritlove 1:39:04
Die Sonnenaktivität hat einen Einfluss auf die Laufzeit? Inwiefern?
Björn Frommknecht 1:39:09
Auf den Luftwiderstand, ja. Auf den Luftwiderstand und Strahlungsdruck.
Thorsten Fehr 1:39:14
Die Atmosphäre ist nicht statisch, sondern die Atmosphäre dehnt sich auch aus.Und einer der Hauptelemente, die dazu führen, dass sich diese Atmosphäre auchausdehnen kann, ist zum Beispiel Sonnenaktivität.Und wenn wir eine höhere Sonnenaktivität haben, dann muss ich mir vorstellen,da kommt mehr Energie rein und das dehnt sich dann so ein bisschen aus.Und an der oberen Kante der Atmosphäre ist diese Ausdehnung noch stärker.
Tim Pritlove 1:39:37
Das heißt, es wird weniger dicht und man hat weniger Widerstand.
Thorsten Fehr 1:39:42
Es ist wie wenn man mehr Widerstand hat.
Björn Frommknecht 1:39:46
Es wird dichter. Die Dichte nimmt,zu zur Erde hin und das heißt, wenn man sich das so vorstellen will,eine dichtere Schicht kommt weiter hoch, geometrisch weiter weg und da fliegenwir dann durch, unsere Höhe bleibt gleich, deswegen haben wir höheren Widerstand.
Tim Pritlove 1:40:01
Die Atmosphäre drückt von innen nach außen, also sie wird dann nicht dünner,sondern sie wird dann nicht dicker sozusagen.
Thorsten Fehr 1:40:06
Sie bläst sich auf, wie wenn man einen Luftballon warm macht,dann dehnt er sich so ein bisschen aus.
Tim Pritlove 1:40:11
Okay, und wir haben jetzt mehr oder weniger Sonnenaktivität erwartet?
Björn Frommknecht 1:40:14
Die drei Jahre ist für hohe Sonnenaktivität abgeschätzt und wir haben jetztaber eine niedrigere Sonnenaktivität, als für die diese Abschätzung gemacht wird.Deswegen sind wir zuversichtlich im Moment, sagen wir mal, dass es die Möglichkeitgibt, noch ein Jahr zu verlängern, wenn auch sonst.
Tim Pritlove 1:40:30
Wie, das macht 30 Prozent aus?
Björn Frommknecht 1:40:33
Ungefähr, ja. Es hat eine deutliche Auswirkung.Wenn man sich das aussuchen könnte, wann man denn die Missionen dann startetoder so, würde man sie immer so starten, dass sie sozusagen das Maximum hintersich lassen und dann möglichst lange in dem Minimum fliegen.
Tim Pritlove 1:40:50
Okay, also es könnte theoretisch sein, dass das Ding auch vier Jahre hält sozusagen.
Björn Frommknecht 1:40:54
Könnte auch sein, aber das hängt natürlich auch von anderen Faktoren ab undauch wie es den Instrumenten geht. Ja, klar. Den aktiven Instrumenten hauptsächlich.
Thorsten Fehr 1:41:03
Also auf der wissenschaftlichen Seite wollen wir natürlich die Vision so langewie möglich haben, das ist vollkommen klar.Und wir sehen natürlich auch, dass bei vielen Visionen die Lebensdauer sehrviel länger war, als wie sie ursprünglich angenommen wurde.
Tim Pritlove 1:41:16
Ja, Voyager 1 funkt immer noch.
Thorsten Fehr 1:41:18
Voyager 1 funkt immer noch und ein Grund, weshalb Voyager 1 immer noch funkt,ist, dass er keine Atmosphäre hat.
Tim Pritlove 1:41:22
Ja, das ist ein großer Vorteil.
Thorsten Fehr 1:41:24
Und das ist eben bei uns die Problematik. Viele meiner Kollegen sagen,ja, wir bauen unsere Systeme immer nur für ein paar Jahre, aber dann halten die viel, viel länger.Aber hier im speziellen Fall von EarthCare mit aktiven Instrumenten,das macht auch noch einen großen Unterschied, ob wir ein aktives Instrumenthaben oder ein passives Instrument haben und eben aufgrund der Tatsache,dass wir so niedrig fliegen, ist die Hoffnung,dass wir anstatt drei 20 Jahre machen, ist null.Die Hoffnung, dass wir vielleicht anstatt drei vielleicht vier machen,hier schaue ich in Björns blaue Augen, die ist natürlich immer gegeben und wirhoffen, dass wir auch da hinkommen von der wissenschaftlichen Seite her.
Tim Pritlove 1:41:57
Ja klar, das kann ich mir natürlich vorstellen. Ein Jahr mehr macht ja nochmal richtig viel aus.Und trotzdem wird man ja dann, selbst wenn er nicht mehr fliegt,von den Daten wahrscheinlich noch sehr lange zehren können.Und oft ist es ja nun auch so, die Instrumente sind ja dann in der Regel immerPrototypen, sprich gab es halt so noch nie, hat man noch nie so gebaut und ist ja dann immer wieder,also technologisch an sich gab esdas schon mal, aber dann halt in dieser konkreten Form und Nutzung nicht.Ist denn das sozusagen auch Instrumentarium, was man dann in Zukunft vielleichtauf normalen Wettersatelliten sehen könnte oder ist das jetzt zu abgefahren?
Björn Frommknecht 1:42:35
Also ich denke, die Eolos-Mission ist ein gutes Beispiel dafür.Da gibt es jetzt eine Nachfolgemission, wo das experimentelle Instrument,der LIDA, der eben Wind messen konnte,nochmal in verbesserter Form gebaut wird, weil man erstens nachgewiesen hat,okay, da gibt es einen operationellen Nutzen, das lohnt sich wirklich,das ganze Geld und den Aufwand zu investieren.Und das könnte bei uns auch der Fall sein, aber das steht in den Sternen, wir hoffen es.Für uns ist das Wichtigste jetzt erstmal, dass der Start klappt und funktioniertund dass wir zeigen können, es war es wert.Der ganze Aufwand und die ganzen Anstrengungen, die da über Jahrzehnte gemachtworden sind und dass wir gute Ergebnisse haben.
Thorsten Fehr 1:43:19
Es ist natürlich so, dass selbst die Mission, wie du auch gerade gesagt hast,auch wenn sie nach drei Jahren zu Ende ist, wir hoffen natürlich,dass wir so tolle und gute Daten haben, dass die Wissenschaftler noch über Jahre,Jahrzehnte daran arbeiten können. Das ist die eine Seite.Das heißt, häufig sagen die Leute, deine Mission ist zu Ende gegangen.Ich habe auf Aeolus gearbeitet. Die sagen, deine Mission ist zu Ende.Nein, nein, das ist nur das Ende des Satelliten.Die Mission geht weiter. Die Mission lautet, wir wollen mit den Daten von demSatelliten eben auch weiter Wissenschaft betreiben, auch weiter Erkenntnisseschaffen. Das ist das Ziel.Auf der anderen Seite arbeiten wir natürlich auch mit internationalen Kooperationen zusammen.Das heißt, das ist für uns auch wichtig, wie wir vorhin auch schon erwähnt hatten,die amerikanischen Kollegen hatten schon Satelliten, die was Ähnliches gemessen haben wie wir.Wir haben momentan einen chinesischen Satelliten, der auch etwas Ähnliches misstwie wir. Nicht dasselbe, das ist alles ein bisschen anders.Und unsere amerikanischen Kollegen planen eine Satellitenmission in den 30erJahren, in den 2030er Jahren, die auch wieder ähnliche Sachen misst wie wir.Wir glauben immer noch, dass wir vermutlich einen Referenzdatensatz erstellen würden.Referenz in dem Sinn, dass insbesondere zum Beispiel das ATLIT,dieses Slidergerät, Da sind wir momentan kein Nachfolger und wie wir auch vorhinschon erwähnt haben, das Bauen von so einem Satelliten dauert einigermaßen lange.Aber es gibt Nachfolgeprojekte, wo wir dann eine lange Zeitreihe auch aufbauen können.Das beginnt mit den amerikanischen Missionen 2007, glaube ich,wenn ich mich recht erinnere, die angefangen haben, diese Vertikalprofile vonAerosolen und auch von Wolken zu messen.Die haben das zum Teil bis letztes Jahr gemacht. Das waren wirklich Satelliten,die, weil sie auch sehr hoch geflogen sind, sehr lange gelebt haben.Jetzt kommen wir rein mit EarthCare. Wir hatten Iolos dazwischen drin.Das war zwar ein Windlider, aber auch das hat Aerosole und auch Wolkeninformationen geliefert.Wir haben die chinesische Mission, die nennt sich ACDL, die im Moment fliegt.Wir werden dann in Zukunft die amerikanische Mission haben und dann vielleichtwieder eine europäische oder eine japanische oder eine ähnliche Mission.Das heißt, wir bauen unsere Zeitreihen immer aufeinander auf.Es ist klar, die sind immer ein bisschen unterschiedlich in der Frequenz,in der Höhe, in was sie genau vermessen.Das ist immer ein bisschen unterschiedlich, aber da springt dann die Genialitätunserer Wissenschaftler rein, die eben aus all diesen unterschiedlichen Daten setzen,dann trotzdem, wenn wir auf die geophysikalischen Produkte zurückgehen,wie zum Beispiel Wolkenhöhe, dann können die das trotzdem alles miteinander zusammenbauen.Und unsere 3-Jahres-Mission EarthCare, die vielleicht nur drei Jahre macht,kann dann trotzdem helfen, um diese gesamte Datenreihe von Anfang der 2000er,2030 oder länger auch besser zu charakterisieren.Wir sind praktisch auch hier wieder ein Element in der internationalen,in der globalen Zusammenarbeit.
Tim Pritlove 1:46:11
Ja, jetzt muss nur noch fliegen. So, ich weiß nicht, ist das jetzt für euchbeide eigentlich die erste Mission, die ihr in dem Sinne so begleitet oder habtihr schon mal diesen ganzen Startfrust?
Björn Frommknecht 1:46:25
Ich glaube, wir haben beide schon etliche,Momente erlebt, aber es ist trotzdem immer wieder was Besonderes,weil so ein Start ist natürlich sagen wir mal so ein bisschen binäres Ereignis.Ich meine, genau, entweder es klappt oder nicht und wenn es nicht klappt,dann kann es nicht nur ein bisschen nicht klappen, sondern es ist halt dannleider fatal. Hat es schon mal nicht geklappt?Nee, ich hatte Glück bisher. Ich weiß noch, bei Greys Mission war ich dabeiund da kommt die Rakete aus so einer Röhre raus und da dachte ich jetzt explodiertalles, aber es war dann doch so geplant. Aber ich hatte Glück bisher.
Thorsten Fehr 1:47:00
Ich nicht. Meine erste Vision bei der ESA, da war ich zwar nicht direkt daranbeteiligt, aber es war die erste Erdbeobachtungsvision, die gelauncht wurde. Das war Cryosat.Das war 2006, glaube ich. Und seitdem bin ich ein bisschen launchgeschädigt.
Tim Pritlove 1:47:15
Glaube ich.
Thorsten Fehr 1:47:16
Das war schon ziemlich dramatisch einschneidend. Umgekehrt.
Tim Pritlove 1:47:21
Also Cryosat 1, es gab dann noch einen zweiten, der funktioniert hat.
Thorsten Fehr 1:47:24
Und da muss ich sagen, das war eine großartige Sache, was die ESA damals geschaffthat, dass wir wirklich die Mission verloren haben, dann gleich wieder,die nächste, praktisch noch in derselben Nacht definiert haben. Das war wirklich toll.Aber ich bin seitdem ein wenig Launch geschädigt, wann immer es Launches gibt.Und das müssen nicht mal die sein, die Mission, an der ich beteiligt war.Ich war an Earthcare beteiligt, ich war an Sentinel-5 Precursor beteiligt.Und jedes Mal, wenn die Launches waren, werde ich extrem nervös.Und ich bin eigentlich ansonsten nicht jemand, der so leicht aus der Fassung zu bringen ist.Aber da merke ich, wie der Hals trocken wird, wie ich dann anfange aufzustehen, rumzulaufen.Also ich sehe mich da schon Ende März hier in ESOC die letzten zehn Minutenirgendwo mich verkriechen oder irgendwas.Also es ist schon immer ein sehr spannendes und einschneidendes Erlebnis.
Tim Pritlove 1:48:12
Also ihr werdet hier vor Ort sein, weil die Übernahme natürlich das eigentliche Ereignis ist.Klar, der Start muss funktionieren, aber dann die Übernahme und die Inbetriebnahme,da geht ja dann die Arbeit eigentlich auch erst so richtig los, oder?
Björn Frommknecht 1:48:24
Also wenn man dann eben das erste Signal sieht von dem Satelliten,das ist dann Das ist ein super Moment, das ist natürlich genial.Und dann geht, Gott sei Dank, für uns die Arbeit erst richtig los.Das ist genau das, worauf wir uns freuen.
Thorsten Fehr 1:48:38
Es kommen die ersten Produkte, dann kommen die ersten Produkte von dem einenInstrument, dann kommen die von dem anderen Instrument, dann kommen die gemeinsam.Also es gibt eine ganze Menge an ganz fantastischen und ganz tollen Ereignissen,die sich jetzt in den nächsten Jahren so aneinanderreihen werden.Das Ende dann, wie gesagt, nicht mit dem Ende der Satellitenmission,Dann kommen dann wissenschaftliche Publikationen, Konferenzen.Es geht immer weiter. Also es ist für uns eigentlich jetzt der Startschuss.Für viele unserer Kollegen natürlich, die den Satelliten seit 20 Jahren bauen,für die ist es dann das Ende in gewisser Hinsicht. Aber für uns geht die Sacheerst so richtig los, nicht?
Tim Pritlove 1:49:15
Ja, dann ist Schluss mit den Trockenübungen, wie jetzt hier bei Raumzeit.Ich sage vielen, vielen Dank für die ausführlichen Ausführungen zur Missionund Wissenschaft und was sonst alles noch interessant ist rund um EarthCare.Ja, habt ihr noch irgendwas,hinzuzufügen?
Thorsten Fehr 1:49:35
Nein, nur vielen Dank.
Björn Frommknecht 1:49:38
Wir freuen uns auf EarthCare und danke, dass wir dabei sein durften.
Thorsten Fehr 1:49:42
Für jeden, der Interesse hat, das zu verfolgen, einfach auf esa.int gehen,EarthCare oder einfach einfach so EarthCare googeln.Ich glaube, das funktioniert heutzutage auch schon sehr gut und wir sind dannauch bei dem Launch Ende Mai, bei dem Start der Mission, gibt es auch einenLivestream, so ein bisschen Werbung machen, wo man auch zuschauen kann.Unser Launch ist spät, der ist 20 nach 12 Mitternacht, also für all die Leute,die ein bisschen länger wach bleiben wollen, ist das durchaus eine Möglichkeitauch den Launch direkt zu sehen.
Tim Pritlove 1:50:12
Wie pünktlich muss das Ding sein?
Björn Frommknecht 1:50:16
Wir haben keine,interstellare Mission, wo man ein gewisses Zeitfenster hat.
Tim Pritlove 1:50:22
Das ist egal, oder?
Björn Frommknecht 1:50:23
Im Prinzip ist es egal, das bestimmt SpaceX.
Tim Pritlove 1:50:26
Verstehe, alles klar. Na gut, dann muss man halt vielleicht ein bisschen früheroder später aufstehen, je nachdem. Alright, gut.
Thorsten Fehr 1:50:32
Danke dir.
Tim Pritlove 1:50:33
Das war's, vielen Dank fürs Zuhören. Das war's bei RONZEIT, bald geht's wiederweiter. Ich sag tschüss, bis bald.

Shownotes

RZ120 Ulf Merbold

Ein Gespräch mit dem ehemaligen Astronauten Ulf Merbold im Zeiss-Großplanetarium Berlin

Ulf Merbold ist der erste westdeutsche im All und bis heute derjenige mit den meisten Ausflügen in den Orbit - drei an der Zahl. Er war sowohl mit den Amerikanern an Bord des Space Shuttle als auch mit den Russen auf der Raumstation Mir über der Atmosphäre. Dazu hat er lange Zeit das Europäische Astronautenzentrum in Köln geleitet und maßgeblich zur Planung des europäischen Forschungsmoduls Columbus auf der Internationalen Raumstation ISS beigetragen.

Dauer:
Aufnahme:

Ulf Merbold
Ulf Merbold

Ulf Merbold blickt auf eine lange Karriere als Physiker, Astronaut und Organisator von Raumfahrtprogrammen zurück. Im Gespräch berichtet er von seinem Weg zur Raumfahrt, seinen drei Raumfahrt-Missionen, den Herausforderungen in der neuen Kooperation sowohl mit Amerikanern und Russen und den Belastungen und Offenbarungen, denen man als Astronaut ausgesetzt ist.

Das Gespräch fand live im Zeiss-Großplanetarium in Berlin vor Publikum statt.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:36
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Das ist Ausgabe Nummer 120 und heute mal wieder was ganz Besonderes,denn jetzt bin ich mal nicht irgendwo hingefahren, sondern in Berlin gebliebenund bin nur um die Ecke mal schnell in das Zeiss Großplanetarium hier in Berlin-Prenzlauer Berg.Und das bedeutet auch, heute haben wir Zuschauer und die begrüße ich als allererstesmal ganz kräftig. Hallo!Ja, sehen tun wir sie nicht, weil hier ist es ganz dunkel.Wenn man irgendwie die Sterne auch noch mit betrachten möchte,wir nutzen natürlich heute auch die Kuppel, aber wir bleiben natürlich im Inhalt, hier ganz im Audio.Und ja, worum geht es denn heute? Heute habe ich einen besonderen Gast und denbegrüße ich dann auch gleich mal, nämlich Ulf Merbold. Herzlich Willkommen bei Raumzeit.
Ulf Merbold 0:01:36
Ja, vielen Dank.
Tim Pritlove 0:01:39
Ich, Merbold, oder sollte ich besser sagen 10972 Merbold. Sie wissen, was das ist, ne?
Ulf Merbold 0:01:48
Nein, ich weiß nicht, müsste mir mal auf die Sprünge helfen.
Tim Pritlove 0:01:51
10972, das ist ja die Nummer des Asteroiden, der nach Ihnen benannt ist.
Ulf Merbold 0:01:56
Ja, schon alles so lange her, habe ich schon vergessen.
Tim Pritlove 0:01:59
Das kann ich mir vorstellen. Ich dachte, ich erwähne es nochmal.Nochmal, aber da muss man ja was geleistet haben.Haben sie ja auch, sie sind Astronaut im Ruhestand, kann man sagen.Und waren oft im All.Gerade als ich hier ankam, habe ich so ein Filmplakat noch gesehen.Hier gibt es ja auch ein Kino.Der Mann, der nie im All war, heißt der Film. Das ist ja im Prinzip genau das Gegenteil.Dreimal haben sie die Erde verlassen, also zumindest mindestens 100 KilometerAbstand genommen. Das gelingt ja auch nicht jedem.Also ist man dann einfach so ein bisschen Astronaut auf Lebenszeit?Also ist das so eine Art Titel? Ist das so wie Bundeskanzler,was man da nicht mehr los wird?
Ulf Merbold 0:02:39
Das ist eine schwierige Frage. Ich meine, von Beruf bin ich Physiker.Bevor ich in die Raumfahrt kam, habe ich zehn Jahre richtig solide,experimentell Festkörperphysik an einem Max-Planck-Institut betrieben.Und dann kam die Raumfahrt in mein Leben. und auf die Weise wurde ich eben inder ESA und bei der NASA als Astronaut geführt und bei den Russen als Kosmonaut.Das hängt mir jetzt an, aber da kann ich auch nichts dafür.
Tim Pritlove 0:03:10
Aber das definiert einen schon, obwohl Sie empfinden das sozusagen als Aspekt,aber für andere ist es, glaube ich, schon so die Primärwahrnehmung, oder?
Ulf Merbold 0:03:20
Ach, ich würde mal sagen, das ist an vielen Stellen so. Einer,der mal irgendwo Direktor war, der wird halt Direktor genannt.Also ich habe dazu keinen Kommentar, das ist für mich ja so alles andere als wichtig.
Tim Pritlove 0:03:35
Okay, das habe ich mir schon fast gedacht. Trotzdem ist das ja ein sehr exklusiverKlub, in dem man sich da aufhält. Es sind ja jetzt nicht so viele Astronauten gewesen.Ich hatte ja schon die Gelegenheit, bei Raumzeit mit ein paar zu sprechen,mit aktuellen wie Matthias Maurer, Samantha Cristoforetti, die Sie sicherlichauch alle irgendwann mal getroffen haben,und einen alten Kollegen, Reinhold Ewald, und natürlich auch Sigmund Jähn.Und mit Sigmund Jähn verbindet sich, glaube ich, so einiges.Sie kommen, glaube ich, 40 Kilometer Luftlinie mehr oder weniger aus demselben Gebiet.
Ulf Merbold 0:04:06
Richtig, Sigmund und ich, wir sind Vogtländer, beide.Der Sigmund aus dem sächsischen Teil und ich aus dem thüringischen Teil.Aber am Ende, außer dass wir im Vogtland aufgewachsen sind, sind wir völliggetrennte Wege gegangen.Ich wollte in meinem Leben unbedingt in Jena Physik studieren und durfte nicht.Deswegen bin ich am Ende in die Bundesrepublik Deutschland verschlagen worden,also in die alte Bundesrepublik.Und Sigmund wurde ein strammer Verteidiger des Sozialismus, wurde Jagdflieger und Fliegerkosmonaut.Und insofern, unsere Wege, die sind im Grunde 180 Grad in entgegengesetzte Richtung gelaufen.Aber durch die Raumfahrt sind wir dann doch wieder zusammengekommen.
Tim Pritlove 0:04:55
Sie sind ja auch in etwa ähnlicher Jahrgang, ich glaube nur vier Jahre auseinander.
Ulf Merbold 0:05:01
Ja, so ungefähr.
Tim Pritlove 0:05:04
Und stimmt das, dass Sie sich aber gemeinsam den Mauerfall aus der Ferne angeschaut haben?
Ulf Merbold 0:05:10
Ja, das ist richtig. Also die Jähn-Geschichte, die begann damit,wir waren beide schon geflogen.Ich war gerade zurückgekommen aufs Amerika und dann wurden wir nicht vom anderen eingeladen, um den 90.Geburtstag von Hermann Obert in Salzburg mit zu feiern.Da standen wir uns dann zum ersten Mal gegenüber und ich mache die lange Geschichtekurz. Natürlich haben wir uns da erstmal etwas beschnuppert,haben aber relativ schnell ein gemeinsames Thema gefunden.Nämlich wir hatten beide die Erfahrung machen dürfen, dass 90 Minuten ausreichen,den Erdball zu umrunden.Und dann war das ja eine Zeit, dawar Reagan Präsident im Weißen Haus und Generalsekretär der KPTSU war...
Tim Pritlove 0:06:09
Oha.Ich hoffe, Sie wissen es. Ich weiß es nämlich jetzt gerade nicht.
Ulf Merbold 0:06:13
Ich weiß es, fällt mir gleich noch ein. Jedenfalls, es war die Zeit des KaltenKrieges und uns beiden war dann klar.Dass es am Ende keine Gewinner geben würde, sollte der Kalte Krieg zum Heißen Krieg eskalieren.Das war dann ein Thema, da waren wir dann relativ schnell auf der gleichen Welleund meinten, was wir tun können,unseren Beitrag zu leisten, eine solche Katastrophe zu verhindern,das müssen wir dann auch machen.Und ich bin dem Sigmund dann im Ablauf der Folgejahre, das war alles noch vorder Wiedervereinigung, auf den IAF-Kongressen immer wieder begegnet.Und dann wurde die DDR langsam instabil.Und da können wir vielleicht nachher den Herrn Drexler noch dazu hören,Der war nämlich mitbeteiligt, den Siegmund vor dem Mauerfall in die damaligeBundesrepublik oder genauer gesagt zum heutigen DLR einzuladen.Und dann kam er auch. Und das war dann, denke ich mal, essentiell wichtig,um dem Siegmund am Ende zu helfen, auf der westlichen Seite der bis dato geteiltenWelt wieder in die Spur zu kommen.Und der hat dann Beraterverträge bei der ESA und beim DLR bekommen und dannging es ihm eigentlich am Ende richtig gut.
Tim Pritlove 0:07:44
Tauchen wir dann nochmal kurz in Ihre Zeit, Ihre Jugendzeit in der DDR ein.Sie kommen ja aus Greiz und haben es ja schon erwähnt, Sie wollten Physik studierenletzten Endes. Das war sozusagen schon auch immer bei Ihnen so drin, Welt verstehen.
Ulf Merbold 0:08:04
Ja, das wollte ich unbedingt. Das hat mich in der Schule am meisten fasziniertvon allen Angeboten, eben was zu lernen, was herauszufinden.Das war natürlich in der DDR auch ein Fach, in der Physik ist entweder richtig oder falsch.Das wird durch das Experiment am Ende bewiesen und nachgewiesen und dann kannman auch mit niemandem mehr darüber diskutieren.Während andere Themen, was weiß ich, dialektischer Materialismus,da ist ja nun auch jede Menge, das kann man beugen und so und so darstellen und präsentieren,aber nicht nur aus dem Grund wollte ich Physik studieren, sondern weil es michauch vom Fach her über alles interessierte. Und.Um das dann auch zu erzählen, meine Bewerbung an der Universität Jena,die wurde abgelehnt. Ich bekam ein Schreiben vom Prorektor für Studienangelegenheiten.Da war sinngemäß die Absage und dazu begründet,dass ein Studium an einer sozialistischen Universität eine Auszeichnung ist,der man sich durch herausragende fachliche und gesellschaftliche Arbeit würdig erweisen sollte.Und mir wurde dann signalisiert, in einem Jahr könnte man vielleicht nochmaldrüber reden, wenn du eben diesen Nachweis in einem VEB-Betrieb bringst.Das hieß ja im Klartext, wenn du jetzt in die FDJ, in die Gesellschaft für deutsch-sowjetischeFreundschaft, in die Partei eintrittst, dann könnte es schon noch möglich sein.Ich wollte mich aber nicht kompromittieren. Die Russen hatten nämlich meinenVater nach dem Krieg nach Buchenwald mitgenommen.Dort ist er verhungert und das kam für mich dann nicht in Frage.So stand ich 19-jährig vor der schwierigsten Entscheidung meines Lebens,entweder eben klein beizugeben oder das Physikstudium zu vergessen.Nun gab es aber damals die Option, die DDR zu verlassen, denn in Berlin stand1960 die Mauer gerade noch nicht.Und dann habe ich eben diese Option gewählt, obwohl mit 19 Jahren alles hintersich zurückzulassen, Eltern,Freunde, alles was einem vertraut und wichtig ist, das ist eine nicht so leichtzu treffende Entscheidung.
Tim Pritlove 0:10:35
Das kann ich mir ganz gut vorstellen. Das heißt, am Ende war aber so der Wunsch,also war es die Physik, die gerufen hat oder war es überhaupt so ein bisschender Wunsch, mehr Selbstbestimmung ins Leben zu bekommen?
Ulf Merbold 0:10:49
Ja, das lässt sich, glaube ich, gar nicht so trennen. Natürlich,ich wollte nicht, wie soll ich sagen, unter diesem Druck des politischen Systemsmich in irgendeiner Weise verbiegen müssen,aber Physik wollte ich um alles in der Welt eben ausstudieren.Und so kam es eben dazu, dass ich diesen schwierigen Entschluss auch umgesetzt habe.
Tim Pritlove 0:11:16
Dann ging es zum Max-Planck-Institut, denke ich mal.
Ulf Merbold 0:11:20
Nicht zu schnell, erst mal kam das Studium. Also ich habe dann an der Universitätstudiert. Ich wollte ursprünglich in Berlin studieren, West-Berlin.Weil ich dachte, solange die U- und S-Bahnen hin und her fahren,können mich Freunde, Verwandte auf dem Weg zur Ostsee oder wie auch immer gelegentlich mal besuchen.Ich hatte dann, da bin ich den Kultusministern heute noch kram, ein 13.Schuljahr machen müssen, denn nach Meinung der bundesdeutschen Kultusministerkonnte einer in der Bundesrepublik Deutschland mit einem DDR-Abitur,das man ja nach zwölf Jahren ablegt, unter gar keinen Umständen die Hochschulreife haben.
Tim Pritlove 0:12:03
Unmöglich ist das.
Ulf Merbold 0:12:04
Unmöglich. Also habe ich, anstattdass wir da nochmal eine Prüfung machen durften, Mussten wir das 13.Schuljahr wiederholen und es gab in West-Berlin damals im Tiergarten eine Schule,Falk-Schule, da waren spezielle Klassen nur für DDR-Abiturienten.Und dann haben wir die Prüfung nochmal gemacht und kaum hatte ich die Prüfungund hatte mich schon an der Technischen Universität in West-Berlin beworben. Dann wurde am 13.August 1961 die Mauer gebaut und dann brachte mich das doch dazu,das Ganze auf den Prüfstand zu stellen,um mich nochmal zu fragen, ist dann Berlin eigentlich für mich noch sinnvoll?Das war ja dann schon eine Art Insel und ich hätte ja auch nicht irgendwie mitdem Zug oder mit dem Auto über die Autobahn durch DDR-Gebiet fahren können,wäre ich ja sofort in der Gittern gelandet.Und dadurch kam es dazu, dass ich dann meine Pläne revidiert hatte.In Stuttgart hatte ich eine Tante und so kam es, dass ich in Stuttgart studierteund nach dem Studium kamen die zehn Jahre an einem Stuttgarter Max-Planck-Institut.Und das kann ich vielleicht auch schon sagen, ich habe dann als Wissenschaftsastronautin Europa und in Amerika jede Menge Forschungsinstitutionen,Einrichtungen von innen erleben dürfen Und im Rückblick kann ich sagen,so ein Max-Planck-Institut für einen ambitionierten Wissenschaftler,das ist im Grunde auch ein Paradies.Man hat keine Lehrverpflichtung.Das ist mir erst im Nachgang klar geworden, welches Privileg es ist,an so einem Max-Planck-Institut zu forschen.
Tim Pritlove 0:13:53
Zum Beispiel an Strahlenschädigungen von Stickstoff dotierten Eisen nach Neutronenbestrahlungbei 140 Grad Celsius mit Hilfe von Restwiderstandsmessung.
Ulf Merbold 0:14:04
Das ist meine Dissertation.
Tim Pritlove 0:14:06
Da trott man von. Und,Raumfahrt hat aber eigentlich bis zu diesem Zeitpunkt so eigentlich noch garkeine Rolle gespielt, oder? Ich meine, wie war denn so Ihr Verhältnis zu dem Thema?Es ist ja jetzt 70er Jahre, war ja auch noch eine Zeit, wo das immer noch sodie Zukunft in gewisser Hinsicht war, oder? War es schon wieder durch?
Ulf Merbold 0:14:30
Ja gut, also vorausgegangen war natürlich der Wettbewerb zwischen der Sowjetunionund den Vereinigten Staaten.Und ich bin ja nicht naiv, mir war natürlich auch klar, dass die Raumfahrt imGrunde ein Schaufenster auch ist,um der Restwelt eben die Potenz, wissenschaftliche oder finanzielle Potenz,natürlich auch die militärische vor Augen zu führen und das habe ich natürlichmit Interesse verfolgt,dass die Russen dann 1957 den Sputnik in die Umlaufbahn brachten und 61 Juri Gagarin,die er da einmal umrundete.Aber für mich zu diesem Zeitpunkt war klar, das ist eine Spielwiese für dieSupermächte und einer aus Europa.Da braucht er gar nicht dran zu denken, dass er da in irgendeiner Weise malden Fuß in die Tür kriegen könnte.Also ich habe das als Beobachter der Zeitläufe mitgekriegt, aber keinen Gedankendaran verschwendet, dass ich da selber mal involviert werden würde.
Tim Pritlove 0:15:42
Unerhofft kommt oft. Ja, weil dann hat sich ja Europa auch neu aufgestellt inden 70er Jahren und hat sich ja auch berappelt und dann ging es ja los mit derersten Raketenentwicklung.Es lief ja erstmal am Anfang nicht so gut, aber gegen Ende der 70er Jahre mit Gründung dann der ESA,später das Ariane-Programm, die Sachen kamen in Bewegung und man wollte vorallem dann auch einen eigenen Astronautenstamm aufbauen.Das war ja im Prinzip so der Plan.
Ulf Merbold 0:16:14
Ja, ich denke, also für mich war das entscheidende Thema,dass die Europäer, damals hatte die ESA elf Mitgliedsländer und die Bundesrepublik war Mitglied,die haben eine Einladung der NASA bekommen und auch angenommen,einen Beitrag zum sogenannten STS zu liefern. von Space Transportation System.Das ist im Wesentlichen der Shuttle. Und.Das war damals insbesondere die Bundesregierung, so ein paar Ministerialeute,Wolfgang Finke zum Beispiel,die meinten, wenn die Einladung kommt, dann sollten wir nicht versäumen, sie anzunehmen.Und so hat die ESA etwas getrieben durch das Mitgliedsland Deutschland auf diese Einladung reagiert.Und das Ergebnis war, wir leisten einen Beitrag mit dem Spacelab.Das wurde dann in Europa konzipiert, von europäischen Steuerzahlern bezahltund im Wesentlichen in Bremen bei der damaligen Firma Erno gebaut.Und ich wurde eben derjenige, der am ersten Flug des SpaceLips,der war natürlich primär im Testflug, beteiligt wurde.So wurde ich auch der Erste, den die Amerikaner jemals mitgenommen haben.Also erste Nicht-Amerikaner.Aber hinzu kam natürlich, dassdie ESA dann auch dieses Desaster mit der Europa-Rakete auflösen konnte.Da waren dann die Franzosen die Treiber. Es wurde die Ariane entwickelt,die dann über Jahre fehlerlos im Grunde funktionierte.Und so hat Europa dann eben auch Profil gewonnen oder man müsste genauer sagendie ESA als Europäische Weltraumagentur wurde also peu à peu zu einem respektablen Partner.Und vielleicht kann ich gleich mal vorweggreifen, jetzt liefern wir ja für dasOrion genannte Raumschiff den Geräteteil,mit dem wir dann irgendwann zum Mond fliegen wollen und vielleicht später sogar noch weiter.Weiter, damit ist die ESA oder ist Europa zum ersten Mal zu einem unverzichtbaren Partner geworden.Denn ohne diesen Geräteteil ist dieses Orion genannte Raumschiff zu nichts zu gebrauchen.In früheren Jahren mit dem Space Lab oder jetzt auch mit der InternationalenRaumstation, mit diesem Columbus-Modul sind wir beteiligt, aber die Raumstation,die könnte man auch nutzen ohne Columbus-Modul.Und das ist ein qualitativer Schritt.Jetzt sind wir sozusagen mit der NASA auf Augenhöhe angelangt.
Tim Pritlove 0:19:15
Aber jetzt muss ich ja trotzdem nochmal fragen, wie Sie jetzt ausgerechnet auf Sie gekommen sind.Weil ich meine, Astronauten, da werden sich ja einige beworben haben.Ich glaube, in der ersten Suche waren mal so locker 2000 Leute in der engerenoder überhaupt erstmal in der Auswahl.Wie kam denn das Thema bei Ihnen überhaupt auf den Tisch? Also was ist denn passiert?
Ulf Merbold 0:19:34
Ja, in meinem Fall, das war im Grunde...Sie werden es vielleicht gar nicht glauben, ich hatte also zehn Jahre an diesemMax-Planck-Institut mit tiefen Temperaturen Widerstandsmessungen gemacht,um die Wirkungen von Neutronen auf kubisch raumzentrierte Metalle zu untersuchen.Das ist durchaus auch praxisrelevant, denn diese Materialien werden in Reaktorennatürlich gebraucht und eingesetzt.Und da muss man ja verstehen, was unter der Wirkung dieser energiereichen Teilchenmit dem Material passiert.Aber nach zehn Jahren dachte ich, ich habe jetzt Superleitungen kennengelernt,Magnetismus, mechanische Eigenschaften und so weiter.Es wäre für mich vielleicht ein Zugewinn an Lebensqualität. Ich bin ein neugieriger Mensch.Zu dem, was ich jetzt schon sehr gut kannte, noch etwas ganz Neues anzufassen.So bin ich einmal in Stuttgart am Wochenende zum Hauptbahnhof, um die FAZ zu kaufen.Denn damals war es üblich, dass irgendwelche Stellenangebote für akademischausgebildetes Personal in der FAZ erschienen.Und da fand ich eine Anzeige, da hat die damalige DLR, heutige DLR,im Auftrag der Europäischen Weltraumagentur ESA angeboten,experimentell erfahrene Wissenschaftler dürfen sich bewerben mit dem Ziel,auf der ersten Spacelift-Mission die Experimente durchzuführen.Und dann habe ich das meiner Frau gezeigt, das wäre doch eigentlich interessant,da war eben auch eine Liste, welche Wissenschaftsdisziplinen eine Rolle spielen würden, Physiologie,Biologie, Astronomie, Erdbeobachtung, natürlich mein Acker, nämlich die Festkörperphysik.Dann habe ich gedacht, das wäre jetzt mal ein interessantes Programm.Es hat mich immer so ein bisschen irritiert, dass jeder junge Mensch,der heutzutage in der Wissenschaft was reißen will, im Grunde genötigt ist,sich auf einen schmalen Spezialbereich zu fokussieren.Und in der Wissenschaft, da passiert an vielen Stellen eben viel.Und so sagt meine Frau, da kannst du dich ruhig bewerben, Da sind so viele,die werden ganz gewiss nicht gerade auf dich warten.Und dann nahm diese ganze Geschichte eine gewisse Eigendynamik an.Erst hat die Bundesrepublik Deutschland unter den nationalen Bewerbern eine Vorauswahl getroffen.Denn jedes dieser elf Mitgliedsländer der ESA durfte der ESA am Ende fünf vorausgewählteBewerber nominieren. und in der nationalen Vorauswahl waren zum Beispiel auchFura und Messerschmidt.Die wurden an der ESA nominiert, die sind aber in der ESA-Auswahl untergegangenund das Ganze lief ab nach dem K.O.-Prinzip.Die billigen Tests, also zum Beispiel Sprachtests, der kostet nicht viel Geld,die waren am Anfang und nur diejenigen, die noch gut Englisch konnten,die wurden in den nächsten Test eingeladen, die durchgefallen waren,waren weg Und so kamen dann medizinische Teste und nebenbei die psychologischenTests, die eine ganze Woche dauerten.Die haben eigentlich die meisten Opfer gekostet. Da sind die meisten gescheitert.Am Ende waren wir dann noch 20 bei der ESA. Esa, zu diesem Moment hat meineFrau dann zum ersten Mal gesagt, oh Gott, am Ende bleiben die bei dir hängen.Und so kam es dann.Und am Ende hat die Esa gesagt.Drei von uns unter Vertrag genommen, den Schweizer Claude Nicollier,den Holländer Wubo Ockels und mich.Und wir begannen dann gemeinsam das Training für diesen ersten Spacelift-Flug,wobei unsere Aufgabe von Anfang an darin lag,die schon ausgewählten Experimente durchzuführen und dafür zu sorgen,dass aus jedem Experiment eben ausreichende Daten rauskamen.Die durften dann nach vier Jahren Training, hatten sie uns vier Jahre kennengelernt,darüber abstimmen, wem sie ihre Experimente anvertrauen wollten.Und ich habe das Glück gehabt, dass die Mehrheit für mich optierte.
Tim Pritlove 0:24:08
War denn das Englisch für Sie eine Hürde? Weil ich könnte mir vorstellen,Englisch war jetzt nicht auf dem Programm in Greiz an der Schule, oder?
Ulf Merbold 0:24:16
Nein, null. Ich habe an der Schule keine einzige Minute Englischunterricht gehabt.Aber ich hatte ja nun in Stuttgart studiert und dann zehn Jahre an diesem Max-Planck-Institutund am Ende dieser Jahre war ich natürlich noch lange nicht irgendwie richtig fit in Englisch,aber es ist eben heutzutage das,was im Mittelalter Latein war, die Sprache der Wissenschaft auf internationalenTagungen, ist Englisch.Und also das war sicher nicht meine größte Stärke.Ich nehme an, dass die mich gerade noch so durchgelassen haben,aber dann kam ich eben zur ESA und bei der ESA habe ich 26 Jahre zugebrachtund die Lingua Franca bei der ESA ist dann Englisch. Am Ende,glaube ich, habe ich es richtig gut gelernt.
Tim Pritlove 0:25:10
So, und dann waren Sie Astronaut. Dies Space Lab, um die Mission ging es ja jetzt erst mal,ist eine Raumstation, die man dann in den Space Shuttle reingepackt hat,damit hochgefahren hat, aber man konnte ihn sozusagen entsprechend vorbereiten.Ich frage mich immer, Space Lab, also wann ist das ungefähr gestartet,also wann wurde das sozusagen erstmalig angedacht, dass man sowas überhaupt machen wollen würde?
Ulf Merbold 0:25:36
Das ist unmittelbar nach Ende des Apollo-Programms kam die Einladung.Das Apollo-Programm, das ging so 72, 73 zu Ende.Und dann haben die Amerikaner ja entschieden, wir hören jetzt auf mit den Wegwerf-Raketen,mit den Saturn-5-Raketen und entwickeln ein wiederverwendbares System.Und ich kann die Frage jetzt nicht mit einer Zahl beantworten,Aber ich denke mal, so 73, 74 wurden wir dann wie Europäer eingeladen.Dann fiel die Entscheidung in der ESA, wir nehmen sie an, beteiligen uns.Und die Auswahl für uns Wissenschaftsastronauten begann dann 77.78 wurde ich ESA-Stuffmember, also ESA-Angestellter mit meinen genannten zwei Kollegen.Und der erste Flug war dann eben 83, der Flug, an dem ich mitfliegen durfte.Und ich will noch eines hinzufügen.Das BSL ist nicht nur dieses Modul, dieses Fass, sondern es ist ein Baukastenmit verschiedenen Elementen.Dazu gehört das sogenannte Modul, also hier dieses Fass, dann hinten die Paletten,dann dieses Teleskop an der kanadischen Aufhängung.Dornier das sogenannte Instrument Pointing System geliefert.Das war ein Zusatzteil zum Spacelab, das eben in der Lage war,auch wenn der Shuttle langsam sich bewegt, das Teleskop punktgenau auf einen Stern zu orientieren.Das sind alles Teile, die eben zu diesem Spacelab-Baukasten hinzuzählen.Und je nach Mission, es wurden ja insgesamt über 20 Flüge mit dem Spacelab gemacht,wurde es in den Shuttle-Laderaum mal so, mal so eingebaut.Das Modul konnte man auch auf die Hälfte verkürzen.Also das war schon auch ein sehr durchdachtes Zusatzelement für den Shuttle.Es wertete den amerikanischen Shuttle, der ja eigentlich ein Transportsystem ist,dass eben die Transportkosten reduzieren sollten, weil es wiederverwendbar war,im Gegensatz zu den früheren Raketen, auf von einem Transporter zu einem wissenschaftlichen Labor.Allerdings der Nachteil war, das ganze Ding, der Shuttle mit dem Spacelab imLaderaum, konnte nur so lange in der Umlaufbahn verbleiben, wie der Shuttle Energie hatte.Die hat er nämlich in Form von Wasserstoff und Sauerstoff von der Höhe 0,das käblich ja praktisch auf Meereshöhe, in die Umlaufbahn mit hinaufgeschleppt.Diese Elemente, die wurden in Fuel Cells dann fusioniert und entstand Wasserals Abfallprodukt und Elektrizität zum Betrieb aller elektrischen Systeme,des Lebenserhaltungssystems, der Radios,der Lageregelung etc.Und bevor Wasserstoff und Sauerstoff eben verbraucht waren, musste der Shuttleam Boden stehen, sonst wären im wörtlichen Sinn dort oben die Lichter ausgegangen.
Tim Pritlove 0:28:54
Warum ich nach der Jahreszahl gefragthabe, war natürlich, weil ich mich gefragt habe, wer zuerst da war.Das richtige Spacelab oder der Song von Kraftwerk mit demselben Namen?Aber ich sehe, Kraftwerk hat sich sozusagen an der Realität orientiert.Hätte ja auch andersrum sein können, dass Kraftwerk das so singt und dann baut die ESA das nach.
Ulf Merbold 0:29:14
Da müssen wir vielleicht mal das ESA-Management fragen. Also für mich zähltnatürlich das materielle Spacelab und nicht alles andere.
Tim Pritlove 0:29:23
Aber haben Sie Kraftwerk gehört auf dem Spacelab? Nein. Nein.
Ulf Merbold 0:29:29
Wir durften ja damals nur ganz wenig Personal Items, wie es so schön hieß, mitnehmen.Und ich habe mich dann für eine Kassette, Damals gab es die Kassetten,wie man sie früher auch im Auto hatte, mit dem ganz schmalen Bändchen, mit klassischer Musik.Also ich bin ein großer Verehrer von Mozart und Bach und das ist für mein Lebenauch eine Labung, wenn immer ich die Musik höre, das finde ich unwerflich.
Tim Pritlove 0:30:03
Kann ich sehr gut verstehen. Ich denke, der Sprung von Bach zu Kraftwerk istgar nicht so groß, wie man vielleicht vermuten möchte.Beide auf ihre Art absolut definierend.
Ulf Merbold 0:30:14
Der Bach, das kann man ja fast genau sagen,fast auf den Tag genau, heute vor 300 Jahren hat Bach an der Thomaskirche inLeipzig seinen Dienst als Kantor angetreten und das muss man sich auch nochmal vergegenwärtigen.Der ist 65 Jahre alt geworden und was der der Menschheit hinterlassen und geschenkthat, das ist ohne Beispiel. spielen.
Tim Pritlove 0:30:36
Absolut. Tokata und Fuge forever.Okay, kein Kraftwerk im Weltraum. Das nehme ich jetzt mal so hin.Also Sie hätten mir jetzt auch einfach das Gegenteil behaupten können.Das hätte ich jetzt auch einfach geglaubt.
Ulf Merbold 0:30:51
Nein, ich lüge nur, wenn es anders gar nicht geht.
Tim Pritlove 0:30:53
Okay, später dann vielleicht. Gut.Das war also dieses Space Lab, eine Vision, die eigentlich super geklappt hat.22 Mal kam es, glaube ich, zum Einsatz, das ist ja schon mal eine ganze Menge.Da hat das ja mit dieser Wiederverwendbarkeit eigentlich auch funktioniert,während es ja beim Space Shuttle dann auch irgendwann ein Kostenproblem war.Aber dieser erste Flug, 83, als erster Nicht-Amerikaner an Bord,ich glaube, die Crew waren sechs Leute.
Ulf Merbold 0:31:26
Genau, ja.
Tim Pritlove 0:31:30
Nehmen Sie uns doch mal kurz noch mal mit so auf diese Reise.Ich meine, man geht so zum Bahnhof, schlägt die Fatz auf, denkt sich so,Astronaut, das wäre doch mal was für mich.So, dann wird man das und dann steht man dann irgendwann an diesem Raketenstartplatz,und wartet da drauf, dass irgendwie eine riesige Explosion unter einem stattfindet.Was geht einem da durch den Kopf? Also geht einem da überhaupt noch was durch den Kopf?
Ulf Merbold 0:31:59
Naja, ich denke mal, das muss man vielleicht noch ein bisschen ausholen.Wir hatten ja fünf Jahre trainiert.Also ich habe mich mit diesen Experimenten wirklich bis ins feinste Detail auseinandergesetzt,erst mal zu verstehen, was wollen die eigentlich Neues herausfinden.Aber dann, es genügt ja nicht zu wissen, was die machen wollen,was rauskommen soll, sondern man muss dann mit dem Instrumentarium,das einem mitgegeben wird, auch umgehen können.Und insofern haben wir natürlich die Instrumente, die Geräte gelernt und bedientund die Software, die dahinter lief.Und dann fiel eben die Entscheidung, ein Jahr vor dem geplanten Start,dass ich derjenige werden sollte, der nun diese Aufgabe übernimmt.Das Drama des Startes, das begann für mich in dem Moment, wo die uns am Keebin die Quarantäne gesteckt haben.Denn dann, wenn man also Teil der wissenschaftlichen Welt ist,dann ist es ein unglaublich schönes und spannendes Leben, an diesen Diskussionenimmer beteiligt zu werden.Was könnten wir noch machen und wie können wir das noch überprüfen und so weiter.Mit einmal wurden wir praktisch gefangen gesetzt.Und Quarantäne heißt von der Welt isoliert. Wir durften niemandem mehr sprechen.Macht ja auch Sinn. Man möchte natürlich niemanden in die Erdumlaufbahn jubeln,der noch eine verkappte Infektion in sich hat und dort oben dann womöglich Fieber bekommt.Aber jetzt saßen wir da rum und haben uns unglaublich gelangweilt.
Tim Pritlove 0:33:41
Wie lange ist der Zeitraum?
Ulf Merbold 0:33:43
Das sind sieben, acht Tage. Und in diesem Crew Quarters am Cape da unten,da gab es so ein Videoapparat mit einer einzelnen Kassette und es war Casablanca.Ich habe Casablanca in meinem Leben.Jedenfalls.
Tim Pritlove 0:34:02
Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Ulf Merbold 0:34:05
Ja, dann kommt dann am Tor,irgendwann kommt die Stunde der Wahrheit, dann wird man eben geweckt und danngibt es noch ein großes Frühstück, dann werden die Raumanzüge angezogen,die bei diesem ersten Flug,meinem ersten Flug, ganz normale Nomex-Anzüge waren, ohne jede Drucksicherung oder sowas.Wir hatten nur einen Helm mit so einer Gummidichtung ums Kinn rum.Für den Fall, dass es Rauch geben würde, hätten wir einen gewissen Schutz gegen Rauch gehabt.Später wurden nach Challenger Druckanzüge benutzt.Und dann fährt man mit dem Bus.
Tim Pritlove 0:34:48
Sie meinen die Challenger-Explosion?
Ulf Merbold 0:34:50
Challenger-Katastrophe.
Tim Pritlove 0:34:50
Zwei Jahre, glaube ich, nach dem Flug war das.
Ulf Merbold 0:34:53
Dann fährt man mit dem Bus zum Startplatz, Plattform Zürich-Rhein und mit demAufzug geht es dann hoch.Da habe ich zum ersten Mal gedacht, na hoffentlich ist die Resttechnik in einerbesseren Verfassung als dieser Aufzug, der uns da hoch zur Luge brachte.Muss also ich bedenken, da unten ist ja direkt der Ozean und das ist eine korrosiveLuft. Oft das ganze Stahlzeug, was da gebaut ist, das war an Teilen rostig.Aber jedenfalls, dann steigt man in diese Kiste ein.Halb liegend oder liegend auf dem Rücken festgeschnallt. Dann hilft ein Astronaut,der dann am Ende nochmal aussteigen muss natürlich, der Besatzung,dann wird die Luke verschlossen.Und dann war da für uns im Mittag nur so ein kleines Fenster, so wie ein Bullauge.Da konnte ich einen kleinen Sektor des Himmels sehen. Und dann kam da eben blauerHimmel, wurde dann sichtbar.Da kann man sich natürlich fragen, warum sind diejenigen, die beim Einsteigenbehilflich waren, jetzt auf sieben Kilometer Entfernung gegangen?Die Antwort ist ja ziemlich klar. Ich will vielleicht mit Zahlen darauf reagieren.Der Shuttle hat ein Startgewicht mit allem drum und dran über den Daumen 2000Tonnen. und davon sind weit über 90 Prozent gut brennbares Material.Aber mich hat noch mehr als die Sorge, dass da irgendwas schiefgehen könnte.An mir hat genagt die Frage, werde ich am Ende dieser Mission denjenigen,die mir jetzt die Experimente anvertraut haben,ausreichend gute Daten, also gut im Sinne von Qualität und Quantität,zurückbringen können, damit die Frage, die das jeweilige Experiment stellt,eine umfängliche Antwort finden kann.Und wir hatten immerhin 72 Experimente.Das hat mich schon in dieser 2-Stunden-Zeit, das ist die Endphase des Countdowns, schon gequält.Aber wenn dann Dynamik aufkommt, das beginnt ja damit, Man kann das alles mithören,wie da die Stadtvorbereitungen vorangehen, der Countdown voranschreitet.Wenn dann am Ende die Triebwerke hochlaufen, die der Shuttle ja mit Wasserstoffund Sauerstoff betreibt, dann kommt Dynamik auf.Dann dauert es sechs Sekunden, bis die den vollen Schub entwickeln und in derZeit bewegt sich der Shuttle so ein kleines bisschen nach vorne.Der hängt nämlich ein bisschen schräg und wenn jetzt der Schub kommt,dann kommt dann die richtige vertikale Orientierung. In diesen sechs Sekundenmuss ich, ich habe ein großes Problem mit Computern.Ich bin nicht sicher, ob mir Computer Lebenszeit genommen haben oder ob siegeholfen haben, Zeit zu sparen.Das ist also eine für mich nicht beantwortete Frage in meinem Leben.Aber in diesen sechs Sekunden ist es gut, dass wir welche haben,denn jetzt muss man Hunderte von Ingenieurparametern, Drehzahlen,Temperaturen, Öldruck etc. etc. pp.Prüfen, ob sie, wie die Piloten sagen würden, im grünen Bereich liegen und,Ist das so, dann werden die Solid Rocket Boosters gezündet und was dann passiert,das kann man mit Sprache niemand schildern.Dann hat man, also die Dinger sind wie Silvesterknaller, an oder aus,aber man kann sie nicht abschalten.Dann geht die Reise los, so oder so.Und dann hat man 3000 Tonnen Schub unterm Hintern und das sieht von Ferne eigentlichgar nicht so rasant aus, aber in Wahrheit ist das unglaublich.Vertikal nach oben braucht die Kiste mit 2000 Tonnen Startgewicht ungefähr 50Sekunden, bis es Schallgeschwindigkeit erreicht.Und dann geht es eben 40 weiter. Zwei Minuten, zehn Sekunden sind die Solidsausgebrannt, werden weggeworfen.Dann geht die Beschleunigung nochmal runter, weil ja der Schub aus dem SolidRocket Bus, das plötzlich nicht mehr da ist.Und dann, sagen die amerikanischen Kollegen,ist der weitere Aufstieg electrostatic, weil die Flüssigkeitstriebwerke,die sind ganz anders als die Solids, die sind nämlich hohl und brennen nichtetwa von unten nach oben, sondern radial.Das ist im Grunde wie so eine Bierflasche, wenn ich hier drüber blase.
Tim Pritlove 0:39:44
Von innen nach außen.
Ulf Merbold 0:39:45
Dann hört man eine akustische Oszillation.Im Falle der Solid Rocket Boosters liegt die unterhalb der Hörbarkeit,aber die ist trotzdem 6 Hertz gigantisch und schüttelt das ganze Ding durcheinander.Und wenn die dann weg sind, dann wird es sehr viel komfortabler.Vielleicht kann ich es auch gleich sagen, deswegen ist die russische Soyuz-Rakete,die ja nur Flüssigtriebwerke hat, im Grunde angenehmer als so ein Shuttle.Abgesehen davon, dass so eine Soyuz-Kapsel unheimlich eng ist.Aber die Triebwerke, die sind nicht so vibrationsmächtig wie die Solid Rocket Boosters.
Tim Pritlove 0:40:29
Verstehe.
Ulf Merbold 0:40:31
Dauert es acht Minuten, 30 Sekunden, bis man die Umlaufbahn erreicht hat.Das ist natürlich ein Ritt. Da kann ich jedem, der hier sitzt,eigentlich nur wünschen, wenn er das wünscht, dass ihm das Glück wieder fährt,da mal mitmachen zu dürfen.Das ist nicht möglich, so etwas mit Sprache zu schildern. Das ist ja auch anders als im Auto.Also ich wohne jetzt in Stuttgart und dort werden Autos gebaut,Also nicht die schlechten, aber die beschleunigen von 0 auf 100 immer besser als von 100 auf 200.Aber jeder Raketenstart ist genau umgedreht. In dem Maße, wie das Ding leichterwird, wie die Tanks sich leeren, nimmt die Beschleunigung ständig zu.Man wird mit immer mehr Druck in den Sitz gedrückt und denkt, das gibt es gar nicht.Also das ist so eine sinnliche Erfahrung, kann ich nur sagen.
Tim Pritlove 0:41:22
Wie lange nimmt der Druck zu? Also es ist ja immer so ein Wettlauf,auf der einen Seite wird man immer leichter, deswegen schneller,Atmosphäre hat weniger entgegenzusetzen.
Ulf Merbold 0:41:33
Der Druck nimmt stetig zu, bis man, da muss ich einen technischen Einschub machen.Heutzutage sind die modernen Raketen, die russischen, aber auch der Shuttlezum Beispiel, so dass sie...Die Triebwerke am Ende auch drosseln können. Also die laufen mit voller Schubkraft,bis man mit 3G, das heißt, bis man mit dem Dreifachen seines Gewichtes in den Sitz gedrückt wird.Und dann wird der Schub dieser Triebwerke so gedrosselt, peu à peu,kontinuierlich, dass man bei 3G bleibt.Und dann kommt der Moment, der im NASA-Jargon MECO genannt wird.Das ist die Abkürzung für Main Engine Cut-Off.Und in dem Moment wird der Schub aller Triebwerke schlagartig abgeschaltet unddann hängt man plötzlich in der Schwerelosigkeit.Und ich will noch eine technische Zusatzinformation liefern.In den früheren Jahren, in den Pionierjahren, waren auch die Flüssigkeitstriebwerke an oder aus.Das bedeutete, dass die am Ende zum Beispiel im G-Mini-Programm kurz vor Brennschlussmit 5G-Beschleunigung drin saßen.Dann musste man aber die ganze Struktur des Raumschiffes, aber auch der Raketeso auslegen, dass sie 5G plus Reserve standhält.Und in dem Moment, wo man diese regelbaren Triebwerke zur Verfügung hatte,konnte man die Strukturen leichter machen und das, was man am Strukturgewichteinspart, kann man dem Kunden natürlich verkaufen.Dann kann so ein Ding durch die Regelbarkeitmehr Masse in die Umlaufbahn mitbringen und das bedeutet Kohle.Und insofern ist das erstens mal finanziell günstig, die Regelbarkeit und fürdie Besatzungen angenehmer.
Tim Pritlove 0:43:37
Verstehe, okay, aber 3G ist schon ein Brett, also was?
Ulf Merbold 0:43:43
3G, da können Sie Skat spielen, das ist überhaupt kein Problem.
Tim Pritlove 0:43:46
Haben Sie Skat gespielt?
Ulf Merbold 0:43:48
Nein, natürlich nicht, aber ich kann Ihnen sagen,ich war ja dann auch noch bei den Russen, habe ja das Glück gehabt,auch noch mit den Russen zur Mir zu fliegen Und die Russen, die fliegen zu miroder heutzutage zur ISS mit der Soyuz-Kapsel und kehren mit der Soyuz auch zurück.Bei der Soyuz beim Wiedereintritt oder auch wenn irgendwas beim Start in dieHose gehen sollte, kann man einen ballistischen Wiedereintritt machen.Dann hat man für, jetzt muss ich irgendeine Zahl sagen, für zwei Minuten 8G.Und die Russen, die wollten von jedem von uns den Nachweis, ist,dass wir die 8G-Belastung durchstehen, ohne dass es uns schwarz vor Augen wird.Und das kann ich Ihnen sagen, wir mussten alle auf eine Zentrifuge und die wurde,immer mehr hochgefahren, bis eben die 8G-Anlagen und dann zwei Minuten 8G durchstehen,da kann ich Ihnen nur sagen, da geht die Uhr viel zu langsam.Das ist ein, sagen wir mal, einer, der ein Tornado fliegt, der sagt,ich habe 8G gezogen. Ja, das macht ja fünf Sekunden. Einmal zack, da rum.Aber fünf Sekunden ist eine völlig andere Situation als zwei Minuten.
Tim Pritlove 0:45:16
Ja. Also was macht das mit dem Körper?Ist das dann Schmerz oder ist das Unwohlsein oder ist das Atemnot?Also was ist das eigentliche Problem in dem Moment?
Ulf Merbold 0:45:29
Das eigentliche Problem ist, dass das Blut durch die hohe Beschleunigung nachaußen beschleunigt wird,so wie in der Zentrifuge, die in der Molkerei die Sahne von der Molke trenntund dass dann das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wirdund dass es einem schwarz vor Augen wird und man wird besinnungslos.
Tim Pritlove 0:45:50
Und inwiefern ist die körperliche Fitness oder ist es eine körperliche Eigenschaft?Inwiefern kann der Körper das verhindern? Ich meine, wenn man da so zu Buttergeschlagen wird, was soll man denn da machen?
Ulf Merbold 0:46:01
Verhindern kann man es eben, das können Ihnen die Jagdflieger der Luftwaffeauch genau erzählen, indem man also alle Muskeln anspannt.Rein, die Lunge voll und dann alle Muskeln anspannen, so ähnlich wie auf dem Klo vielleicht.Also die Beinmuskulatur, die Bauchmuskulatur, um zu verhindern,dass in die weichen Bauchorgane das Blut da geschleudert wird.Reingedrückt wird. Reingedrückt wird. Sondern man muss dafür sorgen,dass ausreichend Blut ins Gehirn gelangt und damit eben auch ausreichend Sauerstoffan die grauen Zellen kommt.Und da gibt es eben diese Manöver, die Luftwaffenflieger, die haben Antigerosen,durften wir aber nicht anziehen, weil wir waren auch immer medizinische Versuchstiere.Man wollte ja gerade auch beobachten, wie reagiert der Organismus und die werdendann durch Luftdruck einfach aufgepumpt,sodass von außen ein Gegendruck gegen diese Beschleunigungswirkung aufgebaut wird.Das hilft natürlich ein bisschen, also an den Beinen, am Bauch hier gibt esdiese Anti-G-Hosen, die die Jagdflieger alle anhaben.
Tim Pritlove 0:47:23
Es ist interessant, was Sie so beschreiben. Es erinnert mich ein bisschen anmeine Spontanreaktion, wenn ich im Flugzeug in so ein Luftloch lande und mirdann irgendwie auf einmal schlecht fühle, dass ich dann auch eigentlich allesanspanne. Aber vielleicht ist es nicht wirklich das Gleiche.Aber bedeutet das Zentrifuge, dass man im Prinzip zwei Minuten lang wie einBlöder alle Muskeln anspannen muss, um sich dem entgegenzustellen?
Ulf Merbold 0:47:46
Ja, man muss also, das ist sehr unästhetisch, wenn ich Ihnen das vormache.Man muss da so Luft holen.So kann man das überleben.
Tim Pritlove 0:47:58
Immer wieder irgendwann. Toller Job, den Sie sich da ausgesucht haben.
Ulf Merbold 0:48:02
Naja, gut. Stand in der Fatz. Alles hat seinen Preis.
Tim Pritlove 0:48:08
Das stimmt.
Ulf Merbold 0:48:09
Sie können hier bleiben, aber dann kommen Sie halt nicht in die Erde umlaufen.
Tim Pritlove 0:48:14
Das stimmt. Das stimmt. Alles hat seine Vor- und Nachteile.Genau, aber da haben sie es ja dann hingeschafft, super und zu sechst ist jaganz schön was los da auf dem Spacelab,die Mission war dann zwölf Tage oder wie?
Ulf Merbold 0:48:35
Zehn Tage.
Tim Pritlove 0:48:36
Zehn Tage und man ist ja jetzt im Prinzip, man ist ja komplett durchgetaktet. Was waren das?72 wissenschaftliche Experimente, die jetzt von allen sechs betreut werden müssenoder war das nur Ihr Programm?
Ulf Merbold 0:48:49
Nein, wir haben halt so auf diesem ersten Spacelift-Flug als Erste im Schichtbetrieb gearbeitet.Wir waren zu sechst, drei waren im Dienst, die anderen drei waren im Shuttle-Mitteck,respektive im Cockpit einer und haben sich erholt.Und dann gab es einen Schichtwechsel und so ging die Mission also.Die Experimente liefen rund um die Uhr, zum ersten Mal.
Tim Pritlove 0:49:15
Was heißt das für den Schlaf? Also schläft man dann so Etappenhäschen-mäßigoder ist das so eine simulierte Tag-Nacht-Geschichte?
Ulf Merbold 0:49:24
Nein, also ein Umlauf 90 Minuten oder 89 Minuten, dann geht die Sonne 16-fach schneller runter.Danach kann man sich nicht richten. Dann ist Nacht, führt 25 Minuten,dann geht die Sonne wieder auf, dann ist wieder Tag. nach diesem Taktgeber könnensie ja nicht arbeiten. Es geht nach der Uhr.Und die eine Schicht, das sind die Glücklichen, die arbeiten synchron zur Zeit in Houston.Und die anderen, das war immer ich, die sind die Gekniffenen.Die arbeiten also dann, wenn in Houston eigentlich Nacht ist.Das heißt, wir mussten unseren Rhythmus umstellen. Wir waren ja vor dem Start an amerikanische ...
Tim Pritlove 0:50:05
Ach so, verstehe. Ja, dran gewöhnt.
Ulf Merbold 0:50:08
Tag-Nacht-Rhythmus gewöhnt. Und ja gut, also geschlafen haben wir in Kojen derShuttle, also der Orbiter.Das ist der Teil des Shuttles, der so aussieht wie ein Flugzeug.Und das ist der einzige Teil, der am Ende aus dem Weltraum auch zurückkommtund landet wie ein Flugzeug.Rechts im Mittag an der Wand waren drei Kojen. Da hat man die Beine in Flugrichtunggehabt, die hatten auch so Schiebetürchen.Die mittlere Koje war natürlich die beste, weil durch die Wölbung des Shuttlesdie geräumigste die mittlere war. Und die drüber und drunter waren kleiner und ich hatte die untere.Aber in Schwerelosigkeit braucht man keine Matratze, wenn man schon kein Gewichthat. Es genügt ein Blech.Und ich habe mit dem John Young, der die mittlere Koje hatte,das war unser Kommandant, im Sandwich-Prinzip auf demselben Blech geschlafen.Also der von oben, ich von unten.Schwerelosigkeit geht das ja. Und jeder hat einen eigenen Schlafsack.Aber die Koje, die wurde also mit dem Schichtwechsel dann dem anderen auch übergeben.Der hat dann seinen Schlafsack mit so Druckknöpfen.
Tim Pritlove 0:51:26
Wozu brauchst du denn das Blech dann noch, also abgesehen von der Trennung,aber ist das dann beheizt? Nein.
Ulf Merbold 0:51:34
Also die Klimaanlage, die kann man einstellen.
Tim Pritlove 0:51:37
Aber braucht man den Kontakt zu etwas, während man in Schwerelosigkeit in einem Schlafsack schläft?
Ulf Merbold 0:51:42
Ja, das ist schon gewöhnungsbedürftig. Sie müssen sich mal alle vorstellen,Sie stellen Ihr Bett in einen Aufzug, in einem, nehmen wir mal den BerlinerFernsehturm ganz oben, und dann legen Sie sich da rein.Ich warte, bis Sie eingeschlafen sind, dann kappe ich das Kabel und solangewie das Ding nach unten rauscht, sind Sie schwerelos im Bett.Also es ist genau dieselbe Situation im Weltraum.
Tim Pritlove 0:52:09
Ja gut, aber so für ein paar Sekunden,weiß ich nicht, ob man da so einen Schlaf so gut nachfühlen kann.Also ich hatte ja mal die Gelegenheit, einen Parabelflug mitzumachen,von daher so ein bisschen Schwerelosigkeit hatte ich dann auch schon mal,aber ich war natürlich viel zu aufgeregt, um die Zeit zum Schlafen zu nutzen.Deswegen habe ich mich immer gefragt, wie das so ist.Schlief man da ganz normal?
Ulf Merbold 0:52:30
Also ich habe die erste Nacht meines Lebens in Schwerelosigkeit.Ich war vollgeklebt mit Elektroden. Das waren eben auch medizinische Experimente,die genau danach gefragt haben, wie schläft man jetzt.Da habe ich einen übergroßen Schlafanteil mit REM-Phasen gehabt, Rapid Eye Movement.Das ist so die Transformation vom Wachzustand zum Tiefschlaf.Und die Olga Gwans, das ist die Wissenschaftlerin aus Belgien,die gerade dieses Experiment gemacht hat, Die hat das dann so interpretiert,dass das Gehirn sehr aktiv auf diese veränderte Lebenssituation reagiert und sich darauf einstellt.Und das äußert sich daran, dass man eben viel mehr REM-Phasen hat als sonst.Aber später dann wahrscheinlich auch, weil wir dann eben ausreichend müde allewaren, habe ich in Schwerelosigkeit eigentlich gut geschlafen.Ich komme gleich noch darauf zurück.Und interessanterweise bei den späteren zwei Flügen, die ich ja dann auch noch machen durfte,hat das Gehirn offensichtlich zack auf Weltraum umgeschaltet und da habe ichvon Anfang an kein Problem gehabt, gleich gut zu schlafen. Nur beim allerersten Mal.Aber ich will noch hinzufügen, bei diesem ersten Shuttle-Flug,Ich wusste ja auch nicht, ob ich jemals noch einen weiteren kriegen würde.Habe ich meine Schlafzeit auf das Existenzminimum reduziert?Eigentlich sollte jeder von uns acht Stunden schlafen.In meinem Fall war das vielleicht fünf Stunden.Und die restlichen drei Stunden bin ich im Shuttle-Cockpit gewesen,um aus den Fenstern zu gucken.Denn die Gelegenheit, die darf man natürlich nicht versäumen.
Tim Pritlove 0:54:29
Ja, kann ich mir vorstellen. Das ist natürlich jetzt so die klassische Frage,die ich jetzt eigentlich stellen muss, was Ihnen da so durch den Kopf gegangenist, aber bevor wir das machen, würde mich ja nochmal interessieren, in was für einem,also man stellt sich das immer so vor, Schwerelosigkeit,die Unendlichkeit des Alls, totale Silence,aber dem ist ja nicht so. Ich meine, man fliegt ja die ganze Zeit in so einer Maschine.Wie ist denn so die Geräuschbelastung in der Situation, gerade auch wenn manversucht einzuschlafen, also nicht gerade mit irgendwelchem technischen Geräthantiert und wie riecht es da?
Ulf Merbold 0:55:07
Erstmal die Lärmsituation. Also das ist eigentlich, ja ich meine,das ist nicht wirklich ruhig, aber es ist auch nicht wirklich nervig laut.Insbesondere im Space Lab, da haben die Europäer ein Lebenserhaltungssystemzustande gebracht, das diese Arbeit in diesem Modul richtig komfortabel werden ließ.Das war sehr angenehm, hat Dornier grandios gebaut, wie so eine Chefsetage.Es war da nicht irgendwie laut im Shuttle-Mitteck, schon ein bisschen lauter,aber immer noch erträglich.Dagegen die russische Raumstation, die war deutlich lauter.Also ich war ja nun auch 32 Tage mit den Russen auf der Mir.Da ist nicht derselbe Komfort. vor. Auf jeden Fall die Frage, stinkt es da oben?
Tim Pritlove 0:56:01
Habe ich nicht gesagt, ich habe nur gefragt, wie es riecht.
Ulf Merbold 0:56:03
Na gut, wie riecht es? Ich kann eigentlich nicht sagen, dass es richtig unangenehm gewesen wäre.Die Russen, also da, wenn ich den Russen ein Kompliment mache,die haben eine relativ rustikale Verpflegung uns mitgegeben.Die hatten so Dosen, da war dann meinetwegen auf dem Etikett Rindfleisch mit Kraut oder mit Gemüse,die hat man in so einem Schlitz gewärmt und dann mit dem Dosenöffner aufgeschnitten.Und wenn da jetzt Kraut drin war, haben wir die Dose aufgemacht,dann roch es natürlich auch noch Kraut.Aber das Lebenserhaltungssystem, das hat das eigentlich mit Kohlefiltern,mit Aktivkohlefiltern relativ schnell wieder absorbiert.Ich könnte nicht sagen, dass das richtig unangenehm gewesen wäre.Trotzdem ist natürlich eines auch klar, um Ihre Bemerkung aufzugreifen.Die Welt, in der man dort oben lebt, ist eine völlige Kunstwelt.Das ist also eine Blechkiste, die mit viel Technik die Bedingungen erschafftund aufrechterhält, die der Mensch in seiner Physis haben muss,damit er überleben kann.Und es muss auch jedem klar sein, der sowas macht, dass er sich physisch davonabhängig macht, dass die komplizierte Technik um ihn herum funktionieren muss.Und natürlich ist das wahrscheinlich auf dem U-Boot ähnlich. Auf jeden Fall...Kann ich nur sagen, unterm Strich gesehen, auf die Dauer, ist die Lebensqualitäthier in Nieden um Klassen besser als in so einer Kiste dort oben im Weltraum.Sie können ja nicht einmal ein Fenster öffnen, um frische Luft herunterzulassen.Und von blühenden Wiesen und blühenden Bäumen und spielenden Kindern,von Blasmusik und Biergärten, da darf man gar nicht drüber nachdenken.Da ist also alles andere möglich, aber sowas gibt es da nicht.Und insofern kann ich auch sagen, alle die davon reden, wenn wir hier dieseErde eines Tages vielleicht geschädigt haben,es ist keine gute Idee daran zu denken, woanders hinzugehen.Also hier ist die Lebensqualität durch nichts, aber auch gar nichts zu toppen.
Tim Pritlove 0:58:36
Ja, ich glaube, das ist auch eine Illusion. Wir sind ja letzten Endes Teil davon.Aber ich habe, also gut, es gibt keinen Biergarten im Weltall,das lese ich jetzt mal so raus.Aber der Ausblick ist ganz gut, oder? Also was macht denn das so mit einem,wenn man da so im All von oben guckt und sich das so anschaut, das Geschehen?
Ulf Merbold 0:59:01
Also das, was mich als erstes wirklich, wirklich erschlagen hat.Das kann ich auch mit Sprachen nur bedingt jemand schildern.Das war, als ich das erste Mal die Zeit fand, an ein Fenster zu gehen, rauszugucken.Dann sah ich den Horizont als gekrümmte Linie.Darüber den Himmel rabendschwarz. Das All ist eben leer, wenn man mal von denpaar Sternchen absieht. und von dort, wo nichts ist, kommt auch nichts.Das ist das finsterste Schwarz, das man sich nur denken kann.Und die Sonne leuchtet dann aus einem rabenschwarzen Himmel heraus.Das ist der extremste Kontrast, den ich in meinem Leben bis jetzt zu Gesicht bekam.Und dann kommt noch hinzu, der Horizont der Erdkugel ist gesäumt von einer königsblauen,hinreichend schönen Schicht.Und ich war als Student der Physik schon vor dem Vordiplom in der Lage,auszurechnen, sollte ich vielleicht nochmal zurückgehen.Wo es blau ist, ist Luft. Das muss man mal wissen.Und ich war schon vor dem Vorderblumen in der Lage auszurechnen,dass 50 Prozent der uns umgebenden, mit Sauerstoff versorgenden Luft in 5,5 Kilometer Höhe liegt.Aber im Kopf war ich irgendwie nicht kreativ genug,diese Zahl 5,5 Kilometer mal zu visualisieren in Bezug auf die Größe der Erde.Und deswegen sage ich auch, es ist ein großer Unterschied, ob man jetzt zumBeispiel bemannt zum Mars fliegt oder mit Robotern.Erst wenn man mit eigenen Sinnen die wirkliche Realität sieht,also Zahlen sind Zahlen, aber begreifen kann man es erst, wenn man es mit allenSinnen wahrgenommen hat.Wie dünn diese irdische Atmosphäre ist.Und dann denkt man natürlich sehr viel öfter und gründlicher darüber nach,dass wir doch vielleicht ein bisschen sorgfältiger damit umgehen sollten,denn die brauchen wir für die Sauerstoffversorgung.Und nebenbei ist die irdische Atmosphäre auch der Schutz, der uns das UV-Licht,das Röntgenlicht, die ionisierenden Elementarteilchen vom Leibe hält,die ja vom All von den Sternen auch zu uns herkommen.Und das ist also ein Moment, den wohl keiner in seinem Leben wieder vergisst,zum ersten Mal da rausgucken und das zu sehen.Also das war für mich nachwirkend.Im extremsten Maße und natürlich dann rausgucken führt dann auch dazu,dass eben nach spätestens 40 Minuten die Sonne untergeht und dann ist man aufder Nachtseite der Erdumlaufbahn und hat dann diesen grandiosen Sternenhimmel über sich.Wir haben ja hier schon drüber geredet, dass in diesem Planetarium die Sternezum Funkeln gebracht werden, durch eine Hochtechnologie Projektion.Wenn sie die aber von der Raumstation, vom Shuttle, von der ISS aussehen,dann funkeln sie nicht Weil man sich ja nicht mehr durch die irdische Luft hindurch sieht,sondern ohne Luft dazwischen Und das ist dann, also ich muss eigentlich sagen,das Funkeln finde ich eigentlich poetisch Aber der Sternenhimmel ist natürlichauch grandios Aber genauso faszinierend ist dann auch,aus der Umlaufbahn, gerade auf der Nachtseite der Umlaufbahn,nach unten zur Erde zurückzuschauen.Dann sieht man nämlich die Küstenlinien durch die hunderte von Fischerdörfern,durch künstliche Lichtquellen bestens markiert.Und die Millionenstädte, diesind auf der Nachtseite sehr viel leichter zu finden als auf der Tagseite,weil da eben jede Menge Beleuchtung sie darstellt und das ist also auch grandios.Also gerade Italien zum Beispiel, das ist auf der Nachtseite bestens sichtbar.
Tim Pritlove 1:03:39
Waren Sie der einzige Astronaut auf dem Flug, der den ersten Flug gemacht hat?
Ulf Merbold 1:03:47
Nein, auf dieser ersten Spacelift-Mission waren zwei, die vorher im Weltraum waren.Einer der Wissenschaftsastronauten vom Johnson Space Center,der schon einmal geflogen war, war Owen Garriott.Der war mit dem Skylab, das ist ein Projekt am Ende des Apollo-Programms schonmal, als Wissenschaftsastronaut in der Umlaufbahn und der,berühmteste und für mich auch einer der hellsten Sterne am Astronautenhimmel,der dabei war, war der John Young.Der war auf diesem Flug zum sechsten Mal unterwegs.Der war Mercury geflogen, Gemini geflogen und dann.Zweimal zum Mond. Es gibt nur unter den amerikanischen Astronauten,die zum Mond flogen, überhaupt zwei, die zweimal zum Mond geschickt wurden.Einer davon war der John bei Apollo 10. Das war der Flug, der der Landung vorausging.Und dann war er Kommandant von Apollo 16.Dann machte er mit dem Bob Crippen den ersten Shuttle-Flug.Also als das Ding zum ersten Mal SDS-1 in die Umlaufbahn gelangte, war John Kommandant.Und dann war er nun auch noch der Unglücksrabe, der mit dem ersten Nicht-Amerikaner,nämlich mit mir, fliegen musste.
Tim Pritlove 1:05:17
War das so schlimm?
Ulf Merbold 1:05:18
Ja, das war schlimm. Wieso? Auf jeden Fall...Für mich eine große Beruhigung, mit einem solchen übermäßig erfahrenen Kommandanten fliegen zu dürfen.Und wir haben ja am Ende des Fluges auch einige Probleme gehabt,ernste Probleme mit dem Shuttle.Aber der John Young, der wusste, also es gibt für jedes Problem und Problemchenin den Prozeduren ein Rezeptbuch, Wie man die Dinge identifiziert und darauf reagiert.Das ist also äußerst hilfreich, aber nur so lange, wie immer nur ein Problem auftaucht.Wenn dann mehrere gleichzeitig kommen, dann kommt es darauf an,dass einer dabei ist, der genau weiß, das ist wichtig und das ist unwichtig.Und da war ich sehr froh und glücklich, dass wir den John Young hatten,weil der war auf dem Mond gelandet.Das waren auch Dinge, vielleicht sollte ich über den mal erzählen, also anfänglich.Wir waren schon im Training an den Experimenten Jahre beschäftigt,bis dann die Besatzung nominiert wurde, die den Shuttle pilotieren sollte.Das wurde der John Young mit dem Brewster Shaw. Der Brewster war auch einer,der aus der Jagdfliegerei in die Raumfahrt gelangt war und flog jetzt zum ersten Mal.Und nun muss ich Ihnen berichten.Die Brüder, die in Houston saßen, die waren nicht alle so glücklich,dass da plötzlich welche aus Europa da waren und darauf warteten, mitgenommen zu werden.In Houston gab es nämlich einige Wissenschaftler, die waren am Ende des Apollo-Programmsrekrutiert worden und warteten nun schon zehn Jahre darauf, dass sie drankamen.Und bei denen war da keine Euphorie, dass wir da plötzlich da standen und sagten,wo ist euer Shuttle, wir fliegen jetzt.Ich habe da von denen auch mehrere überholt, kam schneller zum Zuge als dreioder vier von diesen alten Hirschen.Auf jeden Fall der John, der damals Chef des Astronauten-Office war,der hat mir anfänglich nicht die Hand gegeben.Für den waren wir Aliens, die in die geheiligten Jagdgründe der amerikanischenbemannten Raumfahrt Einlass verlangten.Und deswegen zwei andere, nämlich den schon genannten Owen Gerget und meinenunmittelbaren Partner Bob Parker,die habe ich immer beneidet, die kamen mit zwei T-38 in Amerika immer zum Trainingirgendwo hin. Was ist ein T-38?Das ist ein wunderschönes Trainingsflugzeug, Jetflugzeug mit zwei hintereinander liegenden Sitzen.Und die kamen dann meinetwegen nach Boston ans MIT, wenn wir da die nächstenTage dort trainieren sollten.Und dann ging es meinetwegen weiter irgendwo anders hin und dann sind die immermit leeren Sitzen geflogen. Und ich habe da anfänglich gedacht,so blöd, ich würde dazu gerne mit einsteigen, mit so einem schnittigen Jet da.Die durften aber keine Nicht-NASA-Astronauten mitnehmen.Und insofern habe ich mich dann irgendwann gewaltig gewundert,dass auf meinem Trainingsplan plötzlich drauf stand T-38.Da habe ich gedacht, da hat einer einen Fehler gemacht. Aber ich habe gedacht,bloß keine dummen Fragen stellen.Ich bin in Houston zur Edwards Air Force Base, habe den Trainingsplan gezeigt,habe gesagt, hier steht bei mir auf dem Trainingsplan, jetzt brauche ich einenHelm, eine Sauerstoffmaske, Fallschirm.Wurde mir das ausgehändigt und dann stand ich nun da rum und dachte,jetzt bin ich ja mal gespannt, was passiert. Dann kam da einer angewackelt,von der Ferne habe ich gedacht, das kann nicht stimmen, der läuft wie der John Young.Und tatsächlich war es der John Young, aber da hat der sich Zeit genommen,mit mir da fliegen zu gehen.
Tim Pritlove 1:09:37
Gab es da eine Sondergenehmigung dann auf einmal?
Ulf Merbold 1:09:40
Der hat jetzt verlangt, bevor ich mit dem in den Shuttle steige,muss ich mit dem T-38 fliegen.Das war seine Forderung und so kam ich zu dieser Ehre, nicht nur T-38 zu fliegen,sondern mit dem Zhonyang zu fliegen.Und dann starteten wir in Edwards, raus übers Meer, also nach Süden,ist ja dann der Golf von Mexiko und dann fing der John an, halt Loopings, Rollen und so weiter.Dann bin ich der Luftwaffe im Nachgang noch sehr dankbar, dass ich eben auchmehrfach da mitfliegen durfte, Starfighter, später dann den Alpha Jet und insofern,der hat mich da nicht aus dem Gleichgewicht gemacht.Ich habe dann vielleicht nach einer halben Stunde gesagt, John,wir haben ja da auch, wie wir beide jetzt, so Kopfhörer, konnten miteinander reden.Could I also have some stick time? Also die Hand am Steuerknüppel.Dann hat er schon die Hände hoch, da saß er vorne, hochgehalten,konnte ich von hinten sehen, dann habe ich gesagt, you got it.Und dann habe ich Gehs gezogen, die Kiste, die hat nur so um den Looping rum geschüttelt und,Man sieht das, das Flugzeug hat eine ganz kleine Spannweite.Und die Rollachse, das fliegt eine 360-Grad-Rolle schneller als eine Sekunde.Wenn Sie das quer runter ein bisschen einschlagen, zack, ist das rum.Na ja, gut, und dann sind wir zur Landung zurückgeflogen, nach Edwards.Und dann habe ich mich artig bedankt übers Internet, Intercom.Das war großer Spaß. Und dann hat er gesagt, well, you enjoyed it. Ja, very much so.Obwohl die Spritwarnung schon rot war, hat er schon das Gas nochmal reingeschoben,haben wir noch eine enge Platzrunde gedreht, dann sind wir gelandet.Und von dem Moment an hatte ich gewonnen.Dann war ich bei ihm akzeptiert und ich bin am Ende ein richtig guter Freund von ihm geworden.Und umgedreht auch. Wir haben uns privat viel gesehen und leider ist er verstorben.Aber das war diese John-Young-Erfahrung und im Weltraum dann hatte ich das Glück,mit ihm auf derselben Schicht arbeiten zu dürfen und da hat er dann Geschichten erzählt,die in keiner NASA-Publikation drin sind, was auf dem Mond passiert ist.Jetzt muss man sich mal vorstellen, wir sitzen mit dem am Abend,also einen Tisch gibt es ja nicht beim Abendessen.Der John war sich nicht zu fein für uns Wissenschaftler, die Mahlzeiten zuzubereiten.Wenn wir dann aus dem Space Lab ins Mitte kamen, dann war das ein Weg,etwas von der Hektik zur Ruhe zu kommen.Dann hat der John erzählt, wie er den lunaren Geschwindigkeitsrekord mit demMondauto aufgestellt hat und was da sonst noch alles passiert ist.Das muss man sich mal vorstellen.Man sitzt mit einem, der auf dem Mond war, in so einer Kiste und während desAbendessens fliegt man einmal selber um die Erde rum.
Tim Pritlove 1:12:51
Wow. Okay, also sie sind auf jeden Fall ordentlich durchgetestet worden,ob sie auch ein richtiger Cowboy sein können.
Ulf Merbold 1:12:58
Das ist der Johnny hier.
Tim Pritlove 1:13:01
Meine Frage, ob da noch andere dabei waren, die das erste Mal geflogen sind,ging ja mehr so in Richtung mit,gibt es da, also sie haben ja dieses persönliche Erlebnis geschildert mit,oh Gott, jetzt hier Erde und die Atmosphäre und es ist ja alles ganz unglaublich.Das teilt man ja dann sicherlich dann auch unter den ganzen als einen anderenNovizen in gewisser Hinsicht.War das so eine kollektive Wahrnehmung? Also war das bei allen gleich?Oder hat dann jeder irgendwie seine eigene Wahrnehmung?
Ulf Merbold 1:13:36
Nein, also man ist in der Situation eigentlich sprachlos.Man redet eigentlich erst hinterher, Wochen hinterher dann drüber.Also man sitzt da am Fenster oder hockt davor vor und guckt da raus und da kommtso viel Aufheiden zu, dass man eigentlich gar keine,Energie mehr hat, darüber noch zu labern, sondern das ist,ja, ich weiß nicht, wie man das formulieren soll. Hinterher redet man dann drüber.
Tim Pritlove 1:14:11
Schauen wir dann nochmal kurz auf die andere Mission, weil das war jetzt dieamerikanische Seite und Und jetzt reden wir ja noch von der Zeit,wo es mit den Russen eine enge Kooperation gab, beziehungsweise die dann aucherst begann, wenn ich das richtig sehe.1994 war dann ihre zweite Mission, die Euromir.Also auch hier wieder so eine Kooperation, in dem Fall halt Europa und die russische Raumfahrt.War das wie hat sich das so abgezeichnet und wie kam es, dass sie dann da dabei waren?
Ulf Merbold 1:14:50
Es hat sich dann abgezeichnet, es gab ja eine Zeit der Annäherung, Friedensdividende,das waren ja solche Begriffe, die in dieser Zeit dann sich so langsam entwickelten.Es war ja auch eigentlich im Nachgang alles in meinen Augen gut überlegt.Die Russen, die sind unsere Nachbarn, die sind da, ob sie uns gefallen oder nicht.Und infolgedessen für mich war persönlich natürlich die russische Raumfahrtdeswegen auch so spannend, weil der Shuttle ja nicht auf Dauer in der Umlaufbahn verbleiben konnte.Wir haben ja schon darüber geredet, bevor die Energie erschöpft war, musste er am Boden sein.Die Russen aber, als ich dann nach Russland kam, die hatten die Mir schon fastzehn Jahre permanent bemannt in der Umlaufbahn betrieben.Das heißt, die mussten die Wartungsarbeiten während des Fliegens machen,nicht am Boden, die Nachbesserungen, aber eben auch die ganze Versorgungslogistik.Das ist ja unglaublich spannend.Wenn Sie dort oben in so einer Kunstwelt Menschen haben, dann müssen Sie in der Lage sein,die mit Wasser, mit Lebensmitteln, mit Unterwäsche, mit Ersatzteilen,mit Treibstoff, mit Chemikalien, die der Atemluft des Kohlendioxid entziehen,zuverlässig versorgen.Die Amerikaner mit ihrem hochentwickelten Shuttle, der aber nicht wirklich robustwar, wären dazu nicht in der Lage gewesen.Und diese ganze Logistik, das hatten die Russen perfekt im Griff.Die mir ist am Ende 15 Jahre bemannt betrieben worden.Es waren mindestens immer zwei Russen dort oben.Und insofern war das für mich eine Herausforderung, dahin zu gehen und denenzuzugucken, wie die das machen.Aber es war auch schwierig. Wir mussten ja am Ende alle noch mal Russisch lernen.
Tim Pritlove 1:17:06
Das hatten Sie doch schon in der Schule jetzt.
Ulf Merbold 1:17:08
Ja, ich habe acht Jahre russisch gelernt, aber ich wäre nach dem Abitur in Moskauwahrscheinlich nicht in der Lage gewesen, eine Wurst zu kaufen.Wir kannten das ganze Vokabular der Revolution.
Tim Pritlove 1:17:23
Das war es dann auch.
Ulf Merbold 1:17:29
Das war politisch eine Zeit, denn Gorbatschow hatte man absolviert und Jelzinwar jetzt der große Lenker und die kommunistische Sowjetunion,die war auf dem Weg in eine bürgerliche Wirtschaftsform.Allerdings waren die Russen, wie man im Nachhinein jetzt wohl sagen muss, überfordert.Es war im Grunde ein gesetzloser Zustand.Die konnten gar nicht so schnell sich umstellen und durch Gesetze das Schlimmste verhindern.Also ich bin kein Politiker, aber ich sage das mal mit hohem Risiko.Meine Wahrnehmung war damals, es geht drunter und drüber. Und ich denke mal,das hat am Ende bei Russen auch dazu geführt, da gab es natürlich welche,in einer solchen Krisensituation gibt es immer Profiteure.Die Oligarchen, die haben sich die Staatsunternehmen unter den Nagel gerissen,die wurden in Nullzeit stinkerreich und andere, die waren Professoren an einerder zahlreichen Moskauer Universitäten,mussten aber nebenbei Taxi fahren, um die Familie zu ernähren.Also da gab es in dieser russischen Gesellschaft sicher auch sehr viel Wut und Spannung.Und insofern, diese Transition, die kam zu schnell, in meinen Augen.Jedenfalls, es war eine Zeit,da haben die Russen eben die Tür aufgemacht und die ESA hat zugeschlagen undhat den Russen für meines Wissens 50 Millionen EQs,Accounting Units aus späteren Euros, zwei Flüge gekauft.Und den ersten Flug, das war die Mir 94 Mission, da wurde ich dann ausgegucktund den zweiten machte der Thomas Reiter.Der dauert dann fast ein halbes Jahr.
Tim Pritlove 1:19:45
Wie lange waren Sie da oben?
Ulf Merbold 1:19:48
32 Tage.
Tim Pritlove 1:19:49
32 Tage. Wow, das ist ja schon ein richtiger Urlaub.
Ulf Merbold 1:19:55
Aber eines muss ich natürlich schon sagen, also zu sehen kriegt man viel,aber die Küche ist natürlich nicht vom Feinsten.
Tim Pritlove 1:20:02
Jetzt was man zu essen bekommt? Oder die Wurstdosen haben Sie doch eben noch gelobt?
Ulf Merbold 1:20:09
Naja, das ist wie auf dem Campingplatz. Ich habe sie nur nur geschildert,wie sie sind. Da stand drauf Rindfleisch mit Gemüse und das war es auch.Aber ich denke mal, in Berlin oder an anderen Orten kriegt man was Frischesauf den Teller und was aus der Konservendose kommt, das kann ja gar nicht frisch sein.
Tim Pritlove 1:20:30
Kulinarisch war es jetzt nicht so ein Erlebnis.
Ulf Merbold 1:20:34
Das ist kein Kriterium, wenn man sowas macht.
Tim Pritlove 1:20:37
Das kann ich mir auch vorstellen. Aber es gab ja so technische Probleme bei der Mission.Fing das nicht gleich schon mit dem Andocken an, dass so ein bisschen aus dem Ruder lief?
Ulf Merbold 1:20:48
Ja, das automatische Andocksystem, also die Einzelheiten kann ich Ihnen gar nicht schildern.Jedenfalls der Sascha Wigdarenko, der wurde dann gebeten, manuell anzudocken.Da muss man vielleicht noch ein bisschen den Rahmen schildern, das Andocken selber.Das wollen die Experten, die im Bodenkontrollzentrum sitzen,natürlich in Echtzeit beobachten.Und in Russland war es so, die hatten anders als die Amerikaner keine in derhohen Umlaufbahn positionierten Relais-Satelliten,sondern die Echtzeitverfolgung, die war immer nur möglich, solange die Umlaufbahnüber die riesige Sowjetunion führte.Da gab es wie an der Perlenschnur Bodenstationen, die die Signale aus dem Weltraumübernommen haben und wir waren jetzt kurz davor, diesen Bodenkontakt zu verlieren.Wenn man dann auf der anderen Seite der Erdkugel unterwegs ist,dann gibt es den Funkkontakt nicht.Und ich weiß nicht genau, ob das derGrund war oder... Jedenfalls Sascha Wigter-Renker dockte dann manuell an.Das funktionierte aber auf Anhieb. Und dann...Ich mache die lange Geschichte kurz, das dauert dann lange, bis eben alle Testsdurchgeführt wurden, damit dann die Verbindung eben auch richtig fest ist unddicht hält und so weiter.Dann darf man schließlich umsteigen und das ist für alle Beteiligten immer einFesttag, denn das bedeutet für diejenigen,die oben sind und schon lange dort oben waren, dass die ablösende Truppe anBord ist und dass es jetzt vielleicht auch mal frische Früchte,Äpfel, Bananen oder sowas gibt für zwei Tage.Und die anderen, die sind auch froh, wenn die Luke geöffnet wird,weil sie dann aus dieser unglaublich engen Soyuz-Kapsel in die große Raumstation umsteigen können.Und das ist für die auch eine signifikante Besserung der Lebensumstände.Und insofern sind sie alle froh und glücklich, wenn das passiert ist.
Tim Pritlove 1:23:16
Der Anflug ist ja mittlerweile schneller geworden durch eine andere Anflugstechnik,aber Sie waren ja auch relativ lange unterwegs, also vom Start bis man dannwirklich andockt. Wie lange hat das?
Ulf Merbold 1:23:26
Wir haben 34 Orbits gebraucht, also über zwei Tage und so lange aushalten in dieser engen Kiste.
Tim Pritlove 1:23:37
Also man ist zwei Tage lang quasi angeschnallt in diesem Sitz?
Ulf Merbold 1:23:43
Nein, nicht ganz. Die Soyuz-Kapsel, auch wie sie jetzt noch ist,die besteht im Grunde aus drei Elementen, drei Teilen.Das ist dieses glockenförmige Teil, das ist das Einzige, was am Ende zurückkehrt.Dazu gibt es ein Geräteteil, da ist das Triebwerk drin, die Tanks und Technik,um das Ding eben mit dem Triebwerk zu bewegen, zu steuern, auch die Elektroversorgung.Und vor dieser glockenförmigen, dem Landeapparat heißt es, da ist eine Kugel,der nennt sich Bidawoy-Azek,also der Lebensbezirk.Die beiden Kammern, die sind beim Start durch eine innere Luke voneinander getrennt und verschlossen.Dann erreicht man die Umlaufbahnen, dann beobachten die vom Boden aus sehr genau,ob der Innendruck in beiden Kammern steht.Wenn das so ist, dann bedeutet das, beide Kammern sind für sich genommen dicht, verlieren keine Luft.Dann darf man über ein Druckausgleichsventil den Druck auf beiden Seiten ausgleichenund dann kann man die Luke nach innen öffnen.Dann wird es noch mal enger, weil dieses Klappding da runterkommt.Und dann kann derjenige, der den mittleren Sitz hat, der ist direkt unter demLoch, in dieses größere Volumen umsteigen.Und dann erst hat er den Platz, diesen Raumanzug auszuziehen.Wenn man dann noch mehrere Tage warten muss, bis man andockt, macht man das auch.Da wird es einem dann schon komfortabler. Wenn der das gemacht hat,kann der Nächste in die Mitte rücken, auch das nachholen und so weiter.Das ist dann schon etwas besser als in diesem ganz engen, da können Sie nichtmal die Beine strecken, so eng ist das, Landeapparat aushalten zu müssen.Aber bevor man nun andockt, zieht man sich in diesen inneren Landerapparat zurück,schließt auch die Luken wieder, denn beim Andocken könnte es ja vielleicht auchin die Hose gehen, dann würde man den Druck verlieren und sofort hinüber.Und insofern versucht man natürlich so viel Redundanz aufzubauen,wie man hat, um ein solches Malheur eben lebendig zu überstehen.Aber das ist die Technik und nun muss ich das vielleicht noch ein bisschen schildern.Wenn man ein Rendezvous vorhat.Die Raumstation fliegt um die Erde herum, drunter dreht sich der Erdball jadurch, innerhalb von 24 Stunden einmal um die eigene Achse.Das heißt, wenn man dort hinauf will, um anzudocken, muss man genau dann starten,wenn der Startpunkt unter dieser Umlaufbahn drunter ist.Deswegen ist bei solchen Rendezvous-Flügen das Zeitfenster nur fünf Minuten.Wenn man die fünf Minuten verpasst hat, hat sich die Erde zu weit vorangedreht,dann würde es zu viel Treibstoff kosten, in die Bahn der schon fliegenden Station zu gelangen.Das heißt also, das ist eine Bedingung, die bei so einem Rendezvous eine Rolle spielt.Dann startet man erstmal in dieselbe Bahnebene wie die Station, aber tiefer.Und dann muss man ja bedenken, wenn man ein Rendezvous vorhat,dann nützt es einem gar nichts, wenn die Station auf der Seite der Umlaufbahnist und man ist selber auf der anderen, weil man sich ja dann nur um sich selber dreht.Sondern man muss dann aus einer tieferen Umlaufbahn das Triebwerk zünden,erstmal wieder in eine höhere Bahn gucken.Also das nennt sich dann Phase Vanya, also die Phasen anpassen.Sie haben es ja auf Ihrem T-Shirt drauf, wenn die Erde den Mars überholt,dann ist die Entfernung mal klein und wenn man zu lange wartet,ist sie wieder riesig groß.Das ist die zweite Notwendigkeit, das dann so anzustellen, dass man zeitgleichan der Stelle in der Umlaufbahn auch ankommt. Nicht nur in derselben Ebene,sondern auch am selben Punkt.Und davon hat man früher eben so lange Zeit gebraucht, weil man die Bahnparameter,wenn man so ein Manöver gemacht hat, muss man dann erstmal genau nachmessen,wo sind wir jetzt angelangt.Und das ging eben nur über diesen Stationen, den Bodenstationen über Russland.Und dann hat man einmal gemessen, hat man Daten gehabt, dann hat man gewartet,bis die Kiste wieder über den Horizont kam.Nach anderthalb Stunden war das so, um die Messwerte nochmal zu überprüfen.Und wenn dann alles sich bestätigt hat, dann hat man gesagt,jetzt kommt wieder ein Manöver.Dazu wollte man aber auch wieder in Echtzeit dabei sein und beobachten,wie das Manöver abläuft. Das war dann der dritte Überflug über Russland.Wenn man den verpasst hat, hatte sich die Erde weitergedreht.Dann muss man wieder warten, bis man diese Konstellation von Neuem hatte.Und so kam es eben dazu, dass das in früheren Zeiten so viel Zeit kostete.Für die Besatzung eine Zumutung.Heutzutage machen die das in der Regel in sechs Stunden.
Tim Pritlove 1:29:28
Schauen Sie sich gerne Science-Fiction-Filme an?
Ulf Merbold 1:29:31
Nein, eigentlich nicht. Also ich habe ein paar gesehen, die mich auch wirklich amüsiert haben.Space Cowboys, das ist so ein richtig guter Film.
Tim Pritlove 1:29:44
Da funktioniert ja das mit dem Transport dann immer so hin, Tür auf, zack, bumm, rein und so.Was geht einem da durch den Kopf?
Ulf Merbold 1:29:53
Da geht einem durch den Kopf, dass die Fiktion die Gesetze der Physik ignorieren kann.Aber in der Realität geht das eben nicht.
Tim Pritlove 1:30:04
Und trotzdem ist Science Fiction wahrscheinlich auch schuld daran,dass wir das überhaupt alles so betreiben heutzutage.
Ulf Merbold 1:30:10
Also ich denke auch, also ich habe mir da auch Gedanken gemacht und bin daraufgekommen, dass solche Projekte wie Raumfahrt, also da gibt es die Visionäre,Jules Verne hat ein Buch geschrieben,Flug zum Mond oder was weiß ich, da spielt die Naturwissenschaft zunächst mal keine Rolle.Dann muss eine zweite Phase kommen, dann muss sich jemand hinsetzen und mitdem gespitzten Bleistift, mit den Formeln der Physik nachrechnen, ob das geht.Und das waren dann Tsiolkowski zum Beispiel und Hermann Obert.Dann kommt heraus, es ist machbar, die oder jene Probleme müssen gelöst werden.Und dazu braucht man als dritte Phase einen charismatischen Menschen.Und das war zum Beispiel Werner von Braun, der die Politiker überredet, dafür Geld zu geben.Und der war wahrscheinlich auch ein ziemlicher Opportunist. Der hat das Gelderstmal von der Reichswehr genommen, dann in Peenemünde, was weiß ich,welche Geldquellen das waren, am Ende von der amerikanischen Armee.Also da muss man vielleicht auch ein bisschen opportunistisch sein,egal wo es herkommt, wenn man dieses Ziel hat, die Grenzen zu verschieben.Auf jeden Fall denke ich, das sind so die klassischen Schritte.Einer muss erstmal den Traum formulieren, den Traum vom Fliegen,wie in der griechischen Mythologie oder schon bei anderen.Und dann muss jemand her und muss sich dazu Gedanken machen,wie man es tatsächlich mit den bekannten Gesetzen der Natur hinkriegen könnte.Und dann muss jemand tatsächlich, wie man so schön sagt, Butter bei den Fischen, muss es gemacht werden.
Tim Pritlove 1:32:18
Also wer, denken Sie, hat da so in der Science-Fiction-Literatur am akkuratestenin die Zukunft geblickt?
Ulf Merbold 1:32:27
Jules Verne hat das toll gemacht. Er hat ja beschrieben, man startet von Floridaaus, kommt zurück vom Mond, landet im Pazifischen Ozean.Das ist ja eigentlich am Ende so gekommen, passt. Er hat aber auch ein paarSachen nicht so richtig wiedergegeben.Er hat zum Beispiel gemeint, auf der Reise zum Mond gibt es nur einen Moment,wo die Gravitationskraft, die von der Erde ausgeht, von der des Mondes kompensiertwird und dann ist man schwerelos.Aber in Wahrheit ist man ja die ganzeReise hindurch schon schwerelos im Koordinatensystem des Raumschiffes.Weil man fliegt ja genauso schnell wie die Hülle. Und deswegen gibt es zwischendem, der drin ist und dem, was drumherum ist, ja keine Kraft.
Tim Pritlove 1:33:22
Ja, wie Douglas Adams das mal so schön beschrieben hat, Fliegen ist eine Kunstoder vielmehr ein Trick, der darin besteht, sich auf den Boden zu werfen, aber daneben.
Ulf Merbold 1:33:34
Können Sie mir das nochmal erklären?
Tim Pritlove 1:33:35
Ich habe das nicht verstanden. Fliegen ist sozusagen, sich auf den Boden zu werfen, aber daneben.Also das, was eigentlich die Raumschiffe die ganze Zeit machen,weil die fallen ja eigentlich auch die ganze Zeit auf die Erde,aber halt daneben, weil sie so schnell sind. Deswegen drehen sie sich die ganze Zeit.
Ulf Merbold 1:33:48
Genauso ist es. Der Flug in der Umlaufbahn ist ein freier Fall.Ich kann es ja so erklären, wenn Sie hier einen haben, der einen Stein wirft,dann fliegt der nach vorne durch die Anziehungskraft die von der Erde ausgeht,geht er nach unten und trifft den Boden.Wenn Sie einen haben, der besonders gut werfen kann, der wirft schneller,dann ist der Punkt, wo der Boden getroffen wird, weiter weg.Wenn Sie einen hätten, der mit 28.000 Stundenkilometer werfen könnte,dann würde dieser Stein nach unten gehen, aber weil die Erde gekrümmt ist,wird er nie unten ankommen.Und das ist genau die Situation, die man in der Oblaufbahn hat.Das ist praktisch ein freier Fall.
Tim Pritlove 1:34:35
Wir könnten jetzt noch stundenlang hier weiterreden. Ich würde aber gerne zumEnde noch mal so ein bisschen in die Zukunft blicken.Sie waren ja dann in der Folge auch für das Astronautenzentrum der ESA zuständig.Sie haben im Columbus-Modul der ISS mit dran gearbeitet oder mit das Projekt vorangetrieben.Waren also dann nach dieser Astronautenzeit auch hier aktiv sozusagen auch nochmalmit diesem Beruf weiterhin verbundenund auch an der Planung der Raumfahrt beteiligt in gewisser Hinsicht.Wenn Sie jetzt darauf schauen, wie sich das jetzt seitdem auch alles entwickelthat, wir haben jetzt die neuen Einflüsse mit vielen privaten Unternehmen,die ja auch dazu beitragen, die ja schon so die Landschaft ein wenig verändern,auch ein gewisses kommerzielles Interesse, was ja aufgestoßen wurde,jenseits dieser wissenschaftlichen Perspektive, die über viele Jahrzehnte das alles definiert hat.Was denken Sie, wo geht es hin oder wo würden Sie es gerne hingehend sehen?Was sind die eigentlichen Ziele, die vielleicht die Menschheit mit der Raumfahrtverwirklichen sollte, mal abgesehen von davon, wonach jetzt am meisten geschrien wird?
Ulf Merbold 1:36:03
Ja, Sie haben das Wichtige ja schon gesagt. Wir sind im Moment in einer Übergangsphase.Also selbst die ESA auf der letzten Ministerkonferenz hat dezidiert das Ziel formuliert,die Raumfahrt eben peu à peu in private Hände zu geben.Und das ist ja im Grunde auch naheliegend.Die Raumfahrt oder die Nutzung des Weltraums, sollte ich vielleicht ein bisschengenauer sagen, die ist ja heutzutage inhärenter Teil unseres täglichen Lebens.Also die genaue Navigation,also die wenigen wissen ja, dass wir Europäer mit Galileo ein Navigationssystem haben,besser als das amerikanische und die Nachrichtenübertragung mit Satelliten, die Seenotrettung,die Wetterprognosen, das Ganze setzt auf Raumfahrt, auf Satelliten.
Tim Pritlove 1:37:09
Internetversorgung.
Ulf Merbold 1:37:10
Internetversorgung. Und es ist ja völlig naheliegend,dass sich der Staat aus diesen Diensten jetzt zurückzieht und das eben privatenUnternehmen überlässt als Dienstleistung, die man dann bezahlt.Und möglicherweise kommt dann eben auch eine gewisse Konkurrenz auf.Vielleicht führt es dazu, dass damit auch die Kosten runtergehen.Aber es gibt trotzdem noch jede Menge andere Teile, die, glaube ich,vorerst jedenfalls bei staatlichen Agenturen bleiben.Also das James-Webb-Teleskop zum Beispiel, das jetzt das Hubble-Teleskop ablöstund viele ESA-Satelliten auch, die,führen zu Erkenntnissen, die nicht irgendwie Zinsen abwerfen in Form von Geld,nur zu Erkenntnissen führen.
Tim Pritlove 1:38:09
Was natürlich auch Zinsen abwirftin anderer Form, weil das ist ja die Grundlagenforschung letztendlich.
Ulf Merbold 1:38:14
Natürlich, ich finde, das ist auch das eigentlich Tolle.Ein Staat oder auch ein Individuum, der individuelle Mensch,der nur danach streben würde, wie kann ich aus viel Geld noch mehr Geld machen,Der würde ja die Geldvermehrung zum Selbstzweck machen.Das Geld hat aber erst einen Wert, wenn ich es nutze, um damit etwas zu tun,was mit Geld gar nicht bewertbar ist.Wissenschaftliche Erkenntnisse oder meinetwegen auch die Förderung der schönen Künste.Also insofern denke ich, ich komme nochmal auf die Max-Planck-Gesellschaften zurück.Die wenigsten Deutschen wissen ja, dass wir 82 Max-Planck-Institute haben.Dass wir uns leisten, einen bestimmten Prozentsatz des Steueraufkommens derWissenschaft zu überlassen, ohne ihnen abzuverlangen,dass sie das in Geld in irgendeiner Weise verzinsen müssen.Das finde ich, das ist eine kulturelle Leistung vom Feinsten.Und insofern glaube ich, in der Raumfahrt wird es auch dazu bleiben.Dabei bleiben das ein gewisser Teil eben da drin.In diese Kategorie fällt und dazu gehört in meinen Augen eben auch die Vision.Irgendwann das, was unsere Altförderer mit ihren Schiffen vollbracht haben,mit unseren Schiffen fortzusetzen.Und das würde in meinen Augen konkret bedeuten, irgendwann sollten wir zum Marsgehen, um mal zu gucken, wie es da oben aussieht.
Tim Pritlove 1:39:52
Also jetzt mit Menschen. Menschen, ja klar. Bei den Haas haben wir ja schoneinen Hubschrauber am Start.
Ulf Merbold 1:39:58
Das stimmt, aber ich komme mal auf diesen Punkt, diese Roboter,die produzieren Zahlen.Aber ich kann aus der eigenen Erfahrung ja nochmal wiederholen,wenn man dann mal sieht, wie dünn die Atmosphäre ist, dann wird einem erstmalklar, wie das wirklich ist.Und insofern denke ich, wenn ich zurückschaue in die Geschichte,möchte, diejenigen, die wohin gegangen sind, wo vorher noch keiner war.Nehmen wir mal Kolumbus.1492 ist er in westliche Richtung über den Atlantik, das Meer der Finsternis,Mare Terebrosum, wie es genannt wurde,aufgebrochen, um einen verkürzten Seeweg nach Indien zu suchen.Am Ende musste man das bis dato geltende Weltbild in die Tonne treten,weil plötzlich ein neuer Kontinententdeckt worden war. Und Ähnliches kann man natürlich auch sagen.Die Taucher, die Bergsteiger, Figuren wie Marco Polo, der aus China nach Italienzurückkam und berichten konnte,dass es dort ein hochentwickeltes Staatswesen gibt mit Verwaltung,mit Gesetzen, mit Porzellan, mit Hochtechnologie für seine Zeit,die Seide, Feuerwerk. Feuerwerk.Also man kann schon sagen.Die Erfahrung zeigt, dass wir oft die existierenden Vorstellungen korrigierenmussten, wenn jemand wohin ging, wo vorher noch keiner war.Und warum sollten wir jetzt am Beginn des 21.Jahrhunderts, wir haben das Viertel schon vorbei, sagen, wir wissen schon alles,wir gehen nicht mehr weiter.Was am Ende an neuen Einsichten, an neuen Erkenntnissen, vielleicht auch anneuen nutzbaren Technologien herauskommt.Das kann Ihnen ja keiner sagen, aber die historische Erfahrung zeigt,dass es in vielen Fällen eben zu neuen Erkenntnissen kam.Und interessanterweise, das ist fast philosophisch, war es oft so,dass der Mensch von seinem hohen Ross herabsteigen musste.Hat man früher die Erde als Nabel von allem verstanden, stellte sich dann heraus,nein, es ist einer von damals sechs bekannten Planeten und in Wahrheit ist die Sonne der Angelpunkt.Und insofern denke ich, das ist eine Herausforderung an der Welt.Notwendigerweise an mich, an die jetzt jungen Menschen, das zum Wagen und zumMars zu gehen und dort mal sich umzuschauen.Eine Frage, die ziemlich offen darlegt, ist die Frage, das Wasser,das es mit großer Sicherheit auf dem Mars mal gab, wo ist es jetzt?Wenn es da weggekommen ist, könnte das auf der Erde vielleicht auch passieren.Also solche Dinge, die stehen im Raum.Aber eines kann ich dazu auch noch sagen, rein technisch sollten wir das erstangehen, nachdem wir auf dem Mond eine Station haben und die betreiben.Und diese Kunstwelt, die man ja haben muss, um zu überleben,erst mal dort oben zu betreiben, um Betriebserfahrung zu sammeln.Wenn dort oben alles in sich zusammenbricht, die Stromversorgung ausfällt odersowas, dann kann man sich vom Mond innerhalb von zwei Tagen nach Hause retten.Wenn man aber auf dem Weg zum Nachbarplaneten Mars wäre, geht das nicht.Insofern, dieses ganze Lebenserhaltungssystem, das muss absolut robust und zuverlässig laufen.Sonst sollte man es erstmal nicht machen. Und das sind in meinen Augen die Dinge,die jetzt sozusagen die Visionen sind am Horizont.Und ich bin hundertprozentig sicher, es wird gemacht werden.Ich bin aber nicht hundertprozentig sicher, ob wir Deutschen am Ende dabei sind oder nicht.Denn mich frustriert unheimlich nach wie vor, dass wir Deutsche und ich müsstesagen die Europäer insgesamt versäumt haben.Dieses heute noch nicht genannte ATV,dieses Automated Transfer Vehicle, mit dem wir fünfmal die internationalen Raumstationenversorgt haben, mit Wasser, mit allem, was sie da oben brauchen.Das ist ja ungefähr dreimal so leistungsfähig wie die russische ProGas,die die Russen zur Versorgung seit Jahrzehnten einsetzen,hat fünfmal automatisch angedockt und das bestand aus zwei Kammern.Da hätte man einen geringen Aufwand treiben müssen, um diese eine Kammer rückkehrfähigzu machen und dann noch ein Lebenserhaltungssystem rein, hätten wir ein europäischesRaumschiff haben können.Aber die Europäer, das sind in meinen Augen, ich sage es jetzt mal ganz negativ,Verwalter, aber keine Gestalter.Da wartet einer auf den anderen und insofern ist diese Chance an uns vorbeigegangen.Die Amis haben die Shuttles ins Museum gefahren, dann haben die Russen,ich weiß nicht genau, sechs, sieben Jahre lang ein Monopol gehabt.Wer zur ISS wollte, der musste mit einer russischen Soyuz dorthin fliegen undauch mit einer zurückkommen.Und das ist so ein bisschen das, was mich eben so ein bisschen skeptisch stimmt,ob wir die Vision haben, dass wir unbedingt da mitspielen wollen.
Tim Pritlove 1:46:12
In Deutschland, wenn man Visionen hat, wird man ja zum Arzt geschickt,das ist so ein bisschen das Problem dabei.
Ulf Merbold 1:46:17
Stammt von Helmut Schmidt, naja gut.
Tim Pritlove 1:46:19
Ja, ich weiß nicht, es war keine gute Empfehlung, so glaube ich.Man sollte die Leute vielleicht dann auch eher mal in Charge setzen.Aber ich meine, das ATV ist ja jetzt in Form von der Orion, wird es ja in gewisserHinsicht in diese Rolle gebracht werden.
Ulf Merbold 1:46:33
Hat sich gelohnt.
Tim Pritlove 1:46:37
ATV war natürlich ja auch bei Raumzeit schon ein Thema.Also Artemis, jetzt die große neue Mondmission, die jetzt in den nächsten Jahrendann auch wirklich mal mal Personen wieder auf den Mond bringen soll.Das findet sozusagen ihren Zuspruch. Das lese ich jetzt mal so ein bisschen heraus.
Ulf Merbold 1:46:54
Unbedingt, unbedingt.
Tim Pritlove 1:46:54
Als erster Schritt hin zu einer Mondstation und was dann eben vielleicht dieBasis sein kann für so eine Mars-Mission.Aber das wird dann wahrscheinlich noch ein bisschen dauern, bis wir auf dem Mars landen.
Ulf Merbold 1:47:04
Ja klar, ich meine, das sollte man auch systematisch betreiben.Und das ist eben auch so ein bisschen das Handicap.Unsere, in diesem wundervollen demokratischen System, in dem wir leben dürfen,da ist eben ein Politiker erst in der Lage, was zu gestalten,nachdem er gewählt worden ist. Vorher kann er nichts machen.Und die Wahlzeit, das sind vier Jahre heutzutage, dann geht es wieder von vornelos, dann werden andere gewählt.Die sagen dann, was mein Vorgänger gemacht hat, ich will mich mit etwas Eigenemprofilieren. Das ist so ein bisschen das Dilemma.Also ein solches Projekt, das braucht einen langen Atem.Und ich kann nur sagen, wir sollten uns vielleicht an der Stelle von den Franzosenmal eine Scheibe abschneiden.In Frankreich war das große Thema autonomer Zugang zum Weltraum.Und hätten wir die Franzosen nicht gehabt, hätten wir die Ariane nicht so schnellgekriegt. Das war französisches Staatsziel.Egal ob Mitterrand, Giscard, wer immer Präsident in Frankreich war,Hollande, wie die alle der Reihe nach hießen, da gab es überhaupt kein Vertun,auch wenn die Partei gewechselt hat.An diesem Ziel haben die Franzosen festgehalten.Und das brauchen wir für eine solche Vision auch.Wenn das in die Landtagswahlkämpfe käme oder sowas, dann wird da nichts draus.
Tim Pritlove 1:48:44
Tja, gut, mehr bald.Jetzt haben wir aber das All schon wieder mal ganz gut durchkreuzt.Ich bedanke mich sehr für die Ausführungen.Ist noch was, was wir uns noch so mit auf den Weg geben möchten?
Ulf Merbold 1:49:02
Sie bringen mich hier in Schwierigkeiten. Also ich will die Gelegenheit benutzen,um mich bei Ihnen zu bedanken.Ich bin dreimal im Weltraum gewesen und das war für mich persönlich natürlicheine aufregende Phase meines Lebens.Aber ich denke mal, mit dem SpaceLab-Projekt, mit dem ich sozusagen viel Lebenszeitzugebracht habe, hat Europa auch hinzugewonnen.Ohne das Space Lab wären wir in meinen Augen nicht Partner an der ISS mit dem Columbus-Modul.Und die ISS hat eben den Nachteil nicht, dass nach zehn Tagen das Ding am Bodensein muss, sondern da kann man sehr viel länger und damit systematischer Wissenschaft betreiben.Und Sie waren als Steuerzahler daran beteiligt und dafür möchte ich mich bedanken.
Tim Pritlove 1:49:59
Super.Gut, dann bleibt mir eigentlich auch nicht mehr sehr viel mehr,als Ihnen zu danken, Herr Merwold und ich bedanke mich natürlich auch bei allen,die hier gekommen sind zu Raumzeit.Das war es dann für diese Ausgabe. Super, dass ihr alle dabei wart und wie immerhier geht es auch bald wieder mit irgendeinem anderen thema wieder weiter und.Ich sage tschüss und bis bald.

Shownotes

21.02.2024: Raumzeit Live auf der Bühne mit Ulf Merbold im Zeiss-Großplanetarium in Berlin

Nach langer, langer Zeit kehrt Raumzeit wieder zurück auf die Bühne und das wieder im Kuppelsaal des Zeiss-Großplanetarium in Berlin. Und da möchte ich natürlich nicht alleine herumsitzen sondern lade alle Hörerinnen und Hörer ein, an dem Abend teilzunehmen.

Das ganze findet am Mittwoch, den 21. Februar 2024 um 20 Uhr statt. Die Tickets für die Veranstaltung sind jetzt verfügbar. Sie sind allerdings auch sehr begrenzt, da die Kuppel nur ca. 300 Personen fasst. Der Eintritt beträgt 9,50 EUR (ermäßigt 7,50 EUR).

An dem Abend werde ich mich wie immer mit einem erfahrenen Gesprächspartner aus der Raumfahrt und/oder Wissenschaft unterhalten. In diesem Fall ist es kein geringerer als der ehemalige deutsche Astronaut und Leiter des Europäischen Astronautenzentrums Ulf Merbold.

Wir werden im Gespräch in die Frühzeit der Europäischen Raumfahrt eintauchen. Ein Thema, dass in den letzten Folgen von Raumzeit schon häufiger angeschnitten wurde aber hier aus einer sehr persönlichen Perspektive besprochen werden soll. Eine Reise in die Zeit der Space Shuttles, des SpaceLab und der Raumstation Mir.

Das Gespräch wird auf der Kuppel vom Team des Planetariums mit Visualisierungen begleitet und in den bequemen Sitzen des Planetariums wird Euch der Podcast wohl noch nie so nahe gekommen sein wie dort 🙂

Ich freue mich sehr auf Euch. Vor und nach der Veranstaltung gibt es sicherlich auch noch Möglichkeit eines kurzen Kennenlernens. Wenn ihr möchtet kommt entsprechend früher vorbei.

RZ119 Das Ariane-Raketenprogramm

Ein Rückblick auf die Geschichte der Ariane-Raketen und ein Ausblick auf die Ariane 6

Nach einem rumpeligen Start mit der "Europa"-Rakete haben sich die führenden europäischen Techniknationen in den 1970er Jahren erfolgreich in dem Ariane-Raketenprogramm zusammengefunden, was dann auch schnell zur Mitgift bei der Gründung der ESA wurde. Besonders die Ariane 5 war dann lange Zeit eine der erfolgreichsten und zuverlässigsten Raketensysteme der Welt. Jetzt ist die letzte Ariane 5 gestartet und in diesem Jahr wird mit dem Jungfernflug der neuen Ariane 6 gerechnet.

Dauer:
Aufnahme:

Denis Regenbrecht
Denis Regenbrecht

Ich spreche mit Denis Regenbrecht, Gruppenleiter für den Bereich Ariane in der Abteilung Operationelle Träger und Infrastruktur beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Wir sprechen über den Beginn der Europäischen Zusammenarbeit, die Entwicklung der ersten Ariane-Raketen, den erfolgreichen Lauf der Ariane 5, was von der Ariane 6 zu erwarten ist und unter welchen Bedingungen auch Europa die Wiederverwendbarkeit von Raketenstufen angehen wird.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:35
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle zur 119.Ausgabe von Raumzeit.Und ich habe mal ein bisschen nachgeblättert, wir gehen jetzt hier irgendwie schon ins 13. Jahr.Die Sendung gibt es schon eine Weile. Und ja, gute Gelegenheit mal eine Sendungzu machen, wo es auch darum geht, ein wenig in die Vergangenheit zu schauen,aber auch in die Zukunft,denn heute bin ich nach Bonn gefahren zur Raumfahrtagentur des DLR und ja,ich begrüße erstmal meinen Gesprächspartner für heute, Dennis Regenbrecht. Hallo Dennis.
Denis Regenbrecht 0:01:18
Schönen guten Morgen Tim.
Tim Pritlove 0:01:20
Ja, die Raumfahrtagentur, die benennt sich auch ab und zu mal ein bisschen um, oder?
Denis Regenbrecht 0:01:26
Ja, wir haben schon einige Namen hinter uns.
Tim Pritlove 0:01:29
Was denn so?
Denis Regenbrecht 0:01:30
Also ganz früher gab es mal die Deutsche Agentur für Raumfahrtangelegenheiten,das waren die 90er Jahre, da waren wir tatsächlich nicht Teil des DLRs.Dann wurden wir mit dem DLR-Verein namt, dann hießen wir auch Raumfahrtagentur im DLR,dann wurde es als Raumfahrtmanagement umbezeichnet und jetzt sind wir wiederseit, ich weiß gar nicht, seit wie vielen Jahren, zwei oder drei,wieder Raumfahrtagentur.Also Namen, ja okay, sind Schall und Rauch.Die Aufgaben und die Arbeiten, die wir hier machen, die haben sich nicht verändert.Also das ist eigentlich immer noch genau dasselbe wie früher.
Tim Pritlove 0:02:06
Okay, gut. Bevor wir dann dazu vielleicht kommen, starten wir doch vielleicht mal mit dir.Aber um es vielleicht nochmal gesagt zu haben, wir wollen heute sprechen überdie Ariane, über das Raketenprogramm Ariane, mit dem Still Air eine ganze Menge zu tun hat.Aber es ist natürlich, wie alle wissen, ein gesamteuropäischer Kraftakt,dieses Projekt seit Jahrzehnten voranzutreiben und da tut sich ja nun demnächst auch sehr viel.Wie bist du denn dazu gekommen?
Denis Regenbrecht 0:02:43
Also wenn ich ganz zurückblicke, muss ich sagen, also ich habe mich als Kindimmer schon für Raumfahrt und gerade für Raketen begeistert.Ich meine, also wirklich als Kind schon in der Schule und ich habe mich dannauch entschlossen, später, als ich Abitur gemacht hatte, Luft- und Raumfahrttechnikzu studieren und habe das dann auch getan.Allerdings bei der Bundeswehr. Ich bin zwölf Jahre Offizier bei der Luftwaffe gewesen,habe dann bei der Bundeswehr Uni Luft- und Raumfahrttechnik studiert und nachzwölf Jahren, als dann meine Soldat auf Zeit abgelaufen war,habe ich mich umgeschaut und dann war passenderweise, 2009 war das,eine Stelle in der Raumfahrtagentur im Bereich Raketen frei geworden oder war ausgeschrieben.Und da habe ich mir gedacht, okay, ich habe damals in Köln gewohnt,das ist in Bonn, das ist noch viel besser, kannst im Rheinland bleiben,ist ein geiler Job, bewirbst du dich drauf und dann wurde ich genommen.
Tim Pritlove 0:03:35
Was hast du bei der Bundeswehr gemacht?
Denis Regenbrecht 0:03:37
Ich war in den letzten Jahren, in den letzten vier Jahren, war ich bei der technischenBetreuung Eurofighter in dem, was damals Waffensystemkommando hieß,also technische Nutzerbetreuung, sage ich jetzt mal.Und die Jahre vorher, wie das bei der Bundeswehr so üblich ist,ist man so als Offizier alle zwei, drei Jahre ohnehin woanders.Also ich war im Geschwader und in Amtstätigkeiten und wie gesagt,die letzten Jahre halt Eurofighter auch als, ja, also Erfahrung gesammelt,würde ich jetzt mal sagen, für die Ariane in europäischen Großprojekten.Also das hat mir sicherlich nicht geschadet, da auch mit internationalen Partnern umgehen zu können.
Tim Pritlove 0:04:13
Aber womit warst du damit beschäftigt? Also du bist jetzt nicht geflogen? Nein.
Denis Regenbrecht 0:04:16
Ich bin nicht geflogen. Ich bin technischer Offizier. Das heißt,ich bin dafür für die Technik verantwortlich.Und in den Jahren, wo ich in dem Waffensystemkommando der Bundeswehr war,bei der Luftwaffe, war ich spezifisch für die Antriebsanlage im Eurofighter.Also alles, was auch zum Triebwerk gehört und drumherum verantwortlich.
Tim Pritlove 0:04:36
Also du warst eh schon im Raketenbusiness sozusagen. Ja.
Denis Regenbrecht 0:04:39
Ich habe auch Raumfahrttechnik vertieft und Raketen waren immer das, was ich machen wollte.Deswegen ist es eigentlich richtig cool, dass es von den Kindesgedanken an ichjetzt mit Mitte 40 immer noch in der Lage bin, das zu machen.
Tim Pritlove 0:04:55
Okay, beneidenswert. Ja, dann bist du bei der Raumfahrtagentur gelandet.Was ist hier dein offizieller Titel oder Aufgabenbeschreibung?
Denis Regenbrecht 0:05:04
Ich bin dann, wie gesagt 2009 habe ich da angefangen, zwischendurch bin ichdann auch mal aufgestiegen und so.Was ich jetzt mache ist, ich bin Gruppenleiter und verantwortlich für den BereichAriane, operationelle Träger und Infrastruktur.Ist ein langer Name, ist ein langer Titel, ist aber faktisch alles,was raketentechnisch fliegt und bald fliegt.Also ich habe noch einen Kollegen, der ist auf meiner selben Ebene,der ist für die ganzen Zukunftstätigkeiten verantwortlich und ich bin letztenEndes verantwortlich für die großen Raketen, die schon fliegen oder bald fliegen.Also alles, was Ariane ist und was als Infrastruktur und drumherum dazu gehört.
Tim Pritlove 0:05:43
Und ist das so der primäre Kontaktpunkt Deutschlands zu dem Ariane-Projekt?
Denis Regenbrecht 0:05:50
Kann man so sagen. Also das ist in Europa ja alles ein bisschen,sag ich jetzt mal, schwieriger aufgebaut mit nicht so klaren Linien,sondern das ist mehr so eine Art Netz.Also wir, ich sag immer, wir sind so die Spinne im Netz.Also wir sind auf der einen Seite Kontakt für die Industrie,wir sind aber auch sozusagen der Einflusspunkt gegenüber der ESA,aber gleichzeitig sind wir auch Dienstleister für das Ministerium.Also Raumfahrt wird in Deutschland vom Wirtschaftsministerium durchgeführt undwir sind als Agentur de facto eine nachgeordnete Behörde.Wir sind es nicht der Jure, aber was wir machen ist eigentlich etwas,was man auch als Raumfahrtbundesamt bezeichnen könnte.Gibt es nicht, aber das was wir machen, wir sind also eine, es gibt da so ein,das ist ein geiles deutsches Wort, ein spezielles Gesetz,das nennt sich Raumfahrtaufgabenübertragungsgesetz, setzt, womit wir sozusagendas Mandat haben für Deutschland in der Außenwahrnehmung in Raumfahrtsachen,zu handeln. Und damit sind wir sozusagen de facto sowas wie eine Art Behörde,auch wenn wir als Teil des DLRs eigentlich ein eingetragener Verein sind.
Tim Pritlove 0:07:01
Okay, aber dann trifft ja der Name Agentur die Aufgabe eigentlich dann dochschon sehr gut. Also ihr seid sozusagen so die Raumfahrtagenten.
Denis Regenbrecht 0:07:09
Und wir vertreten dann halt auch die deutschen Interessen in der ESA.Also ich bin nicht nur der Gruppenleiter hier, sondern ich bin auch ein Delegierterin den ESA-Programmrat, in dem Raumtransportaktivitäten besprochen.
Tim Pritlove 0:07:22
Mhm, okay. Also schon ein vielfältiges Aufgabengebiet, das sich hier kümmernmuss. Wie groß ist so der Technikanteil dann im Verhältnis zur Bürokratie?
Denis Regenbrecht 0:07:33
Also bei mir ist der Technikanteil überschaubar. Also in der Position,in der ich angefangen hatte, war es noch viel mehr.Aber das, was ich mache, ist wirklich tatsächlich viel mehr Politik und Industriepolitik,aber auch schauen, dass die Programme auch mit den internationalen Partnerngemeinsam aufgestellt werden können.Also das ist eher diplomatisch Politik und weniger, oh das Triebwerk funktioniertnicht, was können wir da tun.Also dafür gibt es halt dann auch die Leute in meinem Team.
Tim Pritlove 0:08:04
Aber es hat jetzt nicht geschadet, dass du schon mal mit dem Schraubenschlüsselam Triebwerk rumgefummelt hast?
Denis Regenbrecht 0:08:08
Nee, und das ist halt auch bei uns Einstellungsvoraussetzung.Also auch wenn das eine politische Geschichte hier ist und eine administrativeGeschichte, aber man muss halt auch wissen, dass einem die Partner nicht Quatsch erzählen.Und als Ingenieur oder Physiker oder jemand anderes, der studiert hat,also man braucht schon einen guten Bullshit-Detektor und das kommt halt nur,indem man da auch mal gearbeitet hat und da die Erfahrung hat. Und.
Tim Pritlove 0:08:31
Ich glaube, das geht auch in die andere Richtung, dass auch die Ingenieure sichjetzt einfach von Leuten, die irgendwie keine Ahnung haben von der Materie,jetzt auch nicht so gerne was sagen lassen.Das ist schon so ein Ding, ich meine, das hat man ja ganz klassisch eigentlichso in der Wirtschaft oft so. so.Man wird so lange befördert, bis man nichts mehr bewirken kann und Inkompetenzhilft da auf jeden Fall schon mal.Den Eindruck habe ich so in der Raumfahrt nie so richtig gewonnen,sondern es ist eigentlich,auch wichtigere administrative und politische Posten sind oft mit Leuten besetzt,die sehr viel Erfahrung haben, die als Astronauten gearbeitet haben,die irgendwie lange Zeit auch hands-on an den Projekten und an den Missionen mitgearbeitet haben.Einfach, weil es offensichtlich auch erforderlich ist, das zu haben?
Denis Regenbrecht 0:09:21
Ich würde schon sagen, also wenn man sich jetzt die Hierarchie-Ebenen anguckt.Ob jetzt bei Ariane Group oder bei anderen Firmen, auch OHB,um jetzt nur Beispiele zu nennen, es ist schon so, dass auch auf den Führungsebenenund auch als CEO teilweise Leute sind, die tatsächlich auch früher mal Projektegemacht haben und wissen, wie das funktioniert.Und das ist, glaube ich, wie du schon gesagt hast.Für das Eigenverständnis wichtig, aber auch die Akzeptanz der Ingenieure oderder Mechaniker unten am Boden, in der Line.Und natürlich mit einem gewissen Abstand entwickelt man natürlich auch andere Gedanken,das ist auch klar, aber am Ende des Tages ist es immer noch gut,seine Ingenieursfähigkeit im Kopf zu haben.Und wie gesagt, das sieht man noch bei Airbus in den Führungsstrukturen.Und das ist aber glaube ich wiederum was, was in Deutschland noch stärker vertretenist als vielleicht vergleichsweise in Frankreich.Also da hat man schon ab einem bestimmten Level so die, sage ich jetzt mal,Grand-École-Überflieger in Anführungsstrichen, die natürlich auch mal was Technischesvielleicht gelernt haben, wenn sie auf der richtigen Grand-École waren.Die aber schon von Anfang an klar wissen, okay, bei uns geht es ins obere Management.Und da ist dann auch so tatsächlich so ein gewisser kultureller Unterschiedda zwischen wie Deutschland managt und wie Frankreich managt,was gerade auch bei Ariane durchaus hin und wieder mal zu Reibungs,also nicht Verlusten, aber Reibungsbomben führen kann.
Tim Pritlove 0:10:58
Ja gut, ich meine, das macht ja die Isar auch aus, dass einfach die unterschiedlichstenKulturen da zusammenkommen.Das mag manchmal ein Problem sein, aber es ist sicherlich an vielen Stellen auch ganz hilfreich.
Denis Regenbrecht 0:11:11
Ja, also Monokulturen sind immer schädlich, finde ich.Und je internationaler und je breiter man aufgestellt ist, desto mehr Ideenhaben auch die Chance verwirklicht zu werden.Und das ist eigentlich auch das Schöne. Ich finde das geil,in so einem multinationalen, kooperativen System unterwegs zu sein,weil das ist eigentlich das, was Europa auszeichnet, meiner Meinung nach.Und Ariane ist da auch ein ganz gutes Beispiel. Ich habe immer,wenn ich da Vorträge vor interessierten Laien halte, habe ich da auch immermal ein schönes Beispiel,dass Teile der Produktionsanlagen, in denen in Deutschland Ariane-Teile hergestelltwerden, in Bremen und in Frankreich, in die Myrona, nähe von Paris,dass die beide eine Historie haben aus dem Zweiten Weltkrieg,dass in diesen Hallen früher Flugzeuge gebaut wurden,die sich gegenseitig bekämpft haben und das sind jetzt dieselben Hallen,wo wir gemeinsam europäische Zukunft bauen und das ist, finde ich irgendwiepersönlich ein schönes Zeichen, gerade in der heutigen Zeit.
Tim Pritlove 0:12:19
Ja, die ESA, wie so viele Europaprojekte, sind eigentlich im Kern Friedensprojekteund von daher fühle ich das auch besser, wie sich das jetzt mittlerweile so entwickelt hat.Mal gucken, wann man mit dem Rest der Welt dann nochmal auf ein ähnliches Footing kommt.Ja, aber das gibt uns im Prinzip schon mal den richtigen Einstieg,denn das ganze ESA oder sagen wir mal das ganze europäische Raumfahrtprojekt, das ist ja nicht nur ESA,sondern das sind ja auch viele nationale Sachen, das ist auch die private Wirtschaft, die da dran hängt.All das ist ja im Prinzip auch ein Kind der Nachkriegsordnung und der Erkenntnis,dass es dann vielleicht doch für alle ein bisschen besser ist,wenn man sich nicht die ganze Zeit mit Raketen beschießt, sondern vielleichtdie halt mal woanders hinschickt.Das ist definitiv der bessere Weg.Ich hatte hier in Raumzeit 98 mich mit Helmut Trischler unterhalten.Da haben wir diese ganze Geschichte auch schon mal aufgerollt und da kam natürlichdann auch schon die frühe Ariane-Geschichte so zum Tragen, weil sie auch soeiner der Schlüsselmomente eigentlich ist, der europäischen Raumfahrt.Springen wir da vielleicht dann doch nochmal hin und das vielleicht auch nochmit einem etwas technischeren Blick da drauf.Es gab ja diese Europa-Rakete, die gebaut werden sollte.Das war im Prinzip ja auch so ein bisschen der Katalysator, so ein bisschen dieser Beginn.Wir können keine Raumfahrt machen, wenn wir nicht in der Lage sind,irgendwas nach oben zu schicken.Die Amerikaner und die Russen waren europaweit enteilt und das,obwohl ja im Prinzip das alles mehr oder weniger auch aus Europa ursprünglichmal kam, Wenn auch unter anderem Vorzeichen.Wie war der Weg so aus deiner Perspektive, bis es dann zu diesem Ariane-Projekt kam?
Denis Regenbrecht 0:14:16
Steinig. Also ich meine, du hast ja die Europa-Rakete angesprochen und das warja der erste Versuch schon Mitte der 60er Jahre, gemeinschaftlich europäischwas auf die Beine zu stellen.Es gab vorher schon Aktivitäten von UK, von Frankreich, national Raketen zu entwickeln.Aber die Europa-Rakete und die dazugehörige Organisation, die ELDO,die European Launchers Development Organization,die waren der erste Versuch, gemeinsam was auf die Beine zu stellen,was von der Idee her auch ganz gut war, von der Umsetzung.Nicht ganz erfolgreich, wenn man das so sagen will.Die Probleme, die man hatte, man hatte einige Fehlstarts in Folge und hat dasdann aufgegeben, aber die Grundproblematik war weniger das technische Unvermögen,Kinderkrankheiten gibt es immer, sondern das war eher die Art und Weise,wie das Projekt managementmäßig aufgesetzt wurde.Also heutzutage gibt es ja System Engineering und wie man Requirements durchreichtund diese ganzen Geschichten, wie das funktioniert,das gab es damals in dieser Art eigentlich fast noch nicht und deswegen wurdemehr oder weniger die, also ich vereinfache jetzt,also alle die sich ein bisschen genau damit auskennen, bitte ich das zu entschuldigen,wenn es jetzt zu vereinfacht ist, Aber die Raketenteile, die wurden so ein bisschenverteilt wie so Lego-Bausteine.Die Unterstufe, da hat man was genutzt, was die Briten schon hatten aus einerinterkonditionellen Teilrakete.Dann hatten die Franzosen da was zusammengenommen, auch aus schon vorhandenen Raketenteilen.Und die Deutschen, die sollten die Oberstufe machen und ich glaube,die Italiener waren es, die sollten die Faring machen und dann hat man das dannentwickelt und hat sich dann, also übertrieben gesagt,irgendwann irgendwo getroffen, hat das zusammengeschraubt und hat gehofft,dass das alles zusammen funktioniert.Aber so eine Art, ich sage jetzt mal, Werner von Braun oder Sergej Koroljovoder so eine Art übergeordnete Projektorganisation, die wirklich dafür sorgt, dass auch wirklich.Kohärent zusammenpasst, die war eher unterdimensioniert und daher kam das dann auch.
Tim Pritlove 0:16:32
Wahrscheinlich auch so ein bisschen so ein Zeichen auch für das noch nicht wirklichhergestellte Vertrauen zwischen den Ländern und den Kulturen zu Beginn dieses ganzen Projektes.
Denis Regenbrecht 0:16:43
Man muss dazu sagen, das war Mitte der 60er Jahre, das war 20 Jahre nach demEnde des Zweiten Weltkrieges.Die Deutschen haben mitgemacht, dass die überhaupt mal wieder irgendwas bauendurften, was irgendwie irgendwo hinfliegt.Also das war auch ein Punkt, warum Deutschland die Oberstufe bekommen hat.Man hat gesagt, die dürfen alles machen, oder dürfen nicht alles machen,aber auf keinen Fall eine Unterstufe, die man später als Interkontinentalrakete nutzen kann.Also Oberstufen, die nur dann funktionieren, wenn wir die irgendwie mit anderenSachen nach oben kriegen, alles gut, da können sie keinem mit beschießen,aber alles andere so vorsichtig. Richtig.Und das war wirklich der Grund, wie das damals aufgeteilt wurde.Und interessanterweise diese Oberstufengeschichte, das ist das,also Deutschland ist heutzutage immer noch in Europa das Oberstufenland.Das kommt daher, das ist eigentlich auch strange. strange.Und ja, also das Vertrauen war vielleicht noch nicht da.Und wie gesagt, die Prozesse, die waren halt auch noch nicht so in so einerArt kooperativen Art und Weise.Also diese ganzen Großvorhaben, die gingen ja damals erst los.Also ZERN wurde ja auch nach dem Krieg gegründet. Also diese ganze Art,wie man europäisch zusammenarbeitet, das musste sich ja auch erst in irgendeinerArt und Weise entwickeln.Und hat sich dann da halt halt am Ende des Tages nicht so ganz positiv entwickelt.Nach ein paar Jahren hat Frankreich gesagt, das ist jetzt irgendwie alles nicht so gut.Und am Ende des Tages wurde das dann Anfang der 70er Jahre abgebrochen.Und interessanterweise kam dann Frankreich, hat gesagt, okay, wir.Europäische Kooperation ist gut, wir brauchen so eine Rakete.Mit Europa hat es nicht geklappt, weil was daran lag, dass es keinen,sage ich jetzt mal, jemanden gab, der die Peitsche und das Zuckerbrot in der Hand hatte.Wir brauchen so eine Organisation, wo einer das Sagen hat und wir sind bereit, derjenige zu sein.Wir haben ja auch schon mal was vorbereitet, Schublade aufgemacht und dann hatteFrankreich tatsächlich ein Konzept, nicht in der Schublade, das hatten die natürlichnational im Kness schon einige Jahre oder einige Monate vorbereitet.Jetzt muss ich gerade mal überlegen, ob ich die Reihenfolge der Buchstaben richtig bekomme.Genau, das war LSE. Das war der Lanceur Substitution Europa.Also der Ersatzträger von Europa, der Europa-Rakete.Und aus diesem LSE wurde ganz schnell die Ariane.Und der Ansatz war dann damals tatsächlich, CNES hat gesagt,wir machen das jetzt. jetzt, wir sind bereit, es europäisch zu machen,aber wir haben den Hut auf und wer mitmachen kann, kann mitmachen.Das Gesamtmanagement wird bei uns sein, beim KNESS und wir sagen, wo es lang geht.Und dann haben einige Länder, die bei dieser Europa-Raketengeschichte mit dabeiwaren, gesagt, okay, wir lassen uns nochmal auf den Versuch drauf ankommen,machen da mit, Deutschland unter anderem.Die Briten haben gesagt, nee, unter den Franzosen nicht.Natürlich war das nicht der Grund, aber nicht der offizielle Grund,den sie auch vorgeschoben haben, aber natürlich war klar, UK macht das ganzbestimmt nicht mit Frankreich mit Hulauf.Und dann hat man tatsächlich 1972 mit dem Ariane-Programm begonnen,was sozusagen aus diesen Trümmern des Europa-Raketen-Programms sozusagen entstanden ist.Und das ist interessant zu sehen, weil 1972, das ist drei Jahre vor Gründung der ESA.Die ESA Esan wurde 1975 gegründet und das Ariane-Programm begann schon 1972 unter Kness-Ägide.Und als die Esa gegründet wurde, wurde sozusagen die Ariane,die damals noch nicht eins hieß, weil es gab nur noch eine,die Ariane sozusagen mit so als Hochzeitsmitgift bei der Gründung der Esa,weil die Esa entstand aus der alten Eldo und der.ESRO, das war die European Space Research Organization, wurde die sozusagenneu gegründet, wurde das Ariane-Programm sozusagen so als Mitgift für die Gründung mitgegeben.Allerdings unter der Prämisse des CNES, dass es zwar ein ESA-Programm sein darfund kann, aber das Projektmanagement tatsächlich weiterhin vom CNES durchgeführtwird. Und das blieb auch so bis 2003.Also obwohl es immer ein ESA-Programm war und die ESA sozusagen das Geld derTeilnehmerstaaten eingesammelt hat,war die Programmkoordinierung unddie Programmsteuerung der Ariane 1 bis 5 tatsächlich immer in Kness-Hand.
Tim Pritlove 0:21:27
Also CNES muss man sagen, Zentrum für Weltraumforschung in Frankreich,also quasi so ein bisschen das Äquivalent des DLR, ein bisschen anders aufgestellt,aber im Prinzip genau das, es gibt ja immer die nationalen Organisationen, genau. Ja.
Denis Regenbrecht 0:21:40
Genau. Und das ist halt auch ein Grund, warum Frankreich immer noch viel stärkerist in den Bereichen, als wir es zum Beispiel sind.Und es war damals schon so, am Ende, also bei Ariane 1 war es noch stärker,aber heutzutage ist es so, dass man immer sagen kann, Frankreich hat ungefährdie Hälfte Entwicklungs-, Finanzierungs- und Produktionsanteil an Ariane undDeutschland immer so um die 20 Prozent, so als Grobanheit.Und wie gesagt, das Programm wurde 1972 beschlossen und der Erstflug fand 1979 statt, am 24.12.Also relativ zügig.Also diese Entwicklungszeiten kriegt man heute nicht mehr hin.Und die kriegt auch ein Elon Musk mit SpaceX nicht hin. Das hat bei Falke 9 auch länger gedauert.Also das ist schon so, dass man damals schon auch anders gearbeitet hat.
Tim Pritlove 0:22:31
Anders inwiefern?
Denis Regenbrecht 0:22:33
Das ist jetzt eine persönliche Meinung von mir, das ist jetzt keine irgendwie... Ich glaube...Also es wurde damals auch schon sehr viele Dokumente geschrieben und es wurdenTrade-offs gemacht und es wurden Justification-Files geschrieben und sowas.Aber ich glaube, dass damals, und das ist auch etwas,wo ich der Meinung bin, was die ganzen Newspace und die Start-up-Firmen undOrganisationen auch zu nutzen wissen, man war damals noch mehr in den Kinderschuhen.Und diese ultra-hierarchischen Systeme, ob das jetzt bei der NASA ist oder beiAriane Group, bei Airbus oder auch bei Lockheed oder bei Boeing,die hatten doch gar nicht die Möglichkeit,sich so zu verhärten.Und das war auch noch eine Zeit, da hat dann glaube ich der Chefingenieur einfachseinen Leuten geglaubt, wenn die gesagt haben, das funktioniert.Dann mussten die nicht noch 200 Seiten Dokument schreiben, wo genau drinsteht,ja es funktioniert wirklich.Und dieses Vertrauen den eigenen Leuten gegenüber und auch irgendwie die kurzenWege und vielleicht Hierarchien, die nicht irgendwie x-Ebenen haben,sondern vielleicht nur zwei oder drei, was wie gesagt die Startups auch machen,das war damals auch dann in dieser Welt noch so.Und ich glaube, das ist auch ein Element, wie man schneller und agiler sein kann.Und wie gesagt, das ist damals, glaube ich, schon vergleichbar gelaufen wiedann mit SpaceX oder bei den anderen Startups heute auch.Also das ist jetzt nichts komplett Neues.
Tim Pritlove 0:24:12
Klar, ich meine, wenn alles noch...Unklar ist, wie man überhaupt geht, dann hat man natürlich auch in gewisserHinsicht die Freiheit, mal in jede Richtung zu forschen.In dem Moment, wo sich irgendeine Technik etabliert hat, wo sich irgendeinebürokratische oder wirtschaftliche Struktur gebildet hat, die dann auch betütteltwerden möchte, dann wird es natürlich dann nicht mehr ganz so einfach.Aber naja, geht ja trotzdem noch irgendwie weiter. Aber so begann dann das Ariane-Programm,du hast es schon gesagt, 1979 startete dann die Ariane 1 das erste Mal.Wie viel hat da funktioniert von dem, was man vorhatte?
Denis Regenbrecht 0:24:51
Ziemlich viel. Also die Ariane 1,die war Erstflug und erfolgreich und die wurde damals ja nicht entwickelt,um irgendwie irgendeinen Markt zu bedienen, sondern die wurde entwickelt,damit europäische institutionelle Nutzlasten gestartet werden können.Forschungssatelliten, Metasatelliten und so weiter.Und das kam aber genau in dem Zeitraum, wo dann das amerikanische Space Shuttlenicht das liefern konnte, was es versprochen hatte.Also ursprünglich war ja der Plan der Amerikaner, wir schaffen alle Raketenab und starten alles mit dem Space Shuttle und die Startkadenzen,die immer geplant waren,die konnten nicht erfüllt werden und deswegen gab es immer noch einen großenBedarf, über das Space Shuttle hinaus Startdienstleistungen anzubieten.Und zeitgleich kam es dann auch, dass dann viel mehr Bedarf war zu starten,auch gerade bei der sich dann auftuenden kommerziellen Telekommunikationsfirmen.Und Ariane kam dann tatsächlich genau in so einem goldenen Moment als kommerziellerAnbieter auf dem Markt. Und das ist auch wieder so ein Element.Also ich sage immer, der erste Raketen-Startup war eigentlich Ariane.Die tatsächlich die ersten richtigen waren, die dann auch auf dem kommerziellenMarkt, das ist auch so ein Element, also einen richtig kommerziellen Startdienstemarktgibt es eigentlich auch nur so semi.Das ist jetzt nicht so, wie wenn man ein Auto kauft, das muss man auch ganzehrlich sagen und noch nicht mal so, wie man ein Flugzeug kauft.Das ist schon nicht so wirklich ein Markt im Adam Smithischen Sinne.
Tim Pritlove 0:26:23
Aber es gibt schon Angebot und Nachfrage.
Denis Regenbrecht 0:26:26
Es gibt schon Angebot und Nachfrage, aber es ist nicht so, dass das in irgendeinerArt und Weise so funktioniert.Die Preisbildung funktioniert nicht so wie im klassischen wirtschaftlichen.Aber okay, das noch am Rande. Aber Ariane kam zum richtigen Zeitpunkt und inden 80ern und 90er Jahren wurden die Arianes 1 bis 4,also 1 bis 4, zwischen 1 und Ariane 4 gibt es technisch keine großen Unterschiede,da wurden immer bloß ein bisschen die Triebwerke verbessert und die Tanks größergemacht, deswegen subsumiere ich die jetzt mal einfach unter einem Ding,die wurden verkauft wie warme Semmel.Also die konnten gar nicht so viele herstellen, wie eigentlich Bedarf war.
Tim Pritlove 0:27:09
Ich meine, zu dem Zeitpunkt war ja im Prinzip die Raumfahrt auch so ein bisschenseiner initialen Explorationsphase und der ersten Begeisterung so ein bisschen entwachsen.Also man hatte halt so, klar...Erste Experimente, dann natürlich die Mondlandung als das große Ziel und danachmerkte man schon, da war dann aber auch so ein bisschen die Luft raus.Die Amerikaner konnten sich dann für weitere Mondlandungen nicht mehr so richtig begeistern.Man suchte sozusagen nach einer neuen Aufgabe, aber dann auch so im Rausch derMöglichkeiten und des Science-Fiction-Wahns ist man dann eben quasi diesem Wegder wiederverwendbaren Raumfahrzeuge gefolgt,was ja an sich auch irgendwo funktioniert hat.Und es gab ja auch zahlreiche Projekte, wo man sagen kann, okay,da sieht man auch, dass das im Prinzip jetzt nicht so eine doofe Idee war.Stichwort Hubble, man setzt es aus, dann funktioniert was nicht,dann fliegt man nochmal hin, dann repariert man das.Das sind ja alles so Sachen, die ohne das Space Shuttle jetzt auch gar nichtso möglich gewesen wären. Nur war eben der Aufwand, um dann das zu maintainen, viel zu groß.Also finanziell, technisch und dann mit der Challenger-Katastrophe etc.Merkte man dann auch, okay, die Komplexität ist nicht mehr so beherrschbar.Und diese Wiedergeburt sozusagen der klassischen Rakete, also im Sinne Wiedergeburtinnerhalb des Systems, welchen Wert die Rakete an sich darstellt.Genau da kam dann im Prinzip Europa und hat gesagt, so eine Rakete haben wirhier, haben wir jetzt mal lange genug drüber nachgedacht.Gucke mal, scheint auch ganz gut zu funktionieren und passte auch von der Größe,wenn ich das richtig sehe,genau für diese neuen Anwendungen, weil man jetzt gemerkt hat,okay, jetzt wollen wir nicht mehr die großen politischen Durchbrüche feiern,sondern jetzt gibt es auch Nutzen.Jetzt brauchen wir Satelliten, jetzt wollen wir uns irgendwie die Welt von oben anschauen.Wissenschaft ist jetzt nicht nur so eine Vorstellung, sondern tatsächlich eine Primäranwendung.Und da war im Prinzip das Ariane-Programm genau zum richtigen Zeitpunkt am Start.
Denis Regenbrecht 0:29:18
Absolut, absolut. Absolut.Wie ich gesagt habe, man kam genau zum richtigen Zeitpunkt da an, wo der Bedarf da war.Das war jetzt nicht in irgendeiner Art und Weise von langer Hand geplant,sondern das war tatsächlich Glück, muss man so sagen.Und die Frage ist jetzt, ob dieses Glück im Nachhinein … Also dieses Glück hatnatürlich die Ausrichtung der Ariane-Welt auch relativ stark mehr oder weniger bestimmt.Also ich hatte am Anfang gesagt, eigentlich wurde die Ariane entwickelt,um institutionelle Nutzlasten zu starten.Und das ist immer noch mehr oder weniger der Grund, warum wir eigentlich europäischSteuergeld ausgeben, um eine Rakete zu entwickeln.Es geht darum, dass man nur souverän im Weltall agieren kann,wenn man souverän in den Weltall kommt. Und dazu braucht man eine eigene Rakete.Da will ich nochmal ganz kurz in das Jahr 72 zurück, als wir noch keine eigene Rakete hatten.Ich weiß nicht, ein paar Zuhörer haben wahrscheinlich die Symphonie-Geschichte schon kennen.Das war ein Telekommunikationssatellit, eine Kooperation aus Deutschland undFrankreich, der 1972 hätte gestartet werden sollen.Und das wäre mehr oder weniger so der Vorläufer des ersten drei Achsen stabilisiertenTelekommunikationssatelliten, wie man ihn heute kennt.Früher gab es diese ganzen Tonnen immer.Aber dieser drei Achsen stabilisierte Satellit, also mit den Solarzellen nichtdrumherum, sondern mit Flügeln, das war halt eine Neugeneration,die auch eine viel höhere Leistung hatte.Und das hatten die Europäer entwickelt und die wollten den auch starten,hatten aber keine Rakete.Und dann ist man zu denen gegangen, die Raketen haben, die Amerikaner und diehaben dann gesagt, ja starten wir euch gerne, aber ihr dürft den aber kommerziell nicht nutzen.Obwohl da eigentlich für eine kommerzielle Nutzung geplant war.Also 72, da sollte glaube ich irgendwie Olympische Spiele übertragen,irgendwie sowas. und die Amerikaner haben gesagt, ja wir starten das Ding,ihr dürft das aber nur als.Telekommunikationsexperimentalsatelliten benutzen und damit kein Geld verdienenund da hat man gesehen, okay, selbst unsere Freunde, die Amerikaner,nutzen das aus, um sozusagen unliebsame Konkurrenz mehr oder weniger am Bodenzu lassen oder sie nicht wirtschaftlich zu machen.Und deswegen war, das war ein Zeichen, dass es sinnvoll war,mit einer Ariane angefangen zu haben und vorher mit einer Europa-Rakete angefangenzu haben. Und das ist auch das Element, warum es ganz wichtig ist,dass Europa eigene Raketen hat.Es gibt immer Leute, die sagen, ja Gott, dann gehen wir halt zu Elon Musk unddann kaufen wir uns einen Falcon 9.Ja, ja, solange es noch andere Möglichkeiten gibt, ist das eine Methode,die man machen kann, um Geld zu sparen vielleicht.Aber sobald Europa keine Raketen mehr hat, also ich weiß nicht,ob sich die Galileo-Kollegen oder die Erdbeobachtungskollegen vollkommen abhängigmachen wollen von den, sage ich jetzt mal, Befindlichkeiten von Elon Musk.Und nicht nur von den Befindlichkeiten.
Tim Pritlove 0:32:25
Auch die Kooperation mit den Russen, die ja hier lange Zeit intensiv verfolgtwurde und die dazu führte, dass es eine eigene Startrampe gab in Kourou,also auch immer noch gibt, aber jetzt nicht genutzt wird für die Soyuz-Raketen.Haben wir jetzt gesehen, wie die politischen Konflikte rund um den Ukraine-Kriegauch solchen Ambitionen schnell ein Ende setzen kann.
Denis Regenbrecht 0:32:48
Ganz genau. Und da sieht man, also wenn man die Technologien nicht selbst hatund darauf zugreifen kann, dann ist man im Endeffekt ausgeliefert.Und deswegen ist es halt auch so wichtig, dass die Ariane 6 jetzt mal zügigin die Pötte kommt. Aber da kommen wir, glaube ich, später noch drauf.
Tim Pritlove 0:33:03
Genau.Gehen wir nochmal auf das eigentliche Erfolgsprogramm, weil Ariane 1 bis 4,das war im Prinzip so das, was eigentlich die europäische Raumfahrtindustriedann erst so richtig aus der Taufe gehoben hat,weil darum geht es ja auch, es geht ja nicht nur darum,dass man jetzt eine nationale Behörde hat, sondern es ging ja schon immer auchdarum und auch weiterhin eine entsprechende Industrie großzuziehen,die natürlich nur dann existieren kann, wenn es auch einen fortwährenden Bedarf gibt.Das ist ja auch so ein Aspekt bei diesen Bewertungen mit, oh Gott,so viel Geld, was uns das alles kostet.Ich glaube, wenn man da mal nachrechnet und sieht, okay, da die ganze Kohlein Europa reingeht und es ja auch immer diesen Verteilungsschlüssel gibt,dass wenn jetzt irgendein Projekt aufgesetzt wird,dass dann eben das, was die Länder lokal investieren, also sagen wir mal jetztdiese 20 Prozent, von denen du gesprochen hast, bei der Ariane,die Deutschland dort reinsteckt, Diese 20 Prozent fließen ja dann auch wiederuman deutsche Unternehmen,das ist entsprechend geregelt, sodass man dann eben damit automatisch auch immereine lokale Industrie füttert, die dann diese Technologien entwickelt.Know-how aufbaut, Leute ausbildet, Infrastruktur und Produktionskapazitätenschafft, dass wenn eben der Bedarf besteht, dass man dann eben nicht erst sodasteht und sagt, ach was wollt ihr haben, so eine Rakete, sowas haben wir ja noch nie gemacht.Sondern dass das einfach da ist und dass man im Prinzip damit arbeiten kann.Das ist natürlich immer so ein Balanceakt, weil auf der anderen Seite, okay,jetzt haben wir vielleicht gerade mal nicht so viel Bedarf oder so viel Mittel,wenn wir das jetzt aber zu sehr kürzen, dann führt es dazu,dass dann eben die Leute die Industrie verlassen und wenn wir dann fünf Jahrespäter wieder feststellen, oh, jetzt haben wir aber dann doch wieder Bedarf,dann stehen wir halt doof da.Das ist natürlich immer sehr schwierig zu machen.Aber jetzt ging es ja erstmal ganz gut los.Wann begann sozusagen die Erkenntnis, dass man mit diesem Ariane...Mit diesem ersten Ariane-Modell, was dann halt Ariane 1 bis 4 war, nicht mehr vorankam.
Denis Regenbrecht 0:35:11
Ja, das ist auch eine interessante Geschichte. Man hatte die Ariane 5 als Nachfolgemodell,die war eigentlich originär gar nicht dafür gedacht gewesen,diesen Bedarf zu bedienen oder dem zu dienen.Die Ariane 4, die hat zu dem Zeitpunkt alles noch wunderbar geflogen und dieAriane 5 war 1985, wurde ein Vorbereitungsprogramm beschlossen,1987 das richtige Entwicklungsprogramm.Das wurde gemeinsam beschlossen, jetzt sind wir wieder bei wiederverwendbarenRaumfähren und Gleitern, zusammen mit dem Hermes-Projekt.Also muss man sagen, das ist wieder so ein typisch deutsch-französisches Ding.Zu den damaligen Zeiten, diese Aufteilung ist heutzutage nicht mehr ganz sohundertprozentig, war Raketen stark von den Franzosen dominiert und bemannteRaumfahrt war etwas, was den Deutschen sehr wichtig war.Und da hat man dann sozusagen bei dieser Ministerratskonferenz,also Ministerratskonferenzen, das sind Meetings, die alle zwei,drei Jahre stattfinden, wo auf Minister-Ebene der ESA sozusagen große Programme aufgegeben werden,das nochmal zur Erläuterung, dass auf der Ministerratskonferenz dann gesagtwurde, wir vereinigen die deutschen und die französischen Interessen,wir bauen eine neue Rakete, das wollte Frankreich sowieso, eine Ariane 5 mitneuen Technologien, also hauptsächlich Wasserstoff, Sauerstoff.Die Ariane 1 bis 4, die war.Energetisch schlechteren Treibstoffen ausgestattet und die Deutschen,die konnten dann dafür sozusagen den Hermes-Gleiter entwickeln hauptsächlichund die Rakete ist darauf ausgelegt, diesen Hermes-Gleiter, also so eine Art Mini-Shuttle,ins Weltall zu schießen.Und das war mehr oder weniger der Startschuss für die Ariane 5,die, wie gesagt, zu dem Zeitpunkt überhaupt noch gar nicht gedacht war,um irgendwie Satelliten zu starten.Im Laufe der Entwicklung war es dann so, wie es immer so ist.Hermes wurde schwerer, die Leistungsfähigkeit der Ariane prognostiziert wurdeweniger, sodass am Ende des Tages rauskam oder sich ergeben hat,Hermes war zu spät, war zu schwer, wurde auch zu teuer.Und dass man sich dann entschlossen hat, Hermes einzustellen,weil es war auch, glaube ich, technologisch, hat man sich sehr weit aus demFenster gelehnt oder sich mehr zugetraut, als man dann eigentlich konnte.Und das war dann Anfang der 90er Jahre.Aber gleichzeitig hat man dann gesagt, okay, aber die Ariane 5 entwickeln wir trotzdem weiter.Hätte man ja sagen können, okay, der eigentliche Nutzungszweck ist jetzt ja weggefallen.Wir haben eine Ariane 4, die ist irgendwie für alle Bedarfe gut geeignet,die wir haben, also gerade für unsere institutionellen Bedarfe.Die Ariane 5 ist eigentlich dafür gar nicht optimiert.Aber das ist ein Ja, also die Antwort wäre Ja gewesen.Man hat sich aber trotzdem entschieden, die Ariane 5 weiterzuentwickeln undsie dann statt Hermesse starten zu lassen, ganz normal Satelliten starten zu lassen.Auch unter der Aussage, dass seit den 80er Jahren in die 90er Jahre hinein underkennbar auch in die Zukunft, die durchschnittlichen Satellitenmassen immerweiter angestiegen sind.Man hat dann auch festgestellt, das ist auch korrekt bei der Ariane 4,Die hat wirtschaftlich davon profitiert, dass sie sehr oft oder meistens sogarzwei Satelliten gleichzeitig starten konnte,sodass sozusagen sich zwei Satelliten den Preis der Rakete teilen konnten,sodass es für die nochmal günstiger wurde.Aber es kam dann gegen Ende hin der Nutzungszeit der Ariane 4 immer öfter,dass nur noch ein Satellit gestartet werden konnte, weil die durchschnittlichenSatellitenmassen sich halt nach oben bewegt haben.Sodass man gesagt hat, okay, wir haben jetzt eine Ariane 5, die ist darauf zwarnicht optimiert, aber vielleicht ist das das Problem für die ansteigenden Satellitenmassen.Wir entwickeln die jetzt mal so, dass die dann auch dieses Marktsegment bedienen kann.Und das hat man dann auch gemacht und ist dann 1996 zum ersten Mal gestartet,was leider allerdings ein Misserfolg war aus softwaretechnischen Gründen.Das ist eine richtig, richtig interessante Geschichte.Das wird jetzt hier zu weit führen, da die Details zu erklären.Den Untersuchungsbericht kann man aber tatsächlich immer noch online finden.Es wird immer gesagt, man hat Teile der Ariane 4 benutzt und die waren nichtqualifiziert. Das ist alles ein bisschen vereinfacht dargestellt.Aus dem Belageregelungssystem Sensorteile und Kreisel benutzt.Man hat allerdings die Software nicht darauf angepasst, an die Variablengrößen,sodass es zu einem Buffer-Override kam.Also ganz vereinfacht gesagt, die Variablengrößen waren für die Flugparameter der Ariane 4 ausgelegt.Und man hatte nicht bedacht, ganz vereinfacht gesagt, dass die Werte,die dann kommen, vielleicht nicht in die Variablengrenzen hineinpassen,bei einer Ariane 5 auftauchen.Was dann dazu geführt hat, dass dann so eine Art Buffer-Overflow war und dann...
Tim Pritlove 0:40:24
Okay, klassisches Software-Problem.
Denis Regenbrecht 0:40:27
Ja, und das ist interessanterweise immer noch ein großartiges Lehrstück in IT,Sicherheitsengineering. Das ist...
Tim Pritlove 0:40:39
Das muss ja auch alles erstmal gelernt werden. Das sind so Dinge,Ja, die merkt man dann halt auch erst, wenn sie schief gehen und das ist jabei der Raumfahrt auch so ein Klassiker.Die Amerikaner hatten das ja auch bei ihren Marslandungen. Ich weiß gerade nicht,welche Mission das war, die da schief gegangen ist, weil dann doch nochmal einbisschen mit imperialen Maßeinheiten gerechnet wurde.Das kann halt ganz schnell in die Hose gehen und das bedeutet ja letzten Endesnur, man braucht eben auch im Softwarebereich eine Art Management,wie man sich dann sozusagen in der Hardware bereits angewöhnt hatte,aber Software war so lange Zeit etwas verkannt, sodass man dann dachte,naja, dann muss man das halt ein bisschen programmieren und sowas.Was kann schon schief gehen und so stellt sich raus,so ziemlich alles kann schief gehen und vor allem ist die Komplexität,die Software so an den Tag legt, nochmal ein ganz anderes Engineering,als man das jetzt vielleicht bei anderen Prozessen so kennt,weil sich Dinge nicht so ohne weiteres messen und vorhersagen lassen.
Denis Regenbrecht 0:41:43
Du hast vollkommen recht und das ist auch am Ende des Tages in allen größerenEntwicklungsprogrammen, ob das jetzt Raketen sind oder Satelliten,das, was mehr oder weniger immer die rote Laterne hat, ist Software.Ist bei Ariane 6 auch so.Jetzt momentan gerade nicht mehr, aber ein Großteil des Entwicklungsprogrammeswar Software und Avionik immer der kritische Pfad.
Tim Pritlove 0:42:11
Gut, ich meine, hat natürlich auch damit zu tun, dass Software in gewisser HinsichtDinge auch erst möglich macht, die man jetzt rein mit normalen klassischen Hardware-Regelungssystemennicht so erreichen könnte.Also auf einmal ist man in der Lage, Grenzbereiche weiter zu nutzen,ohne dass man noch mehr Technik reinstecken muss, wenn man sie halt nur halbwegs intelligent managt.Aber das intelligente Management setzt natürlich dann eben auch entsprechendvoraus, dass man die Komplexität in dem Moment auch wirklich in den Griff kriegt.Und das ist dann eben so eine Sache.Aber Raumfahrt hat, sagen wir mal, auch der Softwarewelt, wenn wir auf dem Themakurz mal bleiben, auch eine Menge gegeben, weil ich denke, es gibt eigentlich keinen Bereich,der gezeigt hat, wie sicher man Systeme auch machen kann,wenn man so halbwegs vorausschauend an so Aspekte wie Redundanz und eine neueReprogrammierbarkeit schaut.Ich meine Voyager 1 und 2, das allerbeste Beispiel wahrscheinlich,Missionen, die jetzt irgendwie seit den 70er Jahren unterwegs sind und immernoch fliegen und die immer noch, ich glaube wir hatten jetzt gerade im letzten Jahr, 23.Gab es doch diesen Fall, dass auf einmal Voyager 1 oder 2, ich glaube auch 1,kryptische Signale gesendet hat.Auf einmal war das alles nur noch so ein Datenbrei und ich habe den Fall jetztnicht so genau verfolgt, aber ich glaube auch da ist man dann halt schnell wiedereinem Softwareproblem auf die Spur gekommen. War es so?
Denis Regenbrecht 0:43:51
Ich denke ja, also ich kann mich auch nur oberflächlich daran erinnern,aber ich finde es aber gerade auch, was die Voyager angeht, ich finde es haltauch krass, das ist ja dann wirklich,keine Ahnung wie viel RAM so ein Ding, wenn es Kilobyte sind,ist viel so nach dem Motto.Also da wird ja irgendwie jedes Bit so einzeln sozusagen in Betracht gezogenund dass es da immer noch die Möglichkeit gibt, da auch noch an der Programmierungwas zu ändern und dann über diese Entfernung hinaus und dass es immer noch Leutegibt, die das auch verstehen.Also das geht da, also ich finde es immer lustig, wenn dann keine Ahnung,irgendwelche Stellengesuche sind, weil irgendwelche Kobol-Programmierer gesuchtwerden in irgendwelchen Finanz- und Bankengeschichten.Also das ist, ja, also,Also gerade in den Bereichen Raumfahrt und ist man glaube ich mit so ein paarälteren Programmiersprachen, hat man glaube ich noch ganz gute Chancen.
Tim Pritlove 0:44:49
Älteren Programmiersprachen oder ich glaube in der Raumfahrt,also bei diesen ganz alten Systemen ist es ja sozusagen auch ein umfangreichesVerständnis der gesamten Technik, weil die Hardware natürlich auch genau dafür gemacht ist.Ich finde viele Aspekte davon sehr bemerkenswert, aber grundsätzlich,dass die Systeme überhaupt in der Lage sind, sich auch immer wieder neu zu starten,zuverlässig, dass sie immer wieder in der Lage sind, auf eine Version ihrerSoftware zurückzugreifen, mit der sie sicher erstmal ein,ich sehe die Erde wieder und ich bin in der Lage, weitere Kommandos entgegenzunehmen,solche Zustände hinzubekommen.Das ist super wichtig, jeder der schon mal Probleme mit dem Starten seines eigenenComputers hatte und das sind wahrscheinlich so ziemlich alle,also schnell ist man in so einer Situation, wo man sich durch Systemupdateshalt irgendwie alles verkackt hat und dann muss man eben neu installieren,aber neu installieren geht halt nicht im Weltall und ja, also Software ist definitiv so ein Punkt.Aber kommen wir nochmal zurück zur Ariane 5.Also was war denn jetzt dann unterm Strich anders?Nutzlast, Möglichkeiten, Volumen, alles ist ja ein bisschen aufgeproppt worden.Kannst du mal so die wichtigsten Parameter vielleicht nennen,die letzten Endes das neue Paket dann ausgemacht haben?
Denis Regenbrecht 0:46:10
Also die Ariane 1 bis 4, die sind, also was wir sogenannte lagerfähige Treibstoffenennen, also das sind Treibstoffe, die bei Raumtemperatur flüssig sind.Also bei Ariane 1 bis 4 sind das Hydrazinderivate und Stickstofftetroxid,beides hochgiftige Sachen, also das ist auch das ähnliche, was die Russen in der Proton benutzen.Vorteil ist, ist relativ also im Triebwerk einfach zu handeln,weil sich das gegenseitig so selbst anzündet, man muss da nicht komplizierteTechnik schaffen, die kommen in Berührung und das macht Puff, aber es ist natürlich,hochgiftig, hochkorrosiv und das Handling ist wirklich komplex,also auch für die Leute, das ist glaube ich eine der gerade Hydrazin mit einerder karzinogensten Substanzen, die man sich vorstellen kann kann.Und das ist natürlich nicht so optimal.
Tim Pritlove 0:47:10
Nicht nur im Handling, sondern auch im Schadensfall.
Denis Regenbrecht 0:47:12
Richtig. Und das kommt aus der Historie tatsächlich dann auch der flüssig Interkontinentalraketen,weil man diese Sachen, weil die flüssig sind, tankt man in die Rakete rein unddann kann man das Wochen, Monate einfach betankt stehen lassen.Wenn man dafür sorgt, dass dann die hochkorrosiven Sachen dann auch nicht dieTanks kaputt korrodieren. Das sind aber alles lösbare Probleme.Sie sind aber halt auch nicht so effektiv als Treibstoffe.Also die effektivste Treibstoffkombination ist Flüssigwasserstoff,Flüssigsauerstoff in der Verbrennung, die wir nutzen können.Wenn ich effektiv sage, dann meine ich damit, was wir spezifischen Impuls nennen.Möchte ich jetzt gar nicht erklären, was das genau ist, aber letzten Endes istes ein Wert dafür, mit wie viel Masse Treibstoff ich Vorschub erzeugen kann.Also je höher der spezifische Impuls ist, desto mehr effizient kann ich denTreibstoff, den ich mitnehme, nutzen.Und Flüssigwasserstoff, Flüssigsauerstoff ist da halt in der Verbrennung mit das Optimum.Man kann auch Fluor nehmen, das ist noch optimaler, aber das nimmt kein Mensch,weil das ist noch giftiger.Also deswegen ist das mehr oder weniger das.
Tim Pritlove 0:48:24
Wasserstoff und Sauerstoff sind die hoch unproblematischen Stoffe. Ja.
Denis Regenbrecht 0:48:29
Ganz genau. Also die sind nicht giftig, die muss man halt kühlen. Gibt es auch in Mengen.Genau, kann man elektrolytisch herstellen, also wird auch in Kuh direkt hergestellt.Muss man da nicht irgendwie mit dem Schiff hinschieben.Und die Verbrennungsprodukte, die sind am Ende des Tages auch ungiftig,weil es nämlich Wasser und Kohlenstoff, ja okay, okay, durch die Reaktion mitder Luft entstehen auch noch Stickoxide.Aber das ist alles vernachlässigbar gering, sage ich jetzt mal.Also die Hauptreaktionsprodukte ist tatsächlich...Schub und Wasser. Und das hat man halt in der Erststufe benutzt und benutztdas auch in der Oberstufe, weil in der Oberstufe ist es eigentlich fast noch wichtiger,so eine hochenergetische Kombination zu benutzen, weil es da weniger auf denSchub ankommt, als auf diesen spezifischen Impuls.Also jeden Kilogramm, den ich sozusagen in der Oberstufe sparen kann,der kommt der Nutzlast zugute. Deswegen ist eine hohe Effizienz in der Oberstufefür das Gesamtsystem noch besser als vielleicht vergleichsweise in der Unterschub.
Tim Pritlove 0:49:32
Jetzt sag doch nochmal was zu diesem Unterschied zwischen Schub und Impuls.Klingt ja jetzt erstmal wie, knallt raus, macht Wumms, beschleunigt. Wo ist der Unterschied?
Denis Regenbrecht 0:49:42
Also Schub ist im Endeffekt, ich vergleiche jetzt mal ganz unwissenschaftlichund unphysikalisch mit einem Auto.Also der spezifische Impuls ist mehr oder weniger vergleichbar mit den Kilometerpro Liter Tankfüllung oder wie viel 100 Kilometer kann ich pro,wie viel Liter brauche ich da tanken.Und der Schub ist im Endeffekt wie viel PS. Also der Schub ist die Kraft, mit der der Vorschub.
Tim Pritlove 0:50:07
Das andere ist die Effizienz?
Denis Regenbrecht 0:50:08
Das andere ist die Effizienz. Undder Schub ist am Anfang wichtig in der Startphase, wenn die Rakete abhebt.Und in der ersten Flugphase, weil dann die Erdgravitation noch auf die Rakete einwirkt.Und natürlich muss der Schub, die Schubkraft muss am Anfang größer sein alsdie Gewichtskraft der Rakete, weil sonst hebt sie nicht ab. Und das ist so einbisschen ein Nachteil von diesen Flüssigwasserstoff, Flüssigsauerstoff-Triebwerken.Die Schubkraft ist vergleichsweise geringer.Deswegen hat die Ariane 5 geringer als beim Hydrazin oder auch bei Kerosin-Sauerstoff-Triebwerken,also das, was SpaceX benutzt.Und also man kann auch ein Triebwerk bauen, was genügend Schub,herstellt, flüssig Wasserstoff, flüssig Sauerstoff, das dann aber wieder dazuführt, dass ich viel mehr Treibstoff brauche und das Volumen des,also flüssig Wasserstoff ist halt vom Volumen her relativ viel,also die Dichte ist halt gering, deswegen brauche ich dann wieder große Raketenum groß, also groß genüge Tanks zu haben, um das da reinzukriegen und für Deswegenhat die Ariane 5 halt auch 5,40 Meter Durchmesser,weil man braucht ein ordentliches Volumen.Und wenn man dieselbe Rakete mit demselben Schub mit Kerosin bauen würde,wäre die Rakete vom Volumen her viel geringer.Und um das auszugleichen, dafür hat die Ariane 5 die zwei Feststoffbooster,weil Feststoff ist zwar in der Verbrennungseffizienz ganz schlecht im Vergleich,aber es ist halt sehr einfach damit sehr hohen Schub zu generieren.Man ist auch von der Technologie nicht so kompliziert, man braucht da keineSteuerung und Regelungen und Pumpen, sondern das ist eigentlich wie so eineArt große Silvesterrakete.Machst du einmal an, dann macht es zisch und dann, wenn sie fertig ist, wird sie abgeworfen.Und deswegen, das ist diese Kombination.Also man hätte die Ariane 5 auch anders bauen können, aber das war halt dasOptimum damals für den Anwendungsfall, den man sich ausgeguckt hat.
Tim Pritlove 0:52:18
Okay, also wer die Ariane 5 jetzt nicht so vor dem geistigen Auge hat,das ist halt im Prinzip so eine lange Rakete, wo dann halt links und rechtsin der unteren Hälfte die zwei Feststoffbooster eben für den Start dran sind.Das heißt, wenn das Ding startet, gehen die Feststoffbooster los,aber die Hauptstufe zündet auch.Also alles zündet sozusagen. Mit den Boostern wird dann eben gemeinsam mit derOberstufe diese initiale Überwindung der Gravitation durchgeführt,bis man dann halt an so einen Punkt kommt.Wie heißt nochmal dieser maximale Punkt?
Denis Regenbrecht 0:52:58
Maximaler dynamischer Druck.
Tim Pritlove 0:53:28
Wann wie viel es dann auch immer sind. Also bei der Ariane ist es dann halt im Prinzip die eine.Und obendrauf hat man dann eben noch die eigentliche Nutzlast,die ja wirklich verschwindend wenig Raumanteil hat an dem.Aber die Raketen sind ja nochmal sehr groß, deswegen passt da oben auch noch was drauf.
Denis Regenbrecht 0:53:44
Also nur mal um den Anteil zu sagen. Also bei der Ariane 5, die wiegt ungefähr 800 Tonnen.Und die Nutzlast obendrauf, die wir in den GTO schießen, ist ungefähr 10 Tonnen.Also man hat ungefähr so...10 durch 800, also ein bisschen mehr als ein Prozent. Und der Rest wird weggeworfen.Bei wiederverwendbaren Raketen wirft man weniger weg, aber letzten Endes istes halt einfach so, dass ein Großteil dieser Masse ist einfach der Treibstoff, der verbrannt wird.Der einfach gebraucht wird, um diesen Vorschub und diesen Impuls sozusagen zu generieren.
Tim Pritlove 0:54:25
So, die Ariane 5 hat hat also jetzt sozusagen diese Dimensionen nach oben gebracht.Jetzt hast du schon eine Zahl gesagt, man hatte auf einmal eine deutlich höhereNutzlast, also man kann bis zu 10 Tonnen Also 10 Tonnen in den GTO.
Denis Regenbrecht 0:54:39
Also man hat mal, also das ist auch interessant, also die erste Ariane 5,da waren es ungefähr so 7 Tonnen.Aber durch regelmäßige Weiterentwicklung, Verbesserung, auch durch eine neueVersion, die 2003 zum ersten Mal gestartet ist,der Oberstufe, im Speziellen, also untenrum hat sich kaum was geändert,hat man es dann geschafft, tatsächlich bei den letzten Flügen war die Nutzlastfähigkeitin den geostationären Transferorbit, also das ist da, wo die ganzen,Kommunikationssatelliten, also die Hauptnutzlasten der Ariane 5 hinfliegen,auf bis zu fast 11 Tonnen zu steigern.Also das ist wirklich, wenn man sich das überlegt, von 7 auf 11 Tonnen,das ist schon mal eine ordentliche Steigerung.Und Und vergleichsweise in den LEO, also den niedrigen Erdorbit,kann die Ariane 5 so ungefähr 20, 21 Tonnen fliegen.Also das ist auch schon eine ordentliche Portion. Also die ganzen ATVs,also die automatischen Versorgungsraumschiffe, die von der ESA gebaut wurdenzur Versorgung der ISS, die wurden auch mit der Ariane 5 gestartet.
Tim Pritlove 0:55:46
Und die nutzten dann auch die Nutzleistung komplett aus.
Denis Regenbrecht 0:55:50
Also das war wirklich irgendwie bis...Ein bisschen Marsch, aber da wirklich, also mit ATV war dann auch irgendwiedie 21 Tonnen tatsächlich relativ komplett ausgenutzt.Und irgendwie, also das James Webb, da kann man jetzt, also die Nutzlast indiesen Orbit, die ist nicht vergleichbar, weil das halt ein spezieller Spezialorbitist da an den Lagrange-Punkt, aber da ist auch die Performance tatsächlich auch bis auf den letzten,Prozent ausgenutzt worden und das war halt auch wirklich,ein sehr beeindruckender der Mission.
Tim Pritlove 0:56:23
Also die Ariane 5 war insofern auch sehr universell einsetzbar.Also sowohl für Low Earth Orbit, wo dann halt mehrere Satelliten in die Nutzlastreingepackt werden konnten. Ich weiß nicht, was da so das Maximum ist.
Denis Regenbrecht 0:56:36
Also Low Earth ist eigentlich, also ja, war möglich, aber die ist dafür abernicht hundertprozentig optimiert.Also nicht optimiert ist das falsche Wort, aber die meisten Leo-Satelliten sindeinfach zu klein, um mit einer Ariane gestaltet zu werden.Also bei den ATVs hat das Sinn gemacht, weil das eine große Nutzlast war.Aber jetzt so, wenn jetzt irgendwie,keine Ahnung, jetzt im Vergleich Starlink oder sowas mit Falcon,diese Art von Konstellationen in Leo oder in Meo, in den mittleren Erdorbit,diese Art von Nutzlasten, die gab es damals eigentlich noch gar nicht.Die sind eigentlich erst jetzt so in den letzten paar Jahren groß geworden undeigentlich würde Ariane 5 das wahrscheinlich auch gekonnt haben,aber die Nachfrage nach Leo-Staats war tatsächlich eher gering.Es gab hin und wieder mal welche, hauptsächlich im Erdbeobachtungssatelliten ziviler Art,aber halt auch von Agenturen militärischer oder nachrichtendienstlicher Seite,also die Erdbeobachtungssatelliten der französischen...Geheimdienst, muss man so sagen, vom französischen Geheimdienst,die wurden auch mit der Ariane 5 gestartet.Aber das war nicht so die Hauptsumme. Die Hauptsumme an Satelliten,die gestartet wurden, waren tatsächlich die GTO-Satelliten, die Kommunikationssatelliten,die über viele, viele Jahre das Bread-and-Butter-Geschäft der Ariane-Spas waren.Also wenn man jetzt guckt, Ariane 5 hat so sechs bis sieben Starts im Jahr gemachtin ihrer besten Zeit und davon waren vielleicht zwei für institutionelle Kundenund der Rest war kommerziell mit GTO-Sateliten.
Tim Pritlove 0:58:27
Zum ATV, dem Automated Transfer Vehicle, habe ich ja auch bei Raumzeit mal einGespräch geführt mit Nico Dettmann.Das war auch sehr interessant, wo es dann auch wirklich genau darum ging,wie kann man jetzt die Nutzlast mal so komplett ausnutzen. Raumzeit 17,wer das nochmal hören möchte.Auch schon eine Weile her. Das ATV-Projekt war damals noch im Betrieb.Da fehlte glaube ich noch ein oder zwei von diesen insgesamt fünf Launches.Das war ja auch sehr erfolgreich, weil es ja dann im Prinzip auch so der Vorläuferwar für das, was jetzt angestrebt wird bei der Artemis-Mission.Da ist ja jetzt die europäische Raumfahrt mit der NASA zusammen auch bei denneuen bemannten Raumfahrtprojekten dabei.Okay, aber bleiben wir mal bei der Ariane 5.Ariane 5 ist ja im Prinzip...Das Erfolgsmodell eigentlich der europäischen Raumfahrt dann geworden,weil man jetzt zum richtigen Zeitpunkt eine sehr zuverlässige Rakete hatte.Okay, Softwareprobleme mussten erstmal ausgemerzt werden, aber nachdem der ersteLaunch nicht geklappt hat, gab es danach, glaube ich, eine ziemlich unbefleckte Betriebsgeschichte.
Denis Regenbrecht 0:59:43
Erstmal noch nicht, also der erste Start war 97, der zweite 98,also der kam oben an, aber nicht genau da, wo man hin wollte.Dann hat sie das so ein bisschen so mit ein, zwei Starts im Jahr so ein bisschenso mühsam nach vorne getrieben und 2003 war dann der Erststart dieser neuen Version,von der ich auch vorhin sprach, die auch eine Wasserstoffoberstufe hatte.Also die erste Oberstufe der Ariane 5, die ging noch aus der Hermes-Zeit hervor.Die hatte auch diese lagerfähigen Treibstoffe, also Hydrazin und Stickstofftetroxid als Kombination.Und die richtige Nutzung der potenziellen Nutzlastfähigkeiten kam erst mit derVersion, die wir ECA nennen.Das ist die Oberstufe, die auch Wasserstoff, Sauerstoff hat.Und deren Erstflug war 2003 und der war halt auch ein Misserfolg.Aber spätestens dann ging es dann eigentlich relativ schnell.Also so ab Mitte der 2000er Jahre bis so in die 2000...Ende der 2010er Jahre lief das dann tatsächlich sehr erfolgreich,sechs bis sieben Missionen im Jahr und war ein Erfolgsmodell.
Tim Pritlove 1:01:02
Also haben alle funktioniert. Also ich glaube, es gab insgesamt 117 Starts der Ariane.Fünf davon sind eigentlich nur zwei so richtig in die Hose gegangen.
Denis Regenbrecht 1:01:11
Das waren die beiden, die ich da...
Tim Pritlove 1:01:13
Genau, und drei halt so, ja, hätte besser sein können, aber ging schon irgendwie.Aber das ist ja eine super Quote. Also ich meine dafür, wie komplex das Ganzeist und wie groß das Risiko ist, dassenkt ja dann letzten Endes auch die Gesamtkosten über die gesamte Zeit.Weil man macht natürlich mit jedem erfolgreichen Start dann auch mal wiederso einen Schritt nach vorne und wenn man dann nicht wieder alles in die Investigationvon Fehlern und Ausmerzungen derselben stecken muss, dann kommt man halt auch voran.Was sind denn so die größten Erfolge der Ariane 5 gewesen?
Denis Regenbrecht 1:01:53
Also ich würde sagen, weil es noch gar nicht so weit zurückliegt, James Webb.Also das ist die teuerste zivile Nutzlast, die jemals gestartet wurde in einem Einzelstart.Also wenn man jetzt vielleicht auch irgendwie ISS-Module mal außen vor nimmt.Aber selbst dann, und das war großartig, dann….
Tim Pritlove 1:02:14
Das war deshalb großartig, muss man sagen, weil es halt nicht nur geklappt hat,sondern weil es so gut geklappt hat.
Denis Regenbrecht 1:02:21
Dass die Lebenszeit des Teleskops um mehrere Jahre länger ist.Also das Teleskop wurde so punktgenau auf den Zielpunkt abgegeben,dass viel weniger Nachsteuerungstreibstoff gebraucht werden musste von JamesWebb selbst, der jetzt benutzt werden kann, um länger die Mission zu betreiben.Ich war beim Start nicht dabei, aber ich habe mitbekommen, was da im Vorfeldauch alles gelaufen ist an Optimierungen.Die NASA hat sich wirklich alles fünfmal angeguckt.Wir, die ESA-Kollegen und auch die Ariane-Group-Kollegen,Zwei, drei Jahre vorher, da war regelmäßig jemand von der NASA da und hat sichda wirklich alles zeigen lassen und das war wirklich nur mal auf Herz und Nieren geprüft.Also das war schon ein ganz spezieller Kunde.Aber man hat gesehen, hat was gebracht und kam gut, also war super. Super.
Tim Pritlove 1:03:23
Lass uns da mal kurz bleiben, weil ich glaube, das ist vielleicht dann auchexemplarisch, auch wenn es jetzt so am Ende des Ganzen war oder vielleicht auch gerade deswegen,weil man jetzt ja hier die gesamte Erfahrung dieses Projekts,man kennt die Rakete, man hat eigentlich alle Fehler irgendwie schon ausgemerzt,über 100 Starts, die zuverlässig funktioniert haben.Es gab vor ein paar Jahren, gab es glaube ich nochmal so eine gescheiterte Injektionoder so eine teilgescheiterte Injektion.Da ist nochmal was schief gegangen, vielleicht genau zum richtigen Zeitpunkt,was James Webb betrifft.Aber man kann ja glaube ich gar nicht ausreichend beschreiben,wie feucht die Hände der Raumfahrtwelt waren bei dieser Mission.Also wenn jetzt irgendein Fernsehsatellit abregnet über dem Atlantik,dann sagt man ja, scheiße gelaufen, aber es gibt halt ein bisschen weniger Fernsehen.
Denis Regenbrecht 1:04:20
Bezahlt die Versicherung, baut man neu.
Tim Pritlove 1:04:22
Genau, aber wenn jetzt bei James Webb irgendwas schiefgegangen wäre,das wäre ja auch eine Schmach gewesen.Das habe ich keinem gewünscht.Bei Raumzeit 93 habe ich mich ja mit Günther Hasinger noch in Madrid vorhernoch über James Webb unterhalten und auch da war halt einfach klar,also wenn das irgendwie schiefläuft, das wäre einfach eine Tragödie,so würde man es mal sagen.Dementsprechend aufgeladen war das.Schreib doch mal, wie diese Vorbereitung auf diesen Launch so lief und wie wurde sichergestellt, dass,Also wie hat man versucht sicherzustellen, dass man auch wirklich an alles gedacht hat?Weil gerade so dumme Sachen wie die Software, ein falscher Wert,der Buffer-Overflow etc., das musste ja auf jeden Fall verhindert werden. Wie macht man das?
Denis Regenbrecht 1:05:24
Also ich kann da jetzt nur aus zweiter Hand berichten, weil das natürlich dieESA-Kollegen gemacht haben, aber die Rakete, die für James Webb ausgesucht war oder selektiert wurde,das war jetzt auch nicht, also keine Rakete, die hergestellt wird,ist irgendwie eine vom Band.Also das ist bei uns sicherlich ein bisschen was anderes als bei Elon Musk.Wenn der da 50 Stück im Jahr startet, ist das glaube ich schon viel vom Band.Bei uns ist es halt schon noch so, dass, also wir machen immer so ein bisschenWitz, dass es irgendwie Manufaktur ist. Aber man muss schon sagen,es ist vielleicht nicht unbedingt Manufaktur, aber es ist Prototypenbau,würde man es vielleicht in der Automobilindustrie dazu sagen.Und das ist auch etwas, wo wir bei Ariane 6 eigentlich weg von wollen,dass man schon tatsächlich routinemäßigere Prozesse hat.Aber bei Ariane 5 ist es schon wirklich noch so, also jede Ariane ist ein Einzelstückund man hat dann halt auch als Firma und als ESA Möglichkeiten dafür zu sorgen,dass die besten Teile selektiert werden.Also das geht schon bei den Triebwerken los. Also jedes Triebwerk ist so in seiner Box eigen.Also jedes Triebwerk wird ja, bevor es geflogen wird, wird es auch auf dem Teststandlaufen lassen. Also nicht nur bei der Entwicklung.Jedes Triebwerk, was in die Rakete kommt, ist vorher auf dem Teststand gelaufen.
Tim Pritlove 1:06:54
Und nicht nur einmal, ne?
Denis Regenbrecht 1:06:57
Ja, also die Flugtriebwerke schon. Also die werden normalerweise nur einmal getestet.
Tim Pritlove 1:07:03
Wird das dann hier in Lampolzhausen gemacht oder in Frankreich?X-mal getestet.
Denis Regenbrecht 1:07:17
X-mal getestet und also auch wirklich tatsächlich größenordnungsmäßig mehr,als es eigentlich in einer Mission eigentlich zu erledigen hätte.Aber jedes Triebwerk, was hergestellt wird, wird getestet und da kann man auchschon sehen, ist es eher eins, was eher so an der unteren Grenze der Marge ist.Also ist bei Automotoren wahrscheinlich genauso, weil irgendwie irgendwas nichtso gut zusammenspielt, Toleranz und sowas.Und man hat dann tatsächlich auch Teile, Triebwerke, aber nicht nur das,ausgesucht für die Mission, die wirklich die besten sind, die man sich aussuchen konnte.Und dann natürlich allein die Tatsache, dass die Qualitätssicherungs- und dieProjektleute der NASA, die waren in der Produktionsphase der Ariane 5,die für Web genutzt wurde, immer mit dabei.Also die waren in den Quality-Meetings, in den Projekt-Meetings und die habenauch wirklich davor sich Dokumentation,also man kann jetzt irgendwie salopp sagen, Ariane hat irgendwie die Hose runtergelassenund hat sich dann tatsächlich untersuchen lassen, aber das war schon so.Und das kann ich auch verstehen.Also wenn ich irgendwie eine Nutzlast hätte, die, keine Ahnung,was am Ende jetzt die Gesamtkosten waren, irgendwie 10 Milliarden oder sowas,war glaube ich so die Größenordnung, wenn ich mich nicht täusche.Da würde ich mir aber auch alles ganz genau angucken. Und das war halt auchdie Awareness in allen Bereichen der Kette, denen klar war, das Teil ist jetzt dafür.Und ich glaube, dann überlegt man schon nochmal, mal, ob man vielleicht jetztda doch noch mal nachmisst.Das ist genauso, stelle ich mir vor, also wenn man genau weiß,dass es eine Rakete die bemannt fliegt, dann ist man glaube ich auch, also,man pusht nicht bei einer nicht bemannten Rakete, das will ich nicht sagen,aber ich glaube in der Awareness ist man trotzdem noch mal ein Tick,aufmerksamer.
Tim Pritlove 1:09:22
Also das war eine handverlesene Rakete sozusagen aus den besten Komponentengeschmiedet, wo man sich absolut sicher sein wollte, dass einem hier nicht irgendeinAnfängerfehler unterläuft.
Denis Regenbrecht 1:09:35
Also mit möglichst wenig Wavern. Also Wavern, das sind halt,also früher waren es Zettel.Also jede Rakete, die fliegt, hat irgendwelche Bauabweichungen. Es ist so.Jedes Flugzeug, was fliegt, hat eine Bauabweichung. Also das ist ganz normal.
Tim Pritlove 1:09:51
Nichts ist zu 100% konform.
Denis Regenbrecht 1:10:20
Als gar nicht erst irgendwie in doch Risiken zu kommen.Weil am Ende, eine Bauabweichung ist am Ende, auch wenn niemand unterschreibt,trotzdem natürlich ein höheres Risiko als keine Bauabweichung.Das muss man halt auch ganz, ganz offen und ehrlich sagen.
Tim Pritlove 1:10:32
Und die multiplizieren sich ja in gewisser Hinsicht.
Denis Regenbrecht 1:10:34
Und wie die dann zusammenspielen, das ist dann ja auch mal so eine Sache.Und viele, sage ich jetzt mal, technische Probleme kommen ja meistens nichtvon einem singulären Ereignis, ist, sondern weil,unvorhergesehene Beeinflussungen sich dann so gegenseitig beeinflussen,dass es einfach nicht vorhersehbar ist oder nicht vorhersehbar war.
Tim Pritlove 1:10:57
Das merkt man aber bei den großen Katastrophen. Ich weiß es nicht mehr ganzgenau, bei der Challenger-Katastrophe,aber es ist nicht so, dass eine Sache nur gefehlt hat, sondern weil vorher nochdas gefehlt hat, dann hat das noch gefehlt und dann war hier die Toleranz nichtausreichend und dann ging die Katastrophe los und das macht ja solche Failsauch so schwer vorhersagbar.Das heißt, das war also sozusagen die gepflegteste, bestproduzierteste Ariane 5 ever, kann man sagen.
Denis Regenbrecht 1:11:26
Ob ever, weiß ich nicht, aber zumindest in dem Zeitraum mit den Teilen,die zur Verfügung standen auf alle Fälle.
Tim Pritlove 1:11:31
Das Beste, was man liefern konnte, auf jeden Fall. Ja, das hat ja dann super funktioniert,also hast du ja schon gesagt, die Trajektorie wurde dann so genau getroffen,dass man also dem, ja der Mission,ich weiß nicht, es gab glaube ich verschiedene Aussagen, aber irgendwas in derGrößenordnung von fünf bis zehn Jahre mehr Betriebszeit und das ist natürlich,wenn die Betriebszeit an sich schon mal nur so in zehn Jahren,so in Dekaden gemessen wird,ist das natürlich eine, kann man sagen, fast eine Halbierung der Kosten unddas ist natürlich auch ein gutes Argument bei der nächsten Runde.Ja, das war auf jeden Fall eine großartige Leistung und ja, ich glaube so indem Moment, als Arianes Bass gesagt hat so,Wir haben das jetzt hier übergeben und wir haben es auf diese Art und Weise übergeben.Das war dann, glaube ich, nicht nur ein Moment der Erleichterung,sondern wahrscheinlich auch ein Moment des Stolzes, weil man sich hier eigentlichim internationalen Raumfahrtgeschäft nochmal so richtig die Visitenkarte abgegeben hat. Da.
Denis Regenbrecht 1:12:32
Bin ich mir ganz sicher, also definitiv. Und also ich meine,das waren ja alle vorher angespannt, das ist ja auch logisch.Und es waren in Europa die Leute angespannt. und wir haben ja auch so eine Veranstaltungda gehabt und so. Und das war auch bei Ariane Group so.Und ich meine, das ist am Ende noch mehr Leute werden auf dein Produkt zu soeinem Zeitpunkt, als zu so einem Zeitpunkt gar nicht gucken.Also das ist jetzt am Ende des Tages, du landest so oder so in der Tagesschau.Und an und für sich möchte man dann schon mit positiven,Elementen in der Tagesschau landen und ich will gar nicht wissen,wie das bei den Kollegen war, die dann in Kourou waren und ich will auch garnicht wissen, wie da also es gibt da eine Position, das ist der,also was in Englisch Range Safety Officer ist, das ist sozusagen der,der die Rakete sprengen muss,wenn irgendwas unschön wird, also ich weiß gar nicht, wie die Kness-Kollegen,ob die da gewürfelt haben oder oder auch bei den kürzeren...Aber an dem Arm möchte man nicht der gewesen sein, der den Finger auf diesemKnopf hat. Also da bin ich mir relativ sicher.Aber irgendeiner hat es gemacht.
Tim Pritlove 1:13:50
Beziehungsweise hat es nicht gemacht. Gab es denn außer dem Webstart noch etwas,was man hervorheben kann aus der Ariane 5 Zeit, bevor wir mal auf die 6 zeigen?
Denis Regenbrecht 1:14:00
Natürlich die ATV Starts, da haben wir ja schon drüber gesprochen.Da Da hat auch alles wunderbar funktioniert.Dann, was für die institutionellen Nutzungen ganz gut war, also zwölf der europäischenGalileo-Navigationssatelliten wurden auch mit der Ariane 5 gestartet.Und darüber hinaus Rosetta zum Beispiel.Also ein Großteil der Sonden- und Forschungssatelliten, Satelliten,die Europa in den letzten Jahren oder letzten Jahrzehnten gestartet hat, waren am Ende Ariane.Herschel Planck zum Beispiel auch und.
Tim Pritlove 1:14:45
Gerade die Deep Space Missionen, also die, die jetzt weit über den Erdorbithinausgehen, sind glaube ich auch das, was der europäischen Raumfahrt so denCharakter verliehen hat in den letzten Jahrzehnten.Das waren alles sehr erfolgreiche Missionen. Ich glaube, da gab es überhauptgar keinen nennenswerten Dropout.Die sind alle top gestartet worden, top betrieben worden, haben alle unglaublichgute Ergebnisse erzielt für die Wissenschaft.Also das sind ja alles ganz maßgebliche Fortschritte auch für die gesamte Kosmologiegewesen und sind es noch.Und jetzt halt eben auch noch James Webb, auch wenn das natürlich eigentlichein NASA-Projekt war, aber eben dann unterstützt eben von der europäischen Raumfahrt.Trotzdem kommt es ja jetzt zum Ende der Ariane 5.Die letzte ist jetzt gestartet. Und jetzt soll es halt weitergehen mit der Ariane 6.Seit wann geht das schon mit der Ariane 6?Das ist ja alle Projekte deutlich später dann jetzt fertig geworden.Wir sind ja noch gar nicht da. Also der Start ist jetzt, ich weiß nicht,was ist der aktuelle Termin?
Denis Regenbrecht 1:16:05
Einen genauen Tag gibt es nicht, aber Mitte Juni bis Mitte Juli ist das Fenster, was jetzt.
Tim Pritlove 1:16:11
Also jetzt 2024 soll es dann endlich losgehen.Seit wann wird an Ariane 6 gearbeitet und wie viele Vorstellungen,was Ariane 6 denn letzten Endes mal sein könnte, gab es in dieser ganzen Zeit?
Denis Regenbrecht 1:16:27
Also an der aktuellen Version, die jetzt entwickelt ist, die jetzt auch diesesJahr starten wird, wird gearbeitet seit Anfang 2015.Also die Ariane 6, wie sie jetzt ausgelegt ist, wurde Ende 2014 beschlossenauf der Ministerratskonferenz, also auf einer der Ministerratskonferenzen.Und die Entwicklungsarbeiten begannen dann direkt 2015.Es ging dieser Ariane 6 natürlich auch so ein bisschen Diskussionen im Vorfeld voraus.Also es gab lange Zeit eine Diskussion, hauptsächlich zwischen Deutschland und Frankreich,ob man jetzt schon eine Ariane 6 braucht oder ob man nicht eventuell mit einerverbesserten Ariane 5 auch erstmal die Bedarfe abdecken.
Tim Pritlove 1:17:16
Kann.
Denis Regenbrecht 1:17:17
Das war damals die sogenannte Ariane 5 ME. ME stand für Midlife Evolution.Das Entwicklungsprogramm hatte2008 begonnen und man hätte dann eigentlich nur die Oberstufe ersetzt.Und da haben wir angefangen, 2012 hat man dann beschlossen, man macht damitweiter, bereitet aber parallel schon mal eine Ariane 6 vor.Das war sozusagen so ein Kompromiss zwischen Deutschland und Frankreich,sodass beide irgendwie sich darin sehen konnten Und 2014 war es dann so,dass man gesagt hat, okay,es sieht so aus, als ob das, was die Ariane 5 ME bieten kann,also nicht das bringt, was man wirklich braucht, sondern es ist für alle Beteiligtensinnvoller, direkt auf eine Ariane 6 zu gehen.Und dann hat man sich 2014 zu dieser Ariane 6 entschlossen.Dem gingen ganz viele politische Diskussionen voraus, kann man sich vorstellen,weil die Ariane 5 weiterzuentwickeln wäre von den Kosten her natürlich weitausweniger kostenintensiv gewesen als die komplette neue Entwicklung an der Ariane 6.Aber nichtsdestotrotz, man hat sich dann dafür entschieden und der Grund dafürist eigentlich relativ einfach.Also man kann sich ja fragen, du hast ja schon gesagt, Ariane 5 irgendwie supergute Erfolgsgeschichte, wir starten da irgendwie sechs, sieben Mal im Jahr,haben Kunden ohne Ende, wir starten Champs Web und Pipapo.Apropos, warum braucht man jetzt eigentlich Milliarden neu ausgeben,um eine Ariane 6 zu entwickeln?Und die Antwort ist eigentlich relativ einfach wie profan.Am Ende des Tages ist es das Geld.Weil eine Ariane 5 kostet halt mehr, als was der Kunde heutzutage bereit ist zu zahlen.Jetzt kann man sagen, okay, es fliegen ja zwei kommerzielle Kunden mit,aber selbst zwei kommerzielle Kunden, wenn man die Einnahmen zusammenrechnet,sind nicht kostendeckend für die Ariane 5.Deswegen hat man 2015 oder 2014 beschlossen, wir machen die Ariane 6 nicht alsneue technologische Meisterleistung, eine Rakete, die noch mehr kann,weiter, höher, schneller,sondern das Ziel der Ariane 6-Entwicklung war zum damaligen Zeitpunkt, eine Rakete zu haben,die dasselbe kann wie eine Ariane 5,aber modular ist, sodass sie auch den Teil übernehmen kann, den bisher die russischeSoyuz aus Kourou gestartet ist.Aber gleichzeitig ungefähr, jetzt kann man sich streiten ob 40,50 Prozent, aber ungefähr die Hälfte dessen kosten soll, was eine Ariane 5 kostet.Das waren damals die Entwicklungsziele.Und das war auch der Grund, warum man gesagt hat, okay, das ist es jetzt denStaaten wert, diesen Schritt zu wagen, weil in den letzten Jahren der Ariane5 war schon so, dass jeder Staat staatlich subventioniert war.Also die erfolgreichen kommerziellen Starts mit der Ariane 5 waren am Endeffektnur deswegen verkaufbar, weil der Staat da Quersubventionen reingeschossen hat.Und man wollte die Ariane 6 so entwickeln, dass der Staat diese Subventionen nicht mehr zahlen muss.
Tim Pritlove 1:20:43
Und ist das gelungen?
Denis Regenbrecht 1:20:44
Kurze Antwort, nein.
Tim Pritlove 1:20:48
Weil?
Denis Regenbrecht 1:20:50
Das ist kompliziert. Es ist immer kompliziert.Im Vergleich zu Ariane 5, wurden bisher nicht erreicht. Das heißt...Aus diversen Gründen, jetzt kann man sagen, okay, Inflation,Energiekrise und kann man, ja,es sind alles Elemente, die tatsächlich dazu beigetragen haben,aber am Ende des Tages hat auch die Industrie vielleicht noch nicht das darstellen können,was man erwartet hätte 2015 oder 2014. Also das ist ein Element.Dann kommt hinzu, dass natürlich die damaligen Zielkosten definiert wurden aufden Marktpreisen, die damals bestanden.Wir waren damals natürlich schon so schlau und haben gesagt,okay, das wird nicht so bleiben, das wird weiter runtergehen.Aber der Abfall der Marktpreise im Vergleich zur Prognose war noch stärker,als man es hätte annehmen können.Jetzt guckt man sich an, Elon Musk fliegt halt 50 Mal im Jahr.Also der hat 50 Raketen, wo er seine Fixkosten umlegen kann.Wir haben irgendwie 10. Und das ist halt auch ein Problem, was alle Raketenbauernletzten Endes betrifft.Die Kostenbasis ist sehr stark Fixkosten dominiert und deswegen ist es eigentlichgut, je öfter man fliegt, desto billiger wird der ganze Spaß. Spaß.Auf der anderen Seite muss man aber auch aufpassen, dass man es nicht übergroßbaut, weil wenn ich dann die Kunden dann doch nicht habe und ich eine.Überproportional große Infrastruktur habe und ich dann die Starts gar nichtverkaufen kann, dann habe ich natürlich noch mehr Fixkosten und das ist so eineKombination aus vielen zusammenhängenden Geschichten.Das ist, glaube ich, ohne eine Tafel immer sehr schwierig zu erklären. Aber letzten Endes ähm,Die Preise sind weiter gesunken und die Kosten-Targets wurden nicht erreicht.Das ist am Endeffekt der Grund, warum wir jetzt immer noch nicht in der Lagesind, subventionslos eine Ariane 6 zu betreiben.
Tim Pritlove 1:23:28
Wobei das ja jetzt nicht unbedingt ein Drama sein muss.Wir haben ja schon gesagt, die Subventionen sind zwar erstmal da,also man kann jetzt nicht nur durch den Verkauf des Staates alle Kosten wieder reinbekommen,Nur das Geld, was ja in die Rakete gesteckt wird, ist ja Geld,was man in die eigene Wirtschaft steckt und die ja dann irgendwie auf zweiterund dritter Ebene auch Effekte hat mit Beschäftigung, mit Wissenschaft,mit Knowledge und so weiter.Das ist ja alles auch, glaube ich, unbestritten.Nur hätte man trotzdem gerne eben weiter hier an der Schraube gedreht,um eben diese absolute Marktfähigkeit oder Marktkonkurrenzfähigkeit zu erhalten. halten.Was ist denn so der Hauptgrund dafür, dass diese Kosten so schwierig im Griff zu kriegen sind?Was sind denn so Faktoren, die man vielleicht jetzt so auf den ersten Blicknicht sieht, wo man sagt, warum kriegt ihr das nicht billiger hin?
Denis Regenbrecht 1:24:31
Wenn ich darauf eine gute Antwort hätte, dann könnte ich damit,glaube ich, gut Geld verdienen.
Tim Pritlove 1:24:39
Ja.
Denis Regenbrecht 1:24:41
Also es ist, also es wird oft, also ich sag mal so, Ich sag mal, woran es nicht liegt.Es wird oft genug sowohl von der Konkurrenz als auch von Beteiligten im Systemauch auf politischer Ebene oft genug gesagt, das liegt daran,dass wir unseren Geo-Return und unsere europäische Verteilung haben.Also Geo-Return ist das, was du am Anfang angesprochen hast,dass ein Euro aus Deutschland in die deutsche Industrie fließen muss.Und dass durch die gesamte Verteilung in Europa wir so hohe Kosten haben,weil das von A nach B verstifft werden muss und sowas, das ist eigentlich Quatsch.Also es ist nicht der Auslöser, dass unsere Kostenbasis so hoch ist, wie sie ist.
Tim Pritlove 1:25:26
In den USA findet ja auch nicht alles an einem Ort statt.
Denis Regenbrecht 1:25:29
Richtig. Und wenn man sich jetzt irgendwie die Automobilindustrie anguckt,da wird ja auch das Auto nicht, also es kommt nicht alle Teile aus Wolfsburg,sondern der Motor kommt, keine Ahnung, aus Tschechien.Diese Art von Logistik ist ein Grundprinzip der westlichen Wertschöpfung.Also das ist ganz normal.Also wenn das nicht so wäre, wären die Autobahnen auch nicht so voll.Und deswegen, daran liegt das nicht.
Tim Pritlove 1:25:54
Und da war ja im Prinzip die Raumfahrt vorneweg. Also am Anfang klang das nochkomisch mit, ihr fliegt jetzt hier irgendwie eure Triebwerke dann nach Frankreich,damit sie da wieder zusammengebaut werden können.Nur wie du schon sagst, das ist ja eigentlich in der ganzen On-Demand-Logistikvollkommen normal mittlerweile.Wenn man Kosten senken will, dann gibt es ja eigentlich immer so diesen schnellenAnsatz mit, naja, dann muss halt irgendwo weniger Sorgfalt erfolgen.Und ich glaube, das ist immer so eine Abwägung.Wie viel Geld muss ich jetzt investieren, um eine bestimmte Qualität zu erreichen?Reichen und schnell kann man ja sagen so, ach, das wird schon irgendwie passen.Dann brauchen wir uns ja nur ein anderes Beispiel in Deutschland anzuschauenmit der Bahn, wo das ja nun lange Zeit,vernachlässigt wurde, wo man gesagt hat, ja, so viele Reparaturwerke brauchenwir nicht und die Schienen müssen wir jetzt auch nicht irgendwie regelmäßig checken.Irgendwann fällt einem das halt dann auch auf die Füße und in gewisser Hinsichtist das ja auch ganz gut, dass man sagt so, ja, wir wollen jetzt aber auch inbestimmten Bereichen keine Kompromisse machen, weil letzten Endes definiertja der Qualitätsanspruch die Kosten. Im Wesentlichen.
Denis Regenbrecht 1:27:06
Das auf alle Fälle. Aber natürlich gibt es da auch so einen goldenen Balancepunkt,wo man jetzt schon darüber diskutieren kann, ob der bei uns vielleicht nicht ganz getroffen ist.Also ich bin schon davon überzeugt, dass es gewisse Prozesse bei uns gibt,die nicht unbedingt nötig sind.Die werden aber alleine nicht dazu führen, dass irgendwie, also das macht jetztnicht irgendwie 20 Prozent Kostenreduktion aus, da bin ich mir ganz sicher.Es ist auch nicht so, dass die Technologie irgendwie diese Kosten produziert.Das ist, glaube ich, ein Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Elementen,die einzeln für sich vielleicht beherrschbar sind, aber in dieser Gesamtmenge.Also auch in der Art und Weise der große Dampfer, sag ich jetzt mal,den zu optimieren und dann auch ein paar gerade, also es gibt schon seit einigenJahren und wir haben ein Kostenoptimierungsprogramm schon aufgelegt,bevor die Ariane 6 zum ersten Mal geflogen ist.Und das ist auch etwas, wo wir als Agenturen und Geldgeber natürlich auch einInteresse daran haben und das ist auch etwas, wo wo die industriellen Partnerauch ein Interesse daran haben sollten.Und es gibt da auch Studien, die gewisse Wege aufzeigen, die...Aber es ist auch wieder so ein Element, um diese Kostenreduktion zu gewinnen,muss man natürlich auch erstmal wieder Geld investieren.Und das ist dann so eine Frage der Bereitschaft.
Tim Pritlove 1:28:52
Der Berechtigkeit der Politik etc.
Denis Regenbrecht 1:28:54
Und die grundlegende Frage ist natürlich auch, da kommen wir jetzt wieder ganz,ganz, ganz an den Anfang zurück eigentlich,wofür entwickeln wir mit Steuergeld Raketen? um drei Satelliten weniger zu startenals Elon Musk oder um unsere Satelliten, die wir selber starten wollen, zu starten.Und das ist auch eine Frage, also aus reiner Souveränitätssicht müssen die Kosteneigentlich erstmal nachgeordnet sein.Du hattest ja auch gesagt, es ist ja kein Geld, das weg ist.Also staatliche Budgets funktionieren ja nicht so. Also es wird immer so dieschwäbische Hausfrau sozusagen vorgehalten, aber so funktioniert ja nicht ein Budget.Und du hattest ja auch gesagt, das landet alles wieder und es gibt da auch diverseStudien und die aktuellste, die wir haben, die sagt, dass jeder Euro,den du in den Raumtransport steckst, also raketenspezifisch,hat einen Multiplikatoreffekt von 3,5.Also für den gesamtwirtschaftlichen Mehrwert, das ist ja schon mal nicht gerade wenig.Und nichtsdestotrotz ist es etwas, was schwierig ist.Im Gesamtsystem die Kostenbasis so signifikant zu reduzieren,dass es wirklich spürbar ist.Und da gibt es diverseste Schlüsse, die man daraus jetzt ziehen kann.Und ein Schluss ist, dass das System, das wir jetzt haben, so wie es aufgestelltist, also das Gesamtsystem aus ESA, aus Prime,aus den nationalen Agenturen, so wie es zusammenarbeitet, vielleicht jetzt nichtmehr unbedingt das Zukunftsmodell ist.Es hat uns jetzt seit den 70er Jahren erfolgreich sozusagen die Fähigkeit gebracht.Aber dass man überlegen muss, ob man im Ansatz da nicht anders rangehen kann.Und das heißt nicht, dass wir die ESA abschaffen oder dass wir irgendwie dieIndustrie abschaffen oder Agenturen abschaffen, sondern dass wir die Art undWeisen, wie solche Entwicklungen in Zukunft durchgeführt werden, anders aufziehen.
Tim Pritlove 1:31:05
So eine Art Space Airbus, also so eine Art Firma, die alles zusammenzieht unddas weniger auf die Länder verteilt, so wie das bisher war?
Denis Regenbrecht 1:31:14
Ja, der Gedanke, der jetzt mehr oder weniger mehr vorherrscht,ist eher, es so ein bisschen zu machen, wie die Amerikaner es mit SpaceX gemachthaben, dass man gar nicht mehr Raketen im Auftrag entwickeln lässt,sondern dass man sagt, okay,wir kaufen Startdienstleistungen von euch ein und wir bezahlen nicht die Entwicklungeurer Rakete, sondern wir stellen euch in Aussicht, wenn ihr eine Rakete habt,Dann werden wir sie mit, keine Ahnung, fünfmal im Jahr benutzen und auf derBasis könnt ihr irgendwie eine Kalkulation machen, ob es sich lohnt,eine Rakete zu entwickeln.
Tim Pritlove 1:31:55
Das ist ja eigentlich so das klassische Argument, was in dieser ganzen Debatte,glaube ich, um SpaceX herum aufgebracht wird. Und das ist ja auch so.Also die NASA hat eben diese Garantien und stellt einfach sicher,dass diese privaten Auftragnehmer, es gibt ja nicht nur SpaceX,sondern auch ein paar andere im Boot, die jetzt nicht ganz so performt haben wie SpaceX.Das ist halt der Grund, warum SpaceX jetzt auch alles so überlagert und so dominiert.Und dann letzten Endes auch diese Freiheiten geschaffen haben,indem dann dieser Mut auch zu dem technologischen Fortschritt,den SpaceX ja nun definitiv an den Tag gelegt hat mit der Reusability,das dann eben auch umsetzen zu können. Also okay, ich sehe schon.Also man versucht so ein bisschen zu lesen, was geschrieben ist und könnte alsodazu führen, dass sich hier strukturell in den nächsten Jahren,Jahrzehnten auch nochmal Änderungen abzeichnen.
Denis Regenbrecht 1:33:01
Auf alle Fälle. Und also eher in den Jahren als Jahrzehnten.Und das heißt ja nicht, also das, was jetzt momentan so im Raum steht,wenn man das verfolgt, ist das, was wir European Launcher Challenge nennen.Den Namen finde ich ein bisschen, der ist so ein bisschen irgendwie,der trifft nicht ganz das, was damit eigentlich gemacht werden soll, nämlich genau das.Also es ist so ein bisschen wie das ehemalige Kotzprogramm der Amerikaner,wo man tatsächlich, also manche...
Tim Pritlove 1:33:25
Was für ein Programm?
Denis Regenbrecht 1:33:26
Kotz.
Tim Pritlove 1:33:26
Kotz?
Denis Regenbrecht 1:33:28
Also C-O-T-S. Ah. Und ja, stimmt.
Tim Pritlove 1:33:34
Steht für was?
Denis Regenbrecht 1:33:35
Commercial Orbital Transportation Services, sowas in der Art.Und das ist genau das, man stellt...In Aussicht, Startdienstleistungen zu kaufen.Und natürlich muss man dazu sagen, dass in Europa auf viel, viel,viel kleineren Füßen aufgebaut sein wird als in den USA.Wenn man sich die Budgets anguckt, also allein wenn NASA und das Verteidigungsministeriumda Startdienstleistungen in Aussicht stellen, da fließen Milliarden ohne Ende.In Europa, selbst wenn man die EU-Kommission und die ESA zusammennimmt und dieNationalstaaten, da ist das immer noch eine überschaubare Anzahl an Starts,die man wirklich in Aussicht stellen kann.Aber nichtsdestotrotz ist das etwas, wo man hofft, dass dann halt durch mehrPlayer auch so ein bisschen die systemische, ich will nicht sagen Langsamkeit,aber so diese eingefahrenen Polsituationen sich so ein bisschen irgendwie dynamischer bewegen.Und es ist ja auch so, dass also Ariane Group oder Avio, die die Vega machen,sind ja auch aufgerufen, sich dann daran zu beteiligen.Es ist ja nicht so, dass es dann irgendwie ein Spiel, ein Sandkasten gibt fürdie einen und irgendwie die Alten, Anführungsstrichen, die müssen dann danebenwarten, sondern das ist ja etwas, was.Also idealerweise dem gesamten System eine neue Dynamik geben soll.Und das ist halt die Hoffnung. Und.Und das ist etwas, was tatsächlich aus der nächsten Ministerratskonferenz,die soll 2025 sein, in Deutschland interessanterweise, der genaue Ort ist nochnicht bekannt, tatsächlich beschlossen werden soll.
Tim Pritlove 1:35:26
Jetzt müssen wir natürlich schon nochmal den Elefanten in den Raum lassen undso technische Aspekte ansprechen, wie zum Beispiel diese Reusability.Ganz klar glaube ich so, dass, also abgesehen davon, von, dass es irgendwievielleicht wirklich für die Kosten einen erheblichen Faktor darstellt,weil man es nicht nur immer wieder verwenden kann, sondern einfach, ja,Nicht der einzige Faktor bei SpaceX, aber einer der sichtbarsten Faktoren undauch rein vom Marketing her natürlich grandios.Ich glaube, da ist allen so ein bisschen der Mund runtergeklappt,als man das erste Mal gesehen hat, wie die Dinger wieder landen können.Richtig weggehauen war ich, als dann die dicke Rakete, die Heavy,Falcon Heavy, als die dann gestartet ist und dann zwei Booster auch noch soparallel, das war schon echt so ein Freeze- Moment.Ist das sozusagen etwas, was bei diesem Ariane 6 Programm doch irgendwann kommenwird oder ist das dann schon mal Ariane 7 oder Oder ein ganz neues Projekt,wo so etwas angegangen wird?
Denis Regenbrecht 1:36:42
Also bei Ariane 6 würde ich eine vorsichtige Skepsis sagen.Also das ist ja, ich muss da ein bisschen ausholen.Also es ist ja nicht so, dass die Europäer keine Reusability bisher machen odergemacht haben, weil wir es doof finden.Also es gibt ja genügend durchgeführte Forschungs- und auch Testaktivitäten.Also Themis zum Beispiel ist ja etwas, was auch die ESA macht,was hauptsächlich von Frankreich getrieben ist.Es gibt auch eine Kooperation Frankreich-Deutschland-Frankreich, was Callisto heißt.Also nicht das Problem, sondern der Faktor ist ja eher Reusability,sowohl industriepolitisch als auch finanziell rentiert sich erst ab einer bestimmten Jahreskadenz.Und die ist abhängig von vielen, vielen, vielen Randbedingungen.In Europa sagt man, es würde sich rentieren, wenn man vielleicht so 20,30 Mal im Jahr fliegt. Weiß ich nicht, vielleicht auch bei weniger.Aber die Kadenz, die Raketenkadenz, die wir jetzt haben mit sechs,sieben Mal, ist etwas, da lohnt sich Reusability de facto nicht.Nicht, weil man guckt sich jetzt an, irgendwie beim letzten Falke-9-Start,das war, glaube ich, das 19.Mal, dass einer von der Erststufe geflogen ist. Jetzt überlegt man sich,okay, Europa hat irgendwie sechs, sieben Mal im Jahr eine Rakete am Fliegen.Ich habe eine Erststufe, die kann ich 19 Mal nutzen, sag mal 21,weil dann kann ich besser teilen.Also ich habe drei Jahre lang keine Produktion.Und ich habe aber trotzdem dieProduktionsinfrastruktur, Weil irgendwann muss ich ja wieder was bauen.Und ich hatte ja auch einmal zwischendurch gesagt, dass unser momentanes Systemsehr infrastruktur- und fixkostenintensiv ist.Und deswegen ist in dieser Art von Denke Reusability macht so keinen Sinn eigentlich.Das heißt nicht, dass wir es nicht können.Und jetzt komme ich auf deine Ariane 6 Frage zurück, wo es auf einmal Sinn machenwürde, wäre zum Beispiel die Ariane 6, die hat ja vier Feststoffbooster, also die große Ariane 6.Diese könnte man eigentlich sehr gut durch Flüssigbooster ersetzen und wennich jeden dieser Flüssigbooster wiederverwenden würde, dann hätte ich auf einmal auch eine Kadenz von 40,wenn ich zehnmal im Jahr fliege und dann auf einmal würde es schon irgendwiewieder in der Kadenz der Produktion und der Wiederverwendbarkeit auch von den Zahlen her Sinn machen.Und das ist auch etwas, das haben wir jetzt untersucht und da gibt es inzwischenauch Aktivitäten, ob das bei einer Ariane6 nicht in der mittelfristigen Weiterentwicklung sinnvoll sein könnte.Bei der Erststufe würde ich ganz vorsichtig sagen, nee, weil da endet man dieganze Rakete, dann hätte man direkt eine Ariane 7, definitiv.Aber ich gehe davon aus, dass in der nächsten Generation europäischer Trägerdas eine Rolle spielen wird.Dann auch wieder, also die Reusability, die ist ja kein Selbstzweck.Also, dass wir es können, bin ich mir ganz sicher.Aber wenn wir jetzt an diese Launcher-Challenge rangehen und an diese vielleichtUmorientierung wieder, wie das System in Europa funktioniert,ist es dann in Zukunft ohnehin jedem,der sich an der Dienstleistungsbereitstellung beteiligen möchte,selbst überlassen zu überlegen, wie seine Rakete aussieht.Und wenn jetzt Firma X sagt, okay, ich biete meine Rakete Reusability an, dann bitteschön.Wir wollen da jetzt als staatliche Seite gar nicht technologische Wege vorgehen.Wir sind da eigentlich vollkommen neutral, was die technologische Lösung angeht.Bei Ariane können wir es noch nicht sein, weil die halt noch zu stark staatlich beeinflusst ist.Also das ist für Ariane-Gruppen momentan natürlich auch nicht ganz einfach,in so einer Phase quasi jetzt, der Herr Scholz sagt, das ist eine Staatsrakete, ist es de facto auch.Und gleichzeitig versucht man parallel neben der Staatsrakete einen Biotop zuschaffen, was die New Space Player irgendwie stärker mit einbezieht.Also das ist momentan eigentlich strategisch eine unserer Hauptaufgaben,um in diesem Spagat irgendwie einen Weg zu finden.Der eine sinnvolle Zukunft gestaltet, ohne jetzt irgendwie schon Kinder mitdem Badwasser auszuschütten oder sich Äste abzusägen, auf denen man sitzt.Also das ist gar nicht so einfach in der aktuellen Situation.
Tim Pritlove 1:41:43
Kann ich mir vorstellen. Aber man hat auf jeden Fall von der Technik schon malgehört und es ist sozusagen nichts wirklich Neues.
Denis Regenbrecht 1:41:49
Nein, also wir gehen da nicht mit verschlossenen Augen hin und so, da brauchen wir nicht.
Tim Pritlove 1:41:55
So, aber schauen wir nochmal jetzt vielleicht auf die Ariane 6 selber.Was erwartet uns denn jetzt in diesem Jahr als Launcher-Paket,was da in Kuro hingestellt wird?Ich war ja selber vor Ort, schon ein paar Jährchen her,konnte leider den Start selber nicht sehen, zu dem ich eigentlich eingeladenwurde, da gab es viel Pech, aber ich habe den Platz gesehen,als er noch in der Entwicklung war, da musste noch sehr viel Beton vergossen werden.Ist schon irre, mal da gewesen zu sein. Man macht sich keine Vorstellung davon, wie groß das alles ist.Also ein fettes Loch, was da gebuddelt werden muss, um einfach diesen Strahl,der dann nach unten in den Boden geschickt wird, seitlich abzulenken.Das alles muss irgendwie beregnet werden.Riesige Flächen allein, um das Ding anzuliefern, zwischenzulagern etc.Wird sicherlich auch vor Ort gewesen sein, nehme ich mal an, bei dem Startplatz.Also das ist ja ohnehin erstmal das, was als erstes da sein muss.Das macht man sich ja immer nicht so richtig klar.Ich denke immer so, ja, Rakete, klar, stellt man irgendwo hin,fliegt die dann halt los, kennt man ja so aus mit Science-Fiction.Ist ja mitnichten so, sondern eine Rakete ist ja ein System.Ein System, was nicht nur aus der Rakete selbst besteht, sondern aus den ganzenZulieferkomponenten der gesamten Logistik.Wann wird welcher Teil woher gestellt, zusammengefügt, über den Teich geschickt?Was wird vor Ort produziert? Wir hatten das mit den Treibstoffen.Aber wie muss dann die Rakete gelagert werden?Aber wie wird sie dann eben auch gestartet und kontrolliert?Kontrollzentrum etc. Da hängt ja eine ganze Menge mit dran. Was ist das Gesamtpaket,was uns mit der Ariane 6 jetzt erwartet?
Denis Regenbrecht 1:43:40
Also das Gesamtpaket, also wir gehen jetzt davon aus, dass wir im Sommer,also im Juni, Juli spätestens tatsächlich den Erstflug sehen werden.Bis der stattfinden wird, wird es höchstwahrscheinlich, das ist momentan nochin der Prüfung, in La Bolshausen nochmal einen Test geben für die Oberstufe.Aber da wird gerade geprüft, ob man den nicht weglassen kann,weil die Elemente, die man für den Erststart,braucht, sind eigentlich schon alle durchgetestet deswegen,checkt man da gerade, ob man nicht eventuell bestimmte Tests zusammenlegen kann mit einem Test,das sowieso Ende des Jahres geplant ist, das war wie gesagt gerade in der Überprüfungansonsten die Stufen, die werden im Februar Europa verlassen.Also die Stufen und Produktionsteile, die die erste Ariane 6,die flugfähig ist, ausmachen werden, die werden im Februar Europa verlassen auf dem Schiff.Das hat man bestimmt auch schon mal gesehen, das ist das mit diesen modernen Segeln.Moderne Segeln? Ja, das ist auch ein kompletter Neubau. Das hat so.Ich weiß gar nicht, ich bin kein Schiffbauingenieur, Aber das hat einen Motor,aber das kann auch mit Segelunterstützung fahren.Aber das sind halt nicht so Segel aus Stoff, sondern das ist so mit diesen rotierendenRöhren, will ich jetzt mal sagen.Aber muss man auf der Ariane-Space oder Ariane-Group-Seite mal gucken,da gibt es auch Bilder, da sind sie auch ganz stolz drum. Das ist auch wirklich ein geiles Ding.Und dann geht das dann dahin, wird entmontiert und dann hoffen wir,dass da irgendwie im Mai, Juni da was auf dem Pad stehen wird.
Tim Pritlove 1:45:34
Kanopé heißt das Schiffchen. Genau. Ah ja, okay. Verstehe, das sind diese,ja wie nennt man die denn? Ja.
Denis Regenbrecht 1:45:40
Also als Ingenieur, ich weiß, wie der Effekt funktioniert, aber wie das jetztgenau heißt, weiß ich jetzt auch nicht.
Tim Pritlove 1:45:49
Okay, aber es nutzt sozusagen die Windkraft mit aus und sowas gehört dazu, verstehe ich.
Denis Regenbrecht 1:45:55
Ja und dann, wie gesagt, die Nutzlasten vom Erstflug, das sind halt alles sokleinere Satelliten, da istjetzt nichts Großes dabei, sondern die bezahlen auch nichts oder wenig.Das sind halt so CubeSats von Universitäten und Experimentalsatelliten von Instituten und sowas.Und ja und dann hoffen wir mal, dass das alles gut funktioniert da im Juni undwenn dann soweit alles ganz gut gelaufen ist, dann gehen wir davon aus,dass wir in diesem Jahr noch mindestens einen weiteren Start haben werden.
Tim Pritlove 1:46:30
Okay, aber vergleich mal die Ariane 5 und Ariane 6, was hat sich jetzt geändert?
Denis Regenbrecht 1:46:35
Also von der Größenordnung nicht wirklich viel. Also die Ariane 6 ist ein bisschenlänger, aber der Durchmesser und die grundlegende Struktur ist genau noch dieselbe.Also man hat eine Hauptstufe mit Flüssigwasserstoff, Flüssigsauerstoff.Die wird auch de facto vom selben Triebwerk angetrieben, also vom Vulkan 2.Bei der Ariane 6 ist es Vulkan 2.1, weil es bestimmte Unterschiede gibt.Aber die sind nicht marginal, aber die sind überschaubar. Das sieht man dannauch schon an der Versionsbezeichnung, sage ich jetzt mal.Und die Oberstufe, die ist auch flüssig Sauerstoff, flüssig Wasserstoff.Da unterscheidet sich schon eine Menge, weil die Oberstufe der Ariane 5,die es gab, die war mit einem Triebwerk versehen, was nicht wiederzündbar war.Aber das Triebwerk, was die Ariane 6 jetzt hat, das ist ein wiederzündbares Triebwerk.Das heißt, dadurch bin ich in der Lage, viel optimiertere Bahnen zu fliegen,weil ich kann ballistische Phasen ausnutzen und ich kann das Triebwerk wiederzünden,wenn es energetisch im Orbit an einer viel besseren Position ist.Und das ist für GTO oder für Leo-Starts nicht so ganz relevant.Aber wenn wir dann dazu kommen, Konstellationen zu fliegen oder irgendwelcheinterplanetaren Missionen, dann spielt das eine sehr, sehr, sehr große Rolle. Genau.
Tim Pritlove 1:47:56
Weil er dann sozusagen strategisch indiziert wird.Man startet erstmal, wenn es von den Bedingungen her am besten ist,dann kreist man vielleicht noch ein, zwei, dreimal um die Erde und muss dannaber erst diesen Orbit nochmal verlassen durch einen weiteren Raketenschub,wenn irgendeine planetare Konstellation besser ist.Das schafft ja auch mehr Flexibilität in den Startzeiträumen.
Denis Regenbrecht 1:48:22
Also man hat ja auch immer das Ding, was Interplanetaren geht,da wird sich das Startfenster schon verbreitern, aber jetzt nicht mega signifikant.Aber man kann halt auch durch eine Wiederzündbarkeit Missionen fliegen und Orbitalplanungenmachen, die vorher einfach nicht drin waren.Also das ist ein bisschen schwierig zu erklären,aber es ist zum Beispiel so, dass bestimmte Missionen davon profitieren, performance-mäßig,wenn man sozusagen unangetrieben einmal um die Erde rum ist und dann das Triebwerk nochmal zu zünden.Weil man dann an einem anderen Punkt des Orbits ist und dann sozusagen effektiverdiesen Schub nutzen kann. Und bei der Ariane 5 ist es so.Die Oberstufe brennt und die brennt halt durch. Und dann ist das halt rum unddann kann ich dann auch keine Optimierung mehr machen.Und das ist ein Element, was besser ist. Und was auch noch neu ist,ist die Ariane 5 hatte zwei große Booster und die Ariane 6, die vergleichbarmit der Ariane 5 ist, wird vier kleinere Booster haben.Sie kann aber auch nur mit zwei Boostern fliegen, sodass dann die Performanceungefähr der der Soyuz aus Kourou entspricht, sodass dann die Ariane 6,wie es ihr Ziel ist, sowohl die Soyuz ersetzen wird, als auch die Ariane 5 ersetzen wird.Dass der Ersatz der Soyuz momentan noch viel, viel, viel, viel,viel eminenter und wichtiger ist, da hätte man jetzt irgendwie vor ein paarJahren auch nicht drauf wetten wollen,aber es ist halt ein Element, was wichtig ist,Weil gerade die Galileo-Satelliten für die Navigation und auch die Sentinel-Satellitenvon der Kommission, was die ganze Erdbeobachtung angeht, aber auch die ganzenEumet-Satelliten für die Wetterbeobachtung,die haben eigentlich auf die Soyuz bzw.Dann im Ersatz auf die Ariane 62 gesetzt. Und diese Übergangsphase mit der Verzögerungund jetzt mit dem Wegfall der Soyuz, das hat schon dazu geführt,dass wir uns auch erkennen,da sind wir jetzt auch wieder bei der Grundnotwendigkeit der europäischen Raketen,dass wir jetzt in einer Phase waren, nach dem Überfall der Russen auf die Ukraine,dass wir keine Startdienstleistungen ausreichend zur Verfügung hatten.Ariane 5 war ausgebucht, Ariane 6 gab es noch nicht und die Vega-Rakete,also die kleine Feststoffrakete, kleinere Feststoffrakete ist momentan wegentechnischer Probleme gegroundet, sodass wir momentan aktuell in Europa keine Rakete haben.Und was ist das Ergebnis?Wir müssen jetzt in die USA gehen und müssen da Startdienstleistungen einkaufen.
Tim Pritlove 1:51:16
Wie zum Beispiel jetzt mit der Euclid-Mission. Genau.
Denis Regenbrecht 1:51:18
Und das ist natürlich ein Zustand, der ist nur für eine begrenzte Zeit möglich.Deswegen ist es gut, dass die 6 rechtzeitig kommt und die erste Mission nachdem Jungfernflug wird dann auch schon tatsächlich ein Start mit einem institutionellenNutzlos aus Frankreich werden.
Tim Pritlove 1:51:37
Also beim ersten Start hat man Sachen genommen, wo es jetzt nicht ganz so schlimmwäre, wenn es schief geht.
Denis Regenbrecht 1:51:44
Ja, es gab immer wieder Diskussionen, aber….
Tim Pritlove 1:51:47
Gibt es auch billiger dann in der Regel?
Denis Regenbrecht 1:51:50
Gibt es eigentlich für einen Selbstkostenpreis normalerweise.
Tim Pritlove 1:51:55
Ja klar, man geht natürlich ein super Risiko damit ein und Risiko wird natürlichdann auch entsprechend bezahlt.Okay, das heißt also die Ariane 6 ist im Wesentlichen so ähnlich aufgebaut wie die 5.Hauptunterschied ist die wieder startbare Oberstufe und dass statt der zweiFeststoffbooster es eine Konfiguration gibt mit zwei oder vier.Das heißt je nachdem wie viel Boost man braucht, wie hoch man geht oder wieschwer die Nutzlast ist, kann man sich das sparen und zwei Booster weniger,das bringt schon finanziell einen riesigen Unterschied. Ja.
Denis Regenbrecht 1:52:29
Absolut. Aber damit jetzt die Hörer da jetzt nicht irgendwie auf den falschenGedanken kommen und sich dann sagen, ja, dann hätte man ja auch die Ariane 5 nehmen können.Also das ist die äußeren Ähnlichkeiten und Unterschiede.Also die wirkliche technologische Weiterentwicklung steckt natürlich im System drin.Das kann man von außen nicht so richtig einschätzen.Weil die Ariane 6 ist halt technologisch aus den 2010er Jahren und die Ariane 5 aus den 80er Jahren.Und da hat sich natürlich viel getan. Da sind wir jetzt wieder zurück bei derSoftware und bei der Avionik. Da hat sich natürlich einiges weiterentwickelt.Das ist komplett ganz andere Architektur.Aber auch die Produktionsprozesse der Triebwerke sind teilweise neu.Da kommt jetzt viel mehr 3D-Druck zur Anwendung. Die Materialien der Tanks sind auch neu.Das war früher nur Aluminium und eine Aluminiumlegierung.Jetzt hat man da Aluminium-Lithium-Legierungen, die sind viel leichter.Und generell, also es ist wirklich, also man merkt schon überall,dass die Zeit nicht stehen geblieben ist und man hat da wirklich überall Sachendrin und auch die Art, wie die Produktion geplant ist.Ich hatte am Anfang gesagt, Ariane 5 ist ja so ein bisschen Manufaktur,und ist Ariane 6 nicht mehr in dem Sinne, dass es tatsächlich nach modernen,Industrialisierungskonzepten ausgelegt, also mit einer Taktstraße,die jetzt nicht unbedingt ist wie, wie, keine Ahnung, bei VW in Wolfsburg.Es ist daran orientiert, wie auch Flugzeuge und sowas gebaut werden.Also es ist nicht mehr irgendwie, hier steht eine Rakete und dann baut man diedann so einzeln auf, sondern es ist tatsächlich, an jeder Station wird was gemachtund wenn es an der Station fertig ist, geht es dann weiter.Was auch dazu führt, dass die Durchgangszeit von Anfang bis zum Ende der Raketenproduktionauch geringer geworden ist.
Tim Pritlove 1:54:29
Also wie kann man sich diesen Optimierungsprozess vorstellen? vorstellen.Also wenn jetzt vorher sehr viel mehr Handarbeit war, dann unterscheidet sichwahrscheinlich eine Ariane 5 von der nächsten auch erheblich.Und bei der Ariane 6 ist das dann einheitlicher in der Produktion? Kann man das so sagen?
Denis Regenbrecht 1:55:17
Das ist bei der Ariane 5 nicht so. Da ist wirklich die Rakete schon ausgesucht auf die Mission.Und dann zu entscheiden, nee, wir fliegen jetzt lieber Dienstsatelliten zuerst,das ist gar nicht so einfach gewesen.Die Produktion selbst, das ist je nach Standort verschieden,aber kommt auch mit viel weniger Personal aus.Also die Manufaktur war tatsächlich eine Manufaktur, aber jetzt hat man tatsächlichviel mehr Industrieroboter und industrielle automatisierte Prozesse,die zum Einsatz kommen, sodass man,ich möchte jetzt nicht sagen, nur noch die halb so viele Leute in der Produktionhaben, Aber generell ist es schon eine signifikante Reduktion an den Leuten, die das machen müssen.Oder machen, ja, machen müssen.
Tim Pritlove 1:56:03
Und sagen wir mal, jetzt geht alles supi mit der Ariane 6, so Bilderbuchstart,so wie man sich das wünscht.Die ersten fünf Launches laufen alle tippitoppi ab und alle so,aha, okay, Europa kann es ja dann doch noch, dann buchen wir mal.Und jetzt gibt es voll den Run und das Ding wird nachgefragt, wie nix Gutes.Wie skalierbar ist dann sozusagen sozusagen diese Produktion?Also ist das das, was du meinst, dass das jetzt sozusagen mehr den industriellenProzessen entspricht, dass man dann eben auch so ein Ramp-up machen kann und sagen kann,okay, jetzt bauen wir einfach sehr viel mehr und kommen jetzt an eine höhereTaktrate, was ja letzten Endes nicht nur mehr Einnahmen bedeuten würde für die einzelnen Flüge,sondern ja dann auch bedeuten würde, dass man im Prinzip auch eine Chance hat,die Produktionskosten als solche zu senken.
Denis Regenbrecht 1:56:56
Also das geht schon, aber nur bis zu einer bestimmten Grenze.Also die Anlagen, die wir jetzt alle haben und die Produktionsinfrastruktur,die wir jetzt haben, die ist darauf ausgelegt, bis maximal elf im Jahr herzustellen.Und die jetzt geplante Produktionsrate, wir sagen immer im eingeschwungenen Zustand,Geht von neun aus. Also man hat noch so ein bisschen Luft für zwei,vielleicht kann man auch mal zwölf herstellen,aber wenn man jetzt wirklich sagt, okay, die geht wie geschnitten Brot,wir könnten 20 am Stück verkaufen, dann müsste man tatsächlich nochmal Investitionenaufbringen, um zusätzliche Produktionsanlagen zu beschaffen.Das ist eigentlich, also das große Nadelöhr tatsächlich,sind jetzt gar nicht mal so die Stufen, die wir in Europa bauen,sondern das ist tatsächlich die Feststoffproduktionsinfrastruktur in französisch-guianer.Also die Feststoffstufen, die werden in französisch-koreaner direkt gebaut,hat Sicherheitsaspekte, weil man darf so große beladene Feststoffbooster mitdem Schiff gar nicht durch die Welt fahren.Also deswegen hat man sich bei Ariane 5 damals entschlossen,das in Kourou direkt zu machen und das ist dann halt auch, weil es dann dieInfrastruktur schon gibt, hat man es dann halt da gelassen.Und wenn man das wollen würde, müsste man da tatsächlich nochmal eine ganzeMenge Geld investieren.Man müsste auch in Europa Geld investieren, weil wie gesagt die Schweißanlagenund sowas sind auch ausgelegt auf eine bestimmte Kadenz,aber das Nadelöhr ist tatsächlich die Produktionskapazität der Feststoffgeschichten in Kuru.
Tim Pritlove 1:58:41
Okay, aber das ist jetzt auch nicht komplett unvorstellbar, dass man das tun könnte.
Denis Regenbrecht 1:58:46
Man könnte da sicherlich Geld investieren.Das Interessante ist, da kommen wir jetzt wieder auf deine Frage von der Reusability zurück.Da ist jetzt die Frage, ob es nicht eventuell tatsächlich mittelfristig schlauerist, tatsächlich auf diese Reusable Booster zu gehen.Anstatt dann viele hundert Millionen in Produktionsinfrastruktur von Feststoffzusätzlich ranzugehen.Also das ist dann auch mal so eine Frage, das sind dann Trade-offs,die wir dann auch machen, zusammen mit der Industrie und zusammen mit der ESA.Da gibt es keine richtige und keine falsche Antwort. Was wir machen,das ist ein hochkomplexes System und da gibt es nicht irgendwie die einzig wahre Antwort,weil das hängt immer davon ab, wovon gehe ich in der Zukunft aus, was sind meine Nutzer,was ist die Nachfrage,wie wird sich das entwickeln, wie entwickeln sich Preise für bestimmte Produkte.Feststoff ist zum Beispiel hochgiftig die Verbrennungsprodukte sind schädlichfür die Atmosphäre, schädlicher als alles andere, was die Rakete von sich gibt,gibt es da in Zukunft irgendwie einen Drive, dass das aus grünen Gründen nichtmehr gut ist und nicht mehr akzeptiert ist,was ich mir vorstellen kann und das sind alles solche Elemente weswegen es immerrelativ einfach die sind ja doof,die machen das alle ganz nicht so schlau, die beeinflussen, was am Ende danndie technische Lösung ist.Von politischen Randbedingungen mal ganz zu schweigen, dass natürlich für dieIndustriepolitik in Frankreich eine technische Lösung X vielleicht sinnvollerist als Y in Deutschland oder in Italien.Okay.
Tim Pritlove 2:00:34
Wäre denn außer dieser Feststoffproduktion, gäbe es denn noch andere Bottlenecksam Standort in Kuru oder ist im Prinzip Kuru auch in der Lage mehr Launches zu machen?
Denis Regenbrecht 2:00:44
Also man müsste sicherlich, was das Launchpad angeht, auch nochmal erweitern.Also das jetzige Launchpad, ich weiß es gar nicht, das ist nicht in der Lagemehr als ein Start pro Monat zu machen.
Tim Pritlove 2:01:01
Warum? Was ist da der limitierende Faktor?
Denis Regenbrecht 2:01:04
Die Endproduktionshalle, das ist das sogenannte Ball, wo die Rakete aus deneinzelnen Teilen zusammengelegt wird und die Prozesse, die da stattfinden, plus das ELA-4,also der Startkomplex, für alle Aktivitäten, die du da stattfinden lässt,brauchst du eine bestimmte Mindestanzahl an Tagen.Und wenn du die aufrechnest, dann kommst du auf 20 oder sowas.Und dann brauchst du noch Zeit nach dem Start, um dann wieder zu refurbishen,weil die Feststoffbooster, die hinterlassen da ja auch durchaus ihre Spuren.Und so, dass man halt sagt, also unter einer bestimmten Taktrate geht es nicht.Und wie gesagt, das ist jetzt die Größenordnung.Wahrscheinlich wird man mit Aktivitäten und wenn man sich anstrengt,das auch häufiger machen können, aber ich bin mir sicher nicht kontinuierlich jedes Jahr.
Tim Pritlove 2:02:03
Okay, also neben dem Launchpad, diese Halle, das ist sozusagen etwas vorgelagert,da war ich dann auch, das ist einfach so eine Halle.Da wird das Ding halt horizontal zusammengebaut, dann rübergefahren und dort erst aufgerichtet.Das ist ja auch neu, das ist ja bei der Ariane 5, glaube ich,anders gewesen. Da wird die vertikal transportiert.
Denis Regenbrecht 2:02:23
Die wird auch vertikal integriert und deswegen sind ja auch die Integrationszahlender Ariane 5 so viel höher als, also ich weiß nicht, als du ein Guru warst,hast du ja bestimmt das Bill und das Buff gesehen.
Tim Pritlove 2:02:32
Das war was, Bill, Buff?
Denis Regenbrecht 2:02:35
Bill ist das Bâtiment Integration Lanceur. Ja.
Tim Pritlove 2:02:38
Für die 5 oder die 6, meinst du jetzt? Nee, die 5 habe ich leider gar nichtsehen können. Ich bin nur bei der 6 gewesen.
Denis Regenbrecht 2:02:44
Also das sind zwei größere, also richtig große Gebäude.Im Bill wird die Rakete sozusagen, die Unterstufen und sowas zusammengebaut.Und im Buff, das ist das Bâtiment Assemblage Finale, also das Endmontagegebäude.Das ist dementsprechend auch noch ein bisschen höher, wo dann auch noch dieFairing und die Satelliten obendrauf gesetzt werden. Und das wird alles im Vertikalengemacht, auf den Starttischen.Und die Starttische, die rollen dann sozusagen direkt zum ILA-3,also zum Startplatz für die Ariane 5.Und der Starttisch der Ariane 6, der ist nicht mehr mobil, der ist fest eingebaut.Und wie du sagtest, wird die Ariane 6 horizontal da angeliefert und wird dannerst auf dem Starttisch aufgerichtet, was im Endeffekt genauso ist,wie es dann auch SpaceX machen oder die Russen.
Tim Pritlove 2:03:38
Okay, das heißt, man müsste im Prinzip, wenn man die Taktrate erhöhen will,müsste man entweder sich Maßnahmen überlegen, wie man das besser parallelisiert,weil es wäre ja denkbar, dass man vielleicht in der Halle schon die nächstezusammenbaut, während die andere noch am Start ist. Das ist ja,glaube ich, schon weit genug entfernt.Das war, glaube ich, eine ziemliche Distanz.Im schlimmsten Fall bräuchte man halt nochmal einen weiteren Startplatz.
Denis Regenbrecht 2:04:02
Aber das ist tatsächlich ein Luxusproblem. Also da muss man echt sagen,wenn wir in die Situation kommen, dass wir so viele Ariane 6 verkauft bekommen,dann ist das tatsächlich ein Luxusproblem.
Tim Pritlove 2:04:16
Aber es ist machbar. Also ich meine, Kuru ist ja ein Rigi-Senn-Ort.Also das hat mich ja wirklich getroffen wie ein Blitz.Man steigt da ins Auto und sagt, jetzt fahren wir mal dahin.Erst mal unterwegs und dann ist man unterwegs und man hat das Gefühl,man fährt durch das halbe Land.Das ist einfach ein Riesenkomplex und da ist noch so viel Platz für alles mögliche.Zumal ja der alte Ariane 5 Launchplatz ist ja jetzt im Prinzip vakant,oder? Also der wird jetzt für nichts mehr gebraucht, oder?
Denis Regenbrecht 2:04:48
Der ist momentan vakant, aber der wird Nachnutzung finden.Also erst jetzt mal übergangsweise wird die Vega wahrscheinlich davon starten,also die Weiterentwicklung der Vega, also weiterentwickeln.
Tim Pritlove 2:05:07
Die ja derzeit auch noch einen eigenen Startplatz hat.
Denis Regenbrecht 2:05:09
Die hat einen eigenen Startplatz und der wird auch weiterhin bestehen.Aber die wird noch weiter entwickelt.Und um den Startplatz sozusagen an die neue, also wir haben jetzt die Vega ohne Buchstaben.Ist ausgelaufen. Jetzt gibt es die Vega, also es gibt noch eine Rakete.Dann gibt es die Vega C, das ist die verbesserte Version. Und dann wird es zukünftigauch eine Vega E geben. Und die Vega E, dafür muss der Startplatz angepasst werden.Aber gleichzeitig will man ja die Vega C weiter starten und um sozusagen diesegegenseitigen Einflüsse zu minimieren,soll der ehemalige Ariane 5 Startplatz übergangsweise für die Starts von Vega umgebaut werden.Das ist aber auch erstmal ein Wunsch der Italiener, dem wurde jetzt auch entsprochen, politisch.Aber wie das jetzt finanziell und mit welchen Inhalten genau aussieht,da muss man sich mal drüber unterhalten.Wir sagen, an und für sich kann das keine Dauerlösung sein, weil wenn wir jetztwieder auf diese Launcher-Challenge zurückkommen, kann es ja sein,dass eventuell ein Anbieter einen Bedarf hat, das zu machen.Genauso sieht Frankreich auch andere Nutzungsmöglichkeiten des ELA-3,gerade auch wenn man jetzt ein bisschen perspektivischer in die Richtung denkt,dass man vielleicht auch mal irgendwann bemannte Starts von Kourou aus macht.
Tim Pritlove 2:06:40
Okay. Das Fass wollte ich jetzt eigentlich gar nicht mehr aufmachen.
Denis Regenbrecht 2:06:45
Das Fass mache ich auch direkt wieder zu.
Tim Pritlove 2:06:47
Okay. Ja, spannend.Also es geht dann im Laufe dieses Jahres hoffentlich bald los.Das werden wir dann sehen, wie gut es läuft. Was…,Liegt denn so jetzt in der unmittelbaren Zukunft?Also klar, jetzt will man natürlich erstmal, dass Ariane 6 ein Erfolg wird undman muss halt schauen, wie sich die Konkurrenz, auch die Kostenkonkurrenz mitanderen Anbietern auf der Welt und SpaceX ist ja noch nicht mal das Einzige.Also auch in Indien gibt es Launcher-Aktivität.Für polare Missionen gibt es ja sowieso sehr viele andere Startplätze noch.Ich glaube auch Japan ist ganz gut unterwegs und irgendeinen habe ich sogarnoch vergessen. mit Chinesen dürfen wir natürlich nicht vergessen,aber die sind ja nicht so in dem Markt drin und Russland, weiß man nicht,muss man schauen, wie sich das jetzt entwickelt.Aber es wird sich ja weiterentwickeln, dieser Markt, ist ja klar.Was ist sozusagen Beyond Ariane 6 oder ist das jetzt erstmal so das Denkmodell für die nächsten,Dekaden?
Denis Regenbrecht 2:08:06
Dekaden glaube ich nicht. Also was klar ist, wo wir jetzt auch die,also ich in meinem Bereich die meiste Arbeit reinstecken werden,ist natürlich erst mal die Ariane 6 zum Fliegen zu bekommen.Und nach dem Erstflug beginnt ja eigentlich erst die richtige harte Arbeit.Eine Produktionskadenz und eine Startkadenz kontinuierlich so hinzubekommen,dass wir halt auch ein gutes System haben.Und dazu gehört jetzt auch, dass momentan die Diskussionen mit der Industrieam Laufen sind, was die Produktionsverträge angeht in der Industrie.Ersten Phase der kontinuierlichen Produktion.Also wir haben zwei Phasen. Wir haben einmal eine sogenannte Transitionsphase,das sind die ersten 15 Raketen, wo man sozusagen so langsam sich hochfährt und ab Rakete 16,sagt man, sind wir kontinuierlich drin und da finden momentan Gespräche stattzwischen ESA, zwischen uns, zwischen Industriellen,wie diese Phase ausgestaltet wird,vertraglich und auch auch Randbedingungen, das ist etwas, was auf alle Fällejetzt gerade auf dem Papier steht.Und natürlich ist klar, dass die Ariane 6 bis in die 30er Jahre hinein auf alleFälle ihre Rolle spielen wird, wenn es nach mir geht, auch darüber hinaus.Dann ist aber auch die Vorbereitung der Zukunft ein Element,was gar nicht so in meinem Bereich hineingehört.Da kümmert sich ja der Kollege drum, von dem ich am Anfang gesprochen habe.Aber natürlich habe ich da auch meine Ideen und kriege da auch was von mit.Wir reden ja auch miteinander. Und da ist natürlich jetzt der erste große Schrittjetzt diese Ausgestaltung der Randbedingungen für das, was wir diese Launcher Challenge nennen.Also das ist ja erstmal eine Idee,aber eine Idee mit bestimmten Umsetzungserwartungen, aber daraus muss man jaauch erstmal ein Konzept und ein Vorgehen machen, was Hand und Fuß hat.Und das ist das, was jetzt auch dieses Jahr tatsächlich uns im gesamten Bereich, aber auch der ESA,sehr viel Arbeit hervorrufen wird, dieses Konzept auch so zu definieren,dass man 2025 auf einer Ministerratskonferenz auch das entscheiden kann undsinnvollerweise dann auch mit einem nicht gerade geringen Geldsummen da reingehen kann.Weil wenn ich Firmen verspreche, dass ich in Zukunft ihre Produkte auf alleFälle kaufe, dann muss ich auch dafür sorgen, dass ich auch das Geld habe,diese Produkte zu kaufen.Und ich muss ihnen natürlich auch im Rahmen dieser Challenge Co-Financing,ist das richtige Wort, geben, weil das hat die NASA bei SpaceX ja auch gemacht.Und diese ganzen Sachen auszudiskutieren, das ist ja, also wie Deutschland sichdas vorstellt, ist das eine.Frankreich mag es anders sehen, Italien mag es anders sehen,die Schweiz mag es anders sehen, am Ende muss es die ESA umsetzen.Und das sozusagen alles so konvergenzmäßig zu haben, dass am Ende alle bereitsind, bei sowas mitzumachen. Da ist noch eine Menge Arbeit, die vor uns steht.Aber das ist aus unserer Sicht zumindest ein Weg, mit dem man die Zukunft sicherlichpositiv gestalten kann.
Tim Pritlove 2:11:44
Ja, Dennis. Dann würde ich sagen, können wir an der Stelle auch den Überblicküber das Programm mal zum Ende bringen.Also Ariane 6 wird kommen.Derzeit ist noch ein bisschen Flaute in Kuro, aber demnächst kann man sich dawieder ein bisschen auf Arbeit einstellen. Ich.
Denis Regenbrecht 2:12:04
Meine, das auf alle Fälle und die ersten 16 Raketen, die sind verkauft.Also die müssen jetzt nicht irgendwie händeringend nach Kunden suchen gehen.Also die Raketen sind voll und die Kunden warten, dass es endlich losgeht unddas kann ich verstehen. Also wir warten auch, dass es endlich losgeht.
Tim Pritlove 2:12:21
Ja klar, wir waren alle da drauf. Das heißt, wenn jetzt der Jungfernflug klappt,geht es dann sofort im Monatszyklus weiter?
Denis Regenbrecht 2:12:28
Also wenn der Jungfernflug klappt, würde ich prognostizieren,dass wir mit 24 noch einen Flug haben.Und dann hängt es davon ab, wie schnell die hoch skalieren können.Also, es gibt viele Menschen, die momentan nichts anderes tun,als diesen Ramp-Up darstellen, also nicht zu wollen, sondern sicherzustellen,dass der Ramp-Up gut funktioniert.Und da gibt es diverse Planungen mit optimistischen,mit nominalen und mit pessimistischen Modellen, möchte ich jetzt gar nicht Zahlennennen, aber am Ende des Tages wollen wir schon relativ schnell auf diese neun pro Jahr kommen.Also wir werden 2025 noch nicht 9 pro Jahr haben, das ist auch klar.Wir werden wahrscheinlich 2026 auch noch nicht 9 haben, aber wenn wir 2027 9haben, das wäre schon gut.
Tim Pritlove 2:13:21
Okay. Jetzt kann man sich das so etwa vorstellen und dann gibt es regelmäßighoffentlich gute Nachrichten aus Co.Vielleicht habe ich da auch noch mal die Gelegenheit, mir mal was anzuschauen.
Denis Regenbrecht 2:13:35
Wenn das erstmal läuft, dann denke ich wir auch. Also zum Erstflug möchte möchteman auf keinen Fall in Kourou sein.
Tim Pritlove 2:13:42
Nee? Sind alle nervös oder was?
Denis Regenbrecht 2:13:44
Ja, vor allem kriegt man kein Hotel, weil da ist ja jeder da und,da muss man auch ein bisschen Zeit mitnehmen, weil das wird sowieso nicht an dem Tag fliegen.Also da muss man auch Geduld haben und Ausdauer. Und da sind dann auch genügend Leute dabei, die...
Tim Pritlove 2:14:01
Aber es ist eine Reise... Es ist ein bisschen heiß, aber das nimmt man damit.
Denis Regenbrecht 2:14:06
Kourou ist auf alle Fälle eine Reise wert und in einer Raketenstadt,definitiv. Ich spekuliere lieber auf den zweiten Flug.
Tim Pritlove 2:14:14
Alles klar, Dennis. Vielen Dank.
Denis Regenbrecht 2:14:18
Ich habe zu danken.
Tim Pritlove 2:14:18
Für die Ausführungen.
Denis Regenbrecht 2:14:20
Gerne, gerne.
Tim Pritlove 2:14:22
Und dann sehen wir auch mal zu, dass wir hier bei Raumzeit demnächst noch mehrAspekte davon abdecken können, aber das war es jetzt erstmal.Insofern danke ich fürs Zuhören und ich sage Tschüss, bis bald.

Shownotes

RZ118 Raumfahrt-Industrie

Die Rolle der Raumfahrt-Industrie beim Bau und Betrieb von Raumfahrzeugen

Firmen wie OHB in Bremen übernehmen in der Raumfahrt eine kritische Rolle. Als Partner der Wissenschaft und Raumfahrtagenturen begleiten sie die Planung und übernehmen den Bau der Raumfahrzeuge und Nutzlasten. Die von ihnen mit entwickelte Technik erlaubt dabei, die Satelliten immer moderner werden zu lassen und zunehmend kostengünstiger zu betreiben.

Aber nicht nur das Zustandekommen von Missionen steht im Fokus dieser Unternehmen. Immer wichtiger wird die Planung des Missionsendes, der Rückführung, Entsorgung und ggf. auch die Verlängerung von Missionen nehmen immer breiteren Raum ein. Die Problematik der Weltraumschrotts stellt die Raumfahrt vor neue Herausforderungen, die künftig mit neuen Lösungen für Planung, Reparatur oder Rettung von Missionen beantwortet werden müssen.

Dauer:
Aufnahme:

Charlotte Bewick
Charlotte Bewick

Wir sprechen mit Charlotte Bewick, Abteilungsleiterin für wissenschaftliche Missionen bei OHB in Bremen. OHB ist einer der Unternehmen, die in Europa Raumfahrzeugbau betreiben. Wir sprechen über die Aufgaben der Industrie bei der Planung von Missionen, über Fokus und Kommunikation und Organisation der eigenen Arbeit und auch über die spezielle Herausforderung der Weltraummüll-Problematik. Charlotte Bewick ist auch Gründerin des OHB-Weltraumschrott-Kompetenzzentrums und macht sich viel Gedanken darüber, wie Raumfahrt künftig technisch und rechtlich gestaltet werden muss, um die Raumfahrt auch in den nächsten Jahrzehnten noch sicher und bezahlbar zu halten.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:34
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Ich begrüße alle hier zur 118. Ausgabe von Raumzeit und heute bin ich mal wiederauf Reisen gegangen und habe mich nach Bremen begeben, Um ja mal ein Thema auf die Liste zu holen,was so ein bisschen noch am Seitenrand stand die ganze Zeit.Konkret soll es nämlich heute gehen um die Einbindung der Industrie in die Raumfahrt.Da wo also die Maschinen nicht nur gestaltet, sondern eben auch konkret gebaut werden.Ja und da begrüße ich erstmal meine Gesprächspartnerin für heute, Charlotte Burg.
Charlotte Bewick 0:01:20
Hi.
Tim Pritlove 0:01:20
Hallo Charlotte, wunderbar. Wir sind in Bremen und zwar ganz konkret sind wirhier bei OHB, ein Name, den man in der Raumfahrt kennt.Sicherlich kein Unternehmen, was so eine deutschlandweite Resonanz hat,aber natürlich in der Raumfahrt bekannt ist wie ein bunter Hund.Ursprünglich hieß das mal Otto Hydraulik Bremen GmbH.
Charlotte Bewick 0:01:45
Das stimmt. Und dann hieß es mal orbitale Hochtechnologie Bremen und mittlerweilehaben wir nur noch die Buchstaben, glaube ich, OHB ohne Bedeutung.Ja, genau. Ja, ich glaube in der Raumfahrt sind wir sehr bekannt.Wir sind drittgrößte Satellitenbauunternehmen in Europa.Aber ich glaube auch in Bremen kennt man uns sehr gut, sehr wohl.
Tim Pritlove 0:02:07
Kann ich mir vorstellen.
Charlotte Bewick 0:02:08
Wir haben viele Mitarbeiter hier, aber sonst haben wir nicht so die Prominenzwie jetzt Airbus oder so, wo man ja auch die Flugzeuge vor allem kennt.Das machen wir nämlich nicht. Wir machen reine Raumfahrt.
Tim Pritlove 0:02:19
Aber klein ist der Standort ja nicht. Also wenn ich das richtig sehe,sind das so knapp 3000 Mitarbeiter.Das ist ja schon ein etwas größerer mittelständischer Betrieb kann man sagen.
Charlotte Bewick 0:02:31
Absolut. Wir sind auch stark gewachsen. Ich bin seit zehn Jahren in der Firmaund als ich hierher kam, waren es ein paar hundert.Genau wie viele weiß ich nicht mehr, aber wir sind stark gewachsen in den letzten zehn Jahren.
Tim Pritlove 0:02:44
Also wir haben ja hier so einen Standort, ich glaube, auch in der Nähe der Universitätin Bremen und auch in der Nähe von anderen wichtigen Raumfahrtnahen, Instituten,wissenschaftlichen Organisationen, der Fallturm ist glaube ich nicht weit.Das war ja sicherlich eine bewusste Entscheidung, sich hier einzubetten.
Charlotte Bewick 0:03:04
Ja, das war vor meiner Zeit, aber ich finde es passt sehr gut.Wir sind ein Unternehmen, wir sind stark an Forschung, Entwicklung,Wissenschaft dran und darum hier oben im Technologiepark in der Nähe der Uni,in der Nähe vom DLR und Zahm hattest du ja auch eben angesprochen,das ist ein super Standort.
Tim Pritlove 0:03:24
So, stellt sich natürlich erstmal die Frage, was hat dich denn hier hingeführt?Du bist ja, glaube ich, Luft - und Raumfahrttechnikerin, wenn ich das richtigsehe. So eine Ausbildung, die hast du wo gemacht?
Charlotte Bewick 0:03:35
Ich habe in Berlin studiert, an der TU Berlin habe ich Luft - und Raumfahrttechnikstudiert, habe dann einen Master in Space Engineering and Astronautics gemacht in England,in Cranfield University und danach habe ich einen PhD gemacht in Glasgow ander Strathclyde University und mein Fokus da war, nennt er sich,Habe ich vergessen? Nein. Quatsch. Space Mission Applications of High Area toMass Ratio Orbital Dynamics.
Tim Pritlove 0:04:08
Wow, that's a mouthful.
Charlotte Bewick 0:04:10
Ja.Heißt? Also es geht um Körper mit einem großen Oberfläche -zu -Masse -Verhältnis,die im Weltraum, also im Orbit sich befinden.Und dadurch, dass die Oberfläche so groß ist, erfahren sie überproportionalviel Oberflächenkräfte, wie zum Beispiel Sonnendruck, ganz genau,Solardruck, aber halt auch Drag zum Beispiel.Und wir hatten geschaut, was passiert mit diesen Objekten, wie verhalten die sich?Und dann haben wir oder habe ich Anwendungen definiert. Und eine Anwendung,die da rauskam, war, dass man auch aus sehr hohen zirkulären Orbits mithilfedes Solardrucks passiv den Wiedereintritt forcieren kann,wenn man seine Oberfläche gezielt zu einem bestimmten Zeitpunkt ändert.Sprich, man hat zum Beispiel einen Ballon dabei, den man zu einem gewissen Zeitpunkt,genauen Zeitpunkt, bevor er berechnet ist, aufbläst.Und dann sorgt der Solardruck dafür, dass das Perigeum des Orbits,also das ist der Punkt, der der Erde am nächsten ist, immer näher zur Erdoberflächekommt, weil der Orbit insgesamt elliptischer wird.Und dann, wenn der dann niedrig genug ist, dann hat er dort so viel Luftwiderstand,dass der ganze Satellit wieder eintritt.Da bin ich auch in diese Weltraumschrott -Thematik reingegangen.Jedenfalls mein Fokus war eben Orbitaldynamik, war sehr mathematisch orientiert.Und dann habe ich, nachdem ich mein PhD abgeschlossen hatte oder ich habe nochmeine, meine Arbeit war noch nicht geschrieben, aber meine Forschung war zu Ende,da habe ich mich umgeschaut nach möglichen Stellen und habe hier eine ganz ansprechendeStelle gefunden bei ORB, nämlich Systemingenieurin in der Vorentwicklung.Und und hab mich beworben und hab die Stelle bekommen. Das ist jetzt über zehnJahre her und seitdem bin ich hier bei OHB in Bremen in der Vorentwicklung undmittlerweile, also von Systemingenieurin, leitende Systemingenieurin,bin ich mittlerweile Abteilungsleiterin und Projektmanagerin.
Tim Pritlove 0:06:10
Für welche Abteilung genau?
Charlotte Bewick 0:06:13
Wissenschaftsmissionen.
Tim Pritlove 0:06:14
Wissenschaftsmissionen, was ein Schwerpunkt ist bei OHB, kann man sagen.Okay, spannend. Also das deutet ja auch schon ein anderes Thema an,auf das wir sicherlich noch mal eingehen, aber so dieser Wiedereintritt,das ist natürlich ein heißes Thema seit einigen Jahren in der Raumfahrt,weil das halt einfach mal mit eingepreist werden muss.Dass es im Prinzip ja auch ein Memorandum of Understanding gibt.Von Gesetzen kann man ja nicht wirklich sprechen, sozusagen das ist das Ziel,möglichst wenig Schrott zu hinterlassen, weil wir haben halt schon genug imAll wie auf der Erde und da gibt es ja einige Jahre nachzuarbeiten,wo der Fokus nicht so sehr darauf lag, wie man den Ort wieder verlässt und vorallem nicht so verlassen hat, wie man ihn vorzufinden wünscht.
Charlotte Bewick 0:07:01
Absolut, das ist ein wichtiger Punkt, genau.
Tim Pritlove 0:07:04
Aber deine Technik war so ein bisschen das rausfinden, weil man den Regenschirmim richtigen Moment aufspannt, um ein bisschen sich abzubremsen.
Charlotte Bewick 0:07:12
Ja, das war total spannend, weil ich hatte vorher viele Paper gelesen,natürlich ein Literature Review gemacht und so weiter und ich bin halt immerwieder darauf gestoßen,den Luftwiderstand zu nutzen, aber das geht nur bis maximal 800 Kilometer,weil danach wird es zu wenig Luftwiderstand, keine Restatmosphäre und dann mussman sich anders behelfen.Und dann in meinen Simulationen habe ich dann gesehen, das geht ja,man kann ja viel höher noch die Oberfläche nutzen, eben durch den Solardruckund also 3000 Kilometer zum Beispiel gab es eine Zone, in der es möglichst effektivist, 6000 Kilometer in dem Bereich.Und dann war das für mich eine totale Überraschung, dass das vorher noch nichtso richtig aufgetaucht ist und genutzt wurde.
Tim Pritlove 0:07:57
Das würde mich mal interessieren.Wenn ich jetzt richtig zurückrechne, diese Studienzeit muss ungefähr so 2010 herum so gewesen sein.Bist ja jetzt mal ein etwas modernerer Student im Vergleich zu vielen altenHasen, die ich hier schon interviewt habe.Kannst du uns mal so ein bisschen Einblick geben, weil ich finde es immer herausfordernd,gerade wenn man in so einem wissenschaftlichen, technisch -wissenschaftlichenBereich unterwegs ist, sich einen Überblick zu verschaffen.Ich meine, auf der einen Seite muss man sich erstmal die ganze Mathematik unddas Basiswissen und so weiter natürlich auf jeden Fall ranholen,aber man will ja in gewisser Hinsicht auch auf dem Stand der Dinge sein unddie akkumulieren sich natürlich über die Jahre.Das Wissen wird ja nicht komplett verworfen, sondern es kommt halt immer wiederwas dazu. Wie hast du da den Weg gefunden, wirklich festzustellen, da fehlt was?Also hast du irgendwie moderne Recherchemethoden verwendet, zum Beispiel,um irgendwie Paper im großen Stil abzugrasen oder muss man einfach nur viellesen oder sich für intuitiv an das Richtige heranrobben?Hast du da irgendwie einen Pfad, den man empfehlen kann?
Charlotte Bewick 0:09:07
Also erst mal habe ich mich auf diese freie Forschungsstelle beworben,die war aber vom Ziel her schon definiert, also es ging eben um High Area -to-Mass -Ratio Orbital Dynamics.Mein Professor, das war Professor Colin McInnes, kennt sich sehr gut in demBereich aus und der wusste eben, da gibt es noch freie Stellen,Sachen, unbeantwortete Fragen anzuschauen.Das heißt, so ganz ist das natürlich nicht nur auf meinem Mist gewachsen.Und als ich dann dort angefangen habe, war ich erst mal sehr breit aufgestellt.Ich habe gesagt, okay, jetzt erst mal simuliere ich, was passiert überhauptbei dem Oberflächensache. Das ist was, was viele Leute vor mir auch schon gemacht haben.Und dann immer, wenn ich an eine Stelle gekommen bin, wo ich es interessantfand oder so, habe ich immer gesucht nach Papern, die...Sich auch dem widmen und dann dort wirklich ganz klassisch über die Referenzlisteauf andere Papers gestoßen und so weiter und so weiter.Und dann, als die ersten Ergebnisse da waren, das war schon innerhalb von einemJahr, bin ich dann auf Konferenzen gegangen.Und da habe ich meine Arbeit vorgestellt und auch dort wurde ich dann wiedervon Leuten angesprochen, die gesagt haben, hast du mal die Arbeit von das unddas und das und dem und dem angeschaut.Das ist doch ähnlich, da gibt es doch Schnittstellen und so ist das passiert.Also es gab keine sehr modernen Methoden.Ich glaube, das sind die Methoden, die schon vor 100 Jahren in der Wissenschaft so verwendet wurden.
Tim Pritlove 0:10:27
Okay, also funktioniert noch und hat sozusagen auch noch seine Berechtigung.Das ist auch gut zu wissen.Ja, auf jeden Fall.Ja, dann schauen wir doch mal, was OHB jetzt hier eigentlich macht.Also wenn man jetzt so Missionen vorstellt, und ich habe ja hier viele Missionenschon vorgestellt, Sowohl die wissenschaftlichen Aspekte, vielleicht mal mitmehr Fokus auf die Instrumente,aber natürlich dann auch die eigentliche Missionssteuerung, Launch,all diese ganzen Aspekte, da kommt ja eine Menge dazu.Haben wir meistens immer so ein Segment, wo wir kurz darüber sprechen,so okay, warum gibt's denn das überhaupt?So ja, da hat die ESA dann irgendwann mal beschlossen und dann haben wir das halt gebaut.Und das fasst ja eigentlich eine ganze Menge zusammen, weil da gehört ja dannerstmal das Spüren der Notwendigkeit für ein bestimmtes Thema auf der einen Seite,wissenschaftlicher Unterbau, der hier irgendwie gegeben sein muss,dann eine entsprechende Diskussion bis hin zu Machbarkeitsstudien,was ist denn jetzt hier sozusagen überhaupt zu machen.Jetzt seid ihr ja hier, ein Teil davon.Wie schlagen solche Themen bei euch auf?Also ab wann ist überhaupt OHB an so etwas beteiligt?Kannst du uns vielleicht mal erstmal so einen groben Ablauf geben,wie so eine Mission insgesamt vom Zeitrahmen abläuft?
Charlotte Bewick 0:11:53
Ja klar. Also ganz allgemein bei Raumfahrtmissionen unterscheidet man ja zwischenden verschiedenen Phasen, die fast alle Buchstaben haben, außer eine Zahl.Das ist Phase 0 und dann A, B, C, D, E.Wir sind hier in der Vorentwicklung normalerweise für die Phasen 0, A und B1 zuständig.Phase 0 ist eine Art Vorstudie, wo man wirklich ganz grob die Konzepte für eineIdee generiert. Phase A ist die Machbarkeitsstudie, wo man am Ende mit einemMissionskonzept rauskommt.Und Phase B1 ist die erste Detailausarbeitung, wo man am Ende den sogenanntenPreliminary Requirements Review hat.Und da werden die Anforderungen an die Mission nochmal durchleuchtet und eswird entschieden, mit welchen Anforderungen geht man jetzt in die richtige Detailarbeit. Das heißt...Die Anforderungen kommen ja immer von irgendwoher. Die Anforderungen kommenin der Wissenschaftsmission von den Wissenschaftlern.Die Wissenschaftler identifizieren, sie möchten irgendetwas untersuchen undsagen dann, wir brauchen dafür Daten in dem und dem Spektralwand oder mit derund der Frequenz und der Genauigkeit und so weiter.Also richtige Datenanforderungen erstmal nur an das, was wir das Science Productnennen und das Wissenschaftsprodukt.
Tim Pritlove 0:13:18
Also meistens die Instrumente, die dann sozusagen auf dem Satelliten installiert sind.
Charlotte Bewick 0:13:22
Genau, aber man kann sagen Anforderungen an das Gesamtsystem Satellit,aber dann würde man aus diesen Anforderungen an das Datenprodukt,würde man als erstes Anforderungen an das Instrument ableiten können und wennman dann weiß, wie das Instrument aussieht, dann weiß man, was man dafür füreinen Satelliten braucht, damit man das fliegen kann.Aber diese Schritte, also die Wissenschaftler selber, haben meistens gar nichtdie Möglichkeit, das abschätzen zu können, was bedeutet das für den Satelliten,wie schwer wird der, wie teuer wird der vor allem.Und da unterstützen wir. Und das machen wir in dem ersten Schritt meistens pro bono.Also wir sind dann mit Wissenschaftlern im Gespräch und sagen, wir helfen euch, eure,Wissenschaftsanforderungen runterzubrechen und daraus ein erstes ganz grobesSystemdesign zu machen. Und das könnt ihr dann benutzen, um gegenüber ESA,das ist meistens ESA, einen Science -Vorschlag einzureichen,also einen Missionsvorschlag.Und dann, wenn wir das machen, weil sowas springt für uns dabei raus,wir haben dann schon sehr früh Einblicke in kommende Missionen.Und das ist also was, was wir total gerne auch machen und es macht auch Spaß.
Tim Pritlove 0:14:31
Man ist im Gespräch, man zeigt auch, was man drauf hat.
Charlotte Bewick 0:14:34
Das auch, genau. Und wir haben dann gute Connections zu den Wissenschaftlern irgendwo.
Tim Pritlove 0:14:38
Letztendlich, wenn man erstmal… Ich glaube, das würde auch mit einer finanziellenBasis überhaupt nicht funktionieren, weil wo soll die Wissenschaftler das in der Phase hernehmen?
Charlotte Bewick 0:14:46
Ganz genau. Und aber jetzt auch nochmal persönlich gesprochen,macht auch einfach wahnsinnig Spaß, weil man dann auch sehr,sehr frei ist in der Konzeptionierung.Man hat noch gar keine Design -Requirements. Design Requirements sind die,die dann später kommen, die das spezielle Design irgendwie festlegen,wo man dann eingeengt wird in seiner Wahl.Und da sind wir noch ganz frei und das macht besonders viel Spaß.
Tim Pritlove 0:15:05
Klar, da kann man richtig rumspinnen.
Charlotte Bewick 0:15:07
Ja, so ist es wirklich.
Tim Pritlove 0:15:08
Was wäre wenn?
Charlotte Bewick 0:15:09
Ja, und das ist echt richtig cool. Und dann müssen wir natürlich ein bisschengucken, passt das in den Budgetrahmen rein, der jetzt angedacht ist und versuchenauch den Wissenschaftlern zu helfen, diesen einzuhalten, wenn es nicht geht.Also wenn wir merken, okay, das wird viel zu schwer, viel zu teuer oder sowas,dann sagen wir, okay, was wäre, wenn wir stattdessen das und das und das machen?Und am Ende wollen wir halt was haben, was auch Hand und Fuß hat.Und das reichen dann die Wissenschaftler bei der ESA ein.Und dann ist eigentlich unser direkter Kontakt zu den Wissenschaftlern erstmal vorbei. Dann läuft das in der ESA.Die nehmen diese verschiedenen Missionsvorschläge und suchen dann,evaluieren die und suchen dann welche aus. Also ganz konkret läuft jetzt gerade zum Beispiel der M7.M7 ist eigentlich die siebte Science -M -Class -Mission, also mittlere Mission mittlerer Größe.M6 wurde aber ausgelassen, also es ist eigentlich die sechste.Es gab aber M1, M2, M3, M4 und M5.
Tim Pritlove 0:16:13
Also M7, da sind wir gerade… Was waren das für Missionen, um mal einen Vergleichzu haben, was Mittel ist?
Charlotte Bewick 0:16:19
Ja, also Solar Orbiter ist eine. Dann haben wir Plato bei uns,wird gerade gebaut bei OHB, das ist eine Exoplaneten -Finde -Mission.Dann Ariel zum Beispiel ist auch so eine astronomische Mission.Und genau bei, jetzt Envision ist der Kandidat für M5, das ist eine Missionzur Venus, eine Radar -Mission zur Venus.Und jetzt M7 sind wir im Moment noch bei fünf möglichen Kandidaten und davonwird ESA jetzt in den nächsten Wochen drei auswählen, die in die nächste Runde gehen.Und ab dem Punkt, wo dann noch drei über sind, da wird die Industrie wieder involviert.Das heißt, dann bittet uns ESA, Angebote für Studien abzugeben, und zwar Phase A und B1.Und dann wird für alle drei Missionen jeweils zwei parallele Studien durchgeführtfür diese Phase A, also diese Machbarkeitsstudie und diese Missionskonzeptstudie.Und am Ende davon möchte ESA von uns wissen, was sind die Risiken, was sind die Kosten.Welche Requirements, also welche Anforderungen können erreicht werden,also wie hochperformant kann dieses System sein und darum auch mit zwei parallelenIndustriekonsortien, damit man eben eine Art Zweitmeinung dabei hat.Und dann auf dieser Basis von dem Ergebnis von der Phase A wird dann in zweiJahren die tatsächliche Mission ausgewählt, die es dann wird.Und das ist wahnsinnig spannend, weil die Missionen so interessant sind im wissenschaftlichen Bereich.Also wenn wir jetzt bei M7 gucken, was ist noch im Rennen, kann man auch imInternet recherchieren, aber es gibt eine Mission mit zwei Orbitern am Mars.Es gibt eine Mission, die soll auf dem Zwergplaneten Ceres landen.Es gibt eine Mission, wo es eine Hauptspacecraft und viele Töchter -Spacecraftgibt, die in Formation fliegen und das Erdplasma erforschen.Es gibt ein Gamma -Ray Observatory und es gibt noch eine astroseismologischeMission. Also wahnsinnig spannende.
Tim Pritlove 0:18:28
Auch sehr breit gestreut. Total. Schwierig da überhaupt einen Schwerpunkt festzulegen.Aber ich glaube vor den Entscheidungen steht die ESA ja am laufenden Meter da.
Charlotte Bewick 0:18:35
Richtig.
Tim Pritlove 0:18:36
Da weinen immer mehr als sich freuen. Kann ich mir vorstellen.
Charlotte Bewick 0:18:40
Auf jeden Fall.
Tim Pritlove 0:18:41
Okay. Ich habe jetzt drei Phasen gehört. Also eine einzelne Mission,wenn sie denn dann wirklich mal gebaut und geflogen wird, bis zu wie vielenBuchstaben geht das dann noch?
Charlotte Bewick 0:18:54
Also genau, B1 ist normalerweise die letzte Phase, die wir in der Vorentwicklungmachen. Danach gibt es dann ein Angebot, die Mission auch wirklich zu implementieren.Und dann gehen wir ab an die Implementierungsdirektorate hier und dort kommtdann B2. Das ist das Detailed Design.Das endet dann mit dem Preliminary Design Review, PDR.Dann kommt die Phase C, da wird auch schon gebaut, da kommt dann das Critical Design Review am Ende.Und dann die Phase D ist wirklich Assembly, Integration und Testing.Dann wird das ganze Spacecraft zusammengeschraubt, komplett getestet.Und in der Phase E, das ist Operations,da wird es dann gelauncht und der Satellitenbetrieb ist da auch dabei.Und dann spricht man manchmal noch von der Phase F, das Disposal,das kommt wieder dann in diesen Bereich Space debris mitigation.
Tim Pritlove 0:19:45
Okay, also im Prinzip geht es von Null bis F.
Charlotte Bewick 0:19:48
Genau.
Tim Pritlove 0:19:51
Nur, okay, interessant, das istB1, B2 und genau da ist aber auch so eine Trennung der Zuständigkeiten.Fragen Sie mich, warum da nicht einfach die Buchstaben weitergeführt wurden?
Charlotte Bewick 0:20:03
Ja, das ist ganz interessant. Also eigentlich ist Phase B das,wo die Requirements konsolidiert werden und das Design quasi komplett gemacht wird.Das ist theoretisch immer alles auf dem Papier und noch nichts gekauft und dannab Phase C wird gekauft und so weiter.In der Realität ist es nicht ganz so, aber der Schnitt hier ist bis zum B1 -Ende.Kann man das als Systemintegrator mit seinen Unterauftragnehmern gemeinsam das Design machen.Danach muss man anfangen mit den Komponenten, Manufacturing,die Verträge abzuschließen. Und da muss man dann auch den Vertrag mit dem Kundenhaben, weil sonst kann man das nicht weitergeben.Also darum ist da meistens der Schnitt. Aber es gibt tatsächlich auch Ausnahmen.Wir hatten ja Comet Interceptor.Das war eine Science Mission, die wir jetzt gewonnen haben. Also in Italien,UAB Italien wird die implementieren. Wir sind aber auch dabei.Und da wurde es mal ganz anders gemacht. Das war für uns auch ein Novum.Da haben wir nämlich zwei Phasen, Phase 1 und Phase 2.Und Phase 1 ist Phase A, B1 und B2.Und wir haben damals also tatsächlich bis zum Ende der Phase B2 in der Vorentwicklungan dieser Mission gearbeitet.
Tim Pritlove 0:21:16
Also bis zum detaillierten Design.
Charlotte Bewick 0:21:18
Richtig, bis zum Ende des detaillierten Designs.
Tim Pritlove 0:21:21
Ok, also ist auch nicht in Stein gemeißelt, aber im Prinzip ist das so eineArt Gerüst, mit dem man schnell kommunizieren kann, wo befindet sich jetzt so ein Projekt.Ja, ok. Würde ich ganz gerne nochmal in die einzelnen Phasen vielleicht einbisschen reinschauen, weil ich glaube das ist ja dann auch für eure täglicheArbeit dann auch sehr aussagekräftig.Weiß nicht, könnte man sich jetzt mal an einem konkreten Projekt ja vielleicht auch orientieren.Also Null, die Nullphase, wer nimmt da mit wem erst mal Kontakt auf,womit fängt's an, wer ruft wen an?
Charlotte Bewick 0:21:56
Im Science -Bereich läuft die Phase Null meistens bei der ESAB,also ohne Industriebeteiligung.Die machen dort Concurrent Design Aktivitäten.Wir haben aber Phase Null auch hier bei anderen Missionen schon oft gemacht.Und das ist meistens so, dass man da noch nicht mit vielen Partnern zusammenarbeitet,am besten macht man es als Firma alleine, weil zu viele Interfaces und Schnittstellenführen zu Komplikationen.Man muss da ziemlich schnell und interaktiv miteinander arbeiten.Da ist gerade so ein Concurrent Engineering Approach eigentlich super.Wir haben hier zum Beispiel diese CEFO, die Concurrent Engineering Facility.Das ist ein Raum mit vielen Workstations, wo man gemeinsam sitzt und iterativ arbeitet.Also die Idee ist, von jeder Disziplin sitzt dort jemand, ein Strukturingenieur,eine Antriebsingenieurin, Thermalingenieurin und Missionsanalyst und so weiter.Die sitzen alle in diesem Raum zusammen Und man kann ganz schnell das Designzusammenbauen, sprich,da wird was schwerer in der Masse, dann geht das direkt rüber zum Antrieb,dann wird das Delta V angepasst, dann stellt sich heraus, wir brauchen größereTanks, das geht dann an die Akkommodation.
Tim Pritlove 0:23:15
Also Delta V ist dann, wie viel Beschleunigung braucht das Fahrzeug?
Charlotte Bewick 0:23:18
Ja genau. Und dann merkt man, okay, wir brauchen größere Tanks oder größereThruster, dann geht das an die Akkommodation, dann wird das in dem Satellitendesigneingebaut, jetzt muss die die Struktur wieder nachjustieren und so weiter.Das sind solche Kreisläufe, die sonst Wochen dauern können, weil dann kriegtwieder jemand eine E -Mail, dann muss er das bearbeiten, updaten,schickt wieder eine E -Mail.Und wenn man das in diesem CFO -Approach macht, dann sitzen alle gemeinsam indiesem Raum und machen das, was sonst ewig dauern würde, weil man eben immerdiese langen Lead -Zeiten hat, wo man dann wartet, dass jemand irgendeine Aktionmacht. Alles innerhalb von ein paar Tagen.
Tim Pritlove 0:23:51
Wie viele Leute halten sich dann da in diesem Raum auf? Also wie viele Wissenschaftler,die kommen da an und wollen was und wie viele von euch?
Charlotte Bewick 0:23:58
Also das sind meistens erst mal nur Ingenieure. Wir haben selten,dass wir die Wissenschaftler direkt im Raum haben. Manchmal binden wir die mitein, wenn es wirklich darum geht.Da ist noch ganz viel offen, aber sonst sagen wir einfach, das ist der Input von denen.Die briefen uns, die geben uns ihre Anforderungen und dann sitzen da nur Ingenieureund das sind so fünf bis zehn Personen.
Tim Pritlove 0:24:18
Unter anderem ist ja auch, glaube ich, das LISA -Projekt bei euch durchgegangenoder geht noch sozusagen gerade durch?Genau, also LISA läuft ja schon ewig und wir waren mal zu einem Zeitpunkt auch… Also LISA,kurze Erklärung, ist ja Gravitationswellenastronomie im All,also das, was derzeit nur auf der Erde gemacht wird mit drei großen oder weitvoneinander, nicht großen, aber weit voneinander entfernten Satelliten,die ja so einen riesen Dreieck quasi mit Laser aufspannen.
Charlotte Bewick 0:24:47
Millionen von Kilometern.
Tim Pritlove 0:24:48
Millionen von Kilometern voneinander entfernt sind und dann halt entsprechendeStreckungen im Raum messen sollen und ich kann mir vorstellen,wenn man jetzt mit so einem Projekt ankommt, ich meine das ist ja auch so ein Ding,das ist jetzt nicht irgendwie ein Fernsehsatellit oder so, was schon tausendmalirgendwie gebaut wurde und wo man auf Dinge zurückschauen kann und sagen,ja okay, letztes Mal haben wir das so gemacht,hat auch im Wesentlichen funktioniert, aber hier würden wir gerne noch ein bisschendran drehen, dann kriegt man das wahrscheinlich so im Nachmittag irgendwie weg.Aber wenn jetzt sowas auf dem Tisch liegt, wo ja im Prinzip,gut es gab jetzt diese Lisa, wie hieß sie?Passfinder Mission. Genau, wo das ja im Prinzip einmal ausprobiert wurde.Also da hat man jetzt sozusagen zumindest schon mal so dieses,ja wir wissen das funktioniert auch, trotz alledem, den Moment wo sich die Größenordnungenauch ändern, dann hat das ja ganz neue Anforderungen.Warst du damit dabei oder weißt du wie das wohl gelaufen sein könnte oder kannstdu vielleicht mal so ein bisschen versuchen darauf zu projizieren?
Charlotte Bewick 0:25:47
Also Lisa ist eine Mission, die ist schon ganz, ganz lange in der Mache.Und da hat sich auch schon ganz, ganz viel einfach umgeändert und gewandelt.Also wir waren auch mal gar nicht in Lisa involviert und jetzt sind wir ganzdoll involviert, auch weil die Mission selber schon so viele Wandlungen durchgemacht hat.Und jetzt kommen wir in die heiße Phase, denn wir erwarten jetzt,dass demnächst das große ITT rauskommt, also das große Angebot geschrieben wirdfür das tatsächliche Bauen von LISA.Und genau, LISA ist eine wahnsinnig spannende, coole Mission,weil es eben darum geht – das kann man sich eigentlich gar nicht vorstellen– aber mit diesen Satelliten in so einem riesigen Abstand zu fliegen und dannaber auch hochgenau den Abstand zueinander zu messen mit diesen schwebenden Massen,um äußere Störungen ausschließen zu können.
Tim Pritlove 0:26:43
Die Goldwürfel, die da frei fliegen in den Satelliten selber drin.
Charlotte Bewick 0:26:47
Ja, also das ist richtig cool, aber auch extrem und ganz, ganz hoch anspruchsvoll.Und darum hat das so lange gedauert. Darum gab es so, so lange,so viele Vorstudien, weil es ganz viele Effekte gibt, wenn man dann ins Detail guckt.Jedes Mal, wenn man denkt, jetzt machen wir eine Detaillierung mehr,kommt, wir müssen noch viel genauer anschauen.
Tim Pritlove 0:27:06
Und die allerwenigsten Missionen haben ja überhaupt diesen Luxus erstmal dieTechnik in einer Mini -Version zu testen bevor man es los schickt.Also das Allermeiste was ja im All landet sind Prototypen.So und in dem Fall gab es zumindest schon mal eine Vorstufe davon.
Charlotte Bewick 0:27:20
Aber es zeigt auch wie anspruchsvoll das ist, weil das wirklich ungewöhnlichist, dass man so etwas macht.Und ja und da wird es jetzt, da kommen wir jetzt demnächst hin,dass wir da wirklich jetzt Angebote schreiben und dass es tatsächlich realisiertwird. nach langer, langer, jahrzehntelanger Vorarbeit. Das ist aber ungewöhnlich.Also LISA ist eine L -Class Mission, also eine Large -Class Mission.Die letzte, die erste L, L1, ist JUICE. Das ist der JUICE, Jupiter,Ice, Sea, Moon Explorer, der ist ja vor kurzem gelauncht.LISA wird jetzt die zweite L -Class Mission und dann danach kommt vermutlichdas Röntgen -Observatorium Athena.Und diese Missionen sind berüchtigt dafür, dass sie lange, lange Entwicklungszeitenhaben, dass sie auch sehr teuer sind, aber weil sie eben auch wirklich so amRande von dem sind, was man machen kann. Also wirklich Pioniermissionen.Aber man kann sie jetzt nicht so gut als Beispiel verwenden,weil sie eben so extrem… Okay, ich sehe, ich habe mich da ein bisschen verfangen.
Tim Pritlove 0:28:25
Nenn doch mal ein Beispiel, in dem du vielleicht auch selber dabei warst.Dass wir uns einfach mal diese Phase Null noch mal genauer vorstellen können.
Charlotte Bewick 0:28:31
Genau. Wir können vielleicht einfach nochmal über Comet Interceptor sprechen.Das ist zwar mit diesen Phasen ein bisschen anders gelaufen,aber das war sehr, sehr schnell und das war auch, finde ich, extrem spannend.
Tim Pritlove 0:28:40
Also ist eine Mission, die wir hier noch nicht beleuchtet haben,kann man vielleicht mal kurz sagen.Also Comet Interceptor ist so die Idee, dass man gerne mal einen Kometen einfangenmöchte, der noch nicht schon fünfmal da war, sondern der mehr oder weniger daserste Mal ins Sonnensystem eintritt und sich dann eben der Sonne nähert.Sprich, bevor er das erste Mal angeschmolzen wird, dass man die Möglichkeithat Proben zu entnehmen,als das Ding noch so richtig alt ist und das Problem ist in dem Moment,wo man so einen entdeckt, dann baut manchmal mal eben eine Rakete und startetdie und ist rechtzeitig da.Das heißt man muss im Prinzip schon im All sein und das ist glaube ich hierdie Idee, dass man irgendwie am Lagrange -Punkt L2 rumgammelt und wartet biswas kommt. Ist natürlich auch gewagt.
Charlotte Bewick 0:29:21
Ja, also es ist sehr, sehr cool. Man ist eine Art Mitfahrer.Ein Rideshare machen wir zusammen mit Ariel, dem Weltraumteleskop.Und dann fliegen wir zum Lagrange -Zweipunkt und dort warten wir dann.Und dann das Ganze basiert darauf, dass man geguckt hat, was gab es in der Vergangenheitfür Objekte und welche davon kann man mit welchem Delta -V, also mit welcher Antriebs -…,Fähigkeit erreichen. Und das sollte so ausgelegt sein, dass man möglichst innerhalbvon der Betriebsdauer, ich glaube das sind fünf Jahre, möglichst viele möglicheObjekte erreichen kann.Und dann gibt es noch so ein paar Backups, das sind einfach Asteroiden,wo man hinfliegen könnte, wenn man eben, wenn nichts kommt.Aber es kann natürlich auch sein, dass wir richtig viel Glück haben und es kommtso was Verrücktes wie dieser Omoamor, kannst du dich nicht daran erinnern?Diese lange, schreckte… Genau, wo man halt einfach war so, was ist das?
Tim Pritlove 0:30:19
Alle gleich wieder so, Raumschiff.
Charlotte Bewick 0:30:20
Raumschiff, aber das war ja wohl ein extrasolares Objekt, also eines,was sogar den Ursprung noch nicht mal aus unserem Sonnensystem haben könnte.Also man weiß einfach nicht, was kommt, das ist super spannend.
Tim Pritlove 0:30:30
Aber irgendwas ist ja immer im All.
Charlotte Bewick 0:30:32
Irgendwas gibt es immer, genau. Und im Notfall gibt es eben auch einfach interessante Asteroiden.Aber wenn es einen Kometen gibt, dann ist es ja so,der Komet kommt von weit außerhalb Und des inneren Sonnensystems kommt er indas Innere und wird dann von der Sonne angeschmolzen und beginnt dann diesesKoma zu entwickeln, das ist dieser Schweif.
Tim Pritlove 0:30:52
Meistens lösen die sich, das ist zumindest die Theorie, dass sie sich aus dieserOrtschenwolke lösen durch irgendeine Schwankung.Irgendwas fliegt vorbei, bringt so ein Stück Steinchen aus dem Tritt und danngeht's ab die wilde Fahrt Richtung Sonnensystemzentrum.
Charlotte Bewick 0:31:07
Ganz genau. Und dann kommen sie her und je näher sie an die Sonne kommen,desto mehr fängt an, sich diese Struktur dieses Kometen zu ändern.Das Eis, was da drin ist, schmilzt auf.Es sprüht Partikel und Wasserflocken und so weiter.Alles wird rausgestoßen. Das ist dieser Kometenschweif.Und den nimmt auch das Koma. Und dann würden wir mit unserem mit einem Dezeptorkommen und fliegen voll durch dieses Koma durch.Das heißt, wir mussten erst mal schauen, wie kann man sich davor schützen.Da muss man Schilde mitnehmen.Und die Geschwindigkeiten der Partikel, auf die wir da stoßen,sind viel, viel schneller als alles, was wir aus dem Erdorbit kennen.Da weiß man ja, man muss sich manchmal beschützen gegen zum Beispiel Schrottwolken oder sowas.Aber da haben wir so relative Geschwindigkeiten von 14 Kilometer pro Sekundeoder sowas. Und hier bei dem Koma geht es um 70, also gleich mal einen Faktor 5 höher.Und das war zum Beispiel ein großer Punkt, den wir uns anschauen mussten.Aber tendenziell war die Idee, wir machen das Ganze möglichst günstig,weil es ist ja ein Mitflieger und es ist auch eine sogenannte F -Class Mission,also eine Fast -Class Mission.Es soll schnell entwickelt werden, es soll möglichst günstig sein.Und um das zu realisieren, haben wir unsere HERA -Plattform genommen.HERA ist eine Mission, die kommt nicht aus dem Science -Bereich,ist aber ein bisschen wie eine Wissenschaftsmission, die kommt aus dem Space-Safety -Bereich und das ist die Mission, die zu dem Asteroiden Didymos fliegt.Didymos ist ein Asteroid, der hat einen kleinen Trabanten, also der hat einenkleinen Mond, den man nennt man auch Didymoon, aber der heißt eigentlich anders,ich kenne ihn aber nur unter Didymoon.Also Didymos und der kleine Didymoon und NASA hat eine Mission gemacht,die hieß DART und DART ist in Didymoon eingeschlagen und hat dadurch wahrscheinlichdie Trajektorie von Didymoon um Didymos verändert.Das ist ein Beispiel oder eine Demonstrator -Mission für die bewusste Veränderungder Trajektorie von solchen Objekten gewesen zur Asteroidenabwehr.
Tim Pritlove 0:33:21
DIMORPHOS heißt er.
Charlotte Bewick 0:33:22
DIMORPHOS, so heißt er, genau.
Tim Pritlove 0:33:24
DIMORPHOS und DIMORPHOS.
Charlotte Bewick 0:33:25
Okay. DIMORPHOS ist sein offizieller Name.Und HERA soll jetzt dahin fliegen, um diesen Krater zu untersuchen,den DART -Krater zu untersuchen.Also ganz spannend, total coole Mission, die läuft hier auch bei OHB,die wird hier gerade gebaut und unsere Idee war, wir nehmen,was wir von Hera haben, weil die Missionen sich sehr ähneln und sagen,das ist unser Startpunkt.Und hier fangen wir jetzt an, möglichst wenig zu ändern, um die Mission fürComet Interceptor erfüllen zu können.Denn dann kann man das Ganze relativ günstig realisieren, weil man ja vielesschon hat und nicht nochmal neu erfinden muss.
Tim Pritlove 0:34:03
Dort passt es zu dem fast und günstig sozusagen.
Charlotte Bewick 0:34:07
Ganz genau.
Tim Pritlove 0:34:08
Also Phase 0, hier ging dann also die Initiative von der ESA aus,das war dann sozusagen der Erstkontakt.Also da ruft hier jemand bei dir an und sagt so, hör mal.Neues Projekt, lasst mal treffen.
Charlotte Bewick 0:34:19
Phase 0 hat ISA selber gemacht, intern. Und dann haben sie,als sie damit durch waren und gesagt haben, das passt, das kriegen wir ungefährhin mit dem Budget nach unseren ersten Abschätzungen, da haben sie dann diesesITT veröffentlicht, das heißt Invitation to Tender.Und das bedeutet für uns, wir schreiben ein Angebot.Und da haben sich dann eben verschiedenste Konsortien zusammengetan,unter anderem wir mit unseren Freunden und Schwestern aus Italien,ORB Italia. Und haben auf dieses ITT ein Angebot geschrieben.Jetzt ist es so, dass wir im Wissenschaftsbereich bei der ESA,ja nicht nur, es geht nicht nur darum, die beste Wissenschaft zu machen,sondern es geht auch darum, den geografischen Return zu erfüllen.Das ist ja bei ESA generell immer ein Fall, das habt ihr bestimmt auch schon mal besprochen.
Tim Pritlove 0:35:06
Geografischer Return?
Charlotte Bewick 0:35:08
Also die verschiedenen Beitrittsländer der ESA zahlen ihr Geld.Und im Wissenschaftsbereich ist das ganz besonders interessant,denn jedes Land muss beim Wissenschaftsbereich teilnehmen.Also man kann nicht für eine bestimmte Mission ein Abonnement abschließen undda sagen, okay, hier, ich tue mein Geld in diese Mission.Sondern jeder muss einen gleichmäßigen Beitrag, der ans GDP,also an das Bruttoinlandsprodukt gekoppelt ist, beitragen zum Wissenschaftsprogramm.Und gleichzeitig hat ESA aber die Verpflichtung, dafür zu sorgen,dass das Geld möglichst gerecht wieder zurückfließt in die Länder.Also genau nach dem, was man beigetragen hat, das fließt auch wieder zurück.Und da war eben bei, jetzt bei Comet Interceptor, war es so,dass wir aus Deutschland gar nicht so einen riesigen Anteil haben konnten an der Mission.Und darum haben wir dann gesagt, okay, Hera ist trotzdem super geeignet,aber wir machen das zusammen mit unseren Freunden aus Italien.Und wir helfen denen dabei, unsere Heritage weiter zu nutzen und sind dann zusammenmit Italien reingegangen und haben das trotzdem geschafft, HERA dafür fertigzu machen. Nur, dass das jetzt eben in Italien läuft.
Tim Pritlove 0:36:18
Okay, also man hat quasi eine Plattform wieder neu genutzt, weil die eben auchfür diese Anforderungen geeignet ist, weil es ja im Prinzip genau das Gleiche ist.Man jagt den Asteroiden hinterher oder den Kometen oder was auch immer es ist.
Charlotte Bewick 0:36:29
Genau, also dann wurde das Angebot geschrieben, wie gesagt ITT kam von ESO unddann kam eben als erstes diese Phase A und in der Phase A macht man Trade -Offs,das heißt wir sind ganz von Anfang an da hingegangen und haben gesagt, okay,wir versuchen möglichst viel von HERA zu nutzen, da wo es Sinn macht,aber wo macht es keinen Sinn und wir haben diese ganzen Punkte versucht rauszufinden.Wo unterscheidet sich diese Mission Comet Interceptor von der Mission HERA undein Punkt habe ich gerade angesprochen, ist dieses Dust Shield,was man braucht, weil man eben durchs Koma fliegt. Aber es gibt auch noch andere.Zum Beispiel waren die Anforderungen an das Antriebssystem andere und so.Und wir haben halt überall aufgestellt, was sind die größten Unterschiede undwas sind unsere Optionen.Zum Beispiel bei dem Antriebssystem haben wir dann gesagt, okay,wir können wieder das Antriebssystem von HERA wiederverwenden oder wir könntenein anderes benutzen, zum dieses oder dieses und haben dann die Missionsoptionendurchgerechnet und zwar versucht möglichst abzuschätzen,was hat das für einen Impact auf die Masse, was hat das für einen Impact aufdie Komplexität, auf die Risiken,auf die Kosten und dann in jedem dieser Trade -Off -Punkte jeweils die besteOption auszuwählen und dann am Ende der Phase A haben wir unser Missionskonzeptdann konsolidiert und damit haben wir alle Trade -Offs geschlossen und wissenmit diesem Konzept gehen wir jetzt in die nächste Stufe, nämlich in die Ausarbeitung der Details.
Tim Pritlove 0:37:47
Heißt das, dass jetzt beim Comet Interceptor auch euer Concurrent EngineeringFacility zum Einsatz gekommen ist?
Charlotte Bewick 0:37:54
Ja, tatsächlich. Also im Angebot haben wir das gemacht.Da muss man ja innerhalb von ein paar Wochen dann eben sein Angebot zusammenmachen und da haben wir dann, finden wir immer, dass es ein super nützlichesTool ist, diese Concurrent Engineering Facility zu nutzen.Wir nutzen sie auch manchmal während der Studien, aber vor allem bei Angebotenist es extrem hilfreich.
Tim Pritlove 0:38:12
Kannst du das vielleicht nochmal ein bisschen beschreiben, wie das dann konkret abläuft?Also wir hatten ja schon die Situation, alle sitzen jetzt irgendwie in einemRaum und ihr habt dann sozusagen spezialisierte Software, um da quasi parallelan so einem Plan zu arbeiten. Kann man sich das so vorstellen?
Charlotte Bewick 0:38:27
Ja, es ist mehr eine Arbeitsweise, aber es gibt auch Software.Aber es geht vor allem darum, wir haben einen, der leitet diese Facility undder bereitet sich darauf vor und der moderiert das Ganze und hat vorher schonalles zusammengetragen, was man dafür braucht.Also die Missionsanforderungen und hat so eine Art Zeitplan entwickelt und danngeht man wirklich, das ist wie so ein Workshop, kann man sagen.Und die Teilnehmer wissen auch,was sie erwartet und dann benutzen wir bestimmte Software -Tools auch.Also wir benutzen zum Beispiel ein Tool, mit dem man Actions vergeben kann undsynchron an Dokumenten und so arbeiten kann, dass man da gleichzeitig an bestimmteSachen zugreifen kann und so.Aber der Kern davon ist wirklich dieses, man kommt zusammen,man hat einen festen Zeitplan und in diesem Zeitplan macht man mehrere ganzschnelle Iterationen des Designs.
Tim Pritlove 0:39:15
Aber die Software ist dann so in -house entwickelt oder sind das einfach auchWerkzeuge der Luft - und Raumfahrtindustrie, die zum Einsatz kommen?
Charlotte Bewick 0:39:23
Also es werden erstmal Werkzeuge, also erstmal werden die Tools,die darin verwendet werden, sind nicht nur für die CEFO.Die meisten sind halt Sachen, die man sowieso auch verwendet.Zum Beispiel für Missionsanalyse wird einfach das normale Missionsanalyse -Tool verwendet.Es gibt aber auch spezielle CEFO -Software, aber da weiß ich nicht genau,welche das ist. Ich glaube nicht, dass die speziell für OHB entwickelt ist.
Tim Pritlove 0:39:42
Also es ist sozusagen ein Modus in dem man sich dann befindet und da geht esdann schnell und ich kann mir vorstellen, dass das eine Menge Spaß macht,dann immer sozusagen mit den anderen Experten rum zu optimieren,weil das ist halt immer so das Problem.Mit Optimierung heißt, man versucht halt einen optimalen Zustand zu erreichenund jeder möchte gerne so, wäre aber cool, wenn ich jetzt hier noch das einbisschen größer baue und dann kommen irgendwie die Thermiker und sagen, wird viel zu heiß.Ja, müssen wir so machen und dann sagen, ja nee, da kriegen wir aber den Antriebnicht für gebaut, dann ist daszu schwer, dann kriegen wir das nicht gelauncht und nicht all so Sachen.Und am Ende steht irgendjemand und sagt, ja habt euch jetzt schön ausgedacht,aber es ist viel zu teuer.
Charlotte Bewick 0:40:19
Ja, also ich muss sagen, ich habe ein paar Mal an solchen Sessions teilgenommenund ich fand es jedes Mal einfach faszinierend, wie viel man hinkriegt am Ende.Hat man wirklich Seitenweise, Konzepte, Bilder, Analyseergebnisse und so weiter.Es ist richtig komplett nach einer Woche Arbeit.Man ist auch durch dann, also es ist anstrengend, einfach weil man die ganze Zeit konzentriert ist.Das Gehirn läuft die ganze Zeit auf Hochtouren von allen zusammen,aber am Ende sind eigentlich immer alle total glücklich und stolz,was man da alles zustande bekommen hat.
Tim Pritlove 0:40:49
Und da lernt man dann wahrscheinlich auch eine Menge über die anderen Bedürfnisse.Weil das ja oft so ein bisschen das Problem ist, wenn so Abteilungen alle sofür sich arbeiten und am Ende will man alles zusammenstecken und stellt festso, wir hätten uns vielleicht mal auf einen einheitlichen Stecker einigen sollen,umso früher man sowas macht.Das ist ja eine Metapher, die kann man ja auch auf alle anderen Arbeitssituationenein bisschen übertreiben.Ich glaube jeder, der in einem Unternehmen mit anderen Leuten zusammenarbeitenmuss, kann ganz gut nachfühlen, was das dann für Momente sind.
Charlotte Bewick 0:41:18
Absolut.
Tim Pritlove 0:41:19
Okay, ich wollte noch ein bisschen mal auf diese Phasen, aber die sind vielleicht gar nicht so…,Klar definiert immer, aber wir bewegen uns jetzt hier bei dem Combat Interceptorim Prinzip jetzt in dieser Machbarkeitsstudie.Das heißt, das ist dann schon etwas, wofür OHB dann auch offiziell beauftragtwird, wo schon Geld fließt, wo die ESA sozusagen investiert und sagt,okay, jetzt müsste mal konkreter werden, aber da redet man halt nicht mehr mitden Wissenschaftlern, sondern eben schon mit Leuten von der ESA.
Charlotte Bewick 0:41:45
Ja, richtig, genau. Also ab dem Punkt reden wir nicht mehr mit den Wissenschaftlern,ESA redet noch mit den Wissenschaftlern.Aber zu dem Zeitpunkt ist es ja so, dass während dieser Machbarkeitsstudie,dass es eigentlich immer mindestens zwei parallele Studien gibt.Also man befindet sich in einer Wettbewerbssituation und da wäre es nicht fair,wenn dann ein Konsortium mit den Wissenschaftlern direkt redet.Darum übernimmt ESA diese ganze Kommunikation.Aber die sind weiterhin eingebunden, gerade wenn es darum geht,dass zum Beispiel von uns rausgefunden wird. Wir können bestimmte Anforderungennicht so erfüllen oder wir müssen uns entscheiden dies oder das,dann werden die Wissenschaftler wieder konsultiert, damit sie auch ihren Senfdazugeben können, ob das akzeptabel ist.
Tim Pritlove 0:42:24
Welcher Teil von ESA spricht dann mit euch? Ist das die Raumfahrtagentur odersind das dann auch unterschiedliche Bereiche?
Charlotte Bewick 0:42:31
Also ESA hat ja mehrere Direktorate und jetzt für die Wissenschaftsmission istes das Direktorat Science und da gibt es dann immer einen Technical Officer,der für ein bestimmtes Projekt zuständig ist und das ist dann die Hauptansprechperson für diese Projekte.Aber wenn wir in der Studie sind, dann ist es oft so, und das finde ich auch immer am,allereffektivsten, dass wir nicht nur mit dem Technical Officer sprechen,sondern dass wir die ganzen Experten von ESA -Seite, da gibt es dann halt Thermalexperten,Strukturexperten und so weiter,direkt mit unserem Thermalexperten, unserem Strukturexperten in direkten Austausch bringen.Die haben dann die E -Mail -Adressen und Telefonnummern voneinander und könnendirekt miteinander Sachen besprechen.Und das ist eine viel bessere Art und Weise zu arbeiten. Und dann können Problemeauch ganz schnell auf dem niedrigsten Level gelöst werden, ohne dass das immergleich über mehrere Personen und Hörensagen und stille Post weitergetragen werden muss.
Tim Pritlove 0:43:25
Wo diese Personen sind, das ändert sich dann auch von Mission zu Mission.Es gibt jetzt nicht so einen Korpus der ESA, der primär zu euch spricht,sondern je nach Mission sind das Leute mal beim ESTEC, mal hier,mal in der Agentur, mal bei der Mission oder wo sind die meistens vertreten?
Charlotte Bewick 0:43:40
Also es ist meistens ASTEC mit denen wir reden. Es sei denn es geht um Operationssachen,das ist dann häufig ESOC in Darmstadt.
Tim Pritlove 0:43:48
Genau, also ASTEC in den Niederlanden, da wo halt die Satelliten letzten Endesdann auch getestet und auf die Reise geschickt werden, die sind sehr viel näher dran am Bau.
Charlotte Bewick 0:43:56
Ja, an der Industrie.
Tim Pritlove 0:43:57
Genau, und Launch ist natürlich dann in Darmstadt. Die wollen natürlich auch mitreden.
Charlotte Bewick 0:44:02
Und der Satellitenbetrieb allgemein ist dann in Darmstadt. Wir haben auch manchmalMissionen, die sind sehr betriebsorientiert.Da haben wir dann auch ganz viel direkt mit denen zu tun.Aber genau, ich würde sagen 90 Prozent unserer Kontakte sind dann mit ESTEC.
Tim Pritlove 0:44:16
Und was das Launchfahrzeug selber betrifft, die italienische Mission,ist das dann eine Vega Mission oder mit welcher Rakete geht das dann hoch?
Charlotte Bewick 0:44:24
Das Comet Interceptor ist ein Shared Launch, die fliegen zusammen mit Arielauf einer Ariane, glaube ich.
Tim Pritlove 0:44:34
Okay, dachte ich mir schon fast. Das ist wahrscheinlich was Größeres,was weiter weg muss. Da braucht man eine Menge Power.Das könnte dann eine Ariane 6 Mission werden.
Charlotte Bewick 0:44:43
Ich meine so war es.
Tim Pritlove 0:44:44
Ja, weil die Ariane 5 ist ja jetzt eigentlich raus.
Charlotte Bewick 0:44:47
Genau, die gibt es nicht mehr. So ist es. Und ansonsten ist es sowieso meistens,dass es europäische Launch -Vehikel sind, aber es hängt mal von Mission zu Mission ab.Also wir haben jetzt auch häufiger mal Situationen, wo wir auch mal gucken,was gibt es so an neuen möglichen Launchern auf dem Markt.Gerade wenn es um kleine Missionen geht, das ist jetzt nicht unbedingt im Science-Bereich so, aber in anderen, dass man halt schon mal schaut,welche zukünftigen Launch -Provider gibt es denn.Weil wir haben ja viele Entwicklungen in Europa gerade von kleinen Launchern.
Tim Pritlove 0:45:20
Und es kann immer mal was dazwischen kommen, das hatten wir hier in der letztenSendung, als wir über Euclid gesprochen haben.Da sollte es ja eigentlich auch schon mit der Ariane 6, beziehungsweise in Schuhursprünglich, mit der Sojus werden und Ariane 6 stand dann nicht zur Verfügung,sodass dann auf die Falcon umgewechselt wird. Das ist natürlich dann immer dieseUnvorhersehbarkeit von allen möglichen Rahmenbedingungen.Man weiß ja nicht, was einem nächstes Wochenende schon wieder um die Ohren fliegt.Ein Beruf, wo man auf Veränderungen vorbereitet sein muss.
Charlotte Bewick 0:45:51
Ja und das ist total dramatisch eigentlich, weil wir ja unsere ganzen Analysenund auch unsere Tests auf eine bestimmte Launcher -Umgebung anpassen.Also wir gucken ja, was sind die Schocklasten, die wir erwarten in dem Launch-Vehikel und Und wenn das dann geändert wird, das hat richtig große Konsequenzen.Das ist nicht so einfach wie, ach, dann nehme ich halt einen anderen Bus oderso, sondern das ist wirklich, das kann das ganze Design nochmal über den Haufenwerfen und man muss nochmal nachbessern.
Tim Pritlove 0:46:15
Weil einfach mehr gerüttelt wird und andere Frequenzen oder so angeregt werden.
Charlotte Bewick 0:46:20
Das ist ganz.Es hat wirklich sehr viele Auswirkungen und das ist für uns auch eine blödeSituation gerade, muss man sagen.
Tim Pritlove 0:46:29
Was ist dann letztlich der Umfang einer Machbarkeitsstudie? Weil eine Machbarkeitsstudieklingt für mich jetzt in gewisser Hinsicht auch so ein bisschen so,ja könnte man, kann man mal machen irgendwie, so klingt jetzt nicht so genau.Aber ich schätze mal, da sind schon eine ganze Menge Parameter ziemlich aufkleinste Nuancen runtergedreht worden.
Charlotte Bewick 0:46:49
Ja, also wenn wir jetzt von der Phase A sprechen, dann machen wir da eben dieseMissionskonzepte, die wir gegeneinander abwägen und dann eins auswählen.Das arbeiten wir dann so weit aus, dass man am Ende der Phase A die Risikenabschätzen kann, den Technologieentwicklungen, die nötig sind.Also wir gucken uns die verschiedenen Komponenten des Atleten an und schauen,was für ein TAL haben die, also Technology Readiness Level. Sind die schon mal geflogen?Muss man die noch entwickeln? Muss man da noch wirklich viel Geld reinstecken?Und was ist der Schedule? Wie lange dauert das bis es so weit ist,dass man das einsetzen kann?Was ist generell der Schedule für die Entwicklung dieses Satelliten?Also wie lange würde das jetzt dauern, wenn wir jetzt das okay bekämen,bis wir den launchen könnten?Weil manchmal hat man ja auch Komponenten drin, die brauchen einfach ihre Zeit, bis sie fertig sind.Dann gucken wir an die Kosten, das ist ganz wichtig, dass man die Kosten schonmal einmal abschätzen kann, damit man auch identifizieren kann,was sind die Kostentreiber und ist das überhaupt innerhalb des Budgets machbar.Und dann Risiken hatte ich schon angesprochen, aber auch hier ist es wichtig,dass man guckt, welche größten Risiken gibt es und wie kann man die irgendwie mitigieren.Was können wir jetzt schon machen, um bestimmte Risiken zu verringern?Wenn wir zum Beispiel sehen, es gibt einen ganz wichtigen Teil in dem SatellitenUnd der wird nur von einer Quelle, kann man den nur beziehen.Dann muss man ganz sicher sein, dass man den von der Quelle auch bekommen kann.Oder alternativ gucken, dass man eine zweite Quelle irgendwo findet.Oder sicher gehen, dass das dann auch wirklich da verfügbar ist.Weil das will man natürlich nicht, dass der Teil dann plötzlich nicht mehr zunutzen ist. Also das ist so ein Beispiel.
Tim Pritlove 0:48:29
Also ein Wirtschaftsembargo einem dazwischengekommen ist und es gibt keine Check -ins -Force, ne?
Charlotte Bewick 0:48:33
Ja, oder was weiß ich, ein ganzes Warenhaus ist abgebrannt oder so.Man weiß es ja nicht. Es können ja die verrücktesten Sachen passieren und sind auch schon passiert.Das sind so Punkte, die man eben in dieser Studie macht, dass man wirklich sichalles anguckt und sagt, okay, Machbarkeit bezieht halt auch sowas mit ein.Und eben natürlich das Satellitendesign. Wie groß ist der? Wie sieht der aus?Wie schwer ist der? Kann der gelaunched werden? Wie viel Power braucht der?Was für Komponenten hat der alles? Und am Ende hast du einen Product Tree,da sind die verschiedenen Komponenten gelistet, einen Funktionsbaum,das sind die Funktionen, die der Satellit ausführen soll,runtergebrochen auf ganz viele kleine Teilfunktionen.Und man hat die Anforderungen des Satelliten, also die von der Nutzerseite kommen,auf eine Satellitenspezifikation umgeschrieben.Und das ist so das Ende von der Phase A ungefähr.
Tim Pritlove 0:49:25
Wie sieht dieses Endprodukt dieser Phase denn konkret aus?Ist das einfach nur ein 300 Seiten PDF, wo alles schön ausgeschrieben dasteht?Oder erhält die ESA oder wer auch immer gerade jetzt Kunde ist,da ein wohl definiertes parametrisierbares Datenmodell,wo man irgendwie am Computer rumschrauben kann und sich sozusagen in all seinenpotenziellen Ausprägungen immer wieder neu berechnen lassen kann?
Charlotte Bewick 0:49:55
Ja, das ist total spannend. Also das ist tatsächlich eine super Frage,weil das ändert sich gerade.Traditionell kriegt ESA von uns vordefinierte Dokumente, die so beschriebensind in unseren Industrienormen.Also es gibt so etwas wie ein Mission Definition Document zum Beispiel oderverschiedene Analyse Reports.Und die sind vorher im Vertrag aufgenommen, die werden geliefert und dann werdendie von uns bereitgestellt und gebaut. und eben bestimmte Modelle,wie zum Beispiel ein CAD -Modell und ein Finite -Element -Modell.Aber was sich gerade ändert in der Industrie, ist, dass wir sogenanntes MBSEimplementieren, also Model Based System Engineering.Und da ist das ähnlich wie das, was du gerade beschrieben hast,dass man wirklich einen virtuellen Satelliten hat,wo die Anforderungen des Kunden direkt mit den Spezifikationen des Atleten verknüpftsind und nicht mehr nur über Dokumente als Schnittstellen verlaufen,sondern eben durch ein richtiges Computermodell.
Tim Pritlove 0:50:55
Das heißt, das ist noch nicht so, aber das ist alte Portals.
Charlotte Bewick 0:50:58
Das ist bei manchen Missionen so. Also manche Missionen machen das jetzt schonso und andere ältere Missionen, die schon lange laufen, bei denen ist es quasinicht implementiert worden und wird vermutlich auch nicht mehr implementiert.Das ist der Umbruch, der jetzt gerade so stattfindet.
Tim Pritlove 0:51:10
Okay, also wir befinden uns da sozusagen gerade in so einer neuen Digitalisierungsphase,weil es macht ja eigentlich auch für alle Beteiligten total Sinn,nicht immer wieder alles sich neu anlesen zu müssen und dann so,was steht denn da jetzt nochmal genau für eine Zahl,so dass man das halt einfach auch in der Simulation vielleicht sofort zum Einsatzbringen kann, was ja dann auch, sagen wir mal Turnaround -Zeiten bei Änderungswünschenoder Anforderungsänderungen dann kürzer machen wird.
Charlotte Bewick 0:51:34
Ganz genau. Das ist eben genau dieser Punkt, diese Anforderungsänderung.Da ändert sich irgendwas im Input und wenn man das in einem old -fashioned waymacht, dann dauert es einfach ewig bis sich das durchgefressen hat auf alleLevel und manchmal gibt es auch einfach einen Punkt,wo es dann übersehen wird und es findet sich dann gar nicht mehr wieder.Also es hört dann einfach irgendwo auf und versickert und das ist eben das,was man damit ausschließen kann.
Tim Pritlove 0:51:54
Das ist ja auch eine echte Gefahr für so eine Mission. Wenn man irgendein Konstraintnur in so einem Textdokument verbirgt und dann wird irgendwo was geändert,was auf diesen Parametern eine Auswirkung hat und der überschreitet dann aufeinmal seine Grenzwerte und keiner merkt es, weil es halt nicht angeschaut wurde,dann ist man ja schnell in deep trouble.
Charlotte Bewick 0:52:13
Ja, absolut. Genau, das ist sowieso das, was man immer hat. Bei uns jetzt inder Vorentwicklung ist es noch nicht mal so dramatisch.Wir legen so die Grundsteine dafür, dass das später funktioniert.Aber wenn dann nachher der Satellit wirklich da ist, man hat schon angefangen,bestimmte Sachen zu kaufen,die Aufträge rausgegeben und dann merkt man, das passt hier aber nicht mehr,dann hat man wirklich ein Riesenproblem, weil dann muss man vielleicht Sachennochmal neu kaufen Oder man muss ganz kostspielige Änderungen durchführen lassenund das will man natürlich möglichst vermeiden.
Tim Pritlove 0:52:43
Und ich könnte mir auch vorstellen, dass das gerade bei so was wie, ne, Beispiel Hera,man möchte sozusagen eine alte Mission anpassen und sagen so,da haben wir doch schon mal so eine Plattform,guck mal, das Ding hat ja auch im Wesentlichen eigentlich das Gleiche gemacht,bloß mit ein paar anderen Parametern, dann könnte man das natürlich auch sehrviel einfacher aus der Schublade wieder hervorziehen und sagen so,da gehen wir jetzt mal drauf.
Charlotte Bewick 0:53:04
Ja, total. Genau. Und auch noch mehr. Also es ist nicht nur,dass man das Design und so weiter dann digitaler, man hat ja auch noch andereSachen, man hat ja bestimmte Komponenten zum Beispiel schon qualifiziert undman hat die Testresultate davon, die man dann zur Verfügung hat.Es gibt so viel, was im Moment noch, sagen wir mal in Anführungsstrichen,lose rumflattert und dass man das alles besser verknüpft und so,das ist ein Riesenbestreben.Das ist auch sehr komplex und auch sehr, sehr, sehr viel Aufwand.Erstmal aber einer, der sich auf jeden Fall auszahlt.Und das ist genau so ein Umbruch, der gerade stattfindet.
Tim Pritlove 0:53:40
So, wenn so eine Machbarkeitsstudie dann gemacht ist, dann kommt Phase B.Was heißt das? Requirements, Consolidation?
Charlotte Bewick 0:53:53
Genau, also der Preliminary Requirements Review ist am Ende.Und in der Phase B1 ist es so,wir haben ja unsere Satellitenspezifikation, Das ist die Übersetzung der Anforderungendes Nutzers an unseren Satelliten und was wir jetzt machen ist,wir brechen das weiter runter von den Satellitenanforderungen an die Spezifikationenan die Subsystemspezifikationen,also eine Thermalsubsystemspezifikation, eine Struktursubsystemspezifikation und so weiter.Da stehen dann, ich gebe mal ein ganz praktisches Beispiel.
Tim Pritlove 0:54:28
Wie so ein Satellit wirklich gebaut ist?
Charlotte Bewick 0:54:31
Naja, das ist die Akkommodation. Die Struktur ist wirklich die Strukturelemente.Also das, was den Satelliten zusammenhält, wo alles dran getackert ist.Ich gebe mal ein Beispiel. Wir haben zum Beispiel vom Kunden eine Anforderung,dass die Launchmasse die x Kilogramm nicht übertreten darf.Und jetzt sagen wir, okay, es kann einfach der Satellit maximal x Kilogramm schwer sein.Wenn man jetzt aber auf Subsystem -Ebene geht, dann muss ich sagen,okay, das propulsion -Subsystem darf nicht schwerer als ein Fraction,ein Bruchteil von X sein.Und das ist so die klassische System -Engineering -Aufgabe auch.Das heißt, wir nehmen die Top -Level -Anforderungen und wir brechen sie runterauf die verschiedenen Teil -Anforderungen.Ein gutes Beispiel dafür ist auch, das kommt jetzt aus dem Erdbeobachtungsbereich,aber ich finde es immer ein schönes, ansprechendes Beispiel,wir haben eine Anforderung, wir müssen wissen, unser Bild ist auf dem und demBereich des Bodens aufgenommen.Geolokalisierung nennt man das, geolocation. Dann können wir auf Satellitenebenedann sagen, okay, wir müssen so und so genau wissen, wo wir uns im Orbit befinden.Wir müssen so und so genau wissen, in welche Richtung wir gucken.Und wir müssen auch noch so und so genau wissen, wie sich unser Instrument imVerhältnis zu unserer Blickrichtung bewegt hat.Also guckt das immer noch genau straight oder ist das leicht verrutscht?Und das sind alles Winkel, die werden dann, oder auch im Sinne von Warp -Position,das ist ja auch eine absolute Position,und die werden dann wieder als Anforderung an die einzelnen Teile runtergebrochenund weiterverteilt. Und das machen wir im System Engineering.Und dann haben wir diese Spezifikation auf Subsystem -Ebene und die werden dannweiter runtergebrochen auf Spezifikationen für einzelne Komponenten.Und diese Komponentenspezifikationen, die können wir dann wiederum an eine Ausschreibungbeifügen und können dann verschiedene Hersteller von zum Beispiel einem ReactionWheel anschreiben und sagen,wir brauchen ein Reaction Wheel, das kann Folgendes.
Tim Pritlove 0:56:38
Also Reaction Wheel zur Positionierung des Satelliten.
Charlotte Bewick 0:56:42
Genau, Reaction Wheel ist so ein Standardbauteil im Satelliten.Darin ist so ein drehendes Rad mit einer hohen Masse oder auf jeden Fall ein Schwungrad.
Tim Pritlove 0:56:54
Genau und damit kann man sich ja dann, wenn man genug davon hat,kann man sich drehen und wenn zu viele davon kaputt sind, dann taumelt der Satellit davon.
Charlotte Bewick 0:57:01
So ist es, genau.
Tim Pritlove 0:57:02
Und dann war's das. Hubble hat so ein Problem. Noch geht's.Ja, vielleicht nochmal auf diese Model -Based -System -Engineering -Zukunft zu schauen.Das ist ja eigentlich etwas, was man sozusagen partnerübergreifend dann machen will.Mehr oder weniger arbeiten dann alle auf dem idealerweise sozusagen mehr oderweniger in Real -Time auf demselben Modell oder sind zumindest in der Lage,so wie das auch in der Softwareentwicklung ist, mehr oder weniger alle an demgleichen Apparat zu arbeiten und jeder bringt seine Änderungen mit ein.Aber in -house dürfte das ja dann sowieso schon der Standard sein,dass man hier an einem digitalen Modell arbeitet.
Charlotte Bewick 0:57:40
Wie gesagt, die Laufzeit von solchen Projekten ist sehr lang.Viele von den Projekten, an denen wir jetzt ganz konkret arbeiten,sind schon vor Jahren entwickelt worden.Die Phase A ist schon Jahre her und bei denen ist es nicht der Fall,dass das MBSE von Anfang an dabei war. Und dann ist es dann irgendwann auchso, dass das Projekt schon so komplex ist, dass es zu spät ist, das noch einzuführen.Aber hier in der Vorentwicklung für die Projekte, die wir jetzt neu anfangen,da ist es eigentlich standardmäßig dabei.
Tim Pritlove 0:58:08
Genau, das meinte ich. Also das ist jetzt der Modus Operandi für die Zukunft.
Charlotte Bewick 0:58:12
Ja.
Tim Pritlove 0:58:14
Okay.Wie sah das jetzt bei diesem Combat Interceptor, um mal wieder ein konkretesBeispiel aus der Tasche zu holen, für diese Phase B, also für das Mission,also Phase A Machbarkeit.Wir können uns vorstellen so und so läuft das. Hier habt ihr irgendwie unsereDaten oder unser Modell oder zumindest unser...5 Kilo schweres PDF, was ihr euch durchlesen könnt.Steht drin, könnte man im Prinzip machen mit dem und dem Aufwand an Geld.Das sagt es ja letzten Endes aus.Und wenn dann eben der nächste Schritt kommt und dann diese B1 Phase losgehtund wenn ich das richtig jetzt verstanden habe, heißt es ja noch nicht,das wird auf jeden Fall stattfinden, sondern es ist vielleicht immer noch einervon mehreren Contendern, dann ist das ja sozusagen auch wettbewerbsrelevant.Was kommt denn dann noch hinzu?Inwiefern wird denn diese Machbarkeitsstudie dann nennenswert noch konkretisiertüber den ursprünglichen Stand hinaus?
Charlotte Bewick 0:59:12
Also genau, also das, was ich gerade beschrieben hatte mit dem Runterbrechender Spezifikationen auf die Komponenten, das kommt in der Phase B1.Dann machen wir die sogenannten Request for Information oder Request for Proposal,dass wir an Komponentenhersteller uns wenden und denen unsere Spezifikationenschicken, um von denen zu erfahren, wie sieht das aus, können die das erfüllen.Also dadurch kriegen wir einfach viel, viel mehr Input nochmal in unser Modell,wie über Risiken, über Kosten und so weiter.Das ist also ganz großer Fokus ist jetzt darauf, ganz konkret, wie sieht das Ding aus.
Tim Pritlove 0:59:47
Wer baut das?
Charlotte Bewick 0:59:48
Welche Komponenten sind dabei? Und auch die Kosten werden dadurch viel konkreter.Und das ist diese ganze Vorbereitung, der Fokus ist jetzt ganz stark darauf, das zu implementieren.In der Phase A ist der Fokus darauf, die Mission selber, wie könnte die aussehen?Wie gesagt, Missionskonzept. Und dann in der Phase B1 ist der Fokus auf,wie bereiten das jetzt vor, dafür, dass es implementiert werden kann.Aber eben noch im Wettbewerb befindlich. Und das ist auch ganz besonders wichtig,weil wenn eine Firma das machen würde, die weiß, wir haben das jetzt auf jeden Fall schon sicher,dann fehlt so ein kleines bisschen auch der Anreiz, wirklich nochmal alles genauanzuschauen, wo kann man noch was verbessern, wo kann man noch Kosten sparen oder so.Ich denke, das ist schon sinnvoll, dass das meistens so gehandhabt wird.Bei der Wissenschaftsmission istes jetzt schon sicher, dass diese Mission kommt, also so gut wie sicher.Es gibt dann zwar noch diesen Mission Adoption Review meistens,wo dann entschieden wird, tatsächlich kommt die Mission,aber bei der Phase B1 ist die eigentlich nicht mehr in Konkurrenz zu anderenMissionen, sondern nur noch in Konkurrenz zwischen zwei Industriekonsortien.
Tim Pritlove 1:00:58
Okay, also man weiß, man will es machen, aber es ist noch nicht klar, wer es macht.
Charlotte Bewick 1:01:01
So ist es genau. Es kann halt passieren, dass die Mission dann doch noch gestopptwird, weil zum Beispiel doch die Risiken und Kosten sich als zu hoch erweisenoder dass sie nochmal ganz signifikant redefiniert wird.Aber in den meisten Fällen ist das nicht der Fall, sondern dann geht es halt einfach danach weiter.Und nach der Phase B1, das ist jetzt, die ich gerade beschrieben habe,kommt eigentlich das Angebot für die Implementierung.Bei Comet Interceptor war es nicht so. Da hatten wir dann noch die Phase B2,die weiterhin im Wettbewerb stattgefunden hat.Was ich gerade auch noch vergessen habe zu erwähnen, sind die ganz detailliertenAnalysen, die in der Zeit durchgeführt werden.Wir haben am Anfang in der Phase A die Analysen sind der Fokus Machbarkeit,also wo haben wir Probleme mit den Schocklasten, wo haben wir Probleme thermalund im zweiten Teil geht es darum,die Umgebungswerte für die Komponenten zu definieren.Das heißt, wir wissen jetzt schon, es müsste thermal und strukturell eigentlichalles funktionieren, Aber die einzelnen Komponenten müssen wissen,welche Schocks erfahre ich eigentlich?Wie sieht meine Thermalumgebung aus? Und da gibt es ganz detaillierte Analysen,die durchgeführt werden, um diese Werte bereitzustellen für die einzelnen Komponentenhersteller.
Tim Pritlove 1:02:14
Viel von dem, was du jetzt beschrieben hast, bezieht sich ja im Wesentlichen auf, sagen wir mal,Den Satelliten als solchen, so das Fahrzeug mit dem man irgendwie die Instrumente dann hinbringt.Aber es ist ja immer so ein Zweispiel aus Transportfahrzeug auf der einen Seiteund der eigentlichen wissenschaftlichen Nutzlast selber.Die werden ja dann oft auch von Universitäten gebaut. Da hat man ein tollesneues Teleskop, irgendwelche Kameras, die irgendwas beobachten und auch dassind ja immer dann quasi so bleeding edge Prototypen.Man macht halt was, was man noch nicht gemacht hat. Das ist ja dann sozusagenauch ein Teil, den ihr gar nicht so definieren könnt.
Charlotte Bewick 1:02:52
Im Science -Bereich ist das richtig, da ist es so, dass die Instrumente in allerallermeisten Fällen Beistellungen sind von Mitgliedsstaaten der ESA oder manchmal auch sogar von anderen,Raumfahrtagenturen von der NASA oder so oder von JAXA,aber wo wir als Industrie über ESA nicht involviert sind, das heißt die sindfür uns, nennen wir sogenanntes CFI, Customer Furnished Item.Und das heißt, wir bekommen einmal die Schnittstellenbeschreibung und wir wissen,was ist wichtig für dieses Instrument. Manchmal ist das ja auch noch nicht fertig entwickelt.Meistens ist es noch nicht fertig entwickelt. Das heißt, wir sind da auch in Iterationen mit denen.Aber wir designen das nicht, sondern wir stellen sicher, dass das Raumfahrzeugdieses Instrument sicher dorthin bringen kann, wo es eingesetzt wird und danndafür sorgen kann, dass der Einsatz auch funktioniert, dass die Daten weitergeleitet werden und so.Es gibt aber Bereiche bei OHB, wo wir auch für das Instrument zuständig sind,ganz besonders in der Erdbeobachtung ist das häufig der Fall.Und da kommt das dann alles in die Hand, also das ganze Raumsegment ist dannvon der Industrie aufgebaut.Andersrum. Die Industrie ist damit beauftragt.
Tim Pritlove 1:04:03
Das heißt, es gibt ja auch schon einen nennenswerten wissenschaftlichen Teil.Also es ist nicht nur so, dass OHB ausschließlich Ingenieure sind,die irgendwie, ja, können wir euch bauen.Wir wissen nicht, was das ist, aber wir bauen euch das.Also wir wissen nicht, was mitfliegt sozusagen. Dem ist nicht so,sondern es gibt ja auch einen Anteil an nennenswerten Wissenschaftlern,die auch wirklich konkret Forschung betreiben und Entwicklungen vorantreibenoder mehr so dazwischen sind, so ein bisschen umsetzen, was woanders erforscht wurde,was so abgehangene Technologie ist.
Charlotte Bewick 1:04:41
So richtige Forscher würde ich sagen nicht, aber der Anspruch ist natürlich,wir verstehen, was wir da machen, weil es für uns natürlich total wichtig ist,zu verstehen, was wollen die Wissenschaftler bezwecken.Denn wenn wir mit den Wissenschaftlern reden müssen und sagen,das und das funktioniert nicht so, wie ihr euch das vorstellt,dann müssen wir auch wissen, was bedeutet das für die.Und wenn wir denen eine Alternative anbieten, dass das für die überhaupt sinnvollist. Man muss irgendwie die gleiche Sprache sprechen.Also schon echt wichtig, dass wir das verstehen.Was wir hier nicht haben, ist Astrophysiker, die Astrophysik betreiben im Namen von UHB.Wir haben aber Leute, die aus dem Bereich kommen und die das studiert habenund die jetzt eben auf der anderen Seite sitzen und die sind für uns ganz wichtigeKollegen, weil die eben diese Sprache sprechen von den Wissenschaftlern.Und was wir hier machen, nennt sich auch Forschung und Entwicklung.Wir forschen aber eben nicht an der Herkunft des Universums oder der Entstehungdes Universums oder der fundamentalen Physik, sondern wir forschen und entwickelnneue Methoden, Raumbetrieb zu leisten, Raumfahrzeuge zu erstellen.Wir entwickeln neue Technologien, die man einsetzen kann.
Tim Pritlove 1:05:51
Also zum Beispiel auch Antriebstechnologien, Energiegewinnungssysteme,würde mir sofort einfallen, auch noch als ganz wichtige Komponente, sowas.
Charlotte Bewick 1:06:01
Ja, also konkret haben wir jetzt bei OAB -Systemen nicht, aber was wir zum Beispielentwickeln, ist, wir entwickeln Design -for -Demise -Methoden.Das sind Methoden, wie man Satelliten und auch Produkte, die man in Satellitenverbauen kann, die dafür sorgen,dass diese beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre komplett verglühen.Das heißt, es ist nicht Wissenschaftsmission, also auch relevant für Wissenschaftsmissionen,es ist für alle Missionen relevant und hat wieder was mit diesem Thema Weltraumschrott zu tun.
Tim Pritlove 1:06:27
Genau. Kommen wir noch zu, jetzt würde mich noch mal interessieren,was ja so ein bisschen das Environment hier anders macht als,sagen wir mal typischerweise, wie ich ihn jetzt so bei der ESA oder bei densonstigen wissenschaftlichen Instituten,Universitäten etc., wo ich schon überall war und die alle noch so Teil des ganzenWeltraumzirkus ja sind.Das ist ja hier, sagen wir mal so, die Wettbewerbsrealität ganz anders niederschlägt.Man steht in Konkurrenz zu anderen Unternehmen und man hat es irgendwie aberauch mit einem sehr überschaubaren Markt zu tun.Es gibt ja jetzt auch nicht so viele Player, die in der Lage sind überhauptso einen Satelliten zu bauen. Den gibt es halt nicht im Supermarkt.Wie beeinflusst das so deine Arbeit? Also spielt es eine Rolle?
Charlotte Bewick 1:07:15
Ja, auf jeden Fall. Also ich habe ja auch einen PhD gemacht,ich habe auch mal im universitären Betrieb gearbeitet.Und das Erste, was mir ganz klar geworden ist, als ich in die Industrie gewechseltbin, ist, meine Zeit kostet Geld.Das war vorher nicht so. Also das war in einer gewissen Hinsicht schon so,aber ich habe es nie gemerkt.Es war immer so, ich habe eine Frage und ich gehe der Frage nach,bis ich eine Antwort habe. Und in der Industrie ist das nicht so,weil man muss immer gucken, die Zeit, die ich jetzt einsetze,um die und die Frage zu beantworten, ist es wert?Weil ein Projekt ist mit einer bestimmten Anzahl von Stunden ausgestattet.Jeder, der an dem Projekt arbeitet, bucht auf dieses Projekt und am Ende mussdas, was man da reinsteckt, möglichst vollständig die Projektanforderungen erfüllen.Und wenn man jetzt plötzlich merkt, oh, das ist aber auch interessant,das würde ich mir auch sehr gerne angucken, muss man manchmal leider sagen, nein, geht nicht.Das übersteigt unser Budget, weil wir uns eben in dieser Situation befinden,dass wir ein Unternehmen sind, was wir werden halt für unsere Aufträge auchbezahlt vom Kunden, dafür, dass wir das liefern, was der Kunde von uns möchte.Genau, und da kann man nicht einfach dann selber entscheiden,ich möchte aber viel lieber das und das anschauen, sondern das muss man danneben so durchführen, wie das ist.Das ist eine totale Umgewöhnung für Leute, die den universitären Betrieb gewöhnt sind.Aber wenn man sich daran gewöhnt hat, ist es auch irgendwie gut,weil alles, woran man arbeitet, das hat alles auch irgendwo Hand und Fuß.Man weiß, das bringt jetzt konkret was weiter und man bewegt was.Und das Resultat sind dann eben diese schnell voranstreitenden Studien mit denMeilensteinen, die dann immer einen höheren Detailgrad haben.Und man sieht auf dem Plan schon, okay, und in zwei Jahren schreiben wir hierdas Angebot und dann geht's los, dann wird was gebaut.
Tim Pritlove 1:09:06
Was da vielleicht noch so ein Aspekt ist, dass man vielleicht auch so eine höhereFluktuation an Mitarbeitern hat.Oder also so im wissenschaftlichen Bereich bleiben die Leute ja in der Regeljahrzehntelang an den Universitäten.Sehr viel Kontinuität.Gibt es diese Kontinuität im...
Charlotte Bewick 1:09:30
Also mein Team ist ein relativ junges Team, aber das liegt auch daran,dass wir in der letzten Zeit auch stark gewachsen sind.Ich habe schon den Anspruch, dass ich hoffe, dass meine Mitarbeiter möglichst lange bei mir bleiben.Aber ich sehe auch, dass gerade die Vorstudien eine Art Eintrittslevel sein können.Das ist eher dran an dem, was man in der Uni gelernt hat an Space System Engineering.Und ich habe häufig tolle, motivierte Mitarbeiter, die hier herkommen und diedann hier anfangen und wo ich aber dann denke, vielleicht juckt die irgendwannauch mal was und die sagen so, ich würde gerne dann mal meine Mission nichtabgeben, sondern ich möchte dann mit,möchte, dass die auch sehen, wie die dann gelauncht wird und dann weiterhin beteiligt sein.Und für mich gehört es auch zur guten Führung dazu, dass ich mir anschaue,was wollen meine Mitarbeiter.Wenn ein Mitarbeiter zu mir sagt, ich möchte für immer hier in deiner Abteilungbleiben, dann freue ich mich total und bin restlos dankbar.Aber wenn eine Mitarbeiterin sagt, ich möchte gerne fünf Jahre hier sein undoder so ungefähr drei bis fünf Jahre und dann würde ich total gerne mal in soeine Implementierungsphase reinschnuppern,dann bin ich auch voll und ganz dabei und unterstütze das und versuche der danndabei zu helfen, das zu realisieren.Darum, ja, wir haben eine Fluktuation, aber die kann auch sehr positiv sein.Mein Ziel ist es immer, wenn wir neue Stellen besetzen, dass wir nicht nur Leutereinnehmen, die Berufseinsteiger sind, sondern dass wir auch mal Leute haben,die schon eine Implementierungsphase gemacht haben und Lust haben,mal wieder ganz von Null anzufangen,damit man voneinander lernen kann.Eine Sache, die mir ganz besonders aufgefallen ist, ist, ich habe ein paar Mitarbeiter,die neben der Tätigkeit in der Vorentwicklung einen Teil ihrer Zeit bei Implementierungsprojektenmithelfen und die können ganz viel von dem, was sie dort lernen,transferieren in die Vorentwicklung.Du wolltest es ja gerade verglichen mit dem universitären Betrieb,wo man Leute hat, die jahrzehntelang dasselbe erforschen. Das gibt es bei uns eher nicht.Es gibt Mitarbeiter, die schon sehr lange hier in der Vorentwicklung sind unddie an verschiedensten Projekten gearbeitet haben.Das sind extrem wertvolle Leute, weil die diesen ganzen Erfahrungsschatz haben,auf den sie zurückgreifen.Und ich hoffe, dass die Leute, die jetzt in der Vorentwicklung bei uns sind,dass die entweder auch hierbleiben und diesen wertvollen Schatz entwickeln oderdass die eben einen anderen Weg einschlagen,in unserer Firma bleiben, bei OHB bleiben, ein Projekt von Anfang bis Ende durchziehenund dann gerne in fünf Jahren wieder bei mir in der Vorentwicklung sitzen undnochmal von neuem anfangen.
Tim Pritlove 1:12:09
Ich kann mir auch vorstellen, dass es viele Vorteile hat, hier zu arbeiten in so einer Struktur,weil ja üblicherweise Firmen dann sehr viel flexibler auch entscheiden könnenund in der Lage sind, mal eben etwas vielleicht mal komplett über den Haufenzu werfen, wenn es sich einfach nicht bewährt hat, ohne dass man in diesen schwierigen,langsam arbeitenden Rotationen von so universitätspolitischen Entscheidungenfesthängt und Mittelschwierigkeiten hat, etc.Also das ist ja sicherlich auch ein Reiz.
Charlotte Bewick 1:12:38
Ja, das denke ich. Und ich denke auch gerade, UAB zeichnet es aus,dass wir hier sehr, wir haben sehr flache Hierarchien und Leute,die hierher kommen und gute Ideen mitbringen und Bock haben,sich zu engagieren und Verantwortung zu übernehmen, die müssen nicht lange bettelndafür. Die kriegen hier alles, was sie sich wünschen.Ich freue mich immer, wenn ich Leute habe, die sagen, ich habe eine tolle Idee,ich würde gerne selbstständig das und das und das machen und ich versuche dasdann auch zu ermöglichen und ich glaube, das ist generell so ein bisschen der Vibe bei uns,dass es eben so ist, du kannst hierher kommen und du kannst dir Verantwortungübernehmen und auch relativ schnell.
Tim Pritlove 1:13:14
Und ich denke für manche könnte es ja auch durchaus reizvoll sein,eben nicht lange Zeit immer am selben Projekt zu hängen, sondern im Prinzippermanent so einen Wechsel zu haben, immer wieder was Neues zu sehen.Also manche interessiert ja mehr das und manche interessiert mehr das.Nicht jeder ist gleich gestrickt.Wie läuft das? Wir haben jetzt viel drüber gesprochen, da kommt jetzt die Wissenschaft,kommt die ESA, sagt ja hier wir wollen irgendwie das und das machen.Da stößt man doch sicherlich auch manchmal einfach an die Grenzen des Machbaren,wo man einfach vielleicht auch lange Zeit vor sich hinforscht,nachdem die Machbarkeitsstudie vielleicht gesagt hat, das passt schon irgendwie alles.Und dann soll es mal konkret werden und dann stellt man fest,da haben wir uns aber jetzt was eingetreten.Das hat ja dann irgendwie Reperkussionen auf alles. Wie kommuniziert man da?Wie geht man mit solchen Fails um?
Charlotte Bewick 1:14:12
Ja, möglichst offen, auf jeden Fall. Es ist tatsächlich, das passiert.Aber meistens ist es nicht so, dass alles verloren ist, sondern dass man einfachso gucken muss, kann ich mit den Implikationen leben?Also häufig hat es ja einfach direkt was mit Kosten zu tun und dann merkt mansehr schnell, hier steigen die Kosten wahnsinnig schnell an,die projizierten Kosten, weil das alles so furchtbar komplex ist.Und dann kann auch mal die Reißleine gezogen werden und dann wird gesagt,okay, stopp, wir müssen jetzt noch mal ganz neu denken.Das passiert häufiger mal, dass man dann sagt, wir müssen noch mal neu von vorne anfangen.Und dann kann man häufig trotzdem noch eine Mission zusammenbauen,die dann hat dann eben Einschränkungen.Die kann nicht mehr die und die Performance erzielen, sondern nur noch die.Oder die kann nicht mehr in 180 Grad schauen, sondern nur noch in 60 Grad oder so was.Aber das ist dann wieder eine Frage an die Wissenschaftler, wieder ein Zurückgespielt.Könnt ihr damit leben, könnt ihr trotzdem noch die Forschung betreiben,die ihr wollt und manchmal findet man dann eine ganz clevere Lösung,wie man das, wie das dann gar nicht so schlimm ist im Nachhinein.Ja, aber das passiert. Dafür ist das ja ganz klar da. Dafür machen wir dieseVorstudien, um genau das zu finden, bevor es zu spät ist.
Tim Pritlove 1:15:22
Ich hab jetzt bei verschiedenen Missionen, hat man ja auch so die Situation,dass passiert irgendwas Unerwartetes.Da fliegt irgendwas Richtung Saturn und dann nach fünf Jahren Flug merkt manso, oh, hier das Instrument, das funktioniert ja gar nicht.Jetzt haben wir hier mal so ein richtiges Problem.Irgendwas ist komplett falsch berechnet worden. Da gibt's ja dann sicherlichdurchgeschwitzte Wochenenden.Wie läuft da die Kommunikation ab in solchen Momenten? Also wenn sozusagen irgendwaskaputt geht, dann ist ja wahrscheinlich auch ORB in dem Moment gefragt und mussirgendwie auch schnell reagieren.Werden da so Task Forces gebildet? Gibt's dann hier so eine Feuerwehrstange,wo man runterrutscht in den Situation Room?
Charlotte Bewick 1:16:13
Also erst mal in der Vorentwicklung ist das zum Glück meistens nicht der Fall,weil wir eben noch konzeptionell arbeiten.Aber solche Sachen passieren auf jeden Fall. Also ein Beispiel,was mir eingefallen ist, da war ich natürlich nicht persönlich daran beteiligt,aber ich war dabei, ich habe das live mitbekommen, war als die Galileo -Satellitenin den falschen Orbit gelauncht wurden.Das war ein Riesenschock. Wir hatten eine Launchparty hier, wir waren alle zusammen,haben fröhlich Cocktails getrunken und alle geklatscht, als es hieß so,Launch erfolgreich und so weiter.Und dann fing es damit an, dass es hieß, der eine Solargenerator klappt nicht aus.Wie kann das sein? Und dann merkte man, die Stimmung wird ein bisschen komisch.Und ja, wirklich ein Thriller. Und das hing damit zusammen, dass die Raketenicht diesen Spin, den sie eigentlich haben sollte.Dadurch sind auf der einen Seite die Fuel Lines eingefroren und dadurch wurdedas Manöver nicht korrekt durchgeführt.Und das hat auch Auswirkungen auf den Satelliten gehabt, der auf der einen Seiteeingefroren war, sodass die Pyros dich zünden konnten.
Tim Pritlove 1:17:15
Also eingefroren, weil er nicht genug Sonne abgekriegt hat?
Charlotte Bewick 1:17:18
Genau, weil eigentlich müsste der in so einen Barbecue -Mode,das heißt, der dreht sich die ganze Zeit, so heißt das, wie auf einem Grill.Und das ist nicht passiert. Und dadurch ist die eine Seite warm geworden unddie andere aber eiskalt.Und das ging alles miteinander zusammen. Aber das erste, was wir mitgekriegthaben, war eben, der Solargenerator klappt nicht aus.Später konnte der dann ausklappen. Und der ganze Satellit war eben dann einfachnicht, die beiden Satelliten waren zwei auf einmal, waren nicht im korrektenOrbit, sondern in einem niedrigeren Orbit, der auch noch elliptisch war.Und das war sehr dramatisch. Da wurden dann sofort natürlich Leute von OHB zusammengerufen,was machen wir jetzt, wie können wir agieren?Und ich war nicht dabei, weil es wie gesagt nicht meine Mission war.Aber was ich ganz cool finde, ist, später konnte man durch diesen falschen Einschuss,bestimmte Effekte in der Relativitätstheorie zeigen, weil die haben ja diesehochgenauen atomaren Uhren dabei und sind immer näher und weiter weg von demErd -Anziehungskraft gekommen, konnten daher diese Zeitverzögerung durch dieGravitation nachweisen.Aber ja und die machen auch weiterhin Dienst, also die sind aber einfach infalschen Orbit gelandet.
Tim Pritlove 1:18:30
Also die werden nicht so die Lebensdauer haben, aber sie sind trotzdem verwendbar.
Charlotte Bewick 1:18:34
Und die sind nicht in der richtigen.Man hat dann zwar die ephemeris von diesen Satelliten und man kann das allesverwenden, was die produzieren, aber die Position der Satelliten ist ja so ausgewählt,dass die eine gute Abdeckung erzielen und dadurch, dass die dann nicht in demselben Orbit sind,können die nicht in dem Maße zur Abdeckung beitragen, wie sie das eigentlichsollten. So war das damals.Das ist so ein Beispiel, was mir so eingefallen ist. Es passieren auch viele,viele andere Sachen, auch gerade halt während der Entwicklung,wo es dann wirklich heißt, jetzt muss ganz schnell eine Lösung gefunden werden.
Tim Pritlove 1:19:04
Und dann ist man halt einfach dabei mit dem Team. Das heißt gerade bei Launcheskann ich mir vorstellen, ist hier immer richtig Alarm?
Charlotte Bewick 1:19:11
Ja, bei Launches ist es schon fast so, dass man sagt, okay, jetzt kann man auchnicht mehr viel ändern. Jetzt ist es halt so.Aber gerade in dem Bereich vorher, wo gebaut und getestet wird,wenn da irgendwas passiert, irgendwas geht kaputt beim Test und man muss esreparieren und so, da muss man ganz schnell arbeiten. Da sind dann häufig Leuteauch sofort angerufen und du musst losfliegen jetzt.Es gibt eine Situation. Aber da sind wir hier in der Vorentwicklung ausgenommen.Ein weiterer Vorteil von der Vorentwicklung.
Tim Pritlove 1:19:40
Da hat man die Ruhe, verstehe. Die Ruhe weg. Wir haben uns das alles nur ausgedacht,ihr müsst das dann ausbaden.
Charlotte Bewick 1:19:48
Ganz ruhig ist es nicht, aber wir haben zumindest nicht diese plötzlichen Notfälle.
Tim Pritlove 1:19:53
Jaja, es gibt ja so diese Apollo 13 Momente. Ich meine, mit bemannten Missionen,weißt nicht, bist du schon mal an einer bemannten Mission in irgendeiner Formbeteiligt gewesen? Gibt ja auch nicht so viele jetzt.
Charlotte Bewick 1:20:04
Ne, wir haben hier mal in der Vorentwicklung, arbeiten noch weiter als OHB andem Projekt ESPRI, das ist diese Mondbasis.Aber da war ich nicht dabei. Das lief in einer anderen Abteilung,nämlich in der Exploration Abteilung hier.
Tim Pritlove 1:20:24
Artemis hat glaube ich mit ORB nichts zu tun?
Charlotte Bewick 1:20:28
Ich glaube das hängt mit dem ASPRI Projekt auch zusammen.
Tim Pritlove 1:20:32
Okay, naja, aber das sind ja dann nochmal ganz andere Bedingungen.Ja, jetzt hast du ja schon mehrfach angedeutet, sowohl was deine eigene Arbeitbetrifft, eben als auch Anforderungen von Missionen generell,dass ja so ein großes Problem eben die Beendigung der Mission ist oder wie es so schön heißt,die, was war das, die Mission, nein, die,Also wie wird man das wieder los? Oder salopp formuliert der Müll,der im Weltraum so rumfliegt.Das Ziel ist ja schon seit längerer Zeit und ich hatte ja schon mehrere Folgenzum Thema Weltraumschrott, das Thema beschäftigt ja die ganze Szene schon seitJahrzehnten kann man fast sagen, aber insbesondere im letzten Jahrzehnt istja eine ganze Menge gemacht worden.ESA hat diese Space Situational Awareness Initiative gestartet,auch um einfach erstmal sozusagen einen Blick dafür zu haben,wo haben wir jetzt Probleme mit dem, was ist.Aber was jetzt den Bau von Satelliten betrifft, ist ja quasi nicht nur dieses,wie kommen wir da hin, wie kommen wir hoch, sondern wie können wir uns auchkorrekt so entsorgen, damit künftige Missionen nicht in Gefahr geraten.Inwiefern ist das jetzt ein wichtigeres Thema geworden?
Charlotte Bewick 1:21:52
Ja, also für mich ein wahnsinnig wichtiges Thema. Ich habe das schon seit meinemPhD, verfolge ich das eben.Als erstes Mal bin ich damit zu richtigen Kontakt gekommen 2008,als es diese Kollision gab.Cosmos Iridium, da war ich noch Studentin und das war die erste Satelliten -zu-Satelliten -Kollision im Orbit und das fand ich wow.
Tim Pritlove 1:22:14
Also das hat mich nachhaltig Also ein Satellit des Iridium -Systems von Motorola,damals das erste Kommunikationsnetzwerk für Satellitentelefonie.
Charlotte Bewick 1:22:26
Und das andere war ein alter oder ein ehemaliger, nicht mehr funktionierenderKosmos -Satellit, russischer.Und die sind halt richtig ineinander gerasselt und eine große Schrottwolke entstandund man konnte dann richtig nachverfolgen, wie die sich dann so ausgebreitethat und dort auch immer noch ist. Das war auch in einer Höhe,in der man sie nicht so schnell verschwindet.
Tim Pritlove 1:22:48
Wo ist das dann? So 400, 500?
Charlotte Bewick 1:22:50
Ne, 700.
Tim Pritlove 1:22:51
700 Kilometer.
Charlotte Bewick 1:22:52
Und die sieht man auch immer noch. Also jetzt in den Zahlen,wenn man sich die Entwicklung der Weltraumschrottumgebung anguckt, da gibt es einen Sprung.Das war dieses und dann 2009 nochmal diese absichtliche Zerstörung von einemchinesischen Satelliten, 800 Kilometer Höhe.Das ist jeweils ein Sprung in der Entwicklung und die pflanzt sich sofort.
Tim Pritlove 1:23:09
Haben die das eigentlich mittlerweile mal bereut, die Chinesen?Irgendwie nicht wirklich.
Charlotte Bewick 1:23:12
Ja, was heißt, also es gibt bestimmt einige Leute, die es furchtbar finden,aber es gab keine offizielle Entschuldigung dafür oder sowas,das kann man glaube ich auch lange warten.Das Ganze ist einfach, es ist einfach sehr problematisch und es macht mir auch große Sorgen.Ich versuche auch mal das zu erzählen, warum das für uns jetzt in der Wissenschaftso besonders problematisch ist, weil die Satelliten und die Instrumente,die wir bauen, die sind Die sind sehr teuer, die werden lange entwickelt, 20 Jahre oder so.Dann hat man ein Teleskop da oben.Das soll uns 20 Jahre wissenschaftliche Daten liefern.Das Risiko, dass das getroffen und zerstört wird, wird immer größer,je mehr diese Weltraumschrottumgebung wächst.Meine große Sorge ist, dass wir irgendwann wo hinkommen, wo es sich nicht mehrrechnet, so viel Geld zu investieren. Weil man sagt, dass die Wahrscheinlichkeit,dass das Ding innerhalb von ein paar Jahren zerstört wird, ist einfach zu hoch.Und das kann man dem Steuerzahler nicht zumuten, dafür Geld auszugeben.
Tim Pritlove 1:24:13
Bzw. selbst wenn es nicht getroffen wird, muss man ja die ganze Zeit ausweichen,dafür dann wieder Treibstoff verbrauchen, was ja dann die Emissionsdauer verkürzt.
Charlotte Bewick 1:24:22
Genau. Oder es könnte auch getroffen werden von kleinen Partikeln,die es zwar nicht zerstören, aber die einfach die Funktionalität stark beeinträchtigen.
Tim Pritlove 1:24:29
Solarpanele zerlöchern etc.
Charlotte Bewick 1:24:30
Genau. Oder auf die Optik oder sowas. Darum ist das für mich so wichtig,dieses Thema und seit ich bei UHB bin, begleitet es mich hier schon.Ich war erst in der Erdbeobachtung als Systemingenieurin und das war 2012,da bin ich zu UHB gekommen und das war das Jahr,in dem die ISO -Standard, ISO 24113 heißt das, das ist der Weltraumschrott -Mitigierungsstandard,Da sind die ganzen Anforderungen drin, wie in 25 Jahren soll man die orbiten und so.Der wurde durch die ECSS anwendbar für ESA -Missionen.Und das heißt, das war das erste Mal, dass wir wirklich so von Kundenseite standardmäßigfeste Anforderungen an die Weltraumschrott -Disposal hatten und da habe ichvon Anfang an dann immer in unseren Missionen, in den Vorstudien,da diese Weltraumschrott -Pläne erstellt und habe dann 2017, fünf Jahre später,16 oder 17 war das, habe ich dieses Weltraumschrott -Kompetenzzentrum gegründet,weil ich gemerkt habe, es gibt ganz viele Leute innerhalb der Firma in den verschiedenenAbteilungen sitzen, die alle irgendwas mit Weltraumschrott zu tun haben,aber die reden nicht miteinander.Da gibt es zum Beispiel in der Antriebsabteilung gibt es jemanden,der kümmert sich darum, dass Antriebe passiviert werden, also dass man am Endeden letzten Spritz rauslässt, damit es da keine Möglichkeit gibt, dass es explodiert.Oder dann gibt es jemanden in der Missionsanalyse, der berechnet Wiedereintrittsmanöver.Und dann gibt es uns hier in der Vorentwicklung und wir machen das Ganze fürdie neuen Satelliten, dass wir die so auslegen.Und die haben alle nicht miteinander so richtig geredet.Und darum dieses Kompetenzzentrum, wo man sich einmal im Monat austauscht,über die neuesten Entwicklungen spricht, auf technischer Ebene,aber auch auf programmatischer Ebene.Und das hat jetzt zuletzt richtig Fahrt aufgenommen, weil es jetzt innerhalbvon Europa viele Initiativen gibt, an dem Problem endlich was zu lösen.Und ich glaube ausschlaggebend dafür ist diese neue Entwicklung mit den Megakonstellationen.So neu ist jetzt auch nicht mehr, aber es gibt ja jetzt einfach tausende vonSatellitenlaunches pro Jahr.
Tim Pritlove 1:26:40
Also vor allem Starlink, aber nicht nur Starlink, aber das ist natürlich das bekannteste Beispiel.Tausende Arbeit, also wirklich bis in der Endausbaustufe glaube ich bis zu 40 .000.
Charlotte Bewick 1:26:50
Satelliten.
Tim Pritlove 1:26:51
Allein Starlink hat ja jetzt schon mehr Satelliten gelauncht,als insgesamt in der gesamten Geschichte der Weltraumfahrt vorher gelauncht wurden.Die waren natürlich viel kleiner, aber eben viele.
Charlotte Bewick 1:27:03
Ja, aber das Problem ist ja die Anzahl und nicht die Größe. Also die Größe istauch problematisch insofern, dass wenn ein großer Satellit explodiert oder getroffenwird, dann erzeugt er mehr Schrott.Aber die Wahrscheinlichkeit eine Kollision zu haben, wächst mit der Anzahl der Objekte.Starlink ist ein Beispiel, aber es gibt viele andere. Amazon hat auch eine eigeneKonstellation, es gibt auch Konstellationen aus allen Teilen der Welt,die jetzt entwickelt werden, chinesische Konstellationen und so weiter.Das ist nicht wirklich reguliert, das ist nicht wirklich geklärt, wie man das…,wie man das handhaben will. Ein großes Problem mit Konstellationen ist,die fliegen meistens in einem ähnlichen Orbit, also in einer gleichen orbitalen Schicht.Und wenn jetzt die Mission beendet wird und die nicht korrekt entsorgt werden,dann sind die so nah beieinander, dass eine Kollision ganz wahrscheinlich ist.Und wenn erstmal eine Kollision eingetreten ist, dann hat man diese Kettenreaktion,diesen Kessler -Effekt, wo dann ganz schnell die ganze orbitale Schicht vermüllt ist.Und ja, und da engagiere ich mich halt eben schon ziemlich lange für und mache das auch hier weiter.Und wir wollen, also als UHB ist es für uns eben total wichtig,weil das ist ja unser Kernfeld, sind ja diese großen, teuren,hochwertigen Satelliten.Und das sind eben genau die, die auch am meisten da zu verlieren haben.Wenn man Satelliten baut, die klein und günstig sind und in großer Masse zuproduzieren sind, dann ist es nicht so schlimm in Anführungsstrichen,wenn davon einer mal kaputt geht.Weil man hat ja noch viele andere oder im Notfall macht man halt einen neuen.Aber wenn man diese großen teuren Produkte anguckt, die konventionelle Raumfahrt,die Wissenschaftsmissionen, die haben am meisten zu verlieren.
Tim Pritlove 1:28:48
Wer nimmt an dem Kompetenzzentrum so alles teil? Ist das eher eine europäischeoder nur deutsche Geschichte oder ist das schon international?
Charlotte Bewick 1:28:56
Also das ist ein OHB, ein internes Kompetenzzentrum.Und wir haben aber Kontakte auch zu unseren anderen Partnern,also unseren Schwesterfirmen in anderen europäischen Ländern.Aber die regulären Teilnehmer sind alle von der OHB System und von der OHB DC,das ist Digital Connect.Die machen Bodensysteme und Operations.Aber wir arbeiten, das ist innerhalb der Firma, Da arbeiten wir daran,unsere Satelliten zu verbessern und Technologien zu entwickeln und so.Aber wir haben auch Kontakte und wir arbeiten eng zusammen mit der ESA,mit dem DLR, auch mit anderen Industrieunternehmen.Einmal über zum Beispiel Eurospace, das ist so eine Vereinigung von Industrieunternehmen,aber auch ganz besonders über das Clean Space Office der ESA.Das ist in ESA eine Initiative, wo es darum geht, die Raumfahrt nachhaltigerzu machen und die ganz viel im direkten Austausch mit der Industrie gehen,was ich richtig super finde und wo wir immer,wo wir schon ganz viele Fortschritte gemacht haben.Jetzt in diesem Jahr steht ganz oben auf der Agenda die sogenannte Zero DebrisCharter, das ist ein politisches Dokument,wo sich Industrie und ESA und verschiedene nationale Weltraumorganisationen wie DLR zum Beispiel.Zusammenschließen und gemeinsam einen Plan, einen groben Plan entwickeln, wo wir 2030 sein wollen.Was zum Beispiel die Zuverlässigkeit von Satelliten im Wiedereintritt angeht und so weiter.
Tim Pritlove 1:30:34
Was ist denn bisher schon so erzielt worden an Fortschritten?Wir haben vielleicht mal ein paar Jahre zurück geblättert. Was ist jetzt besseran den Satelliten, was ist geändert worden, um diese ganzen Zielsetzungen dannauch zu erfüllen und diese Wünsche umzusetzen?
Charlotte Bewick 1:30:50
Also in unseren Satelliten sind wir compliant, also erfüllen wir diese Mitigationsvorschriften,das heißt, die werden immer so ausgelegt, dass sie am Ende der operationellen Lebensdauer,entweder kontrolliert einen Wiedereintritt durchführen oder einen passiven Wiedereintrittmachen und davor sich passivieren.Und dass man die Wahrscheinlichkeit einer Explosion oder so minimiert,dass die Ausweichmanöver fliegen.Also ganz viele Sachen sind einfach jetzt im Design standardmäßig dabei.Was man noch nicht so richtig sehen kann, ist, was für Auswirkungen das hat,weil die Satelliten, die jetzt fliegen und vor allem die jetzt in ihr End -of-Life gehen, die sind häufig von der Zeit, bevor es diese Standards gab.Und wenn man sich das anschaut, sieht man, es sind nur ganz wenige Satelliten,die wirklich einen Wiedereintritt machen oder ein wirkliches End -of -Life -Betrieb durchführen.
Tim Pritlove 1:31:46
Das heißt, es geht jetzt eigentlich erst langsam los.
Charlotte Bewick 1:31:49
Ich glaube, die Früchte zeigen sich erst jetzt so langsam. Und das ist haltso, wenn ich jetzt anfange, einen Satelliten zu entwerfen, dann wird der vielleicht 2029 gelauncht.Und dann hat er sein End -of -Life vielleicht 2038.Und das heißt also 15 Jahre.
Tim Pritlove 1:32:06
Aber irgendwas wird auch schon mal runtergekommen sein, was schon so halbwegs modern gedacht war.
Charlotte Bewick 1:32:10
Ja klar, also es gab schon Wiedereintritte, die gezielt waren.Es gab auch schon passive Wiedereintritte, aber einfach die Compliance -Rate ist so niedrig.Es gibt einfach viel zu viele Satelliten, die dort oben am Ende des Lebens einfachnur das Licht ausmachen und da oben bleiben statt sich zu entfernen.Aber ich glaube halt in vielen Fällen, weil sie eben aus einer Zeit stammen,wo das noch nicht mit eingebaut wurde in das System.Und das andere, was sich gerade tut, was total eine krasse Entwicklung ist,wo ich auch echt überrascht bin, dass das jetzt kommt, weil es immer hieß,kommerziell kriegt man das nicht hin, also es gibt einfach nicht genug Budgetdafür ist, dass man eine Debris -Removal -Mission macht.Das ist ja hier Clear Space One und auch Astroscale, eine Firma aus Japan undGroßbritannien, macht jetzt einen echten Demonstrator von einer Mission,die da hochfliegt und sich eine alte,Raketenoberstufe schnappt und aus dem Orbit entfernt.
Tim Pritlove 1:33:02
Das ist jetzt erstmal so eine Technologiedemonstration.Gibt es da eine Technologie, die sich da abzeichnet?Ich hatte ja schon mehrfach das Thema, einerseits die Weltraumschrott Sendung,da haben wir natürlich darüber gesprochen, vor allem über das Problem selber,dass wir über Robotik gesprochen haben.Dann kam es auch schon zu Überlegungen für automatische Andockungen.Jedes Raumfahrzeug hat ja in der Regel zum Beispiel eine Antriebsdüse.Da könnte man ja vielleicht von hinten sich einklinken.Mit Netzen wird experimentiert. Zeichnet sich schon irgendeine Technologie ab,wo alle meinen, das könnte am besten funktionieren, das ist vielleicht der ökonomischsteAnsatz oder ist das noch ein sehr breites Feld, wo eigentlich alles mal ausprobiertwerden muss, wie es funktionieren könnte mit der Müllabfuhr?
Charlotte Bewick 1:33:53
Also ich glaube am vielversprechendsten ist dieses feste Docking,also wo man wirklich hinfliegt und zum Beispiel mit der Düse sich verbindetoder mit dem Launch Vehicle Adapter, also dem Ring, mit dem man vorher schonauf dem Launcher befestigt war, weil das ist natürlich fest auch an der Struktur befestigt.
Tim Pritlove 1:34:09
Und der ist auch halbwegs standardisiert.
Charlotte Bewick 1:34:11
Genau, der ist auch standardisiert. Aber was wir auch haben,ist, dass wir mit den neuen Satelliten so Docking -Stations einbauen,sodass die schon richtig so einen Greifpunkt haben und so ein kleines Schild,was man dafür benutzen kann,um mit einem visuellen Sensor zu erkennen, in welcher Lage befindet sich derSatellit gerade, wie dreht er sich.
Tim Pritlove 1:34:35
So ein QR -Code sozusagen.
Charlotte Bewick 1:34:36
Ja, so ein bisschen so, genau, und das wird jetzt mit eingebaut,sodass man, falls der Satellit es nicht schaffen sollte, aus eigener Kraft denWiedereintritt zu machen, dassman die Option hat, ein möglichst einfaches Dockinginterface zu haben.
Tim Pritlove 1:34:51
Aber das ist natürlich das eigentliche Ziel, dass so eine Rettungsmission garnicht erst erforderlich ist.Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass der Bedarf für diese Müllabfuhr steigt.Weil ich meine da müssen ja eigentlich auch die Unternehmen selber ein Interesse dran haben.Also gerade als wir Starlink angesprochen haben, ich meine das ist natürlich für die in dem Moment,wo einer ihrer Satelliten da rogue läuft und irgendwie alles so kegelmäßig wegballert,kann er ja auch mal schnell den Tod des ganzen, vielleicht nicht des ganzen,aber zumindest signifikanter Teile des Netzes bedeuten.Bis hin zur Gefährdung des Weiterbetriebs an sich, weil wenn erstmal genug rumfliegt,dann muss man unter Umständen den ganzen Orbit ja aufgeben und später dann vielleichtauch noch andere orbitale Lagen.Beteiligen die sich da? Gibt es da Innovationen?
Charlotte Bewick 1:35:43
Also für Betreiber von einer festen Konstellation ist es vielleicht so,dass man tatsächlich sagt, okay, ihr habt ein Interesse daran,den Satelliten zu entfernen.Aber man muss leider sagen, in den allermeisten Fällen ist der Betreiber nichtderjenige, der direkt betroffen ist von den Folgen.Es kann sein, aber erst mal ist das einfach nur eine Umweltverschmutzung in dem Sinne.Und das muss meiner Meinung nach, das muss viel strenger reguliert werden,dass man wirklich dafür aufkommen muss. Wir haben jetzt bei der Zero -Debris-Charta darüber gesprochen, dass wir mit 99 -prozentiger Wahrscheinlichkeiteigentlich wollen, dass die Satelliten nicht im Orbit verbleiben.Und das ist eigentlich nur möglich, indem man Vorkehrungen trifft,dass man im Falle eines Ausfalls eben so einen Rettungsdienst nutzt.Anders weiß ich nicht, wie man eine 99 -prozentige Wahrscheinlichkeit erreichensoll, weil es eben immer was gibt, was ausfallen kann.Oder man muss den Satelliten so designen, dass er alle Systeme dreimal oderso dabei hat, was ja dann auch wirklich teuer wird.
Tim Pritlove 1:36:41
Ja.Normalerweise so im industriellen Bereich, Kraftwerke etc.Macht man das ja mit so einem Fonds, wo man sozusagen sagt,okay ihr wollt in diesem Milieu wirtschaftlich unterwegs sein,könnt ihr das schön machen,aber wenn ihr hier eine Lizenz haben wollt, dann müsst ihr irgendwie so undso viel Prozent von eurem Umsatz in so einen Topf geben und wenn halt mal wirklichwas schief geht, dann haben wir zumindest Kohle, um das irgendwie regeln zu können.Zeichnet sich das ab, dass sowas kommt?
Charlotte Bewick 1:37:13
Also die Idee gibt es, aber das Problem ist, wie setzt man das um?Bei einem Kraftwerk hat man ein festes Land, in dem soll das Kraftwerk dannstehen und da gibt es halt eine klare legislative Hoheit.Und das gibt es im Weltraum eben nicht und man müsste sich dann schon wirklichinternational einig werden.Wenn einige Länder anfangen würden, das alleine zu machen, kann das halt aucheinfach eine Abwanderung von Industrie bedeuten.
Tim Pritlove 1:37:34
So nach dem Motto, wenn das hier zu teuer wird, dann launchen wir halt woanders. Ja, genau.
Charlotte Bewick 1:37:39
Eine Idee, die schon mal besprochen wurde, war, dass man vielleicht das auchmit den Servicen verbinden sollte.Also nicht so sehr guckt, wo wird der gelauncht oder wo wird er betrieben,sondern wo dürfen die ihre Services verkaufen.Wenn man einen Satelliten hat, der zum Beispiel Internet anbietet,aber keine korrekten Vorkehrungen für End of Life hat, dann darf der vielleichtsein Internet nicht in Europa vertreiben. Nur so als Idee.
Tim Pritlove 1:37:59
Ja, okay, good point.Das könnte ein interessanter Hebel sein natürlich und Tracking Station,solche Netzwerke nutzen zu können, ist natürlich auch in gewisser Hinsicht einPrivileg, könnte ich mir vorstellen.
Charlotte Bewick 1:38:18
Ja das stimmt, genau. Also Bodenstationsnetzwerke und so.Obwohl gerade die Konstellationen, die haben eigentlich Inter -Satellite -Link,also da braucht man dann nur noch eine Bodenstation und die Informationen werdendann von Satellit zu Satellit weitergegeben.
Tim Pritlove 1:38:32
Beziehungsweise sie haben halt überhaupt ihre eigene Infrastruktur auf dem Boden.Ja, alles nicht so einfach. Aber du bist da optimistisch, dass sich da was tut?
Charlotte Bewick 1:38:41
Ja, also irgendwas muss sich tun.Ich weiß nicht, ob ich das unbedingt als optimistisch bezeichnen würde.Was ich gut finde, ist, man hat das Gefühl, im Moment ist wirklich Impuls dahinter.Wir merken von vielen Seiten, es gibt Interesse, die deutsche Raumfahrtstrategienimmt speziell auf Nachhaltigkeit Bezug.Wir haben von der EU, hören wir jetzt, dass es im EU Space Law Nachhaltigkeitmit berücksichtigt werden soll.Dann haben wir wie gesagt dieser Zero Debris Charter, wo wir,was auch wirklich außergewöhnlich ist, dass wir da mit Industrie übergreifend,mit unseren Wettbewerbern, mit unseren Kunden alle zusammen unterzeichnen wollen,dass wir uns hier an bestimmte Maßstäbe halten wollen.Und eben ist es auch Geld da, um solche Entwicklungen zu finanzieren.Was früher wirklich in Frage stand, wo wir gesagt haben, das wird nie kommen,so eine Mission, weil es gibt einfach niemanden, der bereit ist,so viel Geld dafür zu bezahlen, einen Satelliten aus dem Orbit zu entfernen.Und jetzt passiert es doch.Und es gibt eben auch Geld da, um Technologien zu entwickeln,die wir brauchen. Sprich dieses Das Design vor dem Mais, was ich eben angesprochen hatte.
Tim Pritlove 1:39:52
Wann kommt diese Testmission an den Start, die nächste?
Charlotte Bewick 1:39:56
Ich glaube, es sollte 2026 soweit sein, wenn ich mich richtig erinnere. Also nicht mehr lange.
Tim Pritlove 1:40:02
Okay, nicht mehr lange, aber halt so nicht mehr lange in Raumfahrtsgrößenordnung.
Charlotte Bewick 1:40:07
Ja, voll bald in Raumfahrtsgrößenordnung.
Tim Pritlove 1:40:09
Das ist ja quasi morgen schon.
Charlotte Bewick 1:40:10
Ja, das stimmt.
Tim Pritlove 1:40:13
Ja, man muss ja hier wirklich einen langen Atem haben. Du hast EU -Space -Lawangesprochen, das heißt es soll auf der Ebene der Europäischen Union einen Weltraum...Gesetzgebung erarbeitet werden, die dann das Potenzial hat, als Vorlage fürdie internationalen Verhandlungen zu dienen oder wie sehe ich das?
Charlotte Bewick 1:40:34
Also ich bin gar keine Expertin, was diese EU -Machenschaften angeht und ichfinde es auch immer super komplex, aber wie ich es verstehe,ist, dass die EU eine Art Vorschlag dann macht und die Nationalstaaten das inihre eigene Gesetzgebung übernehmen können,aber genau, das ist, ich bin Ingenieurin.
Tim Pritlove 1:40:52
Ja, ist mir schon klar. Aber interessanter Hinweis hatte ich jetzt noch garnicht so auf dem Zeiger. Ich habe mich ja schon mal über Weltraumrecht unterhalten,das ist aber schon eine Weile her.Wobei auch damals war schon klar, dass es einfach sehr schwierig ist die Interessenunterschiedlicher Staaten hier unter einen Hut zu bringen.Und wenn man sich halt vor allem die Ambitionen der Russen in den letzten Jahrenanschaut, könnte es ein bisschen schwierig werden da auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.China ist ja auch generell noch so ein bisschen ausgeklingt,aber wäre natürlich schon mal ganz gut, wenn es hier zumindest mal sinnvolle Vorschläge gibt.
Charlotte Bewick 1:41:28
Aber ich finde auch, das ist für mich auch immer so ein Punkt,ich vergleiche das ganz gerne so mit der Klimawandel -Problematik.Man kann nicht immer nur sagen, aber die Russen, aber die Chinesen machen esdoch auch, weil dann kommt man nie weiter.Wir müssen als Industrienation, müssen wir auch eine Vorbildfunktion erfüllenund das gilt jetzt auch für den Weltraumschrott, aber halt ganz besonders mit dem Klimawandel.Und wenn man sich anschaut, was fliegt denn da oben eigentlich rum?Ja klar, es gibt viel russischen Schrott, aber es gibt auch ganz,ganz viel Schrott aus Amerika und auch einiges aus Europa.Und die aufstrebenden Nationen im Bereich Raumfahrt, die jetzt anfangen,die gucken ja auch, wie verhalten sich die Player?Und wenn wir jetzt sagen, na ja, okay, wir haben keinen richtigen Grund,da jetzt wirklich was zu machen, weil es halten sich ja sowieso nicht alle dran,Dann ist es ja kein Wunder, dass eine neue Raumfahrtnation, sagen wir mal Nigeria oder so,dann auch nicht sagt, okay, wir machen jetzt aber sehr, sehr nachhaltige Raumfahrt.Ich meine, toll, wenn sie es tun, aber ja, ich finde, da ist es schon sehr,sehr wichtig, dass gerade als eine Nation, die schon sehr viel entwickelt hatund die auch schon viel genutzt hat im Orbit und davon auch schon viel profitierthat, dass man eben den Weg weist.
Tim Pritlove 1:42:42
Mh.Ja, also ich glaube da haben alle so ein bisschen Dreck am Stecken,weil das Thema einfach lange Zeit vernachlässigt wurde.Ich frage mich eigentlich immer, warum eigentlich? Also hat man irgendwie langeZeit gedacht, das könnte nicht wirklich ein Problem sein?Oder sind da einfach nur die frühen Rufe nie erhört worden aus Kostengründen?Oder war einfach das Wachstum dann schneller, als alle damit gerechnet haben?
Charlotte Bewick 1:43:09
Beides. Also einmal hat man lange Zeit nicht geglaubt, dass es ein wirklichesProblem gibt, obwohl der Donald Kessler das ja schon in den 70er Jahren prognostiziert hat.Aber das sind natürlich auch immer dieser Kommunikationsunterschied zwischenden Wissenschaftlern und den Leuten, die dann Satelliten tatsächlich auch inAuftrag geben, was früher ganz oft auch das Militär einfach war.Und dann zum Beispiel diese Antisatellitentests, da ist man sich ja eigentlicheinig, dass das Quatsch ist, aber trotzdem wurde das weitergemacht.Der letzte ist jetzt auch erst ein paar Jahre her, wo eben Satelliten wirklichim Orbit zerstört werden, um zu demonstrieren, wir können das.Die Leute, die das entscheiden, die haben bestimmt nicht schlaflose Nächte wegen Weltraumschrott.Das sind einfach ganz andere Interessen, die da zusammenkommen.Und das andere ist diese Entwicklung mit den Megakonstellationen,das hat viele überrascht.Das ändert alles in der Weltraumindustrie, das hatten wir, also ich hatte dasso nicht auf dem Schirm und bis vor ein paar Jahren eben. Und dann plötzlich ging das los.Und wir haben gesehen, es geht nicht nur darum, dass hier ein paar UniversitätenCubeSats machen, sondern es geht darum, dass wirklich im ganz großen,im kommerziellen Stil zehntausende von Satelliten in den Orbit geschossen werden.Und nicht nur von einer Firma, sondern von vielen, die das machen wollen.Einige, die es jetzt auch schon machen und noch viel, viel mehr, die es planen zu machen.Und dann ändert es einfach alles. Wenn man sich die Wenn man sich die Diagrammeanschaut, es gibt so ein paar Diagramme, die wirklich augenöffnend sind,wo man sieht, seit den 60er -Jahren, wie viele Launchs gab es und wie vielegab es in den letzten beiden Jahren.Und das sind einfach ein Balkendiagramm, wo es in den Himmel reißt auf einmal.Und dann, wenn man das dann noch vergrößert in die Zukunft und guckt,wie viele sind jetzt schon angekündigt, da ist eine ganz klare Schnittstelleim Jahr 2020 ungefähr oder 2019. sind.Und da ist der große Umbruch und wir haben viel, viel, viel mehr Launches jetzt,als wir es jemals zuvor hatten.
Tim Pritlove 1:45:04
Es gibt ja ein paar richtige Klopper. Also vor allem sind ja früher,also der Trend zu kleineren Satelliten ist ja in gewisser Hinsicht auch gut,auch wenn es jetzt so viele sind.Früher hat man ja noch ein anderes Modell gehabt und es gibt ja einige große Satelliten.Ich glaube so ein 6 Tonnen Teil InchelSat, der da verendet ist.Und der Envisat auch noch natürlich. Also der ist ja noch schwerer,irgendwie über 8 Tonnen. Also wirklich so ein VW -Bus im Weltall.Die so ein bisschen unkontrolliert da rumliegen. Es wären ja eigentlich,sagen wir mal, sehr dankenswerte Ziele für so eine Rettungsmission.Aber man kann wahrscheinlich an diese dicken Dinger, also ist es schwerer?Oder eigentlich das gleiche wie bei so einem kleinen?Ich meine so ein kleiner ist vielleicht schwerer einzufangen und letztlich soviel Energie brauchen wir ja gar nicht, um die Dinger auf einen anderen Orbit zu bringen, oder?
Charlotte Bewick 1:46:00
Ja, also erst mal die großen Teile. Also es gibt so eine Art Hitliste,so eine Art Most Wanted List von Objekten,wo man sehen kann, welche muss man auf jeden Fall einfangen und das hat damitzu tun, was ist die Wahrscheinlichkeit, dass die mal explodieren oder zerstörtwerden und was ist der schwere Grad von den Folgen von so einer Explosion.Und da steht Envisa zum Beispiel ganz oben, weil es eben in einem Orbit,er ist in einem Orbit 800 Kilometer, wo der ganz wichtig ist für die Erdbeobachtung,der aber so weit oben ist, dass man kaum noch Restatmosphäre hat.
Tim Pritlove 1:46:32
Also wenn es dann… Da bremst nichts ab.
Charlotte Bewick 1:46:34
Da bremst nichts mehr ab. Der bleibt dann tausende von Jahren dort.Und die Wahrscheinlichkeit, dass er mal explodiert, durch eine Kollision zerstörtwird, ist extrem hoch, weil er eben von alleine kaum runterkommt,in Hunderten von Jahren nicht.Aber es gibt auch andere Satelliten, die da weit oben stehen,die zum Beispiel volatile Antriebssysteme dabei haben, wo man weiß,früher oder später explodieren die.Und der Grund, warum man sich nicht als allererstes Envisat schnappt,ist, Envisat ist wie gesagt ein Acht -Tonnen -Klopper und wenn man den nichtauf eine ganz gezielte Wiedereintrittsbahn auf die Erde befördert,sondern wenn da irgendwas schieflaufen würde,dann würde der sehr, sehr viele Komponenten,die den Wiedereintritt überleben, auf der Erdoberfläche zerstreuen mit hoher Geschwindigkeit.Das kann also sehr gefährlich werden für Menschen, für Tiere,für Einrichtungen, für Infrastruktur auf dem Boden.
Tim Pritlove 1:47:27
Also den muss man auf einer sehr klugen Trajektorie direkt in den Pazifik führen sozusagen.
Charlotte Bewick 1:47:32
Da muss man erstmal demonstriert haben, dass man das kann und dass man das auchwirklich sicher kann, bevor sich das irgendjemand traut.
Tim Pritlove 1:47:38
Okay, aber eigentlich ist das schon so Target Nummer eins. Das wäre super,wenn man dem mal los wird.
Charlotte Bewick 1:47:44
Für Europa ist es das, weil es ist ein europäischer Satellit.Das heißt wir wissen, wir können da ran, ohne dass irgendjemand ein Problem damit hat.Es gibt viele andere Satelliten, die auch große Probleme verursachen,wo das rechtlich nicht so einfach ist, wo die einfach nicht europäisches Eigentum sind.
Tim Pritlove 1:47:59
Genau, wie zum Beispiel dieser Intelsat, der auch so ein Riesending ist.Wie sieht das aus mit den geostationären Orbits, weil ich meine,die Low, oder Low, ich weiß nicht, bis zu 800 Kilometer, wie nennt man dannden Orbit noch, das ist ja nicht mehr Low. Also sagen wir mal so die Erdnaheit.
Charlotte Bewick 1:48:15
Ne Low, Leo ist bis 2000 Kilometer höher.
Tim Pritlove 1:48:17
Also in diesem Leo Bereich, also da wo man eine realistische Chance hat mitüberschaubarem Energieaufwand die Dinge auch wieder nach unten zu zwingen,weil eigentlich bringt die ja nichts aus der Ruhe.Die fliegen da einfach ihre Bahn und folgen einfach Einstein um die Erde herum,das heißt man muss da einfach gegendrücken, um die sozusagen wieder so ein bisschenwie eine Gummiente unter Wasser zu halten.Und dann gibt es aber noch diesen geostationären Orbit, da ist ja die Chance,die wieder zurück zu bekommen, kann man irgendwie komplett vergessen und dieheutige Strategie sieht ja so aus, dass die dann einfach ein bisschen weiterrausgeschoben werden, aber im Prinzip ja da auch bleiben.
Charlotte Bewick 1:49:01
Genau, beim GEO das ist ein ganz spezieller Orbit, weil das ist ja nur ein Orbit.Also beim LEO haben wir ganz viele verschiedene Orbits, hohe Inklination,niedrige Inklination, die so kreuz und quer durcheinander flitzen.Das ist ganz chaotisch. Im Geo ist es so, die sind alle ungefähr äquatorialund die gehen alle in die selbe Richtung und mit derselben Geschwindigkeit,weil die alle diesen 24 Stunden Umlauf haben wollen, wo sie immer über einen Punkt der Erde stehen.
Tim Pritlove 1:49:27
Ein Perlenkettchen einmal die ganze Erde herum.
Charlotte Bewick 1:49:29
Und wenn jetzt einer davon anfängt nicht mehr zu funktionieren und anfängt abzudriften,dann hat der nur eine ganz geringe relative Geschwindigkeit zu den anderen,weil der geht dann ein bisschen niedriger und dann.Im Verhältnis zu den anderen bewegt er sich dann so ganz leise ein bisschenrückwärts oder ein bisschen vorwärts, je nachdem und die Kollisionsrisiken dortsind erstmal ein bisschen in der Hinsicht geringer, dass die relative Geschwindigkeit geringer ist.Das ist wichtig zu berücksichtigen, weil wenn man zwei polare Satelliten imLeo hat, die sich begegnen, möglichst noch frontal, dann kann man hier siebenKilometer pro Sekunde, da sieben Kilometer pro Sekunde, 14 Kilometer pro Sekundezusammenprallen haben.Im Geo bewegt man sich mit dreieinhalb Kilometer pro Sekunde,also schon mal langsamer und dann eben halt relativ.Und dann hat man vielleicht so was ein paar hundert Meter pro Sekunde Relativgeschwindigkeit,eine ganz andere Nummer.Und dann, dadurch, dass das nur ein Donut ist, in dem sich der Geo befindet,kann man eben auf diesen Graveyarding -Orbit gehen,der einige hundert Kilometer höher ist und der dann auch prognostiziert erstmalkeine Überschneidungen mehr mit dem Geo hat.Und das ist eine ganz gute Methode, die Geosatelliten zu entsorgen.Und ich glaube, da bleibt man auch bei, weil die in den Wiedereintritt zu zwingen, ist sehr komplex,kostet sehr viel Treibstoff und birgt auch gewisse Risiken, weil die sind sehrgroß und man muss halt schon genau zielen, wenn man von 36 .000 Kilometer Entfernunggenau einen kleinen Fleck im Pazifischen Ozean treffen möchte.Und was wir aber besonders interessant finden, oder was ich auch besonders interessantfinde, ist dieses On -Orbit -Servicing,also dass man Satelliten baut, die zu Geosatelliten hinfliegen und die wiederfit machen, wenn da irgendwas ausgefallen ist, versucht das zu reparieren, also quasi Drohnen,Reparatur -Drohnen, die dort im Orbit die Satelliten wieder ansatzfähig machenoder wenn Hopfen und Malz verloren ist, die abschleppen und dann eben nichtzum Boden abschleppen, sondern in den Graveyard bringen.
Tim Pritlove 1:51:33
Also ich höre schon eine gewisse Hoffnung raus, dass diese Reparaturmissionendemnächst ein richtiges Thema werden.
Charlotte Bewick 1:51:40
Ja, also es gab ja schon einen erfolgreichen Einsatz von einer Reparaturmissionim Orbit, im Geo. Nicht von uns, aber es gab es.Und ich glaube, das wird immer wichtiger werden, auch unter Aspekten der Nachhaltigkeit.Ganz viel von dem Material, was wir da hochschicken, das wird im Moment einfachungenutzt, verbrannt oder entsorgt oder in den Graveyard gebracht.Aber wenn ich mir vorstelle, was machen wir in 20, 30 oder 40 Jahren?Das ist ja viel, viel Zeit und viel Entwicklung, die da weitergeht.Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir weiter so mit dem Material umgehen,was wir teuer in den Orbit befördert haben.Darauf hinauslaufen, dass man im Orbit anfängt, die Sachen weiterzuverwenden,wiederzuverwenden, reuse, recycle, etc.
Tim Pritlove 1:52:21
Oder eben auch eine Art der Rückführung vielleicht erfindet,die auch eine Wiedernutzung der Materialien beinhaltet.Weil ich meine, oft sind ja auch sehr seltene Stoffe in diesen komplexen Instrumenten,die jetzt nicht so üppig vielleicht vorhanden sind. und vielleicht noch,aber irgendwann vielleicht auch nicht mehr.Es ist ja generell nicht einfach etwas zurückzuführen. Also wir reden ja immervon, okay der Orbit muss frei sein, aber am Ende bedeutet das ja dann meistens,dass das meiste verglüht.Dann ist es ja auch erstmal gleichförmig über den Pazifik verstreut und vondaher auch nicht so ohne weiteres wieder nutzbar.Gibt es denn eigentlich technologisch in irgendeiner Form neue Ansätze,dass diese Ateliten auch bewusst überleben und in irgendeiner Form bergbar sind?Oder ist das dann zu viel des Guten?
Charlotte Bewick 1:53:10
Also meiner ist Wissensnach nicht. Aber ich glaube auch das Wertvollste im Momentan den Materialien ist nicht das Material, sondern dass sie im Orbit sind.Weil wir bezahlen ja 50 .000 Euro oder so für ein Kilogramm Launchmasse unddas ist ein Kilogramm Aluminium, das ist jetzt schon im Orbit.Da muss ich nicht nochmal 50 .000 Euro für bezahlen. Ich müsste eigentlich nurhinkommen, das bergen, das in ein Aluminiumgranulat umwandeln und daraus neuen Satelliten drucken.Also ich rede jetzt mal von 20, 30 Jahren, aber technologisch ist das keineMagie, so was müsste machbar sein und ich glaube eben, oder eben Komponenten,die man nimmt und repariert und wiederverwendet.Das ist jetzt nichts, was in den nächsten paar Jahren kommen wird,aber ich glaube, das ist einfach etwas, was unweigerlich kommt,weil es eben im Moment eine ganz große Verschwendung ist von dem,was wir alles schon drumherum haben.
Tim Pritlove 1:54:00
Aber ist nicht eigentlich die Laufzeit vor allem auch einfach nur durch einenMangel an Treibstoff definiert?Also oft funktionieren die Dinger ja dann eigentlich auch noch ganz gut,aber ihnen ist halt einfach der Treibstoff ausgegangen.So Refueling, dass man einfach da mal so einen Weltraumtanklastwagen durch dieGegend schickt, das müsste ja eigentlich auch eine Option sein.
Charlotte Bewick 1:54:18
Klar, das ist auch ein Teil von diesem On -Orbit -Servicing.Wir arbeiten auch gerade an einem ganz spannenden Projekt für ESPRI,für diese Mondstation mit dem Xenon -Refueling, wo man Xenon -Gas neu einbaut,damit man eben diese Raumstation weiterverwenden kann.Aber auch ganz normales Hydrazine -Refueling und so ist Teil von diesem On -Orbit -Servicing.Aber es ist nicht nur das. Die Satelliten haben ja alle Komponenten dabei unddiese Komponenten sind auf eine bestimmte Lebensdauer ausgelegt.Und im All sind nochmal erschwerte Bedingungen. Man hat da höhere Strahlungslastenund so weiter. Und es ist einfach so, nach einer Weile gehen die Dinger kaputt.So oder so. Oder auch Sachen, die sich bewegen, Mechanismen oder wir hattenvorhin die Schwungenräder oder so.Die sind für eine gewisse Anzahl von Zyklen ausgelegt und irgendwann gehen die kaputt.Aber wie gesagt, vielleicht kann man sie ja auch reparieren,vielleicht kann man ja was machen oder sie ausbauen und umbauen oder neu verwenden.
Tim Pritlove 1:55:16
Das würde aber natürlich auch einen höheren Grad an Modularisierung,Standardisierung, Schnittstellen etc.Dass man da einfach mal neue Solarpanele ranschraubt oder so.Das sind ja alles komplexe, delikate Verbindungen heutzutage,die sich nicht so ohne weiteres und schon gar nicht durch einen Roboter im Weltallso ohne weiteres auflösen lassen. Aber da könnte es ja hingehen.
Charlotte Bewick 1:55:36
Da könnte es ja hingehen, genau.
Tim Pritlove 1:55:37
Könnte es ja hingehen. The future is still bright.Ja Charlotte, ich sag mal vielen Dank. Ich denke jetzt haben wir hier einenÜberblick gewonnen oder gibt es noch irgendetwas, was du uns mit auf den Weggeben möchtest, was wir noch nicht so angesprochen haben?
Charlotte Bewick 1:55:54
Ne, ne, das hat mir total viel Spaß gemacht. Wir sind ja wirklich durch alleseinmal durchgegangen, was ich hier so mache. Sehr schön. Ich fand's sehr schön.
Tim Pritlove 1:56:01
Vorrang. Gut, dann vielen Dank.Und ja, vielen Dank für's Zuhören, das war's von mir von Raumzeit.Ihr wisst, bald geht's wieder weiter. Bis dahin sage ich Tschüss und bis bald.

Shownotes

RZ117 Euclid

Ein Weltraumteleskop auf der Suche nach dunkler Energie und dunkler Materie

Die geometrische Vermessung des Universums kann eine Reihe von Erkenntnissen liefern, die Aufschluss über seine wahre Größe geben – und damit auch sowohl über seine kontinuierliche Ausdehnung als auch seine innere Beschaffenheit. Diesen Auftrag hat das jüngst gestartete Weltraumteleskop Euclid der ESA, das eine umfangreiche Beobachtung des Weltraums im visuellen sowie dem nahinfraroten Spektrum vornehmen wird.

Durch diese Himmelsdurchmusterung erhoffen sich die Astronomen weitere Daten zur Bestimmung der dunklen Energie als auch der dunklen Materie im All. Das gesammelte Datenmaterial wird darüberhinaus in bereitgestellten Katalogen den Forscherinnen und Forschern weltweit noch über Jahre hinaus eine Forschungsgrundlage sein.

Dauer:
Aufnahme:

Knud Jahnke
Knud Jahnke

Auskünft über diese interessante Mission gibt Knud Jahnke, Leiter der Euclid-Missionsgruppe in der Galaxien- und Kosmologieabteilung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg. Knud erläutert uns die Ziele der Mission, das Design des Weltraumteleskops und seiner Instrumente und welche Fragen der Datenkatalog am Ende beantworten soll.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:35
Hallo und herzlich Willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Und nach dem Ausflug in die Atomphysik, die letzten sechs Ausgaben am CERN,kehren wir heute mal wieder zur Kernkompetenz dieses Podcasts zurück.Und ja, es geht mal wieder über Raumfahrt und dazu habe ich mich nach Heidelbergbegeben ins Haus der Astronomie,was passenderweise auch schön hoch auf dem Berg sitzt, hier auf dem Königsstuhlzum Max-Planck-Institut fürAstronomie und begrüße erst mal meinen Gesprächspartner, nämlich den Knut.
Knud Jahnke 0:01:14
Hallo, guten Morgen, guten Tag.
Tim Pritlove 0:01:16
Hallo, ja herzlich willkommen bei Raumzeit. Max Planck Institut für Astronomie,das macht hier was? Astronomie, okay gut.
Knud Jahnke 0:01:26
Alles, alles, wir machen alles. Wir haben tatsächlich ganz viel Forschung,Instrumentenbau im Bereich Astrophysik.Es gibt Leute die machen Galaxien-Entstehungssimulationen, Sternentstehungssimulationen, Planetenformationen.Also wir sind extrem breit aufgestellt was Astronomie und Astrophysik angeht.Ursprünglich, damals in den 70ern, wurde es gegründet, das Institut,als sozusagen Betriebs- und Grundlageninstitut für das Cala Alto Observatorium in Spanien.Da sollte es ein deutsches Observatorium geben, das gibt es auch weiterhin.Und dies war sozusagen das Institut, wo die Instrumente gebaut wurden,die Planungen liefen, das ist sozusagen die Verbindung in den Norden.Und seitdem hat sich das entwickelt. Wir machen immer noch ganz viel Instrumentenbaufür bodengebundene und Weltraummissionen in Observatorien,Teleskope und haben aber parallel ganz viel Astrophysik, um mit den Daten,die dazu reinkommen, Grundlagenforschung zu machen.
Tim Pritlove 0:02:24
Gibt ja noch ein ganz basices Gebäude hier, was, wenn man von oben schaut,aussieht wie so eine abstrakte Galaxie.
Knud Jahnke 0:02:31
Genau, das ist das Haus der Astronomie hier direkt nebendran.Das ist aus dem Kontext Outreach hier oder Öffentlichkeitsarbeit,Lehrerfortbildung, Schülerinnenfortbildung hervorgegangen vor mehr als zehn Jahren.Und macht alle möglichen Projekte im Bereich Astro-Ausbildung,Fortbildung, viel oder hauptsächlich für Multiplikatoren.Also LehrerInnen können hierher kommen und Fortbildung machen.Wir haben auch TeacherInn-Residents,die Sachen, sagen wir mal, entwickeln, Materialien entwickeln,um in Süddeutschland, und ich glaube das geht mittlerweile über ganz Deutschlandhinweg, im deutschsprachigen Raum, Materialien zur Astro-Fortbildung anzubieten.Grundlagen, Multiplikatoren sozusagen von dem, was wir alles erforschen,dass das irgendwie auch in den Schulen verankert wird,besser verankert wird und wenn man besseres Material zur Verfügung stellt,mehr Material zur Verfügung stellt und Leute hilft, besser ausgebildet zu sein,dann wird sich das in der Zukunft immer wieder bezahlt machen und das gibt'sseit über zehn Jahren, ist tatsächlich nach M51 der Spiral Galaxie ursprünglichentwickelt worden als Grundlage für die Architekten und sehr spacig, ja.
Tim Pritlove 0:03:45
Selbstbäßig, genau. Und es ist halt nicht nur ein Ort, wo diese Materialienentwickelt werden, sondern wo auch Schulklassen und andere hinkommen können.
Knud Jahnke 0:03:52
Genau. Es sitzt auch Stern- und Weltraum drin. Größtes deutsches Amateurastronomie Magazin.Die haben ihre Redaktionsräume dort. Wir haben Studios für Produktion von Audio,Video und ganz viele Sachen für Schulen, Ich glaube ab Kindergarten,Experimentierräume, audiovisuelle Sachen, Dinge zum wirklich physischen Experimentierenfür die ganzen Schulen aus dem Umkreis.
Tim Pritlove 0:04:18
Touchiert habe ich das Thema auch schon mal 2020, als ich mit Caroline Liefke gesprochen habe.Die ist dort aktiv und da ging es auch dann um Amateurastronomie,nicht so spezifisch jetzt um das Haus der Astronomie, aber das kam auf jedenFall dort auch noch zur Sprache Raumzeit 87.Wer da vielleicht noch mal reinhören will. Aber heute soll es ja um richtigeRaumfahrt gehen und das Max-Planck-Institut ist hier beteiligt bei einer ESA-Mission,nämlich der Mission Euclid und das steht sozusagen heute im Mittelpunkt.Euclid ist ein neues Weltraumteleskop, was jetzt gerade vor wenigen Monatengelauncht wurde, erfolgreich.Und ja, darüber würde ich mich natürlich mit dir ganz gerne unterhalten,aber vielleicht erstmal noch zu dir.Wie bist du denn in dieses Thema reingeraten?Wie bin ich da reingeraten?
Knud Jahnke 0:05:09
Sehr gute Frage. Also ich bin Astrophysiker, vom Studium her.Ich hab in Hamburg seiner Zeit studiert.Ich war dann in Potsdam und bin dann hier als Postdoc ins Institut gekommen,hatte dann eine Forschungsgruppe, mehrere Jahre,im Bereich Schwarze Löcher inGalaxien, da arbeite ich immer noch in dem Bereich und dann gab sich 2011,dass Euclid am Horizont sich als tatsächliche,nicht nur als Studie und als Konzept abzeichnete, sondern dass die ESA das wahrscheinlichoder möglicherweise als Mission akzeptieren, adoptieren und dann bauen wirdund das entschied sich 2011.Und zu dem Zeitpunkt waren im Prinzip die Leute hier,die unsere Beiträge zu dem Zeitpunkt oder bis dahin vorbereitet hatten,waren auf dem Absprung und sagten,okay, das war alles gut, wunderbar, wir suchen jetzt jemanden,der unsere Instrumentierungsbeiträge, die wir liefern und haben könnten,koordiniert, der auch unsere funktionale Sachen, die wir während der Missionanbieten, koordiniert.Und der dann auch die Rolle des sogenannten Instrumentwissenschaftlers für einender Instrumente übernehmen kann.Dann hab ich gesagt, hey das klingt eigentlich sehr spannend,das wird länger dauern und das war wie gesagt 2011,jetzt bin ich ein Dutzend Jahre dabei, immer noch in der Funktion als Instrumentwissenschaftler,können wir dann zukommen und wir haben in dem Zeitpunkt dann Instrumentierungentwickelt und viel an Konzeptionen mitgearbeitet.Das heißt, es ist wirklich der Zugang über die Forschung gekommen.Ich habe großes Interesse an den Daten, die kommen werden, wenn ich auch keinKosmologe bin. Das ist eine Kosmologie-Mission, werden wir drüber sprechen.Aber die Daten sind einfach sehr, sehr spannend. Die Bilder,die Spektren, die da kommen werden, werden sehr, sehr spannend sein und berührenganz viele Sachen, mit denen ich vorher gearbeitet habe.Ich habe im Hubble-Teleskop gearbeitet, bodengebundene Daten,optisch, infrarot und dementsprechend, viele Sachen kamen mir sehr bekannt vor,nur dass es halt jetzt um sehr, sehr viele Daten gibt über einen sehr großenHimmelsbereich und Dinge, die man einfach von der Erde aus nicht machen kannund das ist das, was damals spannend war, was jetzt auch noch spannend ist fürmich als jemand, der aus der Forschung kommt.
Tim Pritlove 0:07:23
Ja aber wenn du dich schon immer mit Galaxien und schwarzen Löchern in Galaxienbeschäftigt hast, inwiefern ist das dann nicht Kosmologie?Also wo siehst du da so den Unterschied?
Knud Jahnke 0:07:32
Ich glaube Kosmologie offiziell ist sozusagen wirklich die Struktur des Universumsim Ganzen, wenn man mal diese ganzen kleinen Sachen, die Galaxien oder so malim Detail so weglässt, ne?Also wir haben wir haben da einfach ganz großeBaustellen Ich sage immer mal scherzhaftalso vor 105 Jahren wussten wir eigentlich alles was im Universum so so da istda gab es so die große Diskussion was sind Galaxien die Great Debate sind dasNebel von irgendwas in unserer Milchstraße oder sind das Dinge die wie unsere Milchstraße.Nur außerhalb weiter weg sind. Und danach hat man gesagt, okay,wunderbar, wir wissen jetzt, was Galaxien sind, wir alle die Nebel,die können wir erklären.Da haben wir gesagt, wir kennen eigentlich alles, was wir im Bereich so...Wir nehmen ein Teleskop, gucken in den Himmel, sehen was. Das ist alles das.Ja, man kann größere Teleskope nehmen, kann weitergucken. Das war alles das,was wir von uns auch kennen.Wir sehen die Sonne, wir sehen die Planeten, wir sehen die Sterne um uns herum.Fertig. So. Dann kam halt irgendwann ein paar Jahrzehnte später,stellte man fest, Galaxien rotieren nicht wie sie sollten, sie rotieren irgendwieso, als ob da mehr Masse drin ist, als wir leuchtend sehen.Galaxienhaufen bewegen sich nicht so wie sie sollten, da ist mehr Masse drinals wir sehen und wenn man das mal genau ausrechnet, dann kommt man dahin,dass da viermal mehr, fünfmal mehr Masse sein muss, als wir uns mit leuchtendenSternen oder Gas im Hintergrund erklären können.Das waren dann die dunkle Materie, weil...Materie leuchtet nicht. Dunkel. Ja, okay. Da haben wir dann schon mal irgendwiegesagt, dass da fehlen uns irgendwie dann...Vier Fünftel oder so von dem was wir kennen. Vier Fünftel wissen wir nicht,ein Fünftel kennen wir ja so und dann haben wir natürlich weiter geguckt unddann kam vor gut 20 Jahren die Sache mit den wir gucken uns an wie eine Standardkerzein diesem Fall Supernovae so an Helligkeiten mit sich bringen wenn sie weiterund weiter entfernt sind.
Tim Pritlove 0:09:39
Also eine bestimmte Art von Sternexplosionen, von denen man relativ aus bestimmtenphysikalischen Herleitungen heraussagen kann, wie hell sie sind und dadurchhat man eine Referenz, sodass man das gemessene Licht direkt in Distanz umsetzen kann.
Knud Jahnke 0:09:53
Genau, denn unser Grundproblem in der Astronomie ist, wir können ja anders als zum Beispiel am CERN,wir können nicht einfach Sachen aufeinander schießen und dann die Ergebnisse angucken,wir können auch nicht großartig warten, bis sich Galaxien irgendwie entwickelthaben oder groß durch die Gegend bewegt haben, das heißt, wir müssen immer mitSchnappschüssen arbeiten.Wir können immer nur gucken und versuchen aus Sachen, die in verschiedenen Entfernungensind, weil wir wissen, Lichtgeschwindigkeit ist endlich, okay,weitere Entfernung heißt, wir gucken in die Vergangenheit zurück.Das ist gut, wir müssen uns das aber irgendwie zusammenbauen mit indirektenMarkern und wie du es so schön erklärt hast,wenn ich nicht weiß, dass irgendetwas mit einer bestimmten Helligkeit leuchtet,Dann kann ich auch nicht sagen, okay, ich weiß, die Leuchtkraft ist so und sogroß, die Helligkeit, die bei uns ankommt, ist so und so groß,also kann ich eine Entfernung abschätzen.Das heißt, wir brauchen als eine Sache so Standardkerzen, wie wir sie halt nennen.Und die Supernovae sind genau das.Wenn man ein bisschen rummodelliert, dann sagen wir, okay, wir können bestimmteSachen, bestimmte Eigenschaften von denen, Abklingengeschwindigkeiten und so weiter, nehmen.Dann können wir daraus berechnen, welche Leuchtkraft sie tatsächlich haben.Und dann können wir wirklich gucken, okay, wir gucken uns Supernovae an,die in der Galaxie in 5 Milliarden Lichtjahren Entfernung, gucken was bei unsan Helligkeit ankommt und sagen okay, das ist die Entfernung.Als Leute das gemacht haben und dann gesagt haben, irgendwie nimmt das abermit der Entfernung nicht so ab, wie wir das eigentlich erwarten.Das passt nicht dazu, dass wir ein einfaches Modell haben vom Urknall,da sind wir wieder bei der Frage, was ist Kosmologie.Urknall, das Universum expandiert seitdem und wir haben eigentlich angenommen, ja da ist Materie drin.Materie, Masse hat nur eine Sache, Anziehungskraft. Das heißt,es gibt keine, andererseits bei elektrischen Ladungen, positiv,negativ, Masse ist da, Masse hat Anziehungskraft, das heißt,wenn da irgendwas auseinanderfliegt und da ist Masse, dann bremst die eigentlichdieses Auseinanderfliegen ab.Ja und das was mit den Supernova dann gesehen wurde ist, dass das nicht damitkonsistent ist, das funktioniert nicht, sondern wir sehen, dass eigentlich dieGeschwindigkeit der Expansion zunimmt, beschleunigt.
Tim Pritlove 0:12:11
Also dass es eine Expansion gab, das war schon vorher klar,aber es war nicht klar, ob nicht vielleicht die ganze Materie irgendwann sozusagendie Beschleunigung einer ursprünglichen Explosion oder so etwas ähnliches dannirgendwann mal wieder einfängt Und das ganze Universum dann wieder in sich zusammenfällt.
Knud Jahnke 0:12:30
Genau, entweder zusammenfällt oder gegen einfach eine niedrige Geschwindigkeitkonvergiert, die dann zwar immer noch weiter auseinander geht,aber deutlich langsamer als vorher.Dass es die Expansion gibt, dass es einen Urknall gab im Sinne von einem Zustand,als alles sehr sehr sehr viel dichter beieinander und sehr sehr sehr viel heißerwar, das ist eigentlich seit Hubble in den 20er Jahren, 30er Jahren dann klar gewesen.
Tim Pritlove 0:12:55
Also nicht Hubble das Weltraum-Testkorb, sondern der nach ihm benannt wurde.
Knud Jahnke 0:12:59
Hubble die Person.Aber dass es jetzt irgendeinen Faktor gibt, der nicht abbremst,sondern sogar beschleunigt, das war neu.So und das heißt, wenn man das wieder zurückgeht und dann noch was anderes dazu nimmt,nämlich zu sagen, okay wir wissen seit solchen Missionen wie WMAP oder Vorgängern oder Planck,Dass das Universum eine bestimmte Krümmung hat und dann wenn man da Modelledran füttert, dann heißt das, okay, wir können daraus berechnen,welchen Energieinhalt es im Universum ungefähr gibt.So, und wenn man den berechnet, dann kommt man darauf, da fehlen uns weiterhin70 Prozent, auch wenn man dunkle Materie und normale Materie,leuchtende Materie zusammenzählt.Und wenn man dann die Supernovae dazu nimmt und sagt, da ist noch eine Beschleunigung dabei,da ist ein Druck, dann kommt man auf irgendwas ganz Merkwürdiges,dann kommt man nämlich auf ganz viel Energie, die da sein muss,die wir bisher noch nicht gesehen haben, die aber nicht wirkt wie normale Masse,nämlich anziehend, sondern die abstößt.Das heißt, das ist irgendwie ein Druckfaktor. Irgendwie so eine Art Druck,wie so ein Gas in einem Ballon.Es hat einen Druck, hat auch Masse, aber irgendwas führt dazu,dass da ein Druck nach außen ist und nicht einfach das Gas sagt,ah, ich hab ja nur eigentlich Schwerkraft, ich fall ineinander zusammen,ansonsten interessiert mich der Rest nicht. Ne, da ist ein Druckterm.Und aus den Modellen, die im Prinzip an WMAP und Plank und so dran modelliert wurden, ist klar...Wie groß der Energieinhalt ist und aus den Supernova Beobachtungen ist klar,dass da eine Beschleunigung da ist. Und das ist etwas, was wir mit unseren ganzenElementarteilchen, unseren ganzen Feldern, die wir kennen, nicht beschreiben können.Und ja, in der Abgrenzung zur dunklen Materie, die wir nicht verstehen,hat man gesagt, ha, dann nennen wir das mal nicht dunkle Materie,sondern dunkle Energie.Haben wir also einen neuen Begriff, der uns erstmal die Angst nimmt vor dem Unbekannten,aber in der Summe ist es halt so, anders als 1920 war dann 2020 klar,dass wir irgendwie von 95% der Energie, die wir im Universum irgendwie feststellenund messen und mit den Modellen vorhersagen und sehen können,dass wir von denen nicht wissen, was es ist.Und das ist natürlich ein, sagen wir mal, für Grundlagenforschung etwas unbefriedigenderZustand, deswegen gibt es ganz, ganz viele Versuche, mehr Licht ins Dunkel zu bringen.Sehr viele Theorien, die gemacht wurden, aus welchen Zusammenhängen könnte bestehen,aus aktuellen Teilchen oder aus Erweiterung des sogenannten Teilchenstandardmodells,wo gesagt wird, okay, wenn wir darüber hinausgehen, da gibt es mögliche Erweiterungen,da könnten neue Teilchen sein, die eventuell dunkle Materie dann haben, also die Masse haben,die wir aber so im Alltagsleben oder im Alltagsbeschleunigerleben auch nichtsehen, die diese dunkle Materie darstellen könnten. Was sehr recht exotisches.Da könnten wir, sind andere Teile von Theorien, beschreiben dann die dunkle Energie.Gehen wir zurück zu Einstein. Einsteins Feldgleichung der allgemeinen Relativitätstheoriehatten da so einen komischen Faktor drin,so eine Integrationskonstante, von denen er auch nicht genau wusste,was er damit anfangen sollte und sagte, gut, es gibt eigentlich aktuell zwarformal diese Integrationskonstante, aber es gibt keinen Grund,warum die nicht Null sein sollte, also ignorieren wir die mal.Kosmologische Konstante, sagen wir, ist gleich Null.Und hundert Jahre später stellte man fest, also im Prinzip wäre das,was wir hier sehen an dunkler Energie, an dem Effekt der Abstoßung bei gleichzeitigEnergieinhalt, das ist im Prinzip kompatibel mit so einer kosmologischen Konstante.Zumindest grob der Effekt wäre derselbe, wenn diese kosmologische Konstanteaus Einsteins Feldgleichung halt nicht Null wäre.Hat dann spezielle Eigenschaften und es gibt alternative Varianten,alternative Dinge, die nicht sich darauf beziehen.Quintessenz, kann ich auch nicht viel zu sagen, zeitveränderliche Energieinhalte,zeitveränderliche Abstoßungen, teilweise angebunden an die inflationäre Expansion des Universums.Einen ganz frühen Universum, wo in den ersten Millisekunden das Universum plötzlichum einen Skalenfaktor, weiß ich nicht, sehr viel größer wurde,was im Prinzip etwas sehr Ähnliches ist, wie wir es jetzt sehen.Eine Beschleunigung der Ausdehnung, aber auf sehr viel kürzeren Zeitskalen damals,aber einfache Modelle sind immer elegant.Wenn wir sowas im frühen Universum hatten und sowas in langsamer Heute sehen,könnte es da eventuell Zusammenhänge geben, dass wir irgendwie nur eine langsameVariante des Ganzen immer noch oder schon wieder haben.Und darum dreht sich sehr viel in der Theorie, wo ich überhaupt keinen detailliertenEinblick habe, weil es sehr komplex ist.Aber im Prinzip das Gute ist, diese ganzen Zweige, sowohl im Bereich dunklerEnergie als auch im Bereich dunkler Materie, machen teilweise sehr unterschiedliche Vorhersagen.Und wenn sie unterschiedliche Vorhersagen machen, können wir die testen.Und das ist die Grundlage für viele kosmologische Himmelsdurchmusterungen,viele kosmologische Projekte, die versuchen besser und besser diese Modelleim Prinzip voneinander abzutrennen, indem sie diese Vorhersagen angucken undsagen, okay, es passt zu dem Modell, aber es ist nicht kompatibel mit diesem Modell.
Tim Pritlove 0:18:12
Ja und es gibt zahlreiche Missionen, die versuchen diesen ganzen Fragen auf den Grund zu kommen.Wir hatten hier bei Romsat ja auch schon so einige, nicht zuletzt natürlichdas James-Webb-Teleskop,was jetzt gestartet ist, was ja mit seiner Infrarot-Kamera auch tief ins Universum.Hineinschaut und auf die Suche geht nach weiteren Anhaltspunkten und Erklärungen.Für eben genau diese ganze Fragestellung.
Knud Jahnke 0:19:59
Das heißt, wir haben eigentlich gar keine Messdaten, wirklich,über sehr, sehr lange Distanzen. Und dann haben wir gesagt, okay, was wäre denn, wenn...Unsere Gravitations-, unsere Schwerkraftmodelle einfach auf großen Skalen irgendwieanders funktionieren würden.Und da gibt es einen großen Theoriehinterbau auch und das sind Sachen,die einfach in diesem Zusammenhang einfach mit abgetestet werden können.Also es ist wirklich sehr stark von Standardphysik bis hin auch zu Alternativen.Ich würde jetzt nicht sagen, was ist, wenn von außen nicht gegengedrückt wirdund so weiter, aber im Rahmen unseres Verständnisses geht es schon sehr,sehr weit. Ja, ich hab das, ja.
Tim Pritlove 0:20:37
Wollen wir das mal nicht vertiefen.Genau, aber es gibt verschiedene Thesen im Raum, also Mond ist ja hier so dasStichwort, modifizierte Newtonische Dynamik, das ist ein bisschen schwer auszusprechen.Genau, also es wird alles mögliche ins Feld geführt und keiner weiß irgendwasGenaues. Und deswegen müssen neue Missionen gestartet werden und genau das istja jetzt hier gemacht worden.Mit der Euclid Mission. Und da stellt sich natürlich vor allem auch erstmal die Frage so, warum das?Warum reichen nicht die anderen Missionen, wie zum Beispiel James Webb,was jetzt gerade gestartet wurde, wenn das auch mit so einem Infrarotteleskopausgestattet ist? Das muss doch dann irgendwie reichen.Also ich hab ja schon gesagt, das ist eine ESA Mission, die NASA ist da allerdingsauch mit im Spiel und halt verschiedene wissenschaftliche Institute.MPI hat ja wahrscheinlich einen relativ großen Anteil an der Mission.
Knud Jahnke 0:21:32
Kann ich gleich erklären, ja.
Tim Pritlove 0:21:33
Genau. Heißt Euclid oder Euclid geht wahrscheinlich auf Euclid von Alexandriazurück, dem mysteriösen griechischenMathematiker, der aus irgendwelchen Gründen in Ägypten gewohnt hat.Viel weiß man glaube ich nicht. Nee, wirklich viel weiß man nicht.
Knud Jahnke 0:21:50
Aber Hintergrund ist Geometrie und bei ihm ging es um Geometrie und bei Euclidder Mission, bei uns geht es eigentlich auch um Geometrie, nämlich des Universums an sich.Und daher war der Name glaube ich sehr passend.
Tim Pritlove 0:22:02
Genau, weil er sich im Prinzip die Sterne angeschaut hat und Aussagen und danneben auch entsprechende geometrische Betrachtungen über Aufgänge und so weitergemacht hat und das ist ja überhaupt erstaunlich,dass eigentlich so derzeit das Bild der Griechen und der Ägypter schon relativklar war, dass die Erde irgendwie rund sein muss.Dass das dann 2000-3000 Jahre später immer noch bezweifelt wird von manchen. Das ist bemerkenswert.Genau, aber das war jetzt sozusagen der Namensgeber. Jetzt erklär uns doch mal,warum braucht es diese Mission?Und was sind die Ziele dieser Mission? Worauf will man jetzt eigentlich hinaus?
Knud Jahnke 0:22:37
Also im Prinzip ist es so, die dunkle Energie dominierte noch nicht ganz im frühen Universum.Die hat im Prinzip erst erheblichen Energiebeitrag geleistet in den letztenzehn Milliarden Jahren, also nicht in den ersten zwei, drei,vier Milliarden Jahren.Das heißt, wenn wir uns Schnappschüsse angucken wollen,dann hilft es uns nichts, wenn wir Schnappschüsse wirklich ein halbes,halbe Milliarde Jahre nach dem Urknall oder früher oder so angucken,das heißt, in erster Linie müssen wir nicht extrem früh zurückgehen.So 10 Milliarden Jahre in die Vergangenheit, das sind Sachen mit denen Leuteseit 20 Jahren arbeiten, so wir können, mit Hubble können wir ganz klar dortwunderschöne Galaxien angucken.
Tim Pritlove 0:23:19
Und vor allem mit James Webb jetzt.
Knud Jahnke 0:23:20
Und für James Webb auch, aber James Webb kann deutlich weiter,wir haben schon Artikel veröffentlicht, die gehen halt bis 500 Millionen Jahrenach dem Urknall, die ersten Quasare und die ersten Galaxienkandidaten jetztgesehen wurden, das ist noch deutlich früher.Da müssen wir gar nicht hin. Was brauchen wir?
Tim Pritlove 0:23:38
So ein mehr so moderneres Zeug.
Knud Jahnke 0:23:41
Wir müssen etwas jüngere Dinge, weil nämlich erst seit ungefähr 10 MilliardenJahren die dunkle Energie anfängt zu dominieren in unserem Universum,weil sich, und das ist halt eine Eigenschaft der dunklen Energie,die hat im Prinzip sowas, vermutlich, ein Energieinhalt der pro Volumen konstant ist.Und dann dehnt sich das Universum aus, das heißt wir haben einen KubikmeterRaum und da ist eine bestimmte Menge an dunkler Energie drin.Und dann expandiert das Universum und Faktor 2 in jede Richtung ist größer undplötzlich ist trotzdem in jedem Kubikmeter immer noch dieselbe Menge Energie drin.Das heißt die Menge an Gesamtenergie in einem Volumen, was sich mit ausgedehnt hätte, hat zugenommen.
Tim Pritlove 0:24:29
Was man ja eigentlich nicht erwarten würde.
Knud Jahnke 0:24:31
Was man ja eigentlich nicht erwarten würde. Es wäre ein ganz klarer Verstoßgegen lokale Energieerhaltung.Aber wir reden halt hier von Dingen, die nicht einfach in Materie oder so umwandelbar sind.Das heißt aber, dass im ganz frühen Universum die Dunkle Energie keinen großen Beitrag hatte.Aber je größer das Universum wurde, desto größer wurde dieser Beitrag.Und das heißt, wir müssen im Prinzip zwar nicht nur in unsere Umgebung gucken,sondern bis 10 Milliarden Jahre in die Vergangenheit, aber nicht zwischen 10und 11 und 12 und 13, 13 und ein halb.Das heißt, wir brauchen gar nicht so extrem große, feine, tiefe Beobachtungen,sondern nur Sachen, die ungefähr so gut sind wie das Hubble-Teleskop in ähnlicherArt. So, das ist der eine Teil.Der zweite Teil ist, die Methoden, mit denen Sachen angeguckt werden,alle Marker, die wir nutzen und alle Marker, die auch vom Boden aus genutztwerden, beinhalten sehr viel Anzahlstatistik über Galaxien.Das heißt, es reicht nicht, wenn ich mir ein, zwei, drei Sachen sehr genau angucke.Ich muss mir Anzahlen von Galaxien,Dichten von Galaxien in bestimmten Entfernungen voneinander angucken.Ich muss Stichworte schwache Gravitationslinseneffekt, Stichwort Baryon-Akustische Oszillation.Das sind alles Sachen, die funktionieren nur, wenn man sehr,sehr große Flächen, sehr, sehr große Volumina des gesamten Kosmos sich anschautund sehr, sehr viele Galaxien darin.Das heißt, das, was JWST sehr, sehr gut macht, viele Seers da drin,nämlich tief zu gucken, das kann Web über einen sehr kleinen Himmelsbereich.Das heißt, wenn ich ein großes Feld am Himmel angucke, was JWST angeguckt hat,dann meine Armausstrecke und meinen Fingernagel vom kleinen Finger angucke,das deckt das völlig ab und viel, viel mehr.So das heißt, wir können dort nur ganz kleine Volumen des gesamten Kosmos mit einem Bild abdecken.So und das dauert dann trotzdem eine Stunde oder zwei. So und dann mach ichdas nochmal und nochmal und nochmal und so und irgendwann ist der Tag zu Endeoder das Jahr oder die Missionszeit und ich hab trotzdem nur einen minimalen Bereich angeguckt.Aber das ist ja auch Ziel, weil … Das ist das Ziel von JWST,weil sie sehr sehr gut aufgelöst, sehr schwache Objekte … Man will ja genauso eine alte Galaxie sich anschauen und sagen wie weit ist sie … Genau und inDetails und Galaxien selber zerlegen und so weiter.Und das ist genau das Ziel dafür. Hilft uns aber nichts, wenn wir ein großesVolumen des Kosmos tatsächlich angucken wollen.Und Hubble ist ein bisschen besser, das Gesichtsfeld ist ein bisschen größer,aber Hubble selber hat auch nurin der gesamten Lebensdauer irgendwie 50 Quadratgrad am Himmel angeguckt.Das kann man auch so mit zwei auseinandergehaltenen Fingern am Himmel so anzeigen.Insgesamt, wenn man über alles summiert. Und wir brauchen ein Volumen,Euclid wird 15.000 Quadratgrad, angucken, das ist mehr als ein Drittel des gesamten Himmels.So, und das sind Sachen, die kann man vom Boden aus machen.Aber nicht in der Qualität, die wir brauchen, was Auflösung angeht.Und die kann man vom Boden machen, aber nicht im Wellenlängenbereich,den wir teilweise brauchen, nämlich im Nahinfraroten, da ist zu viel Atmosphärevor. Und deswegen war ganz klar, für sehr feine Strukturen, die wir anguckenwollen, über einen ganz großen Himmelsbereich, brauchen wir was, was im Weltraum ist.Und um sehr viele Galaxien anzugucken, relativ tief und sehr breit im Nahinfrarotbereich,das geht auch nur aus dem Weltraum.Und da war klar, wenn man diese beiden, diese ganzen Marker schafft, in einer,oder diese Techniken in einer Mission zu verbinden,denn es gab verschiedene Vorschläge für verschiedene Missionen,die verschiedene kosmologische Sachen abtesten wollten,dann hat man im Prinzip gewonnen, dann startet man ein Teleskop,da reicht dann auch ein Spiegeldurchmesser von Euclid 1,20 Meter,was halb so groß ist wie Hubble und ein Fünftel von dem, was JWST hat.Das reicht an Lichtsammelfläche, weil wir nicht ins tiefste,frühste Universum müssen.Aber gleichzeitig kriegen wir ein riesengroßes Gesichtsfeld und können das,was Hubble in seiner Lebenszeit an Fläche angeguckt hat, können wir in der Woche machen.
Tim Pritlove 0:28:31
Also es ist eine klassische Survey-Mission, die einfach sagt,okay, wir gucken jetzt mal vor allem einen möglichst großen Bereich,weil wir wollen im Kern nicht einzelne Dinge beachten, sondern wir wollen eigentlicheine Statistik aufbauen.
Knud Jahnke 0:28:46
Ganz viel Statistik über Milliarden von Galaxien. So und jetzt muss ich einbisschen ausholen, was die Methoden angeht.Also was wollen wir machen? Wir wollen zwei verschiedene Dinge im Prinzip,also es gibt verschiedene Marker, die wir nutzen wollen, zwei Hauptdinge.Eine ist der schwache Gravitationslinseneffekt, das heißt, Masse,die sich irgendwo im Universum befindet, wenn da ein Lichtstrahl in der Nähevorbeigeht, Masse lenkt Licht ab.Masse krümmt den Raum, Licht folgt dem Raum, also gibt's einen kleinen Bogen,wenn irgendwo ein Lichtstrahl nahe einer Masse vorbeifliegt.Wir kennen das vom starken Gravitationslinseneffekt, wo man vielleicht mehrereBilder kriegt von irgendeinem fernen Quasar, der geht nah an einer Galaxie vorbeiund plötzlich gibt es da eins, zwei, drei oder vier Bilder oder einen Ring,Einstein-Ring, so genannten.Das wäre dann, wenn etwas sehr dicht an einer sehr großen Masse vorbeigeht. Wir nutzen...Das nicht. Wir wollen über größere Bereiche aus, sagen wir mal,machen. Wir nutzen den sogenannten schwachen Gravitationslinseneffekt.Das heißt, wenn also nicht mehrere Bilder erzeugt werden, was so eine Vordergrundmassetrotzdem tut, ist die verbiegt im Prinzip die Form einer Galaxie,die im Hintergrund ist. Wenn sie bei uns angekommen ist, sieht die nicht mehrso aus oder ist das Bild nicht mehr so, wie sie tatsächlich aussieht.Angenommene Galaxie würde ohne irgendwie eine Vordergrundmasse rund erscheinen.Das Bild was bei uns ankommt, wenn das Licht von der Galaxie nah an so einerMasse vorbeigeht, ist irgendwas Elliptisches in die Länge gezogenes.Kleines bisschen, eventuell nur ein paar Prozent.
Tim Pritlove 0:30:14
Sieht man ja jetzt auch schön auf den Bildern, die von JWST da erzeugt werden.
Knud Jahnke 0:30:19
Wobei das ist der starke Gravitationslinseneffekt, da sieht man tatsächlichgar nicht mehr die ursprüngliche Form.Da wird irgendwas wirklich nur noch zum Streifen, aber auf der anderen Seite nochmal.Bei uns wäre das im Prinzip so, ein Kollege hat das schön beschrieben,wir müssen Formen analysieren und beschreiben können und den Unterschied zwischender Rundheit des Mondes und der Rundheit der Erde beschreiben können. Das sind irgendwie...
Tim Pritlove 0:30:41
Also man misst mehr so die Wobbliness von allem sozusagen, ne?
Knud Jahnke 0:30:44
Genau und da wir Annahmen machen können, wie Galaxien ursprünglich aussehenund dass die im Prinzip nichts miteinander zu tun haben.Wenn ich ein Hintergrundfeld von Galaxien angucke und die nicht zufällig allegerade miteinander zusammengestoßen sind, sondern Dinge in etwas unterschiedlichenEntfernungen, dann haben die Formen und Orientierungen, wie jetzt so eine Galaxieorientiert ist am Himmel, haben nichts miteinander zu tun. Das sollte eigentlichzufällig verteilt sein.Wie, was weiß ich, die Milchstraße von der leicht gekippt hat,sieht irgendwie so leicht elliptisch aus.Und wenn die irgendwo ist und irgendeine Galaxie in der Nähe ist,dann sollten die eigentlich nicht alle parallel liegen mit ihren elliptischen Achsen. So.Und was wir jetzt messen ist, wir messen diese Form und wir messen die Orientierungund wenn wir da Effekte sehen, dass die doch korreliert sind über Himmelsbereiche,dann wissen wir, da hat irgendjemand das Licht verzerrt.Irgendetwas war da im Weg, das hat das Licht verzerrt, hat irgendwas ausgerichtetund zwar in den Bildern, die wir sehen. Nicht natürlich, hat natürlich nichtsmit den Galaxien im Hintergrund zu tun, sondern nur wie das Licht gelaufen ist,wie das Licht bei uns angekommen ist.Und wenn da Korrelationen in diesen Ausrichtungen da sind, dann wissen wir,das sind irgendwelche Massen.Zwischen den Hintergrundgalaxien, die wir angucken und uns als Beobachter gelegenhaben, die diese, mit leichter Verzerrung des Raumes, diese Bilder ausgerichtet haben.
Tim Pritlove 0:32:10
Dieser Gravitationslinseneffekt, das ist ja im Prinzip auch das,was so Albert Einstein zum Superstar gemacht hat. Also er hat ja erst seineThesen postuliert und hier Relativitätstheorie und alle so, naaah, okay.War halt so ein Paper, behauptet wird ja viel und aber seine These war ja,dass man das im Prinzip genau an diesem Effekt gut abmessen konnte.Dann gab es ja diese schöne Mission an den Pol, weil sich diese Gelegenheitergeben hat, dass ein Stern, von dem man eben wusste, wo er war,im Prinzip hinter der Sonne hätte sein müssen.Und zu einer Sonnenfinsternis gab es eben die Möglichkeit, das zu beobachten.Den vorhergesagten Gravitationslinseneffekt.Also eben, dass sich sozusagen das Licht um die Sonne herumbiegt,weil eben auch die Sonne, weil eben auch das Licht eben von der Gravitation beeinflusst wird,wie alles eben, und das war ja im Prinzip genau die Aussage der Relativitätstheorie,alles, der Raum selbst krümmt sich und damit muss sich auch das Licht krümmen,weil es eben gerade im Raum läuft, aber der Raum ist krumm.
Knud Jahnke 0:33:14
Genau.
Tim Pritlove 0:33:14
Und dann war halt dieser Stern zu sehen, obwohl man jetzt nach rein geometrischenMaßstäben im Prinzip nicht hätte sehen können, da er eben eigentlich hinter der Sonne ist.Und das war dann sozusagen der Moment, wo das losging. Und jetzt geht's beieuch im Prinzip darum, diesen Effekt in schwacher Form überall möglichst weiträumig zu erfüllen. Genau.
Knud Jahnke 0:33:42
Gravitationslinseneffekt oder Licht reagiert auf Masse, wie du richtig sagtest,auf Masse. Und das ist egal, ob es leuchtet wie die Sonne oder leuchtet wieeine Galaxie oder dunkle Materie ist.So, und wenn wir wissen, okay, dunkle Materie ist mehr...
Tim Pritlove 0:33:55
Oder ein schwarzes Loch.
Knud Jahnke 0:33:55
Oder ein schwarzes Loch. So, wenn wir...Ist auch dunkel. Gibt auch Möglichkeiten, dass schwarze Löcher ein Teil der dunklen Materie...
Tim Pritlove 0:34:04
Aber schwarze Löcher sind deshalb dunkel, weil sie wirklich dunkel sind undnicht, weil man nur das Wort benutzt, weil man nicht weiß, was es ist.
Knud Jahnke 0:34:11
Ja, wir wissen aber schon, dass dunkle Materie im Prinzip keine oder so gutwie keine elektromagnetische Wechselwirkung hat und Dunkelheit heißt ja irgendwie nur,kein Licht heißt keine elektromagnetische Wechselwirkung und ob jetzt irgendwiekein Photon da rauskommen kann oder ob es grundsätzlich ist,dass die Materie keine Photonen imitiert, weil es an dieser Wechselwirkung nichtteilnimmt, sondern nur Gravitation hat, ist erstmal egal.Der Effekt ist derselbe, Masse ist Masse. Und das ist der Vorteil,wenn wir nämlich jetzt so eine Kartierung machen über den Himmel,auch wieder mit verschiedenen Galaxien,Hintergrundgalaxien in verschiedenen Entfernungen, um verschiedene Weltalteroder kosmische Zeitalter abzufragen, dann kriegen wir letztendlich eine Kartevon dem, was wir nicht sehen können, nämlich von der tatsächlichen Massenverteilung.Und zwar über ein Drittel des Himmels, weil wir ein Drittel des Himmels kartieren,und in der Tiefe in verschiedenen Epochen,Und ich glaube, elf oder zwölf oder dreizehn Epochen fragen wir ab von vor zehnMilliarden Jahren und neun und acht und sieben und so weiter zu den Zeiten bisnahe an uns oder näher an uns ran und das heißt, wir bekommen tatsächlich einedreidimensionale Karte von Masse.Und da wir es bei verschiedenen Epochen machen, können wir diese Karten oderdiese Statistiken über diese verschiedenen Epochen auch miteinander vergleichen.Wie ist zum Beispiel das, was wir Clustering nennen.Wie stark hat sich Materie zusammengeballt?Weil irgendwo ganz früh im Universum, da war Materie fast gleich verteilt. So ganz früh.Kosmische Hintergrundstrahlung. Ganz kleine Fluktuationen. So heutzutage,wir sitzen an einem Tisch, der Tisch hat ganz klar eine viel höhere Dichte alsdie Luft drumherum, die Erde hat eine viel höhere Dichte als die leeren Teile im Sonnensystem.Wir haben ganz große Dichte-Kontraste.Das heißt, es hat sich ganz viel entwickelt und auch die dunkle Materie hatim Laufe der Zeit sich zu immer stärker und stärker zusammengeballten Strukturen zusammengefunden.Das fing an mit leichten Dichte-Kontrasten und wo halt bisschen mehr Dichte war,bisschen mehr Materie war, dort wurde halt etwas mehr Anziehungskraft ausgeübt,als in den Bereichen, wo weniger Materie war und deswegen kam mehr und mehrMaterie zu den Bereichen,wo schon mehr Dichte war oder mehr Materie war und das heißt,es findet eine Entwicklung statt, es fand eine Entwicklung statt,vom frühen Universum bis heute,geht auch weiter und wenn wir uns verschiedene Zeitalter angucken,können wir diese Statistiken über diese Materiekarten miteinander vergleichen,wie sozusagen die Strukturentwicklung war im Universum.Und das ist wieder so eine Sache, wir müssen halt gucken,wie können wir verschiedene Schnappschüsse miteinander vergleichen,wie können wir verschiedene Instanzen, die wir nur einmal beobachten sozusagenund wo wir nicht warten müssen über eine Milliarde Jahre, das ist ein bisschenlang für ein Projekt, miteinander vergleichen, um zu sagen, wir kommen zu einerEntwicklung. Wir können uns eine Entwicklung anschauen.Und das ist einer der fundamentalen Sachen. Wir können Strukturentstehung überschwachen Gravitationslinseneffekt angucken.Und das andere Haupt, der zweite Hauptmarker, neben anderem ist,dass wir versuchen, der Expansionsgeschichte des Universums nachzuforschen.Wieder die große Frage, woher zum Teufel wollen wir wissen, wie groß das Universumvor zehn Milliarden Jahren war?So, wir können zwar sehen, die Abstände zwischen zwei Galaxien sind so und sogroß, Aber wir wissen nicht, wie groß die Abstände zwischen diesen beiden Galaxieneine Milliarde Jahre später oder fünf oder zehn Milliarden Jahre später ist,weil wir halt die nur einmal sehen.Die sehen wir nur zu dem Zeitpunkt vor zehn Milliarden Jahren,weil wir uns Galaxien angucken, die zehn Milliarden Lichtjahre entfernt sindund die Lichtlaufzeit so lang war und so weiter.So, wenn wir uns vor fünf Milliarden Jahren einen Schnappschuss angucken,sehen wir andere Galaxien.So das heißt, wie verfolgt man die Expansionsgeschichte des Universums?Und da gibt es genau eine Sache, die bisher gefunden wurde und das ist totalclever und es ist jedes Mal mindblowing, es gibt tatsächlich einen Längenmaßstabim Universum, der sich mit dem Universum zusammen ausgedehnt hat.Und der hat was zu tun mit dem, was man leicht von der Zunge gehend baryon-akustische Oszillationen nennt.
Tim Pritlove 0:38:17
Baryonische akustische Oszillationen?
Knud Jahnke 0:38:20
Ja, und das hat damit zu tun, dass wir im ganz frühen Universum,also von dem Zeitpunkt, wo wir auch die kosmische Hintergrundstrahlung sehen,Planck, diese schöne Karte, die man immer kennt, wo ganz leichte Fluktuationendrin waren, zu dem Zeitpunkt.
Tim Pritlove 0:38:39
Du redest von der kosmischen Hintergrundstrahlung, die ja irgendwann mal zufälligentdeckt wurde und die dann eben von Planck konkret gemessen wurde,wo man halt einfach dieses typische blau-rötliche Rauschmuster im Prinzip hat,so was dann so ellipsoid abgebildet wird, was im Prinzip so einmal der Blickin die Weite überall ist, was sozusagen die ganze Zeit noch so nachleuchtetund das ist so das älteste Wärmesignal quasi der Universums.
Knud Jahnke 0:39:03
Genau, das ist genau das Wichtige, das ist nämlich das älteste,das ist der weiteste Blick, den wir zurück haben, weil das war ungefähr 379.000,Jahre, also nicht Millionen oder Milliarden, sondern 379.000 Jahre nach demUrknall. Kann man aktuell relativ gut berechnen.Vorher war das Universum so heiß, dass es keine Atome gab, es gab nur Protonen,Atomwasserstoffkerne und Elektronen, die waren aber getrennt.Bei zu hohen Temperaturen bekommen wir das, was wir auch jetzt Plasma nennen,in irgendwelchen sehr heißen Flammen oder so kriegen wir Plasma,wir kriegen eine Trennung dieser Ladung.Wenn wir aber Ladungstrennung haben, dann kommen Lichtteilchen,Photonen, kommen nicht weit. weit. Die werden sofort wieder absorbiert,die werden irgendwie imitiert und sofort absorbiert. Das heißt,die können sich nicht sehr weit bewegen.
Tim Pritlove 0:39:52
Das heißt, das Universum war nicht transparent.
Knud Jahnke 0:39:55
Das Universum war nicht transparent. Das heißt, erst nachdem das Universum soabgekühlt war, dass aus Protonen und Elektronen ein Atom, ein Wasserstoffatomwurde, gab's plötzlich kaum mehr Ladung, freie, und die Photonen konnten abhauen. und so.Was aber früher schon passierte, das geht jetzt zurück zu dem, was ich eben erklärte.Wir hatten schon leichte Kontraste in Massen oder Massedichten zwischen verschiedenenBereichen, links und rechts.Das, was wir auch in der kosmischen Hintergrundstrahlung sehen bei diesen Kartendes ganzen Himmels. Ganz leichte Kontraste.Da, das sind Massenunterschiede, die gab's auch, als das Universum noch Plasmawar. Und dort war wie danach auch Gravitationsanziehung.Das heißt, Materie ist ganz leicht zu diesen höheren Dichten stärker hingegangen,als in die Bereiche, wo niedrigere Dichten waren.Jetzt gab's aber komische Effekte, dass, weil die Photonen so mit der Materieimmer mitlaufen mussten, weil sie nämlich nicht weit weg kamen,kam das dazu, dass es dort zu einem Druck kam, wenn Sachen zusammenfielen odersich stärker zusammenballen wollten.Und wenn wir Druck haben, dann gibt's wieder eine Abstoßung und dann sind wirwieder abgestoßen und dann kommt wieder Gravitation und zieht das wieder an.Das heißt, es kam da zu so einer Art Schwingung in dem frühen Universum vorder Zeit von 379.000 Jahren.Und da gibt's eine charakteristische Schwingung, eine Schwingungsamplitude,eine Schwingungsgeschwindigkeit, die im Prinzip sagt, okay, mit dieser Geschwindigkeitkönnen, oder schwingt charakteristisch, schwangen charakteristisch,Vergangenheit, zu dem Zeitpunkt diese Massen dichten.Und dann wurde das Universum plötzlich transparent, 379.000 Jahre nach Murknall,und dieser Druck verschwand, weil sich nämlich die Photonen plötzlich frei bewegen konnten.Und was dazu führte, Schwingung heißt immer, oder charakteristische Schwingungheißt immer eine charakteristische Wellenlänge.Charakteristische Wellenlänge, weil irgendeine bestimmte Geschwindigkeit,so. Und diese Wellenlänge war plötzlich eingefroren.Die änderte sich nicht mehr. nämlich die charakteristische Wellenlänge genauder Bedingungen direkt kurz vor 379.000 Jahren nach Murknall.Da hat sich danach nichts mehr verändert, dieser Druck verschwand,es gab keine neuen Schwingungen mehr, weil plötzlich gab es nur noch Schwerkraft,keine Druckeffekte mehr von irgendwelchen gefangenen Photonen.Und plötzlich war diese Wellenlänge eingefroren.Leichten überdichten auf dieser entfernung zwarin jede richtung welche wellenlänge war das und dasist genau eine wellenlänge die einem dieein maßstab ist die später immermehr und immer mehr sich immer mehr masse eingefundenhat ich kann nicht sagen was das für eine entfernung ist mehr viele viele megaparsec im heutigen universum aber auf dieser auf dieser auf dieser entfernungauf diesem maßstab haben sich im laufe der zeit Zeit etwas mehr Galaxien charakteristischentwickelt, als auf allen anderen Marsstäben.Das heißt, wenn ich mir einen Galaxienhaufen angucke, dann bekomme ich in dieserEntfernung dieses Marsstabs etwas mehr Galaxien zu sehen,wenn ich eine Statistik mache, als auf kleineren Abständen oder als auf größeren Abständen.Und damit kann ich im frühen Universum, also nicht mehr ganz so frühen Universumbei zehn Milliarden Jahren in der Vergangenheit, kann ich versuchen Statistik zu machen.Ich gucke mir die Abstände von Galaxien an, vielen Galaxien,und mache eine Statistik, wenn ich mir die Abstände von jeder Galaxie zu jederanderen Galaxie angucke und mir angucke, wie viele Galaxien sind am Abstandvon 1 Meter und 100 Lichtjahren und 10.000,und 1 Milliarde Lichtjahre, wenn ich mir das angucke und dann eine Statistikmache, dann bekomme ich irgendwann einen kleinen Peak, eine kleine Überdichte.Das ist dieser Maßstab. Und wenn sich das Universum ausdehnt,dann dehnt sich dieser Maßstab mit aus, weil...Universum dehnt sich aus. So, das heißt, ich mach das nicht nur vor 10 Milliarden Jahren,ich mach das auch vor 9 und vor 8 und vor 7 oder 6 und vor 5 und habe dann einenMaßstab, den ich verfolgen kann und der ist, dieses Wachstum,dieses Maßstabes gibt mir tatsächlich den Skalenfaktor an, wie das Universumsich in dieser Zeit ausgedehnt hat.Das heißt, ich kann tatsächlich ein sehr indirektes Lineal an das Universumanlegen, vor 10 Milliarden Jahren, vor 9, 8, 7, 6 und kann messen,wie groß, nein, nicht wie groß das Universum war, sondern wie sich das ausgedehnthat, wie sich das verändert hat.Und wenn ich die Veränderung kenne, dann kenne ich die Ausdehnungsgeschwindigkeitund wenn ich die Veränderung der Veränderung kenne, dann kenne ich die Beschleunigung.Dann weiß ich, wird es abgebremst oder wird es beschleunigt.Und damit hat man eine Zahl an die dunkle Energie,damit habe ich eine Zahl, die ist charakteristisch und wenn ich die sehr sehrsehr sehr genau messe, dann kann ich verschiedene Vorhersagen von verschiedenenTheorien voneinander unterscheiden und das ist das Ziel.
Tim Pritlove 0:44:46
Also das mit dem Lineal, das würde ich gerne nochmal ein bisschen besser verstehen,also mit dieser Hintergrundstrahlung und überhaupt so diesem Blick in die Vergangenheit,das ist ja irgendwie etwas, das muss man erstmal so ein bisschen in sich aufnehmen.Was ja im Prinzip Plank gemacht hat ist, es schaut sich quasi,also halt war ja auch ein Survey, also so ein Upscann des gesamten Universums,in dem Fall halt auch wirklich so in jede Richtung, also die vollständige Kugelund im Prinzip schaut sich ja dann das Teleskop, sagen wir mal,den Teil an, der eigentlich schwarz ist.Also man schaut sich natürlich alles an, aber da, wo eigentlich nichts ist,ist halt trotzdem noch was.Man sieht halt von den normalen Sternen, sieht man halt irgendwie das Licht,was relativ stark kommt, aber überall ist ja irgendwas.Auch wenn vieles schwarz wirkt, ist ja eigentlich nicht nichts und sozusagen die Wärme,die dort noch, das Licht, was dort noch sichtbar ist, aber eben so stark insInfrarot verschoben ist, dass es also so super alt ist, das hat diese Karte ausgeführt.
Knud Jahnke 0:46:00
Genau, Planck hat im Prinzip Infrarot-Licht gemessen, was das Überbleibsel istvon dem, was damals sehr heiß war, aber die Strukturen, die dieses Licht ausgesandthaben, waren irgendwelche Massen.
Tim Pritlove 0:46:16
Genau, keine Sterne.
Knud Jahnke 0:46:17
Keine Sterne, aber irgendwelche, haben aus irgendwelchen Massen und im Prinzip die Annahme,die auch sehr gut gerechtfertigt ist, wenn wir etwas mehr Licht sehen,dann kam dort, oder in diesem Fall eine etwas andere Temperatur sehen,dann waren das etwas größere Massen, als wenn wir irgendwo anders eine etwasniedriger Temperatur im Licht sehen.
Tim Pritlove 0:46:34
Und dann kommt diese leichte Variation. Und in diesem Plasma,in diesem Nicht-Zustand sozusagen, also in dem alles noch nicht in der Form war,wie wir es heute kennen, dort hat sich dann eben diese Oszillation,wie heißt es nochmal so schön, barionische, akustische Oszillation,also akustisch nicht, weiß nicht.
Knud Jahnke 0:46:56
Es waren im Prinzip Schallwellen, die aber niemand gehört hat,weil es ging um die Geschwindigkeit, mit der sich im Prinzip Materie dort bewegenkonnte und das ist im Prinzip eine Art Dichte.
Tim Pritlove 0:47:08
Genau, also ein Gewaber aus Strahlung und aus Gravitation sozusagen und dasist ja dann in dieser Hintergrundstrahlung quasi rein codiert.Das heißt das ist das was man, also man nimmt dieses BAO, diese baryonischeAkustik, dieses Lineal, entnimmt man der Hintergrundstrahlung.
Knud Jahnke 0:47:29
Die entnehmen wir der Hintergrundstrahlung und damit kriegen wir einen Markerbei 379.000 Jahren nach dem Urknall.Das war aber der Zeitpunkt, wo dunkle Energie noch nicht besonders wichtig war,weil sich das Universum noch nicht sehr stark ausgetehnt hatte und deswegendie Frage, wie kriegen wir das viel viel viel viel später, nämlich vor 10 Milliarden und 987.Und dort kriegen wir nicht nochmal eine neue Hintergrundstrahlung.Die ist da seit der Zeit und bewegt sich seitdem durch die Gegend.Das heißt, was nehmen wir? So und da ist ganz klar,wenn wir Überdichten hatten, die seinerzeit am Anfang diese Temperaturfluktuationin der Hintergrundstrahlung gemacht hatten, Überdichte bedeutet immer,eine Überdichte wird zu mehr Überdichte, wird zu mehr Überdichte,weil dort einfach mehr Materie drauf fällt.Das sind die Orte, wo dann Galaxien entstanden sind.Und wenn ich eine größere Überdichte habe, sind dort mehr Galaxien entstanden.Wenn ich eine Unterdichte habe, sind dort weniger Galaxien entstanden im Laufeder Zeit. Das heißt, wiederum diese überdichten Abstände im frühen Universum,Zeigen sich dann später in Überdichten von entstandenen Galaxien und das istdas Gute, weil Galaxien können wir sehen und Galaxien können wir einen 3D-Punktirgendwo hinsetzen und dann können wir Statistik machen.
Tim Pritlove 0:48:42
Heißt das, dass sozusagen die Strukturen, die wir heute sehen,die Verteilung der Materie im Prinzip eineunmittelbare Folge aus diesem strahlungsdruckdichten Zusammenspiel ist?
Knud Jahnke 0:48:54
Ja, in Teilen schon. Also in Teilen gab es ganz am Anfang Fluktuationen.Wie groß die genau waren, wird debattiert.Welche Formen die genau hatten, wird auch debattiert. Ist aber klar,es gab eine leichte Verteilung von Dichten, von Energie im frühen Universumoder Masse im frühen Universum und die war da.So, und die ist nur stärker geworden im Laufe der Zeit. Die war irgendwie 10hoch Minus, weiß ich nicht wie viel, ganz im frühen Universum,jetzt haben wir große Dichte-Kontraste.Diese baryon-akustischen Oszillationenhaben sozusagen nur noch einen draufgesetzt und haben gesagt,okay, es gibt hier jenseits von dem, was vorher da war, gibt es aus der Kombinationvon Gravitation, von diesem Druck, der passiert, und der möglichen Schallgeschwindigkeitzu jedem Zeitpunkt, der von der Temperatur abhängt und so weiter,gibt es eine charakteristische Länge.Sozusagen auf die Karte oder auf diese Verteilung noch mal oben drauf geprägt.Und alles was wir vorher hatten an Fluktuationen plus dieser drauf geprägteLängenmaßstab, das ist das, was wir jetzt immer noch sehen können in der Galaxienverteilung.Wir im Sinne von, ich gucke in den Himmel, nicht einfach, aber wenn ich ganzgenau messe, in drei Dimensionen, wo befinden sich Galaxien und da eine Statistikdrüber laufen lasse, dann kann ich diesen Maßstab nachvollziehen und zwar auchzu verschiedenen Zeitaltern.
Tim Pritlove 0:50:16
Ich hab grad so das Bild von so einer Metallplatte, wo Sand drauf ist,wo man Geigenbogen irgendwie eine Frequenz anlegt und wo sich dann ja auch soMuster, Schlatni Figuren oder sowas heißt das glaube ich, bilden.Im Prinzip, dass auch durch dieses Zusammenspiel von Strahlung und Gravitationeben in diesem Urzustand des Universums im Prinzip schon mal solche Frequenzendort eine Rolle gespielt haben und eine frühe Struktur geschafft haben,die sich dann einfach in der Folge der nächsten 13 Milliarden Jahre einfachverstärkt hat und dann quasi in diesen Filamenten resultiert, die wir heute sehen.Also Galaxien ja, gut, das sehen wir jetzt nicht so mit bloßem Auge,aber im Prinzip sind das ja alles schon solche langen Röhren von Galaxienhaufen,die so mehr oder weniger miteinander in Anführungsstrichen verbunden sind unddazwischen gibt es dann diese riesigen Voids, wo einfach mal gar nichts ist.
Knud Jahnke 0:51:15
Und hätten wir nur die Anfangsbedingungen des Universums gehabt oder diese zufälligenSachen ganz vom Anfang, dann hätten wir erstmal keinen charakteristischen Längenmaßstab gehabt.Ich glaube, das wäre relativ fraktal, chaotisch, wie auch immer gewesen,aber durch diese Tatsache, dass es halt hier so zwei,dass es hier eine Schwingung gab von Gravitation, Zusammenfall,Druck, der das wieder auseinander gedrückt hat und der Tatsache,dass das irgendwann abrupt aufgehört hat, der hat halt diesen Längenmaßstabaufgeprägt, was halt ganz wichtig ist, denn die Schallgeschwindigkeit ist vonder Dichte und von den Temperaturen abhängigUnd die hat sich natürlich im frühen Universum durch das Ausdehnen ständig geändert.Aber im Prinzip wurde der letzte Zustand direkt bevor das Universum transparentwurde, hat sich, wurde aufgehoben, wurde bewahrt.Und da im gesamten Universum die Temperatur so war und die Dichten ungefährso waren, war das auch im ganzen Universum gleich.Und deswegen gilt dieser Längenmaßstab universell und auch ob ich nach rechtsoben gucke oder links unten gucke,sollte ich den überall finden und da das Universum im Prinzip zum selben Zeitpunktüberall schlagartig oder relativ schnell durchsichtig wurde,müsste das auch miteinander korrelieren.Und deswegen kann ich eine Statistik machen, die Teile links oben und Teilerechts unten am Himmel miteinander korreliert und die Sachen einfach zusammenzählen.
Tim Pritlove 0:52:38
Also zusammengefasst kann man erstmal sagen, so die Hauptziele der Mission sinddunkler Energie und dunkler Materie auf die Spur zu kommen und darüber sozusagen Daten zu generieren,mit dem man dann Rückschlüsse auf das Wesen dieser Phänomene schließen kann,vielleicht, ja, Modelle einschließen kann, ausschließen kann,weitere Anhaltspunkte zu liefern.Sicherlich ist jetzt nicht das Ziel die finale Antwort zu liefern,sondern sozusagen überhaupt erstmal eine Datenbasis zu schaffen.Wir füttern die Theorie.
Knud Jahnke 0:53:11
Wir füttern die empirische Basis, umTheorien entweder auszuschließen oder weiterentwickeln zu können. Genau.
Tim Pritlove 0:53:16
Und dann gibt es einerseits den Punkt dunkler Energie, da haben wir schon gehört,da gucken wir einfach, okay, auf Basis der Urschwingung des Universums kurznach dem Urknall, also so als sozusagen das Licht angeknipst wurde.
Knud Jahnke 0:53:29
Dann kriegen wir einen Maßstab und den Maßstab verfolgen wir über die Zeit undkönnen deswegen die Expansionsgeschichte des Universums nachvollziehen und wenndie beschleunigt ist, dann können wir genau messen, was ist das für eine ArtBeschleunigung, wie ist die zeitabhängig oder ist die nicht zeitabhängig.Das kann man direkt mit Theorie vergleichen.
Tim Pritlove 0:53:45
Gibt's ja auch schon andere Annahmen und andere Messungen und die würden diedann sozusagen nochmal ergänzen oder?
Knud Jahnke 0:53:49
Genau, wir werden ganz viele dieser Ansätze miteinander verbinden und insgesamtgibt das ein sehr, sehr feines Bild, was uns, was weiß ich, auf ein Prozentgenau die Expansionsgeschichte geben soll und das war halt vorher nicht möglich.
Tim Pritlove 0:54:01
Genau. Und der zweite Schwerpunkt ist dunkle Materie,also hier geht's dann eben konkret auf dieses was ist das eigentlich und wieist es verteilt im Universum und hier nimmt man diesen Effekt der schwachenGravitationslinsen, also man schaut sich im Prinzip irgendwie alles an,Macht Annahmen darüber, wie es eigentlich aussehen sollte.
Knud Jahnke 0:54:20
Wie ist der Hintergrund und was kommt an?
Tim Pritlove 0:54:22
Und wie sieht es eigentlich wirklich aus, um dann in Rückschlüsse daraus zuziehen, die halt sozusagen eine Verteilung von diesem ominösen,was auch immer es ist, Erlauf haben.
Knud Jahnke 0:54:33
Und dann letztendlich testen wir damit, welche Eigenschaft hat eigentlich unserGravitationsmodell, was ist eigentlich Gravitation.Weil es ist ein Test von Dingen, die Schwerkraft machen. Und damit haben wir wieder die Verbindung.Das eine ist der Druckteil mit der dunklen Energie, das andere ist der Schwerkraftteil.Wie wirken die Sachen zusammen und wie kann man das in eine kohärente,möglichst einheitliche Theorie zusammenbringen?
Tim Pritlove 0:54:57
Genau und nebenbei testet man wahrscheinlich auch nochmal Einstein ordentlichdurch, weil das ist ja dann immer sozusagen die Frage, gerade wo wir jetzt schon,diese Mondtheorie und so weiter wäre ja im Prinzip auch eine Abweichung.
Knud Jahnke 0:55:07
Ja Mond wäre eine Abweichung, das ist dann eine Variation von allgemeiner Relativitätstheorie,die im Prinzip darüber hinausgehen würde.
Tim Pritlove 0:55:15
Einstein hat doch bisher immer gehalten.
Knud Jahnke 0:55:18
Ja, wir haben aber Einstein auch immer nur auf sehr, also wir werden es mittesten,es ist eine formal korrekte Theorie,die Sachen beschreiben kann und wenn wir eine Theorie haben,die nicht aus unendlich vielen freien Parametern besteht, wo ich immer nur sagen kann,aha ihr habt mich widerlegt, ich dreh mal hier, dann passt es trotzdem,sondern wirklich falsifizierbare Sachen macht, dann sollte man das ernst nehmenund sagen hey wir testen das mit und das machen wir und entweder wir könnenes widerlegen oder wir können es nicht widerlegen.Und das gilt aber für die ganzen anderen Sachen auch.Ja und was machen wir? Wir gucken uns Galaxien an. Viele. Sehr viele.
Tim Pritlove 0:55:54
Ja und so nebenbei, denke ich mal, dürfte man auch die ein oder andere Nebenerkenntnisseauch noch über die Anfangsbedingungen des Universums als solchen herausfinden.
Knud Jahnke 0:56:02
Und ich kann da später auch noch was zu sagen, ganz ganz viele Leute,ganz viele WissenschaftlerInnen bei dieser Mission sind gar nicht an der Kosmologie interessiert.Sondern wollen einfach nur diesen absolut wahnsinnigen Datensatz haben,der dabei rauskommt, um damit alles mögliche zu machen.Nämlich Galaxienentwicklung studieren oder Quasare im frühesten Universum findenoder Sonnensystemobjekte finden und verfolgen und so weiter.Also es wird auch ein Datensatz sein, der über die nächsten 20,30 Jahre mindestens einfach der Standard ist für Bilder in diesen Wellenlängenbereichen.
Tim Pritlove 0:56:36
So ein bisschen wie Gaia mit seiner Sternen-Kategorie, hier überhaupt erstmaldie Grundlage für die Forschung für die nächsten Jahrzehnte gelegt hat,hier in ähnlicher Form, aber eher sozusagen large scale auf Galaxie-Basis.Kommen wir doch mal so ein bisschen zur Mission selber und zu dem Raumfahrzeug.So wann ging's los? Vor zwölf Jahren hast du gesagt?
Knud Jahnke 0:56:59
Es ging sogar noch früher los, es gab vorherige Missionskonzepte,Dune und Space, die im Prinzip zum einen schwachen Gravitationslinseneffektmachen wollen und die andere Mission wollte diese barionakustischen Oszillationenmessen und dann wurden die zusammengefasst,das hat 2005 angefangen, verschiedenste Leute hier im Haus und über ganz Europaverteilt, hatten verschiedene Ideen was man denn eigentlich mal machen sollteund die ESA hat immer mal wieder,Also Aufrufe für Programmung, gesagt hey schlag Missionen vor,erst mal auf Papier und dann irgendwann sagen wir mal okay, das klingt ganzinteressant, wir machen da mal eine Studie, was würde das bedeuten an optischemDesign, ist das überhaupt machbar mit aktueller Technik, was würde das kosten,würde das in den Kostenrahmen passen und so weiter, macht Vorschläge.Und da entstanden diese Konzepte, Dune und Space.Und da wurde gesagt, hey, die einen wollen Infrarot und Bilder,die anderen wollen auch Infrarot.Können wir das nicht alles in einer Mission, aus zwei Konzepten eine Missionmachen? Und da wurde gesagt, hey, gut, müsste eigentlich gehen.Ist billiger, weil eine könnte sowieso nur fliegen. Beides Kosmologie.
Tim Pritlove 0:58:07
Kam der Vorschlag vom MPI oder wo ist der Dupont worden?
Knud Jahnke 0:58:11
Wir spielen eine Rolle, ich glaube wir spielen, also komm ich gleich zu,aber wir reden hier von 140 Institutionen über Europa,wir reden von mittlerweile 15 Ländern, wir reden von zweieinhalb tausend Leuten in einem Konsortium,wir haben einen Teil des deutschen Beitrags davon, finanziell nicht mal dergrößte, funktional aktuell wahrscheinlich einer der wichtigsten,aber das ist wirklich von ganz vielen Leuten gekommen aus sehr vielen Institutionen.Wir haben Teile mit am Anfang mitentwickelt, wir haben Teile vom Kalibrationskonzeptentwickelt, was sehr zentral ist. Andere Leute haben ganz andere zentrale Sachengemacht. Datenverarbeitung zentral mit aufgebaut.
Tim Pritlove 0:58:51
Also ich will jetzt nicht unsere Rolle … Ich wollte ja eher darauf hinaus,dass sozusagen, also es gab wahrscheinlich gar nicht jetzt einmal diesen konkretenVorschlag, lass uns mal genau diese Mission machen, sondern man hat einfachnur gesagt, das müsste man sich mal anschauen.Und dann ist quasi in diesen ganzen Beratungssitzungen beschlossen worden,guck mal hier, das passt doch irgendwie alles zusammen, können wir da nichtdie passenden Instrumente bauen, die quasi alles abdecken?
Knud Jahnke 0:59:11
Und ich glaube in der Frühphase waren das keine Beratungssitzungen,sondern Abendessen oder Kaffeeunterhaltung.Und dann irgendwann wurde es formalisiert und im Prinzip wurde dann von derESA gesagt, okay wir machen eine sogenannte Phase A Studie, wo doch das malwirklich durchgerechnet werden soll.Richtiges, vernünftiges optisches Konzept, mechanisches Konzept,Datenverarbeitungskonzept, was für Detektoren bräuchte man da,was für Optiken, welche Genauigkeiten in der Abbildung, wie groß muss so einSpiegel sein zum Beobachten, was Schwachheit von Galaxien angeht oder Auflösung.Hängt immer zusammen, wie genau muss das sein, je genauer desto teurer was Optiken angeht,wie viele Pixel brauchen wir auf den Detektoren, reicht da ein Detektor oder brauchen wir 100,auch wieder 100 mal mehr kosten und so weiter und so weiter und dann kristallisierten sich,kristallisierte sich dieses Optikkonzept raus mit einem 1,20 Meter Spiegel,mit zwei Instrumenten, ein Instrument im optischen, mit einem einzigen Passband,was jetzt WIS heißt, das im sichtbaren Licht operiert, was.Ganz speziell für diesen schwachen Gravitationsnissen-Effekt zuständig ist,wo im Prinzip die ganze Mission drum gebaut wurde,dass die Fähigkeit von diesem Instrument Formen ganz, ganz exakt zu messen undganz, ganz niedrigen Fehlerraten oder ganz niedrigen Unsicherheiten zu messen,dass das sozusagen über allem anderen steht.Ja das ist ganz wichtig, ich muss, wie ich gesagt habe, ich muss von außen dieForm des Mondes von der Erde unterscheiden, in erster Linie alles rund,aber halt nicht indem ich so groß auf den Mond gucke, sondern indem ich irgendwie10 Pixel darüber hab oder 5 Pixel.
Tim Pritlove 1:00:55
Aber dieser Linseneffekt der müsste doch eigentlich auch genauso im Infrarotbereichzu sehen sein, gerade bei den alten. Was könnte man machen?
Knud Jahnke 1:01:02
Infrarot ist teurer als optisch. Zwei Sachen. Erstens ist es teurer.Ich kann, ich hab hier ein, das WISS Instrument hat 36 CCD Detektoren,jeweils 4 mal 4000 Pixeln.Das sind so und so wie Megapixel. Riesig groß, sehr fein.Das Ganze in der Auflösung im Nahinfraroten zu machen würde sehr viel mehr kosten,weil die Infrarot Detektoren sehr viel teurer sind.
Tim Pritlove 1:01:26
Geht einem dann nicht sozusagen was verloren, weil man gar nicht so tief indie Vergangenheit schauen kann, weil umso älter die sind, umso mehr sind die doch rot verschoben.
Knud Jahnke 1:01:33
Ja das macht aber nichts, die haben ja immer noch eine Form.Dann sehen wir halt ursprünglich dieses UV-Licht.
Tim Pritlove 1:01:38
Ah. So.
Knud Jahnke 1:01:39
Also wir gucken auch nicht besonders im Blauen, wir gucken schon im Roten,wir gucken irgendwo zwischen Grün und etwas röter als wir sehen können oderdeutlich röter als wir sehen können.
Tim Pritlove 1:01:49
Verstehe. Man muss nicht alles sehen, man muss irgendwas sehen und das kannsich auch genauso gut aus dem Ultravioletten reinschieben.
Knud Jahnke 1:01:55
Genau, und wir nehmen schon den Bereich, der wirklich dem roten,sichtbaren Licht entspricht.Gerade so CCD-Detektoren, die da günstiger, Anführungsstrichen,nicht billig, aber günstiger sind, die hören bei ungefähr einem Mikrometer aufin der Empfindlichkeit und wir gehen halt wirklich bis 0,92 Mikrometer ran.So, das heißt wir gehen schon so rot wie es möglich ist, genau um diesen Effektnicht zu haben, dass wir zu viel Licht verlieren oder dass wir nur knotige Sternentstehungsgebieteoder so sehen und das passt sehr gut mit der Entfernung zusammen,die wir uns angucken wollen.Zum anderen, wenn ich ins Infrarote gehe, die Auflösungsfähigkeit eines Teleskopshängt von der Wellenlänge ab. Das heißt, wenn ich doppelt so lange Wellenlängehabe, dann kann ich nur halb so gut auflösen.Das heißt, wenn ich sage, ich muss Strukturen dieser und jener Größe auflösen,und das geht mit einem Meter-zwanzig-Teleskop im Durchmesser bei 0,8 Mikrometern ganz gut.Wenn ich sage, ja, ich würde das doch vielleicht lieber bei 1,6 Mikrometernmachen, dann bräuchte ich für dieselbe Winkelauflösung einen doppelt so großen Spiegel.Und doppelt so großer Spiegel ist dann schon Hubble, das wird dann sehr,sehr viel teurer. Das heißt, alles eine Abwägung.Was brauche ich? Was muss ich messen? In welcher Genauigkeit?In wie schwach dürfen die Galaxien sein?Das ergibt sozusagen die Wellenlänge, mit der ich gehen kann.Dann muss ich gucken, wie genau muss ich messen, wie groß, wie gut muss ich auflösen.Okay, roter sichtbarer Wellenlängenbereich geht noch. Das heißt,ich kann es mit CCDs machen und der Spiegel kann 1,20 m groß sein.Und dann wurde passend dazu gerechnet, okay,auf der anderen Seite, das zweite Instrument, an dem wir auch stärker beteiligtsind, im Nahinfrarotbereich, ein bis zwei Mikrometern ungefähr,Er soll sowohl Bilder machen, als auch Spektren aufnehmen, also Licht in die Wellenlängen zerlegt.Gibt uns, wenn wir Emissionslinien haben von Galaxien, die eine bestimmte Wellenlängehaben, sagt uns sofort sehr, sehr genau, in welcher Entfernung die Galaxien sich befinden.Wenn ich irgendwas in seine Wellenlänge zerlege, kann ich nicht ganz so schwacheObjekte angucken, weil das Licht nicht mehr auf einem Punkt ist,sondern auseinandergezogen ist. Da muss ich dann auch wieder rechnen,wie viele Objekte brauche ich.Weniger als ich beim schwachen Gravitationslinsen-Diagnostik angucken kann.Dann passt das zusammen, geht das mit dem Spiegel und so weiter.Und das alles wurde dann mit einer Architektur für zwei Instrumente und Anzahlvon Detektoren und Datenverarbeitung und Datenraten und Spiegelgröße und Temperaturenund so wurde in eine Ursprungsstudie, Phase A, gegossen.Und ESA fand das gut und dann irgendwann gabs glaub ich drei davon zur Auswahlfür einen bestimmten Start- und Entwicklungsplatz sag ich mal in der Reihenfolgevon den Missionen die ESA geplant hatte und dann haben sie gesagt okay 2011wir nehmen als nächstes Euclid.Und dann wurde es etwas weiterentwickelt und 2012 wurde es dann zur echten Missionund da hat sicherlich geholfen dass es 2011 einen Nobelpreis für Dunkle Energie gab.
Tim Pritlove 1:04:47
Passte, zufälligerweise.
Knud Jahnke 1:04:50
Es war sozusagen Zeit, also da wurde da im Prinzip dieser Effekt ausgezeichnetund als diese Ankündigung kam,für mich war da ziemlich klar, dass Euclid dann ausgewählt wird,da kann die Isa, wenn sie im Prinzip freie Wahl hat, nicht drum rum und so wardas dann auch, die anderen Missionen sind dann auch im Laufe der Zeit angenommen worden.Und seit 2012 ging es dann sozusagen ans Eingemachte.Wurde gesagt, so jetzt plant mal exakt und genau und dann gibt es die exakte Verteilung,welche Institute und welche Länder können wie viel Geld für welche Teile bereitstellen,weil die Teleskop- und Weltraumfahrzeug, sage ich mal, zahlt die ESA,die beiden Instrumente stammen von Institutskonsortien über Europa verteiltmit Beiträgen von der NASA.
Tim Pritlove 1:05:34
Und auch unter Beteiligung des MPE?
Knud Jahnke 1:05:36
Auch unter Beteiligung des MPE. Die deutschen Beiträge für die Hardware wurdenvom DLR bezahlt, unserer Raumfahrtagentur.Also es geht jenseits der finanziellen Mittel einzelner Institute, sage ich mal.Im Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching wurde die Optikfür dieses Na-Infrarot-Instrument entwickelt.Wir haben eine Kalibrationslampe beigetragen, wir haben Infrarot-Filter beigetragen,die wir dann mit Industrie zusammen entwickelt haben.Hat fünf Jahre gedauert, das Ganze hinzukriegen, gut sechs, sieben,bis das dann alles fertig geschnitten, gemacht, getestet und so weiter war.Und parallel haben wir funktionale Sachen beigetragen, nämlich von Anfang anein Kalibrationskonzept.Kalibration heißt, es ist toll, wenn wir was messen und dann haben wir da ein Bild,aber wenn wir nicht wissen, was das bedeutet, weil nämlich wir nicht wissen,ob da irgendwelche systematischen Helligkeitsschwankungen drin sind oder obdie Verzerrung so und so größer ist als geplant, dann hilft uns ein Datenpunkt gar nicht.Das heißt, ein Datenpunkt hilft einem immer nur was, wenn man einen Fehlerbalken da dran hat.Und da wir wussten, wo wir hinwollen an Unsicherheiten,was wir maximal tolerieren können für die Kosmologie, wurde das häppchenweiseruntergebrochen auf Dinge, die wir im Himmel angucken müssen,Dinge, die das Instrument können muss und die Genauigkeit, mit denen wir jedeneinzelnen Parameter auf dem Bild dann hinterher messen können wollen.Das ist ein garantisches Dokument und das haben wir im Prinzip anfänglich federführendfür unser Instrument gemacht und jetzt haben wir auch die koordinierende Oberhoheit,die ganzen Teilnehmenden, die alle irgendwas mit Kalibration zu tun haben, zu koordinieren.Und das machen wir seit 12 Jahren hier am Institut.
Tim Pritlove 1:07:20
Also um es zusammen zu fassen, Euclid ist ein Raumfahrzeug, was im Wesentlichenerstmal dieses Teleskop hat, ein Korsch Teleskop ist das, also im Prinzip genausoaufgebaut wie das beim JWST auch, beim James Webb, so rein.
Knud Jahnke 1:07:35
Ist das auch ein Korsch? Also es ist ein etwas off-axis Instrument,wo der Strahl nicht immer durchdie Mitte geht, was sehr interessante Nebeneffekte beim Konstruieren hat.Aber letztendlich, wir haben einen Spiegel, Primärspiegel, Sekundärspiegel,Licht geht durch, wird irgendwann umgelenkt, dann einmal geteilt in den sichtbarenWellenlängenbereich und den infraroten und geht in die beiden Instrumente.
Tim Pritlove 1:07:55
Genau und das eine ist eben das VIS, das andere ist das NISP, schön benannt immer.
Knud Jahnke 1:08:01
NISP steht für Near-Infrared Spectrometer und Photometer, also Nahinfrarot-Spektrometer und Photometer.Und da gibt es die zwei Kanäle, nämlich den Photometer-Bereich,der tatsächlich Bilder macht, und der Spektrometer-Bereich, der Spektren aufnimmt.Und dafür haben wir aus der Entwicklung her unterschiedliche Verantwortlichkeiten,weil die Detektoren sind dieselben und die Optik am Anfang ist dieselben.Aber was mit den Daten passieren muss...Wurden auf der einen Seite Gitter gebaut,mit horrenden Anforderungen, das haben unsere französischen Kollegen zum Glück gemacht,was mit den Daten dann passieren wird, das geht in die eine Diagnostik reinund dann gibt's den Photometer-Bereich, den P-Bereich, das sind wir,wofür wir etwas stärker verantwortlich sind.Da geht's um Bilder und diese Bilder werden mit bodengebundenen Bildern kombiniert,um dann grobe Entfernungen für diesen schwachen Gravitationslinseneffekt zu erzeugen.
Tim Pritlove 1:08:54
Und das war's im Prinzip. Eine relativ überschaubare Geschichte.Nicht so ein Koloss mit neun verschiedenen Instrumenten, die dann alle funktionieren müssen.
Knud Jahnke 1:09:04
Deswegen ist Euclid eigentlich auch kein Observatorium. Euclid ist eigentlichviel dichter an einem Experiment dran als an einer Sternwarte.Weil bei uns gibt es keine Programme, die man vorschlagen kann,wo man sagen kann, ich würde gerne dieses und jenes Objekt angucken.Es gibt auch keine Einzelobjekte, die angeguckt werden. Wir machen eine Himmelsdurchmusterungmit einem ganz klaren Ziel.Und wenn man mit den Daten noch was anderes machen kann, ist gut.Und das machen ganz viele, wie ich gesagt habe. Aber das Ziel ist eine ganzeinfache Himmelsdurchmusterung.Wir gehen wirklich zu jedem Punkt im Himmel, den wir angucken wollen.Machen dort vier Bilder mit leichten Verschiebungen der Positionierung für bessere Datenverarbeitung.Und dann gehen wir zum nächsten Feld.Wir machen das gleich nochmal nach einer Stunde, 15 Minuten,dann gehen wir zum nächsten Feld und so weiter und so weiter und das über sechs Jahre.
Tim Pritlove 1:09:50
Okay, lass uns da gleich mal drauf kommen. Ich wollte jetzt erstmal mal einbisschen das Raumfahrzeug erst mal starten lassen.
Knud Jahnke 1:09:55
Ach stimmt, das sollte man ja auch noch machen nach der Planung.
Tim Pritlove 1:09:58
Also gebaut wurde es glaube ich von Astrium und also das Nutzlastmodul und dann der Rest von Thales.
Knud Jahnke 1:10:05
Das ist alles. Die beiden zwei der großen militärisch-industriellen Raumfahrtunternehmenin Europa, die können das.Die konnten die Optik und die Spiegel wurden dann hergestellt und Kommunikationund so weiter und so weiter.
Tim Pritlove 1:10:20
Und das war dann Juli 2020 fertig und sollte ja eigentlich dann 2022 mit einerSojus-Rakete in Kourou starten.Sojus ist ja eigentlich eine relativ junge Hinzufügung in Kourou gewesen,wo ja klassischerweise immer die Ariane-Raketen starten und dann kam ja dannin den letzten Jahren mit der italienischen Vega kleinen Rakete und eben denrussischen Sojus-Raketen weitere Launch-Positionen mit dazu. Aber dann gab's Krieg.
Knud Jahnke 1:10:53
Genau, also es war schon seit ein paar Jahren gab es immer eine Backup-Lösung,die Europäer hätten gerne ihre Ariane 6 benutzt und es war ganz klar,wenn die Ariane 6 schnell fertig würde, was halt 2017, 18 oder so einfach ganzunklar war, dann würden wir tatsächlich mit der Ariane 6 fliegen.Also wenn die zeitnah fertig geworden wäre, dann wäre sozusagen Sojus-Backupgeworden. Ja und dann hat Russland die Ukraine überfallen und da war von Tageins klar, nö, ist nicht.Egal wie sich das hier entwickelt, ist nicht machbar, wird nicht passieren.Und ab dem Punkt war eigentlich die Ariane 6.Der Hauptlauncher oder der geplante.Und das war gut, dass wir sozusagen einen Backup gleich hatten.Wir mussten sozusagen nicht von Anfang an testen.
Tim Pritlove 1:11:45
Also Backup heißt ja konkret, man hat das von vornherein so geplant,dass es im Prinzip sowohl die eine als auch die andere Rakete hätte transportierenkönnen, weil das ist ja jetzt auch nicht so beliebig ohne weiteres austauschbar.
Knud Jahnke 1:11:58
Genau, es ist nicht beliebig austauschbar, vor allen Dingen,reingepasst, also Euklid ist viereinhalb Meter hoch und irgendwie drei Meter im Durchmesser und so,oder 280 im Durchmesser in jede Richtung, das heißt es ist groß,aber nicht exorbitant groß, das heißt viele der Großraketen würden damit problemfrei zurechtkommen.Und es ist auch, mit zwei Tonnen ist es jetzt auch nicht, also JWST hatte nureine Möglichkeit, das war die Ariane 5, so, und ansonsten gab es irgendwie keine Möglichkeit.Es hätten mehrere in Frage kommen können, aber es war immer eine politischeFrage, wenn natürlich Ariane 6 fertig ist, dann nimmt man die.Man plant also gleichzeitig für zwei Varianten und das hat großen Auswirkungendarauf, denn je nachdem was man für ein System hat, kommen zum Beispiel mehrVibrationen in das Teleskop oder die Nutzlast rein.Wir haben ganz klar das Problem, ganz, ganz viele der Konstruktionssachen findennur statt für zwei Minuten beim Start,weil wir dort, wie man es dann halt auch aus zehn oder zwanzig Kilometern hört,extreme Lautstärke haben, Lautstärke heißt Vibration, womit wir wieder bei denakustischen Oszillationen werden, aber ganz andere.Und das muss es halt aushalten, da dürfen keine Sachen abbrechen,da dürfen keine Linsen zerspringen oder so.Und die Ariane 6 hatte ganz klar,die hat Feststoffbooster glaube ich, und Feststoffbooster habe ich gelernt machendeutlich mehr Vibrationen als wenn man nur flüssig Antrieb hat und entsprechendwar am Anfang nicht klar,ob die Ariane 6 das starten könnte oder ob sie über die geplanten Vibrationenhinweg geht und dann wurde gesagt, okay wir brauchen noch irgendwelche Dämpferoder sowas, die da eingebaut werden müssen. Aber das war mehrere Jahre in Entwicklung.Und wäre die fertig geworden frühzeitig, dann wäre das auch sozusagen gesagt,okay gut, den Vertrag mit der Sojus, den nutzen wir für irgendwas anderes,wir machen dann unser Prestige, neue Rakete.Wurde aber natürlich gesagt, wir versuchen mal nicht der erste Start zu sein,sondern wir müssen mindestens zwei erfolgreich sein, denn gebranntes Kind schalltdas Feuer und neue Raketen sind immer nicht gut für.
Tim Pritlove 1:13:59
Erste Ariane 5 Start ist ja auch in die Hose gegangen.
Knud Jahnke 1:14:02
Genau und das war auch unabhängig davon zu sagen,also man das ist zu wertvoll, ist so speziell, das ist jetzt nicht einfach einweiterer von 10 Satelliten, den man hochschießt und dann nimmt man halt einenweiteren oder so, sondern es ist halt sehr viel individuelle Arbeit,der dann auch nicht einfach so rekonstruierbar ist.Und als dann der Krieg angefangen wurde, da war klar ist vorbei und Ariane 6würde der Hauptlauncher sein und da,Fragte man sich dann relativ bald, okay an welcher, erstens wann wird die fertig,zweitens an welcher, auf welchem Launchplatz wären wir.Und dann kam das also verschiedene andere Auftraggeber weltweit sagten,ach wir hätten gerne auch noch ein paar Startplätze, wir würden gerne für unserekommerziellen Sachen würden wir gerne mal testen, ob das mit einer Ariane 6 geht.Und dann waren wir plötzlich nicht mehr auf Startplatz 4, sondern auf Startplatz5 und dann gab's die große Frage, okay, also wenn das einmal passiert,dass man nach hinten gereicht wird, dann kann das auch mehrfach passieren, das geht nicht.
Tim Pritlove 1:15:07
Und Ariane 6 ist ja bis jetzt noch nicht gestartet.
Knud Jahnke 1:15:09
Unabhängig davon, unabhängig davon, es war nicht so, dass jetzt klar war,in einem Jahr starten wir und zwar garantiert, so das wäre überhaupt gar kein Problem gewesen.Und dann hat sich tatsächlich die ESA umgeschaut und hat gesagt,okay was gibt's denn an anderen Optionen und hat innerhalb von kürzester Zeit tatsächlich gesagt,okay SpaceX ist flexibel, hat die Kapazität,es würde passen, Studien gemacht, ob das FIP von den Liberationen funktionierenwürde und innerhalb von wenigen Monaten kam dann der Vorschlag mit einer Fake9 zu starten und politisch ist das tatsächlich dann auch durchgegangen.Weil es ist natürlich was Großpolitisches.Plötzlich eine europäische Rakete soll und wird und muss und so weiter und danngeht man plötzlich zu den Amerikanern, zu den kommerziellen Anbietern,die eigentlich eine Konkurrenz sind und startet.Aber es wurde verstanden, was es ansonsten wissenschaftlich bedeutet.Es wurde verstanden, dass das auch nichts gegen die Ariane 6 sagt,denn die war einfach noch nicht fertig.Es ging dann ratzfatz sehr schnell, Leute im Konsortium mussten verstehen,dass wir nicht jetzt plötzlich länger Zeit haben, sondern dass wir mit am Anfangdieses Quartal 3 2023 starten würden, dann hieß es irgendwann Juli unddann hieß es okay, es kann am ersten Juli losgehen und es war dann erst der Juli, so.
Tim Pritlove 1:16:32
Also die NASA war ja beteiligt, also jetzt nicht im großen Maße,wenn ich das richtig sehe.Sie haben, glaube ich, Sensoren beigetragen und damit ist aber dann sozusagenauch eine wissenschaftliche Beteiligung da dann auch mit verbunden,insofern passt das ja noch.
Knud Jahnke 1:16:47
Ja, aber die Verträge sind nicht über die NASA gelaufen. Das ist kein NASA-Vertrag,das ist ein ESA-Vertrag, direkt ein SpaceX.NASA hat da keinerlei Finger drin gehabt, sondern das war direkt,auch der Launch selber war über.
Tim Pritlove 1:17:02
Man muss ja dann auch irgendwann einfach mal, man kann ja so eine Mission nichtewig in die Länge ziehen,also wenn es nicht anders geht, dann geht es halt nicht anders,aber Wissenschaftler arbeiten da dran, sind ja auch für so und so viele Jahredann finanziert und wenn es dann halt nochmal länger dauert,dann ist dann am Ende keiner mehr da, der sich darum kümmern kann.
Knud Jahnke 1:17:19
Und auch bei der ESA selber ist ja klar, die haben so und so viele laufendeMissionen und sie können,haben auch nicht beliebig viel Personal und irgendwann will das Personal auchmal fertig sein mit einer Mission und die soll dann laufen,also das Entwicklungspersonal, die ganzen Projektmanager, IngenieurInnen,die daran gearbeitet haben, die müssen halt auch irgendwann mal andere Sachenmachen und wenn sich das über zwei Jahre hinwegzieht, dann verliert man irgendwanndie Expertise und dann ist so eine Mission auch irgendwann ernsthaft gefährdet.Und das war zum Glück nicht der Fall, wir sind gestartet, alles glatt gelaufen,Lagrange Sprung 2 zum ersten Mal für SpaceX, dass die dort hin geflogen sind.Und jetzt, ja, paar Wochen später war Euclid dann in der...Nähe von JWS2 und Gaia.
Tim Pritlove 1:18:00
Lass uns da erstmal hinkommen, weil ist ja noch ein bisschen vorher was passiert,also jetzt Juli 23, wir nehmen jetzt die Sendung hier auf am 23.Oktober 23, also ist das ganze jetzt vier, fünf Monate her.Ganz problemlos war's nicht, also der Start war super.
Knud Jahnke 1:18:17
Der Start war super, ein paar Tage später wurden die Instrumente eingeschaltet,alles funktionierte hervorragend, die waren, kühlten ab,es wurde minimalste Orbitkorrektur gemacht,war wirklich sehr genau der, die Injektion in den Orbit, was uns auch Treibstoffspart, das heißt potenziell steht er dann später zur Verfügung für längere Mission,was gut ist, wir hatten's gehofft.
Tim Pritlove 1:18:43
Das ist ja ein nicht unerheblicher Faktor, weil wenn jetzt die Bahn nicht gutangeschossen wird und man muss halt korrigieren,das ist ganz schön teuer, das frisst eine Menge Sprit im Vergleich zu dem,was man mit dem Sprit machen könnte mit leichten Bahnkorrekturen.
Knud Jahnke 1:18:58
Genau, denn Lagrange Punkt 2 ist kein stabiler Punkt, das ist ein halbstabilerPunkt und das heißt es muss jeden Monat eine kleine Bahnkorrektur geben,um den Satelliten da wieder zurückzuschubsen und das ist derselbe Treibstoff,der auch für eine Orbitkorrektur nach dem Start benutzt worden wäre.Wenn der alle ist, ist er alle. Da fliegt keiner hin und füllt nach.Und diese Orbitkorrekturen sind einer der limitierenden Faktoren für die Längeder Mission. Und das wäre natürlich blöd, wenn das frühzeitig alle wäre.Und in diesem Fall war es weniger benutzt worden als geplant und das ist positiv.
Tim Pritlove 1:19:32
Und die Instrumente konnten auch problemlos in Betrieb genommen werden?
Knud Jahnke 1:19:37
Die Instrumente funktionieren hervorragend von Anfang an. Wir haben die erstenBilder gesehen, alles ganz klasse.Dann gab es eine Fokussierungskampagne des Teleskops, die Instrumente gegeneinanderhaben alle einen fixen Fokus.Es gibt nur genau ein Element beim Sekundärspiegel, wo alles auf einmal fokussiertwird und das hat auch relativ bald funktioniert.Hat eine Woche gedauert, Woche drei oder sowas nach dem Start.Und danach war im Prinzip...
Tim Pritlove 1:20:05
Wir hatten immer irgendwie Probleme mit Streulicht irgendwie in irgendeiner Form.
Knud Jahnke 1:20:09
Ja genau, also das waren erstmal die Instrumente. Die Instrumente funktionierenabsolut hervorragend. Die besser als wir erwartet haben.Also in dem Rahmen wie man erwarten könnte, dass sie etwas besser funktionierenals man hofft. So, als sie minimal funktionieren mussten. Klasse.Kommandierung funktioniert, Datenübertragung funktioniert, Aufnahmen funktionieren.
Tim Pritlove 1:20:30
Da fehlt einem schon mal ein Stein vom Herzen.
Knud Jahnke 1:20:32
Und erstens, dass da keine Schlitter durch die Gegend fliegen,von irgendwelchen Linsen, und zweitens, dass die Detektoren so funktionieren, wie sie sollen.Dann gab's so ein paar Kleinigkeiten, sag ich mal, die uns jeweils ein bisschenin Atem gehalten haben. Es gab Streulicht, was wir irgendwie gesehen haben, was...Irgendwie durch die Isolierung kommt,die ja eine Lichtisolierung ist, aber die Instrumente sitzen nicht in einemKarton, die sitzen auf einer Plattform und wenn man an der Seite diese goldeneIsolierung einfach abwickeln würde, dann wären die da offen drin.So, natürlich auch einem Licht ausgesetzt.Eigentlich hinter einem Lichtschild. Die Solarzellen gucken immer zur Sonneund die haben so ein bisschen noch Flügel an der Seite und eigentlich ist dasimmer dieselbe Richtung und eigentlich ist das Instrument im Schatten.So, und wenn an den Kanten nichts reflektiert wird, dann ist das Schatten-Schatten und dann so.Dann hat man halt noch goldene Multi-Layer-Installationen da drum rumgewickelt,für Thermostabilisierung, aber auch ein bisschen für die Lichtdichtheit unddann stellt er sich raus,es gibt irgendwo einen Punkt außerhalb dieses Schildes, wo Licht drauf fälltvon der Sonne und der strahlt dann halt einfach von der falschen Seite, ist hell.Und die Sonne hat halt einfach den sehr sehr unangenehmen Teil für so einensehr empfindlichen Satelliten, die ist sehr hell.Und wenn wir halt hier Sonnenbrand kriegen oder 1000 Watt pro Quadratmeter.
Tim Pritlove 1:22:04
Also ist das ein Designfehler gewesen?
Knud Jahnke 1:22:06
Das ist, ich glaube das war ein, das kann ich nicht genau sagen,das würde ich auf die ESA verweisen, ich glaube es gab relativ spät noch eineVeränderung von einem Booster oder sowas, der irgendwie ein bisschen versetzt wurde.Ich weiß nicht genau, ob das der war, der dann auch im Licht war.Jedenfalls hätte diese Isolierung nicht auch zufällig mit mehreren internenReflektionen einen Pfad gehabt, wo Licht durch kann.Und da reden wir auch nicht von einem Loch, sondern wir reden von viel,viel, viel Dämpfung durch mehrere Reflektionen, wo immer nur ein Zehntel Prozent oder so durchkommt.Aber Sonne gegenüber ein Instrument, was halt irgendwie eine Kerze in weiß nichtwie viel Entfernung sehen kann.Das ist halt blöd. So und das passierte und dann stellte sich aber relativ baldraus, wir haben einen gewissen Winkel, den dieses Sonnenschild zur Sonne haben kann.Wir können das Teleskop in drei Teilen, drei Winkeln, drei Achsen drehen.Die eine Achse ist die, die wir immer benutzen, wo immer die,also man zieht die Achse zur Sonne und die können wir immer rumgehen und beobachten.Und in den anderen beiden Achsen haben wir ein bisschen Spielraum,um halt den Himmel ein bisschen abzudecken über ein paar Grad in eine Richtungoder die andere Richtung.Und da stellt er sich relativ bald raus, okay, in der Achse,wo das beleuchtet wird, wenn wir das Teleskop da ein bisschen rausdrehen und sozusagen unseren,nicht um Null, Winkel Null Grad beobachten werden, sondern um Winkel minus zweieinhalbGrad oder sowas oder minus fünf Grad oder sowas, also wirklich nur fünf Gradgedreht, dann passt das auf beiden Seiten.Wir haben immer noch nicht mehr ganz so viel Flexibilität beim Survey,deswegen musste auch neu geplant werden,aber es funktioniert und dann ist dieser Booster oder dieses Stück,was da im Licht hängt, ist aus dem Licht raus, kann nicht mehr reflektieren,Haken dran, alles was ansonsten streulicht ist, ist minimal und handhabbar.
Tim Pritlove 1:23:58
Das heißt dadurch hatte man einen etwas geringeren Survey-Bereich,den man so in einem Schritt aufnehmen konnte?
Knud Jahnke 1:24:06
Ja im Prinzip die Auswahl zu jedem Zeitpunkt,welchen Bereich am Himmel man zu jedem Zeitpunkt angucken kann,schrumpfte etwas und das heißt wir müssen im Prinzip diese Himmelsdurchmusterung,die für sechseinhalb Jahre auf die Minute durchgetaktet ist,also es gibt natürlich einen Plan, wann muss was angeguckt werden,wo geht man von einem Feld zum nächsten, wie lange sind die Beobachtungen,was für Kalibrationen muss wann aufgenommen werden, das muss jetzt umgeplantwerden, wird umgeplant und es war ziemlich schnell klar, das ist handhabbar.Und das andere war, dass wir festgestellt haben, dass wir ein schönes Röntgenteleskop haben.Denn es gab irgendwo ein Loch in der Abschottung.Wenn die Sonne gerade extrem aktiv ist bei einem Sonnenflare,dann macht sie extra viel Röntgenstrahlung und dann gibt es ein paar Winkel.Wenn das Teleskop gerade so steht zur Sonne, dann kriegen wir im Prinzip röntgenlicht,was durch unsere Isolation durchgeht und macht auf dem einen,dann macht auch der Detektor was.Und da ist jetzt aber auch klar, durch was für Löcher das durchgeht und es istklar, wann das auftritt. Die Sonne ist zwar jetzt besonders aktiv,weil wir Richtung Sonnenmaximum gehen oder wenn wir im Sonnenmaximum sind,aber es ist so hinreichend selten, dass man damit auch umgehen kann.Und das sind so die typischen Sachen. Ich würde mal sagen, beide Dinge sindso die typischen Sachen, die nach so einem Start auftreten, für die man nichtplant. Weil alle Sachen, die wir abgesehen haben, sind natürlich erledigt.Da findet man natürlich vorher Lösungen für. Und das sind so typische Dinge,die man hinterher feststellt und wo man relativ flexibel dann was lösen muss.Und das ist passiert und die Sicherheiten sind glaube ich wirklich gut unterKontrolle. Das tauchte auch in den ersten Tagen, bei den ersten Daten schonauf und da war erstmal das Zähne klappern groß und jetzt ist das gelöst würde ich sagen.
Tim Pritlove 1:25:55
So und Ziel war L2 erfahrenen Raumfahrern natürlich bekannt.Ja L2 weiß man ja aber es ist vielleicht nochmal wertvoll das hier genauer zuerklären warum dieser Ort ausgewählt wird. ist ja ein sehr populärer Platz für Weltraum-Teleskope.James Webb fährt da rum, auch Planck und Herschel, also all diese ganzen Weltraum-Surveyssind dort gewesen oder sind dort noch.Warum? Weil dieser Lagrange-Punkt 2 ja einer von fünf Punkten ist,wo sich die Gravitationswirkung der Erde und der Sonne so weit ausgleichen,dass man eben nicht so ohne weiteres erstmal irgendwo hingezogen wird.Das heißt da kann man ganz gut verweilen und vor allem mit der Erde um die Sonneherumziehen und L2 ist ja der Punkt sozusagen hinter der Erde,also von der Sonne aus gesehen, der eben dann auch dunkler ist,kälter ist, weil man ist ja nochmal etwas weiter weg.
Knud Jahnke 1:26:56
Ja, wobei die Entfernung spielt nicht so groß die Rolle. Auf jeden Fall ist er stabil.Und das ist das Schöne, wir sind an einem Ort, der immer ungefähr gleich vonder Sonne entfernt ist, der auch ungefähr gleich von der Erde entfernt ist,weil nämlich dann nicht irgendwie plötzlich Licht von einer reflektierten Erdeoder so von rechts oder links reinscheint.Dauerhafte Entfernung, wenn wir ein Teleskop dort einfach hinstellen,was mit dem Sonnenschild einfach in dieselbe Richtung guckt,das ist einfach thermisch sehr stabil. Und thermisch sehr stabil heißt,nichts dehnt sich mal aus, weil alle Materialien dehnen sich aus,wenn sie die Temperatur ändern.Und das heißt, wir haben ein System, wo sich die Mechanik nicht ausdehnt,die Optik nicht verändert.Das ist stabil. Wenn das im Fokus ist, bleibt das fokussiert.Da fängt nicht an, plötzlich irgendwie der linke Rand aus dem Fokus raus zu wölben oder so.
Tim Pritlove 1:27:42
Aber im Prinzip viele dieser Voraussetzungen hätte man ja auch an eins,also das ist dann sozusagen zwischen Erde und Sonne, aber da hätte man zum Beispielschon mal die ganze Zeit die Erde im Blick, die da auch leuchtet.Genau, dann hätte man die Erde im Blick.
Knud Jahnke 1:27:51
Genau, das wäre blöd.
Tim Pritlove 1:27:53
Das ist nicht so toll. Und dann gibt's noch die drei L4, die also vor und hinterder Bahn der Erde liegen, die wären ja im Prinzip auch geeignet,nur da tummeln sich dann so kleine Meteoriten und das ist nicht so schön.
Knud Jahnke 1:28:07
L2 ist einfach ganz gut handhabbar. Das ist einfach weg.Man kann Orbits sich dort nehmen, die auch, wo die Erde nicht vor der Sonne steht,also keine kleinen Sonnenfinsternissen da sind, das ist für Gaia ganz wichtig,das ist für JWST und Euklid sehr wichtig, weil auch so ein bisschen Abdeckungwürde bedeuten, dass irgendwie die Temperatur sich kurzzeitig ändert und dieStromversorgung durch die Solarzellen sich ändert. Das heißt,wir können dort Orbits haben, die,Da bewegen sich die um das Zentrum oder den formalen Zentrum von L2 herum undes ist alles sehr stabil.Ich kann meine Antenne in eine Richtung richten und da wir da einen Millionen-Kilometer-Durchmesserhaben von L2, ist voll auch relativ.Also sich da zufällig zu treffen, das wird schon navigationstechnisch schwierig,wenn man das machen möchte.Per Zufall stößt da nichts zusammen bei drei, vier, fünf Missionen.
Tim Pritlove 1:29:01
So dann schauen wir aber doch nochmal da drauf wie das dann jetzt abläuft.Also Euclid ist dann ich schätze mal so nach vier Wochen oder so dürfte dasDing so alles in Betrieb gewesen sein, das heißt seit August,sprich jetzt ungefähr für zwei Monate ist im Prinzip schon so ein Normalbetrieboder ist das sozusagen immer noch ein Testen?
Knud Jahnke 1:29:21
Offiziell sollte, war der Plan, dass wir direkt nach dieser vier Wochen Hochfahrphaseeine sogenannte Performance Verification Phase machen,wo im Prinzip einmal alle möglichen Kalibrationsdaten aufgenommen werden und geguckt wird,kann das Teleskop was wir erwarten, auf dem Boden,mit leicht anderen Temperaturen und so weiter und können wir alle Referenzdatenaufnehmen für alle Detektoren,Empfindlichkeitskarten und Dunkelstromkarten und was weiß ich,also alles was so charakterisiert Alle besonderen Schmutzeffekte oder Effekte,die dann in den Wissenschaftsdaten auch drin sein werden, die müssen wir allewieder rausholen und da nehmen wir dann nicht irgendwie Testdaten von der Erde, wiewir im Labor gemacht haben, sondern dort wirklich vor Ort.Ja und nach zwei, drei Tagen stellte sich irgendwie heraus, das war nicht soeinfach, denn das Teleskop hat seine Position nicht gehalten.Wir haben natürlich da ein sehr komplexes System, was verschiedenste Dinge vonGyroskopen und tatsächlichen Sensoren für den Ort der Sonne und feine Sensoren,die tatsächlich Sterne verfolgen, die irgendwo sind und sagt ok,wenn der ein bisschen raus wandert, dann gebe ich einen leichten Schub und gucke wieder nach links.Und das hat so nicht funktioniert. Da gab es Signale, wo plötzlich Sterne verlorenwurden für dieses Guiding. Da gab es Signale, guck doch mal bitte,ich glaube der Stern ist jetzt plötzlich drei Grad weg, guck mal da rüber.Und so weiter und so weiter. Und es stellt sich fest, da gab es ein Softwareproblemauf der Teleskop- und Systemseite.Und wir haben im Prinzip 50% aller Aufnahmen verloren.Und damit kann man nicht arbeiten. Und dann wurde gesagt, okay,diese Phase beenden wir erstmal wieder.Wir müssen zurück in die Commissioning-Phase. Es war auch klar,dass diese Arbeiten noch nicht beendet waren,aber es gab die Hoffnung, dass diese Commissioning-Phase für dieses Guiding-Systemdurch kleinere Fixes erfolgreich parallel gelöst werden könnte.Und das war halt nicht richtig. Dann wurde gesagt, okay, das hat keinen Zweckhier, wir vergolden nur ein paar Punkte.Ja nicht nur das, vor allen Dingen da haben sich halt 100 Leute,haben 24 Stunden am Tag irgendwie diese Daten angeguckt,Wochenenden und sonst wie, das war nach der Vorbereitungszeit auf Dauer nichtdurchhaltbar und dann hat man gesagt, nee das hat keinen Zweck,das ist auch alles für die Tonne irgendwie, okay wir gehen zurück.Hat im Prinzip einen Monat gedauert oder sechs Wochen. Wurde ein Fix gemacht,Software neu geschrieben, umgebaut.
Tim Pritlove 1:31:58
Wo ist das geschehen?
Knud Jahnke 1:32:00
Das war ein Industriepartner, Isa hat darüber mehr geschrieben in ihrem Blog.Und das wurde hochgelinkt und dann gab es eine relativ komplexe Testkampagneauch mit dem Konsortium zusammen,wo wir gesagt haben, okay, wenn wir unsere Instrumente nutzen,was können wir an relativ schnellen Diagnostiken machen, um zu gucken,ob auf verschiedenen Zeitskalen dieses Guiding jetzt gut funktioniert.Weil, während der Missionszeit, der sechs Jahre in der Zukunft,wollen wir ja eigentlich die ganze Zeit nur gucken, es gibt so Housekeeping-Informationen,so einen Strom von Daten, der sagt,das Teleskop hat einen Lock auf dem Stern und das funktioniert alles und derOffset davon war maximal so und so groß und so und so groß und alles ist inOrdnung und so und so und wenn man die Sachen verfolgt,kann man eigentlich sagen, alles klar, wir vertrauen dem, das ist innerhalbder Parameter, das können wir automatisch abchecken, das läuft alles gut.So, wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, ob wir diesen Sachen trauen können.Und ESA wusste das auch nicht. Das heißt, wir brauchten eine unabhängige Bestätigung dafür.Das heißt, wir haben geguckt, okay, wenn wir jetzt mit irgendeinem super specialModus dieses WIS-Instrument laufen lassen, dann kann das tatsächlich bei bestimmtenSachen im Millisekundenbereich auslesen. Und wenn wir das NISP-Instrument schnellauslesen, dann können wir im Dreisekundenbereich auslesen.Und dann können wir sozusagen auf verschiedenen Zeitskalen hier Sachen angucken.Das wurde geplant, dann wurden die Beobachtungen geplant,hochgelinkt, Daten genommen und ausgewertet und es stellte sich raus,okay, mit diesem Fix ist fast alles beseitigt, zumindest das Hauptproblem istbeseitigt und das Guiding ist auch so gut und ein paar Diagnostiken,den können wir trauen, wenn die jetzt vom Teleskop runterkommen.Das heißt, wir müssen nicht mehr unsere Daten extrem tief angucken und gucken,ist da was faul, sondern wir können den Diagnostiken vom Teleskop trauen.Und jetzt geht's nochmal ein ganz klein bisschen in die Feinheiten,aber das war dann gelöst und dann wurde gesagt, okay wir fangen am ersten Oktober glaube ich oder 28.September fing's an, dass wir wieder zurück in die Performance VerificationPhase gehen und seitdem machen wir im Prinzip den Teil der ab August stattfindensollte und da kommen einfach ganz tolle Daten runter und die zeigen,dass das, das wird funktionieren. Das wird alles sehr gut funktionieren.
Tim Pritlove 1:34:10
Das heißt, der Survey hat jetzt noch gar nicht so richtig angefangen zu diesem Zeitpunkt?
Knud Jahnke 1:34:15
Der hat noch nicht angefangen. Wir werden aller Voraussicht nach noch...Drei Wochen, vier Wochen Daten nehmen, so wie das aussieht, dann braucht esnoch ein bisschen, um das zu verarbeiten.Aber es ist relativ klar, die Instrumente und das Teleskop tut,was es soll, in der Qualität, wie es soll und wir müssen nur sicherstellen,dass wir alle Daten in der Qualität bekommen, um das dann zu kalibrieren.Ob dann die Verarbeitung dieser Kalibrationsdaten noch einen Monat extra dauertist dann erstmal egal, aber wir wissen, dass das funktioniert und dann passieren zwei Dinge.Erstens wir steigen den Survey ein mit nochmal Spezialbeobachtungen,die Sachen machen, aber im Prinzip ist das der Survey, der dann sechs Jahre läuft.Zum anderen wird es die offizielle, wird es einen offiziellen Review geben unddie Übergabe im Prinzip von der Industrie an die ESA.Das heißt, da wird gesagt, okay, diese Anforderung an die Industrie für Qualitätwurde abgehakt und diese und diese,dann haben wir einen Katalog von, weiß ich nicht, 200 Stück und wir können absehen,dass das alles so funktioniert und dass das alles abhakbar ist,aber da müssen halt entsprechend Bilder analysiert und Parameter ausgerechnetund Dokumente geschrieben werden, damit das hinterher auch recht sicher dannin einem Review abhakbar ist.Währenddessen fangen wir dann aber mit dem Survey an. Ich nehme an,dass wir Mitte November oder so in den Survey einsteigen und dann kommen abAnfang Januar kommen dann Daten.Jeden Tag kommen ganz viele Daten von sehr vielen hunderttausend und Millionen Galaxien jeden Tag.
Tim Pritlove 1:35:41
Genau. Dann geht's los. Kommen wir nochmal zu dieser Beobachtung beziehungsweiseauch zu diesen Daten, die dann rausfallen.Das Ding, also die Kamera haben wir ja schon besprochen, man braucht ja immer Solarpanels,Sonne kommt von hinten, da kommt irgendwie der Strom an und durch diese ganzenIsolierungen, die da dran sind, wird halt versucht den eigentlichen Teleskopbereichso kalt wie dunkel wie irgendwie möglich zu halten.
Knud Jahnke 1:36:08
Ja, dunkel und kühl in bestimmte Temperaturbereiche.
Tim Pritlove 1:36:11
Weil wenn man Infrarot misst, misst man ja eigentlich Wärme und wenn man dannirgendwie selber warm ist, ist es halt nicht so.
Knud Jahnke 1:36:16
Und wir sind zum Glück nur im nahen Infrarotbereich, also wir müssen nicht zumabsoluten Nullpunkt wie im mittleren oder fernen Infraroten,wie die Herschel und Planck und sowas, die mussten sehr sehr viel kälter gemacht werden.
Tim Pritlove 1:36:28
Oder auch James Webb.
Knud Jahnke 1:36:29
Oder auch James Webb in Teilen, genau. Und wir können ganz passiv kühlen,es gibt so große Strahlungsradiatorenflächen, die einfach in den Weltraum guckenund hinreichende Menge an Wärme abführen können.
Tim Pritlove 1:36:40
Das passt schon.
Knud Jahnke 1:36:41
Das passt, ja. Minus 140 Grad bei uns, Detektoren zum Beispiel.
Tim Pritlove 1:36:44
So und jetzt ist ja das Ziel möglichst viel abzudecken, das heißt das Ding rotiertdann irgendwie oder muss es gar nicht so viel rotieren?
Knud Jahnke 1:36:55
Wir machen im Prinzip so eine Sache wir gehen zu einem Ort, also Gaia rotiertja und macht ja sehr dezidiert, macht ja eben beim rotieren Aufnahmen.Wir machen das nicht, wir gucken zu einem Ort, bleiben dort stehen,also bleiben in der Orientierung, machen ein Bild im Nahinfrarotbereich,unsere Direktbilder sind 100 Sekunden ungefähr, drei verschiedene Passbänderin drei verschiedenen Wellenlängen und dann gibt es einen zweiten Abschnitt, wo wir parallel.Den Visible Imager für 560 Sekunden aufnehmen lassen und parallel im Nahinfrarotunsere Spektren, also im Spektroskopiebereich.Die laufen parallel, 560 Sekunden, dann verschieben wir unseren Blick am Himmelein ganz kleines bisschen,nur um auf andere Pixel auf den Detektoren zu kommen, machen das Ganze nochmal,machen das Ganze nochmal, vier Stück und nach eineinviertel Stunde ungefähroder eine Stunde und 20 Minuten gehen wir zum nächsten Feld.Und unser Gesichtsfeld, das Gesichtsfeld von Euclid ist so groß,dass wir ein halbes Quadratgrad da drin haben. Das heißt es ist viermal ungefährdie Fläche vom Mond, dreimal ungefähr die Fläche vom Mond, die wir da auf einmalabbilden können insgesamt.Das ist groß, das ist viel viel viel mehr als, wie gesagt, Hubble oder JWSTund das bedeutet, dass wir dann sichtbar am Himmel uns ein Stück zur Seite bewegen.Und zwar zu jedem Zeitpunkt können wir halt, weil die Sonne immer im Rücken sein muss,immer auf so einem Kreis, oben, links, rechts, unten gucken und pro Tag rotiertdas Ganze 360 Grad einmal rum,365 Tage, also pro Tag rotiert Euclid mit der Erde im Prinzip um ungefähr einenGrad rum und kann immer einen Grad weiter gucken.Jetzt ist die Idee über sechs Jahre den Himmel dann so zusammen zu flicken,dieses Drittel des Himmels,was uns interessiert, wo die Hintergründe am niedrigsten sind,Himmelshintergründe, wo es am dunkelsten ist, so zusammenzusetzen,dass wir wirklich eine kontinuierliche Karte in Spektroskopie,in Photometrie, im Nahinfraroten, in den drei Bändern und im sichtbaren Licht haben.Das heißt, wir bekommen bis auf ein paar helle Sterne,die wir umgehen, also im Prinzip alles, was man so mit bloßem Auge am Himmel sieht,das umgehen wir, weil das zu hell ist, das brennt uns irgendwie nach Lichterauf unsere Detektoren, aber alles andere über diesen Drittel des Himmels,da gehen wir einfach Stück für Stück hin und machen jeweils eine Epoche Fotos.Und dann geht das ein paar Stunden später an die Erde.
Tim Pritlove 1:39:25
Und wie viel Daten fallen dann da konkret bei an? Also es wird ja alles genommen.Man macht ja einen Full-Take, man will ja alles sehen. Oder gibt es in irgendeinerForm noch eine Datenreduktion bevor das runtergesinnet wird,was man nicht haben will?
Knud Jahnke 1:39:39
Also die Wizz Bilder gehen einfach 1 zu 1 runter.Die Datenmenge ist zwar viel, weil wir viele Pixel haben, aber wir machen nichtalle 10 Sekunden ein Bild,sondern wir machen alle 560 Sekunden, dann wartet es ein bisschen,also wir machen lange Belichtungszeiten und haben im Prinzip 4 Bilder über eineStunde 20 Minuten. Das ist jetzt moderat.
Tim Pritlove 1:40:01
Muss denn die Kamera justiert werden während dieser Belichtungszeit oder istdas nicht erforderlich?
Knud Jahnke 1:40:07
Einfach starr am Himmel. Einfach nur. Das Teleskop hält uns mit kleinen Kaltgasboosterninnerhalb von 75 Millibogensekunden an derselben Position.Das heißt, dass wir beugungsbegrenzt sind, also dass das Bild des Teleskopsnicht verschlechtert wird. Dass es wirklich so gut wie es sein kann und derTeleskop hält uns dort in der passenden Position.Vom Nahinfrarotmodus, was wir am liebsten gehabt hätten, ist das, was Hubble kann.Hubble könnte, also die Infrarotdetektoren werden kontinuierlich ausgelesen,alle 1,4 Sekunden werden die ausgelesen und am liebsten hätten wir jedes dieserBilder. Aber das wäre zu viel.Hubble macht das, Hubble kann das teilweise. Bei uns passiert das nicht.Wir rechnen im Prinzip aus diesen ganzen Einzelauslesungen ein Bild für Photometrienach 100 Sekunden oder so, für Spektroskopie nach 560 Sekunden.60 Sekunden und schicken das zur Erde zurück mit ein paar Qualitätssachen.Also auch das sind im Prinzip moderate Datenmengen.Wenn man halt nicht am Lagrange Punkt 2 wäre, für Lagrange Punkt 2 ist das schonrecht viel, wir brauchen dann wirklich 2x4 Stunden Downlink-Zeit am Tag fürdie verschiedenen Antennen der ESA.Ich kann nicht sagen, wie viele Petabyte das insgesamt sind.Es ist keine extrem große Datenmenge.Also wenn ich das mit CERN oder mit dem LSST-Survey vergleiche,der dann kommen wird, das sind keine exorbitanten Datenmengen,weil wir halt vier Bilder und nicht in Zehntelsekunden oder sowas machen. Es ist verarbeitbar.Was dann auf der Erde passiert ist allerdings, dass wir relativ viel Softwareim Hintergrund haben, weil wir halt zu diesen kosmologischen Parametern müssen.Wir wollen dunkle Energie eingrenzen.Da ist ein Parameter, der muss dann auf so und so genau gemessen werden unddas heißt, wir kommen von dieser sechseinhalb Jahren, also wenn man es ganzplatt sagen will, wir kommen von sechseinhalb Jahren Datennahme mit einem Bildalle paar Minuten kommen wir auf zwei Zahlen.Also das ist natürlich Datenreduktion at its best, weil das ist sozusagen dasZiel dieses kosmologischen Experiments.
Tim Pritlove 1:42:20
Also zwei Zahlen, eine Zahl für die dunkle Materie und eine für die inekte.
Knud Jahnke 1:42:24
Ja im Prinzip zwei für die dunkle Materie mit Zeitfaktor und da spielt natürlichviel mehr dahinter, das ist natürlich komplexer.Aber letztendlich gibt's eine sehr große Kaskade an Eichung und an Bildbearbeitung,was Astrometrie angeht, also die Positionierung und Verzerrung,was Flachheit der Helligkeitsdaten angeht, also dass nicht 1000 Counts auf derlinken Seite nicht demgleichen entspricht wie 1000 Counts auf der rechten Seite.Kalibrationssachen, um die Formen genau zu nehmen, da müssen wir noch die beidem WISS Instrument, wir müssen wissen, welche Farben die Galaxien haben,weil unterschiedliche Farben sind unterschiedliche Wellenlängen,unterschiedliche Wellenlängen haben unterschiedliche große Abbildungsfunktionenund so weiter und so weiter.Also es ist extrem viel Aufwand dahinter, deswegen ist die Datenreduktionskaskadedeutlich aufwendiger, als wenn ich nur ein schönes Bild in Anführungsstrichenmal so einfach gesagt erzeugen will.Und dafür arbeiten im Prinzip, ich weiß nicht, wie viele zig oder hundert Leuteseit auch zehn Jahren, um diese Kaskade von Pixeln bis hin zu kosmologischenParametern zu erzeugen.Und auf der anderen Seite, damit wir das nämlich simulieren konnten,nochmal so eine genauso große Seite, auf der anderen Seite, wo wir kosmologischeSimulationen gemacht haben, die dann in Bilddaten umgesetzt wurden,die dann in Pixeldaten umgesetzt wurden mit allen Schmutzeffekten,die dann der Input waren für die Datenreduktionsseite.Um einmal komplett im Kreis von bekannten kosmologischen Einprägungen am Himmelzu pixeln und dann zur Extraktion dieser Sachen wieder zu kommen.Und das ist ein extrem großer Aufwand und das unterscheidet auch...Sowohl von einem normalen Teleskop als auch von allen, ich glaube,allen anderen Weltraummissionen, weil wir im Prinzip diesen Teil vorher fertig haben mussten.Es ist nicht so, dass wir sagen können, okay, wenn die Instrumente jetzt etwasschlechter funktionieren oder unser Algorithmus zur Bestimmung von Formen haltnicht so gut ist, dann kriegen wir halt nicht so tolle Sachen hinterher raus,wir machen andere Projekte.Nein, es gibt ein Ziel und das muss erreicht werden, ansonsten braucht man dieMission nicht zu starten.Und deswegen musste das vorher fertig sein. Und das war und ist weiterhin sehrsehr aufwendig was die Software angeht.Zehn Datenzentren über die Welt verteilt mit Spezialisierungen,viele Leute, sehr viele Leute die an Processing Functions für diese und jeneFunktion sitzen und so weiter.
Tim Pritlove 1:44:50
Und das Veröffentlichungsprinzip ist so ein bisschen glaube ich nach Gaia.Habt ihr euch abgeguckt?
Knud Jahnke 1:44:57
Es geht so, Gaja, also Veröffentlichung hier geht's, Frage nach Bilddaten oderDaten allgemein, an wen geht das?Im Prinzip gilt für alle ESA Missionen wie für NASA Missionen,Daten müssen relativ bald der Welt zugänglich sein. Und zwar nicht,ich behalte die mal privat oder die Isabel die privat, sondern geht an die Welt.Finde ich vollkommen richtig. Es ist ein bisschen anders als bei Gaia,weil nämlich die Instrumente von Institutionen und einzelnen Funding-Agenciesbezahlt wurden, da wurde gesagt, okay wir brauchen irgendwie so ein bisschenZeit und auch Rückzahlung dafür, dass Leute sich halt.
Tim Pritlove 1:45:37
Also der exklusive Auswertungszeitraum.
Knud Jahnke 1:45:39
Auswertungszeitraum. Und da wird gesagt, okay, ihr kriegt 14 Monate Vorsprungfür bestimmte Sachen, aber danach geht's an die Welt.Und diese 14 Monate sind auch absolut notwendig, weil das bedeutet,dass ein Wissenschaftler, der darin beteiligt ist, vielleicht einen Artikel schreiben kann.Pro Person maximal. Und nicht mehr. So, da bleibt sehr, sehr viel übrig fürden Rest der Welt, was so...Sonstige Fragestellungen angeht. Zugleich hat es den Vorteil,dass, wenn Leute Wissenschaft damit machen, dass ganz viele sehr detaillierteFragen an die Daten gestellt werden und sehr viele Auswertungen gemacht werden,die eigentlich nicht bei der Kosmologie gemacht werden und da werden alle möglichensehr feinen Effekte noch auftauchen, die vielleicht noch in den Daten drin sind.Und das fließt alles sofort wieder in die Reduktionskaskade rein,wo gesagt wird, ah, hier sehen wir irgendeine Korrelation von,was weiß ich, Rauschen in irgendwelchen Spalten.Ah, oh, interessant. Könnte das einen Einfluss auf unsere Kosmologiemessung haben.Wir kalibrieren das Haus, machen ein extra Modul irgendwo und dann ist es weg.Also solche Sachen sind sehr wichtig.
Tim Pritlove 1:46:40
Also Kalibrieren nicht in den Instrumenten, sondern Kalibrieren in den Daten.
Knud Jahnke 1:46:43
In den Daten. Weil die Instrumente machen was sie tun und es wird,hinterher werden die Daten kalibriert. Und letztendlich läuft es dann so,es wird drei Arten von Releases oder Veröffentlichungen geben.Die Hauptreleases sind unsere Data Releases 1, 2, 3.Die veröffentlichen im Jahre glaube ich Anfang 2026 kommt die ersten zweieinhalb tausend Quadratgrade.
Tim Pritlove 1:47:09
Und klein Irna 25 auch schon mal ein kleiner Ausschnitt oder?
Knud Jahnke 1:47:13
Und davor kommt ein Jahr vor und das ist schon in einem guten Jahr von jetztan wahrscheinlich Januar Februar 25 kommt unser Quality Data Release.Das sind nur 50 Quadratgrad.Ich sag nur in sehr sehr großen Anführungszeichen.Da kommen schon mal Bilder über 50 Quadratgrad.So, muss noch genau ausgestaltet werden, was da exakt drin ist,welche Daten und in welcher Form.Aber das ist so viel Fläche, wie Hubble angeguckt hat.Ja, nicht ganz in der Tiefe, nicht ganz in der Auflösung, wir haben eine halbso gute Auflösung wie Hubble, nicht. So, Hubble ist ein Faktor 2 besser.Aber das ist eine unglaubliche Fläche, da steckt so viel drin.So viele hunderttausend oder Millionen von Galaxien, Sternen und sonst was.Da können Leute wirklich ihre Instrumente dran schärfen für was immer an Datenanalysen,die sie machen wollen später.Da werden auch größere Mengen an Artikeln schon, Fachartikeln schon zu erscheinen.Und ein Jahr später kommen dann zweieinhalbtausend Quadratgraben.Das ist einfach eine Größenordnung, die man bisher von bodengebundenen Sachenkennt, aber nicht mit der Qualität oder der, und Qualität meine ich wirklichmit der Auflösung und der Tiefe und der Wellenlänge, wie wir sie bisher gehabt haben.Und das wird sehr interessant. So und zwei Jahre später kommt glaube ich dannsiebeneinhalbtausend Quadratgrad und dann am Ende fünfzehntausend Quadratgrad.Und die gehen relativ bald an die Welt und das wird dann einfach für alles möglichenutzbar sein, was Kosmologie und Nicht-Kosmologie ist. Ich suche eine Galaxie am Himmel irgendwo.Ich gehe ins Archiv und habe ein Bild davon. In einer hohen Auflösung.
Tim Pritlove 1:48:44
Nur um nochmal ein Gefühl dafür zu bekommen, wie anders die Daten jetzt sind.Also würde man jetzt mal wirklich einen Ausschnitt nehmen, den Hubble beobachtethat und dann exakt denselben Bildausschnitt, was weiß ich, irgend so ein DeepField zum Beispiel. Also Hubble Deep Field fällt wahrscheinlich sowieso dabei raus.Inwiefern haben die Daten, die jetzt von Euclid kommen und die Daten von Hubble,also wie verhalten die sich zueinander? Wenn du sagst Hubble hat die höhereAuflösung, was hat dann Euclid oder hat Euclid nur mehr?
Knud Jahnke 1:49:16
Euclid hat, Euclid hat, also wenn ich eine einzelne Galaxie angucke,dann können wir natürlich nicht gegen Hubble oder JWST gegen anstinken.So wir haben eine Hälfte der Auflösung, was aber für,die meisten Galaxien im Universum durchaus Daten liefert.Hälfte von Hubble ist immer noch doppelt oder dreimal so gut wie vom Boden.Das heißt, es ist alles besser als das, was man vom Boden bekommt.Im Infraroten ist die Auflösung nicht ganz so gut, weil wir gröber gucken undweniger Pixel haben und wegen der Wellenlängen abhängigen Auflösungsgenauigkeit.Der Vergleich wäre aber auch hier wieder Boden. So und es gibt ein Tumors,das ist ein Survey, der über den größten Teil des Himmels geht,der ist sieben Magnituden heller,guckt der Sachen an, wenn da, wo dort keine Objekte mehr sichtbar ist,da fangen wir überhaupt erst an, Objekte zu sehen, weil alles,was heller ist, da saturieren wir und da sind wir dann halt in der Auflösung,in der räumlichen Auflösung sind wir um Faktor 5 oder sowas immer noch,also 5 besser als vom Boden.Hubble wird bei einzelnen Galaxien immer besser sein, aber wir können halt Dinge,wofür Hubble mehrere Wochen braucht, um sie häppchenweise abzuhaken und zu beobachten,das können wir dann in einem Schuss machen.Wir kommen dann auf Sachen, wo wir auch wahrscheinlich schwache Objekte sehen,die halt nicht ganz so schwach sind, aber wir kommen auf 24.Magnitude, das ist relativ schwach, auch schon was, was Hubble-Daten angeht.Und dann machen wir noch so sogenannte Deep Fields, wo wir 40 mal hingehen oder50 mal hingehen im Laufe der Zeit und wo wir dann nochmal zwei Magnituden tiefer kommen.Da sind wir bei 26. Magnitude und wenn man mit Magnituden umgeht,das ist schon ziemlich flach und das sind dann halt 50 Quadratgrad,so viel wie Hubble insgesamt jemals angeschaut hat, aber tief.
Tim Pritlove 1:51:18
Das heißt, der große Vorteil von Euclid ist vor allem die große Abdeckung, kann man sagen.
Knud Jahnke 1:51:23
Große Abdeckung, die ansonsten nur von der Erde möglich wäre mit Weltraumqualität an Auflösung.
Tim Pritlove 1:51:29
Mit Weltraumqualität. Und Wellenlänge.
Knud Jahnke 1:51:34
Und es ist halt wirklich diese Kombination. Dinge, die man entweder vom Weltraumnicht in endlicher Zeit schaffen könnte, mit vorhandenen Teleskopen,oder die man vom Boden aus nie in der räumlichen Auflösung oder ganz,ganz schwierig in der Wellenlänge schaffen würde. Und das ist die Kombination.Und dafür ist es einfach eine relativ simple Sache. Man guckt sechs Jahre,sehr gezielt, mit einem sehr simplen Teleskop und bekommt diese Daten.Und viele, viele hundert KollegInnen, mich eingeschlossen, freuen sich darüber,aber die Sachen für alle anderen Sachen, alle anderen Wissenschaftsdinge brauchen zu können.Und dann am Ende ist vielleicht noch Treibstoff über und dann am Ende habenwir wahrscheinlich Lücken irgendwo in der Beobachtungszeit, wo wir nicht unserenKosmologie-Survey machen müssen.Und dann werden vielleicht andere Vorschläge kommen, was man in der Zeit nochmachen kann. Vielleicht steckt irgendjemand vor, wir gucken dann doch die Milchstraßean. So. Und da wird ganz spannend in, ich glaube, in drei bis vier Wochen demnächst kommt...Von der ESA so ein erstes Schmankerl raus, es wird einen ersten Satz von einpaar Early Release Observations geben,Pretty Pictures, schöne Objekte am Himmel,irgendwas mit Galaxien, die dann in die Öffentlichkeit gehen und im Januar sollendann irgendwie auch die Pixel Daten folgen und das wird,ich hab ein, zwei solcher Sachen schon gesehen jetzt intern und das ist einfachatemberaubend schön, da freu ich mich selber drauf. Ich bin gespannt.
Tim Pritlove 1:53:13
Ja, es gibt ja so eine Krise gerade der Kosmologie, sagt man.
Knud Jahnke 1:53:18
Manche Leute sagen das, ja.
Tim Pritlove 1:53:19
Manche Leute sagen das, also es gibt sozusagen eine unklare Datenlage über wiealt ist denn jetzt unser Universum wirklich und es hängt ja viel mit diesenBeobachtungen zusammen, mit irgendwie Ausdehnung und wie ist es denn nun wirklich.
Knud Jahnke 1:53:33
Alter gar nicht so, Alter, Alter, ja, bisschen auch Alter, ja.Im Prinzip wir vergleichen, wenn Leute vergleichen Sachen, die,die bei, sind wir wieder bei Plank, 379.000 Jahre nach Beginn des Universumsnach dem Urknall waren und Sachen, die später jetzt passieren.Und da ist es auch egal, ob man 10 Milliarden Jahre zurückguckt oder 12 oderjetzt, da unterscheiden sich die Hubble-Konstante ein bisschen und paar andere,paar andere Parameter auch.Ja, ob es eine Krise ist, wird gern geschrieben. Eigentlich ist es keine Krise,sondern es ist eine Sache, aus der man was lernen kann.Es ist nicht klar, ob das irgendwie bedeutet, dass wir deutlich andere Kosmologie nutzen müssen.Euclid wird ganz viele kosmologische Parameter unabhängig nochmal bestimmenfür diesen späten Teil, also nicht den Plank-Teil, sondern den späten Teil.Und das wird ganz interessant, und ich meine da geht ja auch hin.Ist die dunkle Energie eine Konstante? Ist es eine kosmologische Konstante?Ist es etwas, was sich im Laufe der Zeit verändert hat?Und natürlich wenn sich die Beschleunigung verändert, dann wird sich auch dieAusdehnungsgeschwindigkeit verändern und so, also dementsprechend.
Tim Pritlove 1:54:45
Also meine Frage ist ja, wird Euclid etwas dazu beitragen diese Krise zu entschärfen?
Knud Jahnke 1:54:50
Ich glaube wir werden einfach Daten, also ich glaube es ist ziemlich klar,dass die frühen und späten Hubble konstanten Messungen in sich jeweils korrektsind und dass wir es hier nicht mit Datenproblemen zu tun haben.Sondern dass das wohl wirklich so ist, dass diese Unterschiede wirklich so sind.Ob das eventuell durch irgendwelche Kalibrationen früh und spät entschärfbar ist, ist unklar.Wenn es aber etwas beizutragen gibt, versuche ich mal dialektisch daran zu gehen,wenn es etwas beizutragen gibt aus dem Bereich, wir müssen besser verstehen,was eigentlich die Massen- und Ausdehnungs- und Druckkomponenten im Universum sind,Dann wird Euclid einfach den Datenhintergrund dazu liefern können,der halt ganz anders ist, als nochmal genauer hinzugucken, wie denn das mitden Super-Norway dort und dort ist und nochmal die Unsicherheiten,diesen Datenpunkten für die Hubble-Konstante zu reduzieren.Wir werden die Hubble-Konstante unabhängig bestimmen, aber wir werden halt auchwas viel tiefergehendes sagen über die Struktur des Universums und die Geschichte.Und ich glaube, das wird auch auf diese Kosmologie, vermeintliche Kosmologie-Krise Einflüsse haben.
Tim Pritlove 1:56:01
Krisenbewältigung durch Raumfahrt. Super. Knut,vielen, vielen Dank für die Ausführungen zu diesem doch sehr weitreichenden,dieser weitreichenden Mission und dem weitreichenden Projekt hier,dem Universum wieder mal auf die Schliche zu kommen.Das hält ja noch eine ganze Menge Mysterien bereit, aber man muss halt mal genauer hinschauen.
Knud Jahnke 1:56:23
Man muss genauer hinschauen, wir tun's und wir sind jetzt alle sehr sehr froh,dass es so wirkt, als ob wir wirklich in wenigen Wochen die ersten und wenn wir die ersten haben,die zweiten und dritten und vierten Datenpunkte am Himmel sehen können und danngeht es wirklich mit zehn Quadratgrad am Himmel pro Tag voran und es wird eineDatenflut auf uns und auf die Welt einstürzen.Die dann auch wieder interessante Herausforderungen bedeuten wird,aber in einer sehr positiven Art.
Tim Pritlove 1:56:52
Sehr schön. Gut. Vielen Dank für die Ausführungen. Gerne.Ja und vielen Dank fürs zuhören. Das war's heute von Raumzeit,auch endlich wieder Raumfahrt und damit geht's dann auch bald wieder weiter.Ja und bis dahin sag ich vielen Dank fürs dabei sein und wir hören uns baldwieder. Tschüss und bis bald.

Shownotes

RZ116 CERN: LHCb

Der LHCb-Detektor am CERN versucht Widersprüche des Universums zu klären

Eines der Rätsel der Kosmologie ist das Verhältnis von Materie zu Anti-Materie und warum es im Weltall mehr Materie als Anti-Materie gibt. Und man weiß, dass das Standardmodell der Physik zwar für unsere üblichen Energiebereiche gilt aber in der Dimension des Universums nicht alles erklärt. Um diese Widersprüche aufzudecken hat das CERN mit dem LHCB einen Detektor im Betrieb, der diese Grenzen der Physik ausloten und neue Erkenntnisse liefern soll.

Dauer:
Aufnahme:

Patrick Koppenburg
Patrick Koppenburg

Patrick Koppenburg ist Operations Coordinator and Physics Coordinator beim LHCb-Experiment. Wir sprechen über Hintergrund und Technik des Detektors, welche Unklarheiten beim Verständnis der Physik hier ausgeräumt werden soll und welche Hoffnungen für die Langzeitergebnisse bestehen.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:34
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast für Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten. Und ich begrüße alle zur 116.Sendung von Raumzeit und ja, ich befinde mich nach wie vor in der Schweiz amCERN und das hier ist damit dann auch die sechste und letzte,vorerst letzte Sendung zum Gesamtthema CERN.Und nachdem ich hier zu Beginn schon die Geschichte des CERN ausgeleuchtet habeund die Aufgabenstellung,die sich hier die Wissenschaft stellt und wir den Beschleunigerring genaueranalysiert haben und auch schon diverse Detektoren untersucht haben,nämlich ALICE, CMS und ATLAS, fehlt noch einer, nämlich der LHCB,das ist jetzt das Thema und dafür begrüße ich Patrick Koppenburg.Hallo, herzlich willkommen bei Raumzeit.Patrick, du bist Operations- und Physik-Koordinator.Das heißt du koordinierst sowohl die Organisation als auch die Physik.Die gehorcht sozusagen deinen Regeln, wenn ich das hier richtig interpretiere.
Patrick Koppenburg 0:01:44
Das habe ich gemacht, ich war Operations Coordinator, da habe ich mich darumgekümmert, dass die Daten vom Detektor bis zum Endbenutzer, das sind die Doktoranden meistens,die dann die Analysen machen, dass die da richtig kommen und rechtzeitig unddass alles gut läuft und wir auf dem Weg nichts verlieren.Und dann wurde ich Physik-Koordinator und da setzen man Prioritäten,welche Analysen kommen zuerst dran, welche Dissertationen von diesen Doktorandenwerden dann auch zu Publikationen vom ganzen Experiment.Und jetzt inzwischen koordiniere ich das Analyseprogramm, also ich bin im Software.Wir schreiben das Analyseprogramm völlig neu für den Endbenutzer,für die letzten Daten, die wir jetzt so langsam bekommen vom LAC.Wir haben den Detektor völlig umgebaut und dann müssen wir natürlich auch dasSoftware völlig umbauen.
Tim Pritlove 0:02:40
Ok, auch über die Software können wir vielleicht mal ein bisschen ausführlicherreden, das hatten wir bisher hier noch nicht so im Fokus.Es würde mich natürlich erst mal interessieren, wie du überhaupt zu dem Themagekommen bist, wie du deinen Einstieg in die Wissenschaft gefunden hast undletzten Endes am CERN gelandet bist.
Patrick Koppenburg 0:02:59
Ich habe in Lausanne, nicht weit von hier, Physik studiert.
Tim Pritlove 0:03:03
Andere Seite vom See sozusagen?
Patrick Koppenburg 0:03:05
Ja, so ungefähr. Am Anfang war ich mehr für Astronomie interessiert und darumhabe ich mich eher in der Psyche eingestellt.Uni eingeschrieben und nicht in der Technischen Hochschule, die auf der anderenSeite von der Straße liegt. Denn die Astronomie war an der Uni.Aber dann waren die Vorlesungen ziemlich langweilig von den Astronomen.Die haben uns wahrscheinlich die falschen geschickt.Denn zum Beispiel der Major, der Nobelpreisträger, der wäre auch einer davongewesen. Der hat in Genf unterrichtet.Das ist die gleiche Gruppe. Aber die entscheiden, wer geht nach Lausanne, wer geht nach Genf.Und irgendwann habe ich dann entdeckt, dass Teilchenphysik ganz interessant ist.Ich wusste eigentlich als Erstjahrstudent überhaupt nichts über CERN.Das war überhaupt kein Thema, obwohl ich 60 Kilometer von CERN entfernt gewohnthabe. Das war überhaupt kein Thema in der Schule.Und da lief auch nicht viel zu der Zeit.
Tim Pritlove 0:04:10
Von welchem Zeitraum reden wir da?
Patrick Koppenburg 0:04:12
Da sind wir in den 90er Jahren. Ja gut, da war Lab am, nee das war vor den 90er,das war gerade als Lab startete.Und irgendwie habe ich das verpasst und CERN habe ich dann entdeckt als Physikstudent.Also ich war nicht von der Teilchenphysik angezogen, sondern von der Astronomie.Und dann bin ich zur Teilchenphysik und da war das neue Experiment,das neue Projekt, das wir starteten, war LACB.Also da habe ich als Doktorand 1996 angefangen.Das war dann zwölf Jahre bevor das Experiment überhaupt die ersten Daten bekam.Wir waren da am optimieren und tüfteln welche Detektoren, wie wir den Detektorbauen und simulieren, alles mögliche.Ich war einer von den ersten Doktoranden auf diesem Experiment,habe natürlich überhaupt keine Daten gesehen, darum bin ich dann nach meinerDissertation so schnell wie möglich weg, nach Japan, zum Bell Experiment,das ähnliche Physik macht.Und das war da am Laufen, aber dann bin ich nach zwei Jahren wieder zurück zumCERN und seitdem bin ich hier.Manchmal in London, manchmal in Amsterdam, aber immer mit dem LACB Experiment.
Tim Pritlove 0:05:37
Na dann wirst du ja einiges zu berichten haben und hast die ganze Geschichteim Prinzip mitverfolgen können von Anfang an.Jetzt haben wir ja, das kam jetzt hier in der letzten Sendung natürlich klardurch und ich habe es ja auch schon erwähnt,wir sind am Zerren, wir haben hier diese Beschleunigungsringe,diese ganze Kaskade, diese Kette von einzelnen Beschleunigern,die sich gegenseitig die Teilchen hinein beschleunigen und jeder Ring gibt immerwieder was dazu und der große Ring,der LHC, der Large Hadron Collider, der hat eben diese Besonderheit,dass er eben, also hat viele Besonderheiten, aber unter anderem halt die,dass eben diese vier großen Detektorsysteme, die vollständig unabhängig voneinanderarbeiten da sind und während CMS und Atlas eben eine,mehr so ein Pärchen sind, um sich gegenseitig kontrollieren zu können für sodie Hauptaufgaben, die man beim Design des LHC gesehen hat.Alice halt sozusagen nochmal nebenan und schaut auf die Bleikerne,die dort vorbeifliegen.Und jetzt gibt es halt noch diesen vierten, den LHC-B, der halt so den LargeHadron Collider nochmal so im Namen trägt, plus das kleine B.Und was macht jetzt dieses B und warum braucht es diesen LHC-B Detektor?Was ist das Ziel dieses Detektors?Warum wurde der überhaupt noch mit dazu gebaut? Was will man hier herausfinden?
Patrick Koppenburg 0:07:08
Also die zwei großen, Atlas und CMS, die suchen neue Teilchen.Die wurden optimiert, dass sie den Higgs finden können. Das haben sie auch gemacht.Jetzt suchen sie auch nach anderen Teilchen. Wir haben da ein anderes Programm.Wir studieren CP-Verletzung. Das ist der Unterschied zwischen Materie und Antimaterie.Und für die Leute, die das Podcast folgen, werden ja wohl wissen,dass wir da ein Problem haben in der Kosmologie, dass wir ein Universum haben, das aus Materie ist.
Tim Pritlove 0:07:42
Ich weiß nicht, ob das alle wissen. Erzähl mal, was das Problem ist.
Patrick Koppenburg 0:07:44
Das Problem ist, wir haben ein Universum aus Materie, aus Atomen.Und Antimaterie, das sind die gleichen, dasselbe, andersrum,mit einer anderen elektrischen Ladung.Und das gibt es auch, das kann man produzieren, aber man findet es in der Natur nicht.Und dann muss man ja erklären, wie es möglich war am Anfang im Big Bang,dass diese ganze Energie, die da war,die sich normalerweise von den physikalischen Gesetzen in eine Hälfte in Materieund die andere Hälfte in Antimaterie formen sollten, das dann nur Materie produziert hat. Und das geht.Da hat Sakharov, der Friedensnobelpreisträger, aber auch Physiker,hat erklärt, was man genau braucht. Und ein von den drei Ingredienten ist diese CP-Verletzung.Das heißt, man braucht fundamentale Unterschiede in den physikalischen Gesetzenzwischen Materie und Antimaterie.Das heißt, ein Prozess, das in der Materie passiert würde, würde in der Antimaterieleicht anders passieren.Das gibt es, das haben wir.Vor über 50 Jahren wurde das entdeckt. Das war ein bisschen eine Überraschung.
Tim Pritlove 0:09:11
Dass es einen Unterschied gibt?
Patrick Koppenburg 0:09:12
Dass es einen Unterschied gibt, denn zuerst dachte man, die Physik ist völligsymmetrisch zwischen Materie und Antimaterie.Dann wurde entdeckt, dass das nicht der Fall ist.Die schwache Wechselwirkung sieht da Unterschiede. Aber diese Unterschiede,die hat man gemessen und die sind viel zu klein.
Tim Pritlove 0:09:37
Um relevant sein zu können.
Patrick Koppenburg 0:09:39
Damit kann man nicht erklären, warum wir überhaupt da sind.
Tim Pritlove 0:09:44
Aber was für Unterschiede hat man denn gefunden? Was ist denn anders?
Patrick Koppenburg 0:09:48
Ja, was anders ist, das sind die Unterschiede, die wir messen.Wir nehmen Teilchen, bei uns, wir sind am besten mit B-Mesonen,da kommt das B her. Das sind Teilchen, wo in denen ein B-Quark ist. Es gibt sechs Quarks.Die zwei leichtesten machen die Protonen und Neutronen, die wir alle kennen.Und dann hat es noch vier, die schwerer sind.Strange, Charm, Beauty und Top.Und wir sind optimiert für das Beauty, denn das ist der Quark,wo die CP-Verletzung am stärksten ist.
Tim Pritlove 0:10:29
Wann wurde denn aus dem...B Quark, was ja ursprünglich eigentlich Bottom Quark heißt und ja auch so noch dokumentiert ist.Das Beauty, ist das jetzt sozusagen die Korrektur einer schlechten Namensgebung?
Patrick Koppenburg 0:10:44
Das ist ein lustig vom soziologischen Punkt.Wir nennen das Beauty, wir nennen uns selber LAC Beauty.Atlas und CMS, die würden von Bottom reden.Als die Quarks benannt wurden, gab es die zwei Möglichkeiten für das letztePärchen, Top und Bottom oder Truth und Beauty.Niemand redet von Truth. Also das T-Quark, das ist klar Top,aber die Physiker, die das B-Quark studieren, die nennen es Beauty, die meisten.Die, die es benutzen, um was anderes zu machen, typisch bei Atlas und CMS,die werden es eher Bottom nennen. Also bei uns ist es eher Beauty und ich werdewahrscheinlich Beauty sagen, aber im Grunde genommen ist es egal.Zwei Namen für dasselbe Ding.
Tim Pritlove 0:11:38
Also mit der Namensgebung in der Wissenschaft oder speziell in der Physik istes schon ein Problem. Da müsste man mal was machen.Okay, im Zweifelsfall sagen wir einfach nur B.Dieses Standardmodell ist ja schwierig zu verstehen. Oder generell dieser ganze Teilchen zu,also was heißt schwierig zu verstehen, man kann sich das natürlich irgendwieanschauen und dann hat man etwa eine Vorstellung, die ganze Mathematik nachzuvollziehen,glaube ich entzieht sich den meisten Leuten, die jetzt nicht Physik studiert haben.Aber ich glaube es ist generell ganz gut das halt irgendwie immer so ein bisscheneinsortieren zu können. Haben wir hier in den letzten Sendungen ja auch schon probiert.Aber vielleicht kann man, würde ich auch gerne nochmal von dir mal so hören,deine Meinung dieses Ding mit diesen Generationen.Also Standardmodell haben wir ja erstmal so zwei grundsätzliche Aufspaltungen,dass man die Leptonen, also wo die Elektronen.Dazugehören Und Hadronen sozusagen voneinander trennt und Hadronen sind haltdie Quarks vor allem und all diese beiden Dinge gibt es halt so in so einerdreifachen Ausführung.Das heißt man hat festgestellt, okay es gibt Quarks und es gibt irgendwie Leptonenund irgendwie gibt es die aber mehrfach in verschiedenen Massen.Also dasselbe, was sich exakt genauso verhält, bloß ist es auf einmal schwererund zwar extrem viel schwerer und dann noch mal extrem viel schwerer.Gibt es denn schon irgendeine Erklärung dafür, warum das so ist?Oder wozu das gut sein soll?
Patrick Koppenburg 0:13:19
Also eine Erklärung warum das so ist, das weiß ich nicht und ich glaube das weiß auch niemand.Wir bestehen aus Up- und Downquarks und Elektronen, das ist alles die ersteGeneration. Die zweite braucht man nicht.Jede Sekunde fliegt ein Myon durch unser Körper, das ist dann die zweite Generation.Aber das ist auch das Einzige, das wir mit der zweiten Generation zu tun haben auf diesem Planeten.Die alles andere muss man in Beschleuniger produzieren und studieren.Wozu das gut ist, das wissen wir,denn es wurde 1973 von Kobayashi und Maskawa,Die hatten da diese komische Idee, dass man im Standardmodell überhaupt CP-Verletzunghaben kann, also diesen Unterschied zwischen Quarks und Anti-Quarks,muss es drei Generationen haben.Am Anfang, die haben das postuliert, 1973, da kannte man drei Quarks,war gar nicht sicher, ob das überhaupt Quarks sind oder ob das nur so ein mathematisches Modell ist.Und das vierte Quark, Charm, also immer noch in der zweiten Generation,das wurde dann ein Jahr später entdeckt.Aber irgendwie wussten die schon über das Charm-Quark und haben dann gedacht,ja kann man CP-Verletzung mit vier Quarks überhaupt machen?Und nein, das verschwindet immer aus den Gleichungen raus.Man muss diese dritte Generation haben und dann gibt es etwas,was man nicht mehr rauskriegt. und.Und dass dann die ganzen Unterschiede, die wir kennen zwischen Materie und Antimaterie,dass diese einzige Zahl erklärt, alle unsere Messungen.
Tim Pritlove 0:15:14
Was heißt denn jetzt CP Verletzung? Was ist denn das C und das P?Was wird denn da verletzt? Ist das eine goldene Regel oder ein Gesetz?
Patrick Koppenburg 0:15:23
Wir reden von Verletzungen jedes mal, wenn wir der Meinung sind,dass es eine Symmetrie gibt, die universal sein sollte und dann merken wir, dass das nicht stimmt.Eigentlich sind wir verletzt.Das C, das ist für Charge, also alle elektrischen Ladungen werden verkehrt.Also die Elektronen werden positiv und die Protonen werden negativ. Das ist einfach.Das P, das ist Parität, das ist die Welt wie man sie in einem Spiegel sieht.Und das brauchen wir, weil man wusste schon lange,dass diese Spiegelreflexion, dass es da einen Unterschied gibt zwischen in derschwachen Wechselwirkung,also in den typischen Beta-Zerfällen von Atomen.Wenn man sich so ein Beta-Zerfall anschaut und dann ein Spiegelbild,dann kann man wissen, welches das Spiegelbild ist.Das kann man normalerweise In der Physik nicht. Wenn ich ein Billiardspiel anschaueund das im Spiegel ansehe, dann habe ich überhaupt keine Ahnung,welches jetzt im Spiegel ist.
Tim Pritlove 0:16:42
Was ist das Original?
Patrick Koppenburg 0:16:43
Was ist das Original, ja.
Tim Pritlove 0:16:47
Aber bei Antimaterie geht das?
Patrick Koppenburg 0:16:48
Ja, das geht mit dem Beta-Zerfällen, also mit der Radioaktivität.Da sieht man es gut zwischen Materie und Materie im Spiegel,da habe ich dann einen grossen Unterschied.Aber jetzt wird es ein Gedankenexperiment. Wenn ich jetzt ein Antiatom habeund schaue, wie er radioaktiv zerfällt Und das schaue ich mir dann im Spiegelan, dann kann ich das jetzt nicht mehr von einem normalen Materiezufall unterscheiden.Das ist C und P gleichzeitig. Und das ist der Weg von Materie zu Antimaterie eigentlich.Antimaterie sind alle Ladungen umgekehrt, aber auch rechts und links sind auch ausgetauscht.Und das dachte man, okay, das ist ein fundamentaler Symmetrie,der vom Universum alles respektiert, alles gut und dann wurde in den 60er Jahrengefunden, dass das nicht der Fall ist.Das war dann mit Zerfällen von Strange Quarks,wo es ganz ganz kleine Unterschiede gab und das war dann eigentlich in der Geschichtevon Teilchenphysik war das so eine Sorte von Krise,Denn es war überhaupt nicht möglich, dass man das überhaupt nicht mal parametrisierenkonnte mit den Modellen, die man damals hatte. Das geht einfach nicht.Und dann kamen dann Kobayashi und Maskawa und haben dann einfach postuliert,dass es dann zwei Quarks gibt, die viel zu schwer sind, um überhaupt entdecktzu werden und die das erklären.Der Beautyquark wurde dann Ende 70er Jahren entdeckt und für den Topquark,der ist so unheimlich schwer, da braucht es dann Tevatron in den 90er Jahren, um so weit zu kommen.
Tim Pritlove 0:18:43
Das heißt entdeckt hat man nicht jetzt auf der Straße gefunden,sondern in Beschleunigerringen entsprechend detektiert, aber nicht am CERN,sondern in, was war das jetzt in den USA? Ja das war in den USA, ja.
Patrick Koppenburg 0:18:55
Beide? Ja, beide. Es gibt so eine komische Situation, dass alle Quarks und Leptonenin Amerika entdeckt wurden.Und dann die Bosonen, die fanden Wechselwirkungen, Z, W und X, alle in Europa.
Tim Pritlove 0:19:21
Vielleicht auch irgendeine Art von Verletzung, die man mal genauer untersuchen sollte.Okay, also wenn ich das mal kurz zusammenfassen darf, wenn man sich das Standardmodellanschaut und dann eben spezifisch dieses Problem, dass irgendwie all diese ganzeMaterie und dann das ganze Standardmodell.Wir wissen das gibt's halt auch in gespiegelter Form, das taucht aber so jetztin unserem Alltag nicht auf, alles was uns umgibt ist halt irgendwie Materie,aber Antimaterie lässt sich auf jeden Fall erzeugen und sie ist auch irgendwieim Weltall schon auch da oder nicht?Also ist es generell einfach immer nur so ein temporäres Produkt aus Prozessenund dann war's das auch schon wieder und es verpufft und man stellt sich jetztsozusagen die Frage warum verpufft es beziehungsweise warum gibt's das überhaupt?
Patrick Koppenburg 0:20:08
Also man kann es produzieren. Aus reiner Energie kann ich ein Paar mit einemElektronen und einem Positronen produzieren. Das geht ziemlich gut.Aber dann der Positron, der ist eigentlich stabil, könnte entlang leben.Aber sobald er einen Elektron findet, und da gibt es ja viele davon in der Umgebung,dann gibt es eine Annihilation und ich kriege wieder zwei Photonen raus.Und das ist mit der ganzen Antimaterie so, dass die Schwierigkeit ist,sie zu behalten, so lange wie möglich.Es gibt ein Experiment am CERN, am Antimatter Decelerator,das AD-Experiment, Die produzieren Anti-Atome,aber da die Schwierigkeit ist, dass man die im Vakuum so lang wie möglich behaltenmuss und die müssen so weit weg wie möglich von jeglicher Maclary sein, sonst sind sie weg.Und im Universum ist das ähnlich, die werden wahrscheinlich auch produziert,es gibt ja auch Hochenergie-Kollisionen im Universum,aber die verschwinden wieder und das AMS-Experiment, das im Weltall ist,Das hat auch nach Anti-Atomen gesucht und findet,Keine oder kaum.
Tim Pritlove 0:21:25
Das Alpha Magnet Spektrometer auf der ISS, was im Prinzip so der Beschleunigerringohne Ring ist. Da nimmt man einfach das, was sowieso schon beschleunigt istund versucht dieselben Analysen.Okay, also das sind sozusagen die Rätsel, weil man möchte das natürlich verstehen.Man weiß, es gibt die Antimateria, aber man weiß nicht warum und wozu und warumes sich dann auch noch anders verhält,noch mal besonders und dieses Beauty-Quark ist so ein bisschen der mathematischeSchlüssel, um sich das überhaupt alles mathematisch herleiten zu können,daraus eine brauchbare Theorie abzuleiten.Und diese Fragestellung an sich jetzt, die ist sozusagen wichtig.Also das ist etwas, das will man einfach verstehen, weil es eben wie so vieleandere Dinge hier am CERN, ich meine es ist ja einfach mal ein Ort der Grundlagenforschung,man will halt alles verstehen. Man kann jetzt nicht einfach so,man könnte ja auch sagen, Antimaterie, was kümmert mich das?Die ist ja sowieso immer gleich wieder weg.So betrifft mich ja nicht groß. So einfach macht man es sich dann nicht,sondern man will natürlich schauen, ist das vielleicht in gewisser Hinsichtder Schlüssel zu noch was ganz anderem und man weiß es ja nicht.Also baut man sich einen Detektor, um was genau zu detektieren,diese Beauty-Quarks, das heißt auch hier konsumiert man den Teilchenstrom undschaut spezifisch nur auf dieses eine Quark, wenn es denn in so einer Kollision entsteht.
Patrick Koppenburg 0:22:56
Ja, hauptsächlich diese Quarks. Wir machen auch ein bisschen Physik mit anderenQuarks, aber das ist das Hauptthema.
Tim Pritlove 0:23:01
Aber warum schaut man sich dann, also man meint ja okay, das spielt jetzt sozusagenin dieser Mathematik eine Rolleund das heißt, man will dann genauer verstehen, was es tut, kann, macht?
Patrick Koppenburg 0:23:13
Da schaut man sich die Teilchen an, in denen ein B-Quark ist.Denn B-Quarks kann man nicht allein produzieren. Das ist ...Das Hauptproblem, es wäre fantastisch, wenn man es direkt studieren könnte,aber die Quarks sind immer in Pärchen oder in Dreiergruppen wie Protonen undNeutronen, also schauen wir uns die Teilchen an, in denen es einen B-Quark hatund dann noch ein anderer Quark.Und diese B-Quarks, die leben ziemlich kurz, so ein Millionstel von MillionstelSekunden, wir sind in 10 Tau hoch, minus zwölf.Und dann zerfallen sie und wir schauen uns an, wie sie zerfallen.Und spezifisch schauen wir uns an, ob die B-Quarks und die Anti-B-Quarks ähnlich zerfallen.Und ähnlich oft. Und das ist eigentlich der Schlüssel, um herauszufinden,wie viel CP Verletzung es hat in den Experimenten, die wir machen.Eine ganz große Liste von Zerfallsmöglichkeiten, die wir uns anschauen.Und dann messen wir den Unterschied zwischen Bequarks und Anti-Bequarks undversuchen zu verstehen, woher diese Unterschiede kommen und besonders,ob die mit der Vorhersage vom Standardmodell passen oder nicht.Und bis jetzt passen sie.Das ist natürlich nicht das, was ich gehofft habe.Aber es passt ganz gut. Das heißt, dass diese einzige Zahl von Kobayashi undMaskawa das alles erklärt und das heißt, das Problem haben wir immer noch mitder Antimaterie vom Universum.Was wir gehofft hatten ist, dass wir dann irgendwelche Unterschiede sehen unddass es dann kleine Unterschiede zwischen der Vorhersage und der Messung gibt,die dann mit anderen Parametern und anderer Physik erklärt werden müssen.
Tim Pritlove 0:25:18
So wie muss man denn dem ganzen technisch auf den Pelz rücken?Also wenn man jetzt, also ich meine man muss ja jetzt erstmal eine Kollisionbeobachten bei dem jetzt diese Beauty Quarks entstehen.Das tun sie wahrscheinlich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit,die vielleicht nicht so hoch ist, aber ausreichend, damit man halt auch nie was sieht.Ähnelt jetzt sozusagen dieser Detektor den anderen oder muss man hier aus irgendwelchenGründen ganz anders herangehen?
Patrick Koppenburg 0:25:55
Ja wir gehen ganz anders heran. Aus mehreren Gründen, aber der Hauptgrund ist,dass der B-Quark ziemlich leicht ist.Wir reden da von 5 GeV, das ist fünfmal eine Protonenmasse.Der Higgs ist auf 125 und das ist ein großer Unterschied in so einer Kollision von Protonen,wenn man ein schweres Teilchen produziert, dann kann es überall hingehen,in alle möglichen Richtungen.Die leichten Teilchen, die werden meistens bleiben sie in der Nähe von dem Strahlenund gehen dann seltener zur Decke hoch.Und da ist es dann interessanter, dass wir uns nur die Gegend anschauen,die um den LHC Strahl ist.Also wir haben da einen Detektor, das sieht mehr wie eine Pyramide aus,eine ziemlich steile Pyramide, horizontale.Und wir schauen uns an, was nach vorne geht. Wir könnten uns auch anschauen,was nach hinten geht, in die andere Richtung.Aber dafür haben wir einfach nicht genug Platz.Also wir haben entschieden, gut, die Hälfte der Daten, alles was in die falscheRichtung geht, das ist verloren.Wir schauen uns ganz genau an, was in die Richtung von Atlas eigentlich,dass alles was auf diese Seite geht, dass wir uns das ganz genau anschauen.Das hat einen anderen Vorteil, dass wir da in dieser Richtung schauen,ist dass wir müssen diese Bequaks identifizieren und der Schlüssel ist,dass sie eine Lebensdauer haben, die sehr kurz ist, aber nicht null.Und das können wir auflösen.Wenn sie ganz ganz schnell sind, wenn sie noch hohen Momentum haben,dann fliegen die so ungefähr einen Zentimeter.Das ist so die Größenordnung, die wir haben. Und das können wir mit unserem Detektor auflösen.Das ist für Atlas und CMS, die versuchen auch diese Physik zu machen,das ist nicht deren Hauptthema, aber die haben auch Gruppen,die das machen, ist das schwieriger, weil die haben ja ihre Detektoren,die weiter weg sind von Prognosen.Wir können ganz ganz nah ran.
Tim Pritlove 0:28:05
Also wie groß muss man sich den ganzen Aufbau so vorstellen?Vielleicht können wir uns mal von den Dimensionen ein bisschen annähern.
Patrick Koppenburg 0:28:11
Ja, also das Experiment ist so ungefähr 20 Meter lang und wir sind da in einergroßen Höhle und durch die Höhle geht der LAC Strahl.Aber der Kollisionspunkt ist auf der Seite von der Höhle. Also eigentlich gerade da, wo sie endet.Und dann eine Seite, wie gesagt, da geht es dann in die Mauer oder in den Tunnel vom LAC.Und die andere Seite geht dann in unsere LACB-Höhle rein. Und da haben wir einenDetektor, der ist 20 Meter lang und am anderen Ende dann so bis zu 10 Meter hoch.Um den Kollisionspunkt haben wir einen Vertex-Detektor. Das ist ein Detektor,in dem wir die Zerfallspunkte, das ist dieser Vertex, so genau wie möglich auflösen wollen.Zuerst an den Primär, den Kollisionspunkt von den zwei Protonen.Und dann fliegt dieses B-Quark ein Zentimeter oder so, zerfällt in andere Teilchenund diese anderen Teilchen werden dann entdeckt.Und dann können wir uns ausrechnen, wo genau dieser Zerfall war.
Tim Pritlove 0:29:25
Das heißt, der Detektor detektiert jetzt das B-Quark selbst eigentlich nicht unmittelbar,sondern man schaut einfach nur aufdie Zerfallsprodukte, die eben diese Selbstauslöschung quasi hervorbringt.Das ist ja hier immer ein wiederkehrendes Thema, dass einfach bestimmte Teilchensind dann einfach nicht stabil oder zumindest nicht besonders lange und dannteilen sie sich eben in andere Teilchen auf,aber das ist so ein spezifischer Fingerabdruck, den man dann einfach soforterkennen kann, dass man sagt, okay alles klar, das war mal wieder eins.Wobei es könnte ja auch sein, dass mal eins kommt, was sich irgendwie in andereBestandteile aufteilt oder ist das nicht?
Patrick Koppenburg 0:30:05
Ja, die möglichen Zerfälle von Beegwarks sind unendlich lang.Da hat man eine ganze Liste, Seiten und Seiten von möglichen Zerfällen und wirinteressieren uns eigentlich auch für die seltensten,die man in einem von einer Million oder sogar seltener Beegwarks hat.
Tim Pritlove 0:30:32
So exotisches Zeug.
Patrick Koppenburg 0:30:35
Ja exotisches Zeug. Aber das wird dann später gemacht,dann schauen wir uns die Falzprodukte an und versuchen sie zu kombinieren undwenn das ein BMW-Sohn ergibt, dann haben wir einen Kandidaten und wenn nicht,dann schmeißen wir ihn weg.
Tim Pritlove 0:30:51
Das heißt der ganze technische Aufbau ist jetzt nicht so brutal groß wie dasjetzt bei CMS oder Atlas ist. Kennt man ja alle die Bilder. Irgendwie riesigerRing mitten in der Erde, irgendwie 20 Meter hoch.Hier gibt es auch 20 Meter, aber es geht mehr so in die Länge.Und was war das? 10 Meter hoch?Diese Pyramidenstruktur, also dass man sozusagen so einen Schusskanal,der sich da ergibt, so einen Verteilungskanal noch abgedeckt bekommt.Und ist dann aber die Detektortechnik jetzt selber, die diese Teilchen registriert,ist die dann wiederum vergleichbar mit dem, was in den anderen Detektoren gemachtwird? Kommen auch diese Siliziumfolien und so weiter zum Einsatz?
Patrick Koppenburg 0:31:31
Das ist sehr ähnlich, denn das ist von der Physik definiert.Wir müssen diese Teilchen finden, wir müssen ihr Momentum messen,das heißt wir brauchen ein magnetisches Feld Und dann brauchen wir Detektorenda drin, die die Spuren, die sie hinterlassen, messen.Und dann gibt es eine Serie von Detektoren, die dann teils spezifisch sind.Zuerst der elektromagnetische Kalorimeter, das ist für Elektronen und Photonen.Und nachdem hat es dann keine Elektronen und Photonen mehr, denn die haben sich da drin aufgelöst.Und dann kommen dann die Hadronen, Kaon und Pion, das sind die leichten Teilchenmit Quarks, mit leichten Quarks. Und dann am Ende haben wir die Myonen.Und diese Reihenfolge ist in allen Detektoren dieselbe.Da wo wir einen kleinen Unterschied haben, ist unser magnetisches Feld ziemlicheinfach. Wir haben einen Dipol, also das ist alles was eine elektrische Ladunghat, geht links und die andere Ladung geht rechts.Und dann ab und zu, jeden Monat oder so, wechseln wir das magnetische Feld und dann wird es umgekehrt.Und dann haben wir noch Cherenkov Detektoren, mit denen wir die Teilchen gut unterscheiden können.Denn da messen wir eigentlich deren Masse. Also da können wir Pionen und Kaonenund von Protonen unterscheiden. Die.Die sind für die meisten Detektoren, ATLAS und CMS, die sehen absolut identisch aus.Bei uns können wir die unterscheiden, indem wir einen Detektoren haben mit einemGas, mit einem schweren Gas.Und da fliegen diese Teilchen schneller als die Lichtgeschwindigkeit,nicht die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum, Lichtgeschwindigkeit im Gas und dasgibt dann so etwas ähnliches wie die Überschallgeschwindigkeit von einem Flugzeug,dass es dann ein Bumm gibt, ein Quantenbumm und das gibt dann Licht und diesesLicht messen wir und je nachdem in welche Richtung das Licht geht,wissen wir dann wie schnell das Teilchen war und von der Geschwindigkeit könnenwir dann die Masse ausrechnen.
Tim Pritlove 0:33:56
Das ist diese Tcherenkow Strahlung, was man ja auch in der Atmosphäre beobachten kann.Tcherenkow Teleskope nutzen ja genau diesen Effekt aus und schauen sich sozusagenan, ob es irgendwo mal kurz blau blitzt und wenn man dann gut genug hingeschauthat, dann weiß man Bescheid. Ja genau.
Patrick Koppenburg 0:34:11
Okay.
Tim Pritlove 0:34:12
Das heißt das ist so in der Kaskade dann sozusagen hinten angestellt nochmal.
Patrick Koppenburg 0:34:17
Wir haben zwei davon, einen am Anfang und einen anderen am Ende,auf jeder Seite vom Magneten. Das hat damit zu tun, dass wenn wir nur einenbauen würden, müsste er viel zu groß sein.Die inneren Teilchen werden am Ende entdeckt und die, die ein bisschen weitervom LHC Strahl sind, die kommen am Anfang an.
Tim Pritlove 0:34:44
Okay das heißt, das ist sozusagen das Setup und ich würde mal sagen von der Detektorkomplexität,der technischen her ist es überschaubar, weil man eigentlich so Standardtechnik,sag ich mal salopp, Also was halt in den anderen auch installiert ist,ohne gleich so einen großen Popanz zu machen mit irgendwie Riesenmagneten undso weiter, sondern man schaut halt nur in eine Richtung und man ist halt ebenauch sehr spezifisch auf dieses eine Teilchen fixiert bzw.Dann eben auf die Detektion der entsprechenden Ergebnisteilchen,ich weiß gar nicht wie man das nennt, also das Resultat der Auflösung diesesTeilchens sich darauf konzentriert.So und jetzt habt ihr natürlich dasselbe Problem wie alle anderen.Da fallen eine ganze Menge Daten an.Und jetzt muss man ja gucken was ist davon relevant und was ist nicht relevant.Welche Mengen an Kollisionen wird letzten Endes beobachtet?
Patrick Koppenburg 0:35:51
Also jetzt, wir hatten gerade ein Upgrade, um da die Datenmenge zu vergrößern.Da mussten wir einige Detektorteile ändern, denn die konnten da nicht mithalten.Und jetzt schreiben wir so ungefähr 10 Kilohertz, also 10.000 Kollisionen proSekunde von den ursprünglich 30 Millionen.Also das ist noch immerhin ein großer Faktor, den wir rausschmeißen.Aber das ist viel besser als das was wir vorher hatten. Da waren wir so auf1000 bis 2000 Kollisionen.Aber das bedeutet auch, dass wir kommen so langsam an die Grenze der Physik.Das heißt, wenn wir jetzt wenigerschreiben würden oder wenn wir die Kollisionsrate raufschrauben würden,Dann würden wir Signal rausschmeißen.Wir sind am Limit. Das heißt, was dann aus dem Detektor rausgeschrieben wird,das wird dann auch analysiert.Früher am Anfang, als wir kleinere Kollisionsraten hatten,da konnten wir noch ziemlich salopp entscheiden was wir behalten und was nichtund dann offline uns genau die Sachen anschauen und dann entscheiden was dannin die Endalyse geht und was nicht.Diesen Luxus haben wir jetzt nicht mehr. Jetzt müssen wir sofort entscheidenund das heißt innerhalb von Sekunden müssen wir entscheiden was wir schreiben und was nicht.
Tim Pritlove 0:37:34
Innerhalb von Sekunden oder innerhalb von Bruchteilen von Sekunden?
Patrick Koppenburg 0:37:38
Ja, das weder noch eigentlich. Wir haben da eine große Computerform,gerade neben dem Detektor und die machen die ganzen Berechnungen,um eben die Masse und die Position von diesen B-Zerfällen zu finden und aufgrunddieser Information wird dann entschieden.Das muss schnell passieren, denn sonst sammeln sich die Daten an und dann gibt es einen Stau.Wir haben aber auch Harddisks.Wir speichern die Daten. Wir machen eine erste einfache Selektion,dann speichern wir die Daten.Es kann nur ein paar Minuten sein, es kann aber auch bis zu einer Woche gehenund während dieser Zeit machen wir dann die volle Kalibration vom Detektor,da schauen wir uns andere Prozesse an, von denen wir genau wissen,was wir erwarten sollen.Wenn sich ein Detektor verschoben hat,dann kann man das in der Software korrigieren. Man muss es aber wissen.Zuerst lauft man das und dann kommt die zweite Stufe und da wird wirklich die Endanalyse gemacht.Also die Endselektion und am Ende wird dann rausgeschrieben.Diese Idee, dass wir Harddisks benutzen und dass wir die Daten zwischenspeichern,das war noch eine komische Geschichte, denn ursprünglich haben wir ja einfachCPUs gekauft, wir wollten so viel wie möglich Rechenkraft.Und wenn man das bestellt bei den großen Computerfirmen, dann kommt immer einHarddisk mit, obwohl wir die gar nicht brauchen. Das ist ja nicht ein echterComputer, wo wir etwas speichern müssen.Und die rausschrauben, das wäre eine riesengroße Arbeit gewesen.Also haben wir einfach drin gelassen und irgendwann kam dann die Idee,warum brauchen wir die nicht?Könnten wir sie nicht brauchen, um irgendwelche Daten dazwischen zu speichern,damit wir dann auch diese Selektionlaufen lassen, während überhaupt keine Kollisionen passieren im LAC.Der LAC läuft so 10-20% der Zeit und während dem Rest der Zeit passiert nicht viel.Und da kann man diese Computer aber immer noch brauchen. Und damit maximierenwir eigentlich die Effizienz von unseren Computern und schreiben so viel Daten wie möglich raus.Im Endeffekt was definiert, wie viel wir rausschreiben, ist was wir dann offlinein den Zentren von den Universitäten speichern können.
Tim Pritlove 0:40:24
Nur um sich das mal vorstellen zu können, wie groß ist so die Datenmenge einereinzelnen Kollision, die man jetzt aufzeichnet?
Patrick Koppenburg 0:40:30
Was wir aufzeigen sind so ungefähr 100 Kilobyte.
Tim Pritlove 0:40:33
100 Kilobyte pro Minute.
Patrick Koppenburg 0:40:35
Das ist wenn man die ganze Kollision aufzeichnet. Was wir manchmal machen undeigentlich jetzt inzwischen auch meistens machen ist, dass wir nur die Teilchenrausschreiben, die uns wirklich interessieren.Das heißt, die B-Quarks und C- und C-Fall-Produkte.In so einer typischen Kollision, die Bequarks werden immer in Pärchen produziert,da hat es immer ein Bequark und ein Anti-Bequark.Normalerweise finden wir nur einen von beiden, manchmal haben wir Glück und finden beide.Und dann hat es noch ungefähr 100 leichte Teilchen, so Pionen,Karonen, Protonen, Neutronen, die wir überhaupt nicht sehen und so weiter.Und die interessieren uns ziemlich wenig und die können wir dann eigentlichschon am Anfang rausschmeißen.
Tim Pritlove 0:41:27
Das heißt man ist bei 10 KB und nicht bei 100.
Patrick Koppenburg 0:41:29
Ja und dann sind wir nicht mehr bei 100 KB aber bei weniger als 10 KB.Aber das muss man dann immer noch mal 10.000 machen und das ist eine Sekundeund so weiter. Am Ende ist man schnell in den Petabytes.
Tim Pritlove 0:41:46
Ja das ist ja generell eine Herausforderung das zu machen.Aber diese Entscheidung, was man jetzt nimmt und was man nicht nimmt,die muss ja dann auch irgendwie gefällt werden und die muss ja dann vor allemauch extrem schnell gefällt werden, wenn man jetzt 10.000,Messungen hat pro Ding, das heißt ja nicht nur 10.000 Kollisionen passieren,sondern nur bei 10.000 entscheidet man sich dafür sie zu speichern.Da sind ja noch ein paar. Wie viele Kollisionen schmeißt man weg und speichert sie nicht?
Patrick Koppenburg 0:42:17
Ja das sind ungefähr 30 Millionen pro Sekunde.
Tim Pritlove 0:42:21
Also der Großteil wird weg?
Patrick Koppenburg 0:42:23
Die meisten davon haben überhaupt keine B-Quarks drin.Also die kann man ziemlich einfach rausschmeißen und bei den anderen,da hat es dann immer noch B-Quarks, die da waren aber nicht gut genug aufgelöstwurden oder die einen Zerfall haben, die uns nicht interessiert oder irgendetwas.Insofern haben wir das Glück, dass wir genau wissen, was wir messen wollen.Und dann haben wir unsere Liste von Zerfallen, die wir speichern wollen unddann machen wir eine Messung.Das ist nicht so, als würden wir jetzt ein Teilchen suchen und eventuell findenwir es nicht, weil es dann systematisch rausgeschmissen wurde.Wir wissen, was wir messen und wir wissen, welche Zerfälle wir behalten wollenund dann messen wir einfach, wie viel davon wir hatten. und besonders wie vielvon Bequax und wie viel von Anti-Bequax.
Tim Pritlove 0:43:28
So, das heißt jetzt sammelt man so diese ganzen Daten und dann schaut man sichdas danach an und das war es dann eigentlich auch schon.Also ist da noch mehr Magie am Start oder ist das dann quasi schon das Endergebnis?Wie viel nimmt dann die Analyse dieser Daten ein?
Patrick Koppenburg 0:43:48
Ja dann die Analyse selber, da haben wir dann eine große Menge Analysegruppen.Wir sind ja ungefähr 1000 Physiker am Experiment.Und darunter haben wir eine ziemlich große Analysegruppe.Für uns ist groß vielleicht so 20, 30 Leute, die an einer wichtigen Analysearbeiten. Und wir haben auch kleine Gruppe, da sind typischerweise ein Doktorandund sein Professor oder Postdoc.Aber diese Analysen, die dauern dann auch oft ziemlich lang, jahrelang.Die Messung kann man ziemlich schnell machen, aber dann zum genau wissen,wie genau die Messung war und ob man alles verstanden hat, ob man alle Untergründeverstanden hat, das dauert dann eine gewisse Zeit.Und wir haben bis jetzt noch keine Analyse mit den neuesten Daten, die rauskommt.Die meisten Analysen, die wir haben, die Publikationen, die wir machen,das waren Daten bis 2018, denn 19, 20 bis 22 hatte der Detektor überhaupt,hatte der LEC eine Pause.Und aber wir haben immer noch auch Analysen, die Daten benutzen von 2011 und12 und die sich die 2015 bis 18 Daten noch überhaupt nicht angeschaut haben.Sie haben die erste Analyse noch nicht fertig.Normalerweise macht man die in der Reihenfolge. Manchmal auch in der verkehrten Reihenfolge.
Tim Pritlove 0:45:14
Ok, man geht ein bisschen hinterher.
Patrick Koppenburg 0:45:17
Das sind halt Präzisionsmessungen und wenn man da ganz kleine Effekte messen will,dann muss man da ganz genau hinschauen und ganz sicher sein,dass es nicht irgendwie so ein Parasit hat, Das ist etwas, an das man nichtgedacht hatte, das dann so aussieht wie sein Signal und das halt nicht Signal ist.Das ist überall in der Wissenschaft so und bei uns natürlich auch ein Problem,dass wir dann alles ganz genau verstehen müssen.
Tim Pritlove 0:45:51
So jetzt ist ja sozusagen das ausgerufene Ziel ist so CP Verletzungen in irgendeinerForm festzustellen und rauszufinden ob denn irgendwas ist.Aber jetzt hast du ja gesagt alles was bisher beobachtet wurde passt zu demStandardmodell bisher.Was genau müsste denn da passieren, um hier einen Ansatz zu finden für diese Erklärung?Was in diesem ganzen Kollisions-Dekonstruktions-Modell müsste dann anders sein?
Patrick Koppenburg 0:46:27
Wir messen mit immer größerer Genauigkeit diese CP-Verletzung.Wir hoffen immer, dass wenn unsere Genauigkeit besser wird, dass wir dann kleineUnterschiede finden, die bis jetzt noch nicht aufzulösen sind.Diese CP-Verletzung, die kommt ja alles von der schwachen Wechselwirkung.Also das ist ein Quark und aus diesem Quark kommt ein anderes Quark und dann ein W-Boson.Das ist der Vektor von der schwachen Wechselwirkung, das dann irgendwie zerfälltund in entweder Lepton oder dann andere Quarks.Was möglich wäre, ist, dass es andere Teilchen gibt, die da in diesem Spielauch mitmachen, die noch nicht entdeckt wurden.Eigentlich ein Weboson ist ein Faktor 20 schwerer als ein Bequark.Das ist überhaupt nur möglich dank Heisenberg und der Quantenmechanik,dass die überhaupt da mitspielen.Die entstehen für eine ganz kurze Zeit und dann verschwinden sie sofort wieder.Im Endeffekt wurde Energie behalten, aber im kürzeren Moment wird etwas produziert,das eigentlich schwerer ist als ein Bigfrog.Und da könnten wir auch noch viel schwerere Teilchen produzieren,die da mitspielen, die eventuell zu schwer sind für den LHC,dass sie in den direkten Kollisionen gar nicht gefunden werden könnten.Von Atlas und CMS. Und die würden dann unsere Messungen leicht ändern und jegenauer wir messen, desto schwerere Teilchen, können wir empfindlich sein für schwerere Teilchen.Je genauer wir werden, desto höher gehen wir in der Massenskala.
Tim Pritlove 0:48:27
Was ist denn jetzt so gefunden worden bisher? Also ich meine man hat vielleichtnicht unbedingt jetzt alles das gefunden,was man gerne finden möchte, aber so ist es halt nun mal mit der Wissenschaft,man kriegt das nicht alles immer so serviert, wie es bestellt wurde,aber trotz alledem dürfte ja aus den Daten auch schon eine ganze Menge Erkenntnissaftgemolken werden können.Was hat dieser Detektor alles herausfinden können bisher? Worauf weist du es hin?
Patrick Koppenburg 0:48:55
Ja, wir haben sehr viele Zerfälle entdeckt, die noch gar nicht bekannt waren,die dann mit mehr Daten dann auch wieder neue Studienobjekte werden.Am Anfang sieht man nur zwei oder drei und dann kann man sich ausrechnen,ja, in zehn Jahren habe ich dann genug, um eine neue Messung zu machen.Wir haben auch neue Teilchen entdeckt. Das sind Teilchen aus Quarks,also nicht fundamentale Teilchen.Besonders waren wir da groß in der Presse wegen der Entdeckung von Pentaquarks und Tetraquarks.Das ist eigentlich etwas, das wir gar nicht wirklich auf dem wissenschaftlichen Programm hatten.Das kam nur aus den Daten raus.Aus übrigens einer dieser CP Verletzungen Analyse. Da haben wir uns die Daten genau hingeschaut,nicht verstanden was da passiert in diesen Daten und da war dann ein Untergrund,da war dann dieser Pentaquark und diesen Zerfall konnten wir nur modellierenindem wir einen Pentaquark einbezogen haben.
Tim Pritlove 0:50:08
Penta S5?
Patrick Koppenburg 0:50:09
Trenta S5, das sind Objekte mit vier Quarks und einem Antiquark.Und wir haben auch Tetraquarks mit zwei Quarks und zwei Antiquarks.Irgendwann werden wir vielleicht Gruppen von sechs finden.Da hätten wir dann zwei Möglichkeiten, entweder drei und drei oder sechs Quarkin einem Päckchen oder sechs Antiquarks.Das sind die Möglichkeiten, die es gibt. Was uns das sagt, das ist keine neuePhysik, das ist, das erklärt uns wie die starke Wechselwirkung,die QCD, Quantenchromodynamik, wie das funktioniert.Und das ist das schwierige Thema in dieser ganzen Forschung,weil man da sehr schwierig, sehr schlecht Vorhersagen machen kann.
Tim Pritlove 0:51:07
Also ich hab bisher das so verstanden, dass die Quarks eigentlich und deswegenja auch diese Analogie mit der Farbe so in Dreierpärchen daher kommen.Und weil man eben drei hat und man Wissenschaft ja immer nach einfachen Analogien aussicht halten,dann sozusagen den Vergleich mit der Lichtmischung gemacht hat und dann ebensozusagen das Wort Farbe benutzt, um hier etwas auszudrücken,dass man hier so ein Ternäresystem hat eigentlich.Also was sozusagen aus drei Komponenten besteht.In dem Fall halt sozusagen diese Analogie zu rot, grün, blau,auch wenn es mit Farbe alles nichts zu tun hat.Und das ist sozusagen das Wirken dieser Quarks,die kombinieren sich halt und das klassische Beispiel ist halt die Protonenund die Neutronen in jedem Atomkern, die sich eben aus je drei Quarks, aber dann halt eben...Der eine und der andere Variante, also Up- und Down-Quark, sozusagen zusammensetzen.Und jetzt kommen Penta-Quarks um die Ecke und Tetra-Quarks und sagen so,ja nö, geht aber auch anders. Wie passt das jetzt zusammen?
Patrick Koppenburg 0:52:14
Ja das passt zusammen. Wir haben auch Mesonen, das sind Gruppen von zwei mitimmer einem Quark und einem Anti-Quark.Also da ist zum Beispiel Grün und Anti-Grün.Im Endeffekt will man immer farbneutral sein. Warbige Objekte gibt es nicht in der Natur.Ich kann Meson haben, Quark-Antiquark mit Grün und Antigrün, Resultat Null.Ich kann Proton haben mit Rot-Grün-Blau, Resultat ist Weiß, das geht auch.Und dann kann ich einen Tetraquark haben, das sind dann zwei Pärchen,also Grün-Antigrün und Rot-Antirot zum Beispiel, das geht auch.Und die Pentaquarks, die wären dann wie ein Proton und ein Meson zusammen,also grün, antigrün und dann noch grün, blau, rot und das gibt dann auch wieder weiß.
Tim Pritlove 0:53:07
Anti heißt doch jetzt Antimateria.
Patrick Koppenburg 0:53:09
Ja, ich habe da Antiquarks drin.
Tim Pritlove 0:53:11
Aber ich dachte die sind immer gleich wieder weg, wenn sie da sind.
Patrick Koppenburg 0:53:14
Die zerfallen sehr schnell.
Tim Pritlove 0:53:16
Also sozusagen sehr vorübergehende Zustände, die jetzt im Rahmen dieser Kollisionstattfinden. Es ist nicht so, dass jetzt auf einmal Fünfergruppen durch dasStandardmodell marodieren und alles durcheinander bringen?
Patrick Koppenburg 0:53:29
Nein, nein, nein. Also diese exotische Hadronen, wie man sie nennt,das sind, die leben ganz, ganz kurze Zeiten, so 10 hoch minus 23 Sekunden.Ich glaube, wir haben einen gefunden, der lebt zu 10 hoch minus 21.Das war dann schon Weltrekord.In der Lebensdauer, in der langen Lebensdauer. Die verschwinden sofort.Diese zwei Quarks und Antiquarks, die drehen umeinander rum und irgendwann sehensie, da ist da ja jemand und dann pups, dann gibt es eine Annihilation und diezerfallen in irgendetwas leichteres.
Tim Pritlove 0:54:12
Was kann denn jetzt sozusagen der Beitrag sein aus diesen Messungen,die meine LACB nimmt so für das weitere Verständnis der Physik und in welcheder Theoriewelten, die gerade so verfolgt werden, reicht das alles noch mit rein?Ist aus meiner Position auch ein bisschen schwer nachzuvollziehen.Wahrscheinlich generell ein bisschen schwer nachzuvollziehen,aber ich hab auf jeden Fall mit zu kauen.
Patrick Koppenburg 0:54:38
Also wir haben da, da müssen wir vielleicht mehrere Themen diskutieren.Zuerst mal die ganze Themengruppe über QCD.Alle diese Teilchen, die wir entdecken mit den Pentaquarks und Tetraquarks,aber es gibt auch Barion, also Dreierquarks,die wir entdeckt haben, Die erzählen uns etwas über QCD,über wie Quarks sich zusammenformen und welche Gruppen von Quarks überhauptmöglich sind, von der Natur aus erlaubt sind, auch wenn nur für sehr kurze Zeit und welche nicht.Und da wir mit QCD keine Vorhersagen machen können, weil alle Rechnungen sindhoffnungslos, Also QCD, Quanten Chromodynamik, also dieses Farbenmodell vondem wir gerade gesprochen haben.Ja, dieses Farbenmodell mit dem kann man sehr schnell sehr schwierig Vorhersagen machen.Brauchen wir Daten die dieses Modell verbessern, man kann nicht von den Grundprinzipien,vom Standardmodell, Von den Gleichungen kann man nichts ausrechnen,aber man kann das modellisieren, was...Aufgrund von Messungen, die gemacht wurden. Je mehr Messungen wir machen,desto besser versteht man das.Es gibt auch dann verschiedene Techniken, diese Berechnungen zu machen,die man dann auch darauf eichen kann und bessere Vorhersagen machen.Und das ist wichtig, um die CP-Verletzung zu verstehen und um seltene Zerfälle,da komme ich dann noch drauf, zu verstehen.Aber auch für Forschungen von Atlas und CMS und Alice.Wir haben alle das Problem, wir haben Protonen, die eine Kollision machen. Das sind Quarks.Da hat es diese Farben und diese Gluonen, die zusammenbinden.Und da muss man dann immer genau verstehen, was, wenn wir etwas messen,was ist ja jetzt die Physik, die uns interessiert?Und was ist eigentlich nur das dreckige QCD, das man nicht richtig verstehenkann und das eigentlich ziemlich uninteressant ist, weil es sehr auf sehr tiefe Energien ist.Da hat es immer diese Suppe mit leichten Quarks und leichten Gluonen,die man berücksichtigen muss, aber die man nicht wirklich beschreiben kann mathematisch.Und daher machen wir auch Messungen in dem Sektor, um das besser zu modellieren.Dann haben wir noch ein großes Programm, um eben diese neue Teilchen,neue Physik zu finden, die eventuell von den anderen Experimenten nicht sichtbarist, weil es einfach zu hoch in Energie ist, in Masse.Und die über Quanteneffekten in den Zerfällen von den B-Mesonen auftauchen.Und bis jetzt hatten wir...Regelmäßig haben wir da einige Messungen, wo man dann Augen öffnet,oh da ist etwas, da könnte etwas sein und dann messen wir genauer und dann verschwindet es wieder.Also bis jetzt haben wir nichts, wo wir klar sagen können, oh da ist neue Physik.Aber wir gehen immer näher dran und wir sind aber noch ziemlich weit von derAuflösung, von der ultimativen Auslösung vom Detektor und auch vom Standardmodell.Wir können noch weiter vermessen und wir haben noch gute Möglichkeiten,Abweichungen zu messen zwischen dem Standardmodell und den anderen Modellen,die irgendwelche Teilchen vorhersagen, die dann erklären könnten,warum das Universum so ist, wie es ist.Was wir wissen ist, dass das Standardmodell falsch ist. Wir wissen nur nicht wo und wie genau.
Tim Pritlove 0:58:37
Warum wissen wir das? Was ist falsch?
Patrick Koppenburg 0:58:40
Was falsch ist, also der Hauptgrund für mich ist die Kosmologie. Da passt etwas nicht.Die CP-Verletzung ist nicht groß genug, einige Leute werden dunkle Materie sagen,aber da kann man nicht ultimativ beweisen, dass das etwas mit dem Standardmodellzu tun hat, dass das wirklich Teilchen sind.Es könnten ja auch kleine schwarze Löcher sein oder sowas. Das ist auch nichtvöllig ausgeschlossen.Das wird oft gesagt, aber tatsächlich, wenn es ein Teilchen ist,dunkle Materie, dann ist es im Schwandartmodell nicht drin. Da brauchen wirauch einen neuen Sektor.
Tim Pritlove 0:59:19
Also es ist nicht vielleicht zwangsläufig falsch, es ist nur nicht vollständig.
Patrick Koppenburg 0:59:22
Genau, ja. Wir sehen das immer als eine Approximation, die sehr gut funktioniertfür die Energien, die wir als Menschen produzieren können und studieren können.Wenn man denn unendlich hoch geht, dann weiss man, dass es irgendwann mal zusammenfällt.Aber so weit sind wir noch nicht gekommen.Und das ist das ähnlich wie die Gravitation von Newton, das passt ganz gut.Für alles was wir Menschen machen geht es ganz gut. Und das ist das nur wennman so langsam GPS Satelliten um die Erde schießt, dass man merkt,ah ja jetzt brauche ich generelle Relativität, da funktioniert Newton nicht mehr.
Tim Pritlove 1:00:03
Oder halt Planetenumlaufplanen.
Patrick Koppenburg 1:00:05
Genau so, Präzession von Merkur und so weiter.Das sind diese kleinen Effekte, die wir eben suchen zum Beweisen, dass da ist was.
Tim Pritlove 1:00:16
Ich finde das faszinierend, weil das ist jetzt alles sehr komplexe Geschichteso mit all diesen ganzen Teilchen und wie sie interagieren und diese zahlreichenEbenen und was kann in was verteilt werden.Aber im Prinzip, wenn man einen Strich drunter zieht, ist es halt so,diese ganze Detektion, diese ganze permanente Beobachten, höher auflösen,genauer hinschauen, Relevanz erkennen und die dann eben speichern,um sie später analysieren zu können.Also das, was der LHCb-Detektor macht, was die anderen Detektoren natürlichim Prinzip genauso machen,das ist alles so eine permanente Unterfütterung der allgemeinen Forschung undauch der Unterstützung oder eben auch vielleicht der Auslöschung bestimmter Theorien,die halt so im Raum stehen, die ja alle irgendwie so ein bisschen Kandidat zu sein scheinen für okay,wir fixen jetzt das Standardmodell, wir erklären halt auch noch das,was bisher nicht erklärt wurde und da ist die Antimaterie sozusagen so ein Baustein,der irgendwie noch nicht so richtig erklärt ist.Die dunkle Materie ist so dieses, ja Loch hätte ich jetzt fast gesagt,also sozusagen dieser Bereich, der nicht genug Daten liefert,warum man sich denn so verhält, wie er sich verhält mit der Gravitation.Nicht zu reden von der dunklen Energie, die unser Universum expandiert,auch dafür gibt es keine Erklärung. Plus dann eben diese ganzen Brücken,die derzeit versucht werden zu bauen mit Supersymmetrie und sozusagen.Generell natürlich dieser großen Frage,ja, so das eine Modell, was irgendwie alles erklärt, wo dann am besten auchnoch Gravitation mit dabei ist und dann hoffe ich, es ist auch Teleportationdabei, dass man das auch mal erledigt.Magst du noch zum Abschluss irgendwas hinzufügen, was du dir so wünschst oder wo du drauf setzt?Ich meine bisher habt ihr vielleicht nicht unbedingt das gefunden,was ihr finden wolltet, aber andere Sachen gefunden. Was ist so das Potentialin dem Projekt, wo ihr noch drauf hofft?
Patrick Koppenburg 1:02:31
Ja, wir sind jetzt in der Phase, wir haben einen neuen Detektor aufgebaut.Effektiv ist dieses Upgrade war ein riesiges Projekt.Unser Detektor ist jetzt alles installiert. Jetzt müssen wir noch die ganzenneuen Detektoren verstehen und das ist natürlich auch sehr spannend jetzt,dass wir wir sind in einer Phase, wo wir von der Phase 1 vom Experiment zurPhase 2 gehen, die eigentlich ursprünglich nicht vorgesehen war.Und in der wir sehr viel mehr Daten nehmen und das müssen wir jetzt alles verstehenund hinkriegen, wenn möglich so schnell wie möglich.Denn natürlich der LRC läuft und produziert Daten, die wir jetzt noch nichtrichtig bearbeiten können, weil noch nicht alles zusammenpasst.Und was uns jetzt am meisten beschäftigt ist das, dass wir diesen zweiten Detektor zum Laufen bringen.Und wenn das dann gemacht ist, dann werden wir eine Kollisionsrate von Faktor5 höher haben als das, was wir früher hatten. Das ist vielleicht auch noch ein kleiner Unterschied.Es ist ähnlich wie bei ALICE, wir haben nicht die gleiche Kollisionsrate wieATLAS und CMS, wir schieben die einen Strahl vom LHC ein bisschen weg.Damit sie nicht frontal aufeinander kommen und daher haben wir eine Kollisionsrate,die leicht ein bisschen niedriger ist.Wenn wir die gleichen hätten als Atlas und CMS, dann würden wir uns in unseremDetektor überhaupt nichts mehr sehen.Elektronisches Signal wäre dann völlig schwarz, überall wäre etwas.Also wir müssen das ein bisschen so, ja. Too much.
Tim Pritlove 1:04:22
Also wenn die anderen gar nicht genug kriegen können.
Patrick Koppenburg 1:04:25
Ja genau, bei uns versuchen wir zu optimieren und wir wollen das jetzt optimalein bisschen hochschrauben, damit wir mehr Daten bekommen und in unseren Messungenimmer genauer an Standardmodelle rankommen.
Tim Pritlove 1:04:40
Alright, dann würde ich sagen, machen wir mal den Deckel drauf.Patrick, vielen vielen Dank für die Ausführungen.Und ja, damit schließe ich hier auch meine Runde ab beim Zernen und hoffe hierEinblicke gegeben zu haben in die komplexe,aber auch abenteuerliche Exploration unserer Grundlagen und der Forschung,die bis weit ins All hinein reicht.Weil das ist halt so, das was mich auch so ein bisschen motiviert hat.Raumzeit hat ja so ein bisschen mit der Kosmonologie bisher ein bisschen gespielt,sagen wir es mal so, weil es ging viel um die Raumfahrt und die Ziele,aber letzten Endes geht es ja um das gleiche.Es geht ja um das Erstreben sozusagen zu erklären, was wir eigentlich sehen,was wir wahrnehmen und vielleicht auch eben das, was wir nicht sehen.Wie dunkle Materie. Aber einfach irgendwie um Erklärungsmodelle zu machen,um dann einfach immer wieder an so einem bestimmten Punkt so einen Sprung machen zu können.Und ich denke, das charakterisiert ja die wissenschaftliche Entwicklung derletzten 100 Jahre extrem stark. Man hat ja immer wieder so Phasen,wo man das Gefühl hat, es passiert irgendwie gar nichts. Alle sammeln irgendwieDaten, was macht ihr denn da eigentlich?Und dann gibt es immer wieder so einen Punkt, wo dann so, ah ja,jetzt passt auch irgendwie alles zusammen.Und das kann ja jederzeit passieren. Also es kann irgendwie morgen soweit sein,dass wieder irgend so ein Durchbruch verkündet wird. und dann ergeben auch alleanderen Experimente vielleicht wieder ganz anderen Sinn.Alright, ich sag nochmal danke, danke fürs Zuhören. Das war's jetzt von mir, vom CERN.Demnächst geht's dann wieder weiter mit anderen Sachen.Tschüss und bis bald.

Shownotes