RZ123 Die Erforschung des Jupitersystems

Der Jupiter und seine Monde lassen noch viele Fragen offen, die kommende Missionen klären sollen

Der Jupiter ist der größte Planet unseres Sonnensystems und hat nach aktueller Zählung fast 100 Monde. Die bekanntesten davon sind die Galileischen Monde Io, Europa, Ganymede und Kallisto die, ob ihrer Größe und Unterschiedlichkeit wie auch der Jupiter selbst im Mittelpunkt der Erforschung stehen.

Dauer:
Aufnahme:

Ich spreche mit Paul Hartough, dem Leiter Gruppe planetaren Atmosphären am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung und dem Principal Investigator des Submillimetre Wave Instrument (SWI) der JUpiter ICy moons Explorer (JUICE) Mission.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:36
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Prittlaff und das hier ist die 123.Ausgabe von Raumzeit. Nach einer kleinen Pause geht es wieder weiter bei derErkundung des Weltalls.Und genau das tun wir heute auch. Heute hat mich der Weg geführt nach Göttingen.Hier war ich schon mal am Max-Planck-Institut für Sonnensysteme in Göttingenund begrüße meinen heutigen Gesprächspartner, Paul Hartoch.
Paul Hartogh 0:01:11
Hallo.
Tim Pritlove 0:01:12
Herzlich willkommen bei Raumzeit. Paul, du bist schon ganz lange hier, habe ich gehört.
Paul Hartogh 0:01:18
Ja, ich meine länger als das Institut hier in Göttingen ist.Wir waren früher im Vorharz in Kattelund-Bürich-Linder, so 25 Kilometer nordöstlichvon Göttingen. und sind vor zehn Jahren hingezogen ins neue Gebäude.
Tim Pritlove 0:01:31
Ach echt? Erst vor zehn Jahren?
Paul Hartogh 0:01:32
Erst vor zehn Jahren, 2014. Das Institut heißt seit 2004 MPI für Sonnensystemforschung.Vorher hieß es MPI für Aeronomie, also sozusagen die Wissenschaft der mittleren und oberen Atmosphäre.
Tim Pritlove 0:01:45
Und warum der Schwenk zu dem globaleren Namen?
Paul Hartogh 0:01:50
Ich glaube, das war, also früher hat das Institut sich hauptsächlich mit derErdatmosphäre beschäftigt und irgendwann war das halt so eine Art Strategiewechsel.Also das hat wahrscheinlich damit zu tun gehabt, dass einige der Mitarbeiter,also zum Beispiel Stratosphärenwissenschaftler, dann die Möglichkeiten hatten,an Weltraummissionen teilzunehmen. Und so hat sich das einfach im Laufe der Zeit entwickelt.Es gab damals ja diese Giotto-Mission zum Halligen Kometen,dann gab es Helios, Sonnenmission und so ist das Institut dann immer weiterpraktisch in Weltraummissionen reingewachsen und hat dann irgendwann die Idee gehabt,die Forschungsrichtung von Aeronomie in Sonnensystemforschung umzuändern.Und mittlerweile machen wir auch so gut wie keine Aeronomie mehr,noch ein ganz bisschen. Ein Kollege macht das noch.Aber ja, es ist also tatsächlich jetzt sehr breit aufgestellt.
Tim Pritlove 0:02:42
Okay, ja, das ist auch ganz gut so, denn heute soll es ja gehen um den Jupiter.Ich hatte ja hier bei Raumzeit schon so das eine oder andere Planetchen unseresSonnensystems vorgestellt und da klaffte die ganze Zeit so eine Lücke.Also ich muss jetzt da mal nachrechnen.Wir hatten jetzt glaube ich Merkur und Venus und Mars sind alle schon dran gewesenund auch über das Saturn-System haben wir schon gesprochen.Für die äußeren Planeten gibt es sozusagen noch offene Bewerbung,aber ja, heute muss unbedingt mal der Jupiter dran kommen.Beziehungsweise würde ich halt von vornherein vom Jupiter-System sprechen,weil das einfach so eine komplexe Angelegenheit ist im Vergleich zu den anderen Planeten.Jupiter, auch irgendwie so ein bisschen der König der Planeten, könnte man fast sagen.
Paul Hartogh 0:03:43
Zumindest der größte und massereichste, das kann man also durchaus sagen.Ja und auch ein Planet, der sehr wichtig ist für die Entstehung des Sonnensystems,eben aufgrund seiner hohen Schwerkraft hat er die Entstehung des Sonnensystemsoder die heutige Form des Sonnensystems also mitgeprägt.Zum Beispiel, dass Mars kleiner ist als die Erde.Nach gewissen Theorien hätte Erde, Venus, Mars etwa gleich große Masse haben sollen.Da gibt es ja diese sogenannte Grand Tech Theorie und so weiter und so fort.Aber das ist ein abendfüllendes Thema. Da wollte ich jetzt nicht weiter drauf eingehen.
Tim Pritlove 0:04:12
Naja gut, ein Podcast ist ja auch ein abendfüllendes Thema. Wie ist dein Verhältnis zum Film 2001?Da spielt der Jupiter ja eine besondere Rolle.
Paul Hartogh 0:04:23
Ja, also insofern ein bisschen unwissenschaftlich, als wahrscheinlich die Massedes Jupiters nicht ausreicht, um halt so eine Kernfusion zu zünden.Aber ja, ist natürlich ein sehr interessanter Film, ein Klassiker.Kubrick, der hat ja einige interessante Filme gemacht und ich fand den ganzgut mit diesem Computer, Hale und so weiter und so fort.Und ja, teilweise sind natürlich Ideen aus den 60er Jahren schon von der Truppeum Werner von Braun da realisiert worden, die dann in der Praxis nachher nierealisiert wurden, weil sie doch zu teuer waren.Aber konzeptionell fand ich das also sehr interessant, so wie sich das damals vorgestellt hat.Und man könnte es heutzutage natürlich immer noch machen, wenn man die entsprechendenRessourcen, Startmassen und so weiter hat.
Tim Pritlove 0:05:09
Ja, naja gut, mal schauen, ob wir dann da auch so einen Monolithen entdecken,falls wir da mal ein bisschen genau nachschauen.
Paul Hartogh 0:05:17
Hat man noch nicht gefunden.
Tim Pritlove 0:05:18
Oder Jupiter. Na gut, ich scherze.Ja, vielleicht erstmal so ein bisschen zu dir. Also du hast ja schon angedeutet,bist ja schon sehr lange hier, du hast glaube ich mit dem Physikstudium begonnen,sozusagen die Wissenschaft so einzusteigen.Wahrscheinlich hast du vorher schon angefangen mit Wissenschaft, oder?
Paul Hartogh 0:05:39
Ja, ich kann mich erinnern, ich glaube zum achten Geburtstag hat mir jemandso dieses Buch Was ist was?Planeten und Raumfahrt geschenkt. Und das fand ich damals ganz interessant.Bin dann aber als Schüler dann in andere Sachen so ein bisschen abgedriftet.Elektronik, Hochfrequenztechnik und so weiter, Chemie.Da hat man damals Schwarzpulver und irgendwelche Sprengstoffe gemacht.Bin dann, eigentlich wollte erst Elektrotechnik studieren, Hochfrequenztechnik, Nachrichtentechnik.Bin dann aber doch wieder nach Diskussion mit einigen Freunden,die auch das eine oder das andere halt Physik studierten, im Endeffekt danndoch zur Physik gekommen und habe dann in Göttingen Physik studiert.Auch weil ich ein paar Freunde hatte, die Physik studiert hatten und bin dannper Zufall wieder in diese Richtung Planeten- und Raumfahrt gekommen, muss man sagen.Zufall. Zufall, ja. Also ich bin an das damalige Institut für Aeronomie gekommen,eben über mein Interesse an Nachrichtentechnik, Wellenausbreitung,Nachrichtenübermittlung.Die machten damals unter anderem Junosphärenforschung, da gab es in Göttingeneine Vorlesung, Einführung in die Physik der Junosphäre und da sind dann sogewisse Interessengruppen da reingegangen von Studenten,haben diese Vorlesung sich angehört und so kriegte man halt Kontakte und sobin ich dann auch irgendwie an das Institut gekommen und wollte auch in diese Richtung was machen.Allerdings zur damaligen Zeit war es so, da gab es ein Großprojekt,das hieß Ice Card European Inquiry and Scatter, oben in Norwegen,Schweden und Finnland und das funktionierte nicht so richtig.Und als ich da damals dann anfing als Student oder anfangen wollte,Sagt dann der entsprechende Betreuer, nee, ich nehme jetzt keine Diplomarbeitenmehr an, ich soll mich mal anderweitig umgucken. Da habe ich mich im Institutanderweitig umgeguckt.Und da gab es damals ein neues Projekt, das hieß Millimeterwellenatmosphärensondierer.Das war also praktisch ein Projekt, das vorgesehen war, auf einem Space Shuttlezu fliegen, um die mittlere Atmosphäre der Erde, also die Stratosphäre und dieMesosphäre zu analysieren.Schwerpunkt war damals auch die Ozonforschung in den 80er Jahren.Und da war meine Aufgabe dann ein sogenanntes Vielkanal-Spektrometer-Backendzu entwickeln. Mal zu gucken, was es da so gibt.Zur damaligen Zeit hat man da sogenannte Filterbänke verwendet.
Tim Pritlove 0:07:49
Ein was? Ein Field?
Paul Hartogh 0:07:50
Ein Vielkanal. Also wie viel und Kanal? Vielkanal-Spektrometer.Also man muss sich vorstellen, früher hat man die Spektren in dieser Messtechnikdadurch gemessen, indem man einfach verschiedene Bandpassfilter,die immer einen bestimmten Frequenzbereich abgedeckt haben, parallel geschaltet hat.Schmalbandige Filter, wenn man hohe Auflösungen haben wollte,breitbandige Filter, wenn man große Bandbreiten überdecken wollte im Spektrum.Und die Dinger, die waren halt relativ schwer und aufwendig kompliziert zu bauen.Typischerweise hatte so eine Filterbank dann vielleicht 50 bis 100 Kanäle,um so einen Spektralbereich abzudecken.Das reichte meistens auch nichtaus, um die Linien, die man da beobachten wollte, komplett zu samplen.
Tim Pritlove 0:08:33
Also gemeint sind jetzt die Absorptionslinien, mit denen man quasi herausfinden kann.
Paul Hartogh 0:08:37
Was… Oder Emissionslinien zum Beispiel, in dem Fall Ozon.
Tim Pritlove 0:08:40
Um herauszufinden, was ist da oben.
Paul Hartogh 0:08:42
Genau. Damals war das so bei diesen Millimeterwellenatmosphären-Sondierer,dass man Ozon, Wasserdampf, Chlormonoxid und Sauerstoff O2 messen wollte.Und ja, damals ist tatsächlich so eine Filterbank auch zum Einsatz gekommen.Und die hatte dann doch ein relativ imposanter Ausmaße oder Abmessung,sodass das Ding immer als Kindersarg betitelt wurde.Und meine Aufgabe war es dann, etwas Neues, eine neue Technologie zu entwickeln,die halt viel kleiner war und die sozusagen mit vielleicht einem Zehntel oderFünfzigstel des Volumens dreimal so viel oder zehnmal so viele Kanäle hat.Und das war dann meine Diplomarbeit und im Prinzip die Anwendung dessen wardann meine Doktorarbeit und so bin ich dann auch in die Atmosphärenforschunggekommen, durch die Anwendung.
Tim Pritlove 0:09:34
So, jetzt hast du ja hier verschiedene Hüter auf.Wenn ich das richtig sehe, alsoein bisschen Leiter der Gruppe Planetare Atmosphären, hier so heißt das.Und außerdem bist du jetzt auch richtig engagiert bei der Mission Juice,die wir hier schon mal in Raumzeit Nummer 95 besprochen haben,als ich in Madrid mit dem Mission Manager Nicolas Altobelli gesprochen habe,über die Mission und was die Ziele der Mission sind.Und konkret bist du PI, also Principal Investigator.Man muss immer seine Abkürzung am Start haben.Für das Submillimeter Wave Instrument SWI auf diese JUICE-Satelliten.Wahrscheinlich mit dem Ziel, dort auch mal ganz ordentlich die Atmosphären durchzuklopfenvom Jupiter und den ganzen Kollegen.
Paul Hartogh 0:10:41
Ja, kann man so sagen.Man könnte jetzt den Sprung machen von MillimeterwellenatmosphärensondiererEnde der 80er Jahre oder geflogen ist es glaube ich Anfang der 90er,ich glaube 91, 92, ich kann mich gar nicht mehr so genau erinnern,zu dieser Mission eigentlich das gleiche Prinzip.Nur, was sich im Laufe der Zeit geändert hat, dass man immer neue Wellenlängenbereichedes elektromagnetischen Spektrums erschlossen hat. Das heißt,man ist zu immer höheren Frequenzen gegangen.Während man damals sowas bei 100, 200 Gigahertz war, ist man jetzt eben über1000 Gigahertz bis 1280 Gigahertz.Und es ist so, dass dieser hohe Frequenzbereich für einen gewissen Temperaturbereichder Atmosphären eben von sehr großer Bedeutung ist.Und gerade für Jupiter ist es eben auch sehr wichtig, dass man tatsächlich indiesem Terahertz-Bereich oberhalb von einem Terahertz, also oberhalb von 1000Gigahertz oder einer Million Megahertz sozusagen,also 10 hoch 12 Hertz messen kann, was technologisch extrem anspruchsvoll ist.
Tim Pritlove 0:11:43
Warum ist das wichtig? Also was heißt wichtig in dem Zusammenhang?
Paul Hartogh 0:11:46
Ja, einfach weil die, wenn man sich die Spektren der Moleküle anschaut,ist es einfach so, dass in dem Bereich sehr, sehr viele Molekülspektren vorkommen,die auch zum Teil eben sehr hohen Absorptionsquerschnitt haben,also sehr starke Linien.Und wenn man jetzt zum Beispiel ein Spurengas anschaut, das nur in ganz geringenMengen vorhanden ist, dann ist das von Vorteil, wenn man halt einen sehr starkenÜbergang, eine sehr starke Linie von diesem Spurengas sieht,weil sonst alles im Rauschen halt verschwinden würde.
Tim Pritlove 0:12:14
Was könnte das für ein Gas sein, jetzt mal so als Beispiel?
Paul Hartogh 0:12:17
Ja, damals beim MRS zum Beispiel war das Chlormonoxid, CLO, das ist eine relativschwache Linie, auch deswegen, weil es relativ wenig vorkommt.Und da versucht man sich dann Übergänge anzuschauen, die eben stark sind.Also zur damaligen Zeit war das glaube ich 204 Gigahertz.Und ein paar Jahre später haben wir dann durch weitere technologische Entwicklungenin den Submillimeterwellenbereich, das war glaube ich 649 Gigahertz,eine Linie gesehen, die dann schon zehnmal so stark war, die wir dann vom Flugzeug ausgemessen haben.Problem ist, vom Erdboden kann man diese Messungen nicht machen,weil die Unteratmosphäre, also die Troposphäre, insbesondere der Wasserdampf,aber teilweise auch Ozon und Sauerstoff eben dazu führen, dass die Strahlungaus den oberen Stockwerken der Erdatmosphäre nicht so gut empfangen werden kann.Es sei denn, man geht auf einen hohen Berg.Das ist ja auch in der Radioastronomie der Fall, dass man möglichst hoch geht,sodass praktisch die Störungen durch die unteren Atmosphäre so gering wie möglich sind.
Tim Pritlove 0:13:15
Wenn da jetzt nicht die ganzen Satelliten rumkurven würden, die einem Ärger machen.
Paul Hartogh 0:13:19
Ja, also die sieht man meistens nicht, weil die Beams dann doch zu groß sind.Aber in der Radioastronomie ist das meistens kein Problem, wobei ich jetzt gehört habe, dass...
Tim Pritlove 0:13:27
Ich glaube, mit dem Starlink-Netzwerk haben Sie dann doch Ihre liebe Mühe gehabt.
Paul Hartogh 0:13:31
Ja, ja, hatte ich gehört, dass Sie irgendwelche Störungen im Bereich von zweiMeter Wellenlänge machen.Und wobei jetzt bei den neueren Satelliten das wohl schon wieder am Abgestellten ist.
Tim Pritlove 0:13:40
Ich würde gerne nochmal, vielleicht mal so einen kleinen Exkurs nochmal machen,warum das so wichtig ist.Weil ich habe so das Gefühl, wir werden da jetzt sehr viel drüber reden.Und auch wenn das hier immer wiedermal angeklungen ist, ist es glaube ich nochmal ganz wert zu vertiefen.Diese Sache mit den Spektren und der Absorption oder der Emission.Also man will ja heraus, deswegen fliegen wir ja dahin, wir wollen ja herausfinden,was ist da. Woraus besteht das? Was ist wo?Man möchte gerne diesen Planeten und die Monde maximal durchleuchten und herausfinden,welche chemischen Vorgänge sind dort, welche Eigenschaften hat diese gesamteAtmosphäre, hat dieser Planet.Und um das jetzt abzutasten, will man halt Spektren auswerten.Spektren heißt, man strahlt quasi rein oder man empfängt das, was abgestrahlt wird,empfängt man, löst es möglichst fein in seine Frequenzbestandteile auf.Und dann kann man halt rausfinden, was da genau ist, weil einfach jedes,ich weiß nicht, kann man sagen, jedes Molekül hat seine eigene...Sozusagen sein eigenes Muster in diesem Spektrum, an dem man es genau erkennenkann. Also gilt das wirklich für jedes Molekül?Also kann man wirklich jedes Molekül von jedem anderen Molekül immer genau unterscheiden,wenn man überhaupt erstmal die richtige Frequenz analysiert?Oder gibt es da auch so Sachen, wo man sagt, naja, kann das sein, kann das sein?
Paul Hartogh 0:15:16
Ja, im Sonnensystem wahrscheinlich nicht. Aber im interstellaren Medium istes tatsächlich so, dass es teilweise so viele verschiedene Moleküle und Linien gibt.Das interstellaren Medium ist natürlich auch riesig ausgedehnt und ich habeda diese Molekülwolken und gucke da über tausende von Lichtjahren und wenn ichmit dem Radioteleskop da durchschaue, sehe ich natürlich alles auf dem Mal.Und da ist es schon wichtig, dass man tatsächlich mit extrem hoher spektralerAuflösung arbeitet, damit man die Linie noch voneinander unterscheiden kann,dass man da wirklich mit 10 hoch 7 spektraler Auflösung meinetwegen arbeitet,weil man sonst im sogenannten,das ist ein Fachausdruck in der Radiostromie, Confusion Limit arbeitet.Das heißt, man kann die Linie dann irgendwann nicht mehr unterscheiden,weil es da tatsächlich so viele gibt.Das kommt allerdings im Sonnensystem eher nicht vor. Wir haben jetzt einen Erdvorbeifluggemacht, gerade im August letzten Jahres, Nee, diesen Jahres, sorry, letzten Monat.Mit Juice? Mit Juice, genau, da gab es das.
Tim Pritlove 0:16:10
Die ist ja jetzt gestartet, ist auf dem Weg zum Jupiter, aber muss sich natürlicherst noch ein paar Mal Schwung holen, unter anderem auch an der Erde.Und das ist dann eben die Gelegenheit, auch mal auf die Erde zu schauen.
Paul Hartogh 0:16:20
Genau, das gibt praktisch drei Erdvorbeiflüge, ein Venusvorbeiflug,um sich Schwung zu holen. Und der letzte Erdvorbeiflug findet 2029 statt.Und dann fliegt der Satellit innerhalb von zwei Jahren zum Jupiter,mit entsprechend hoher Geschwindigkeit.Und diesmal wurde erstmalig so eine Art Doppelmanöver gemacht,dass man zunächst am Mond und dann an der Erde vorbeigeflogen ist,sonst hat man nur einen Erdvorbeiflug gehabt das nannte sich halt Lega Luna Earth Gravity Assist,und ja, da waren einige Leute dann bei der J.M.O.G.Juice Mission Operations Center ein bisschen bange, ob das wohl alles gut funktionierenwürde, hat es aber und naja, bei der Gelegenheit haben wir dann unser Instrument auch eingeschaltet,um es das kalibrieren zu können und zu gucken, ob die ganzen wissenschaftlichenBeobachtungsmodi auch funktionieren, so wie wir uns das vorstellen.Und ja, da haben wir uns eben auch die Erdatmosphäre angeschaut und wir warenwirklich erstaunt oder beeindruckt, wie viele Linien man tatsächlich in einigenvon diesen Submillimeterbändern sieht.Gerade im hohen Frequenzbereich, also zwischen 1065 und 1280 GHz,das ist also der obere Submillimeterwellenkanal, da waren zum Teil 25 Ozonlinienin einem Tuning, in einem Durchlassbereich des Spektrometers.Das ist eigentlich, wenn man in diesem Metier arbeitet, eher ungewöhnlich.Da hat man meistens so ein, zwei, vielleicht drei Linien und wenn man plötzlich25 sieht, das ist dann schon eine andere Liga.
Tim Pritlove 0:17:42
Das Besondere ist jetzt, um das nochmal zu betonen, das Instrument ist ja eigentlichgedacht für den Jupiter, aber ist jetzt quasi an der Erde vorbeigeflogen,hat sich die Erde angeschaut und es gab bisher noch nicht so einen Blick auf die Erde,weil das Instrument so noch nicht existierte.
Paul Hartogh 0:17:58
Zumindest nicht in diesem Wellenlängenbereich, da um 250 Mikrometer oder sagenwir mal 1100 bis 1300 Gigahertz.Also es gibt durchaus Satelliten, die bei der halben Frequenz oder bei der doppeltenWellenlänge im 600 Gigahertz Bereich die Erde routinemäßig beobachten.Die dann speziell auf Linien wie zum Beispiel Ozon oder Moleküllinien,die für den Ozonabbau verantwortlich sind, schauen oder auf den Wasserdampf,der auch sehr wichtig ist in der mittleren Atmosphäre.Aber in diesem Frequenzbereich sind noch keine Beobachtungen mit eben diesersehr hohen Auflösung von 10 Millionen gemacht worden.Und von daher haben wir zum ersten Mal sozusagen die Spektren der Erde in diesemWellenlängenbereich sehen können bei diesem Vorbeiflug.Und ja, viele Leute in meinem Team, die arbeiten schon seit 10,20, 30 Jahren teilweise auf diesem Gebiet und die waren alle hellauf begeistert, das zu sehen.Ich glaube, für den normalen Menschen vielleicht gar nicht so interessant,Aber für denjenigen, der sich mit Spektroskopie beschäftigt,ist das dann doch schon ein ganz besonderes Ereignis.
Tim Pritlove 0:18:57
Da macht man schon mal eine Pülle Shampoos auf, wenn sowas passiert, oder?
Paul Hartogh 0:18:59
Ja, ja, haben wir gemacht. Wir haben eine Pülle Shampoos aufgemacht.Auch weil wir dachten, wir hätten jetzt was Neues entdeckt, also eine Wasseratmosphäre auf dem Mond.Wir haben auch den Mond beobachtet und das ist also sehr umstritten.Gibt es Wasser auf dem Mond oder gibt es auch eine dünne Mondatmosphäre?Und das hatten wir vorher gemutmaßt und wollten auch ganz speziell diese Atmosphäre suchen.Leider konnten wir dann die Beobachtungsmodi, die wir ursprünglich durchführenkonnten, dann doch nicht durchführen.Das war kurzfristig im März dann geändert worden, um die ganze Prozedur desMondvorbeiflugs nicht zu sehr zu verkomplizieren.Und wir haben dann eine relativ einfache Messung gemacht, haben dann aber tatsächlichso eine Wasseratmosphäre gesehen, wie auch vermutet.Und dann stellte sich, wir waren dann ganz happy und dann haben wir auch tatsächlicheine Flasche Champagner aufgemacht.Und ja, wir haben also einmal einfach das Spacecraft,der Satellit hat das sogenannte inertiale Pointing gemacht, das heißt das Dingist so am Mond vorbeigeflogen,als wenn es den Mond nicht gäbe, das heißt hat das Pointing auf dem Mond mitder Nadi-Plattform nicht geändert, sondern einfach so am Mond vorbeigeflogenund man kriegte dann, was man da angeboten bekam.Und nachdem wir vorbeigeflogen waren, das dauert dann drei, vier Kilometer proSekunde, dann kann man sich ausrechnen, Monddurchmesser bei 3500,dann ist man so nach 1000 Sekunden vorbei und dann haben wir,wir haben ja ein Teleskop, was wir bewegen können,dann haben wir wieder Richtung Mond geschaut, nachdem wir vorbeigeflogen sindund haben diese Linien auch wieder gesehen, Wasserdampf.Und ja, da waren wir also ganz froh. Tatsächlich, der Mond hat eine Wasserdampfatmosphäreund das war was ganz Besonderes, weil das schon eben sehr lange gesucht wirdund bisher nie gefunden werden konnte.Und wir haben nun in so einem Instrument eine extrem hohe Empfindlichkeit undwir dachten, wir hätten es jetzt gefunden. Das Einzige, was da nicht passte,war die Dopplerverschiebung.Also wenn man mit sehr, sehr hoher Auflösung misst, kann man gleichzeitig auchdie Geschwindigkeit, mit der sich so ein Molekülverband bewegt,also Wind als Beispiel, genau bestimmen. So ähnlich wie ein Radar.Aber in diesem Fall ist es einfach die Dopplerverschiebung, ähnlich wie mandas halt vom Krankenwagen usw. her kennt.Und die hätte eigentlich recht unterschiedlich sein müssen zwischen diesen beiden Beobachtungen.Also einmal steil nach unten im Winkel von 90 Grad und einmal dann,nachdem wir am Mond vorbeigeflogen sind, wieder auf den Mond geguckt,in einem Winkel von 50 Grad und das war aber gleiche Dopplerverschiebung.Und ja, nach einigem hin und her überlegen, kamen wir dann darauf,wenn die Dopplerverschiebung sich nicht ändert, egal wie wir auf diese Atmosphäreschauen, kann das nur bedeuten, dass es eigentlich eine Atmosphäre ist,die der Satellit mit sich herum trägt.Also wir sehen hier eine Wasseratmosphäre um den Satelliten herum.
Tim Pritlove 0:21:51
Ah, okay.Da war der Schampus aber schon offen.
Paul Hartogh 0:21:56
Ja, der war schon weg und das haben wir erst eine Woche später gemerkt,weil diese Auswertungen, die sind dann auch mal sehr aufwendig und die ursprünglicheBegeisterung war dann natürlich ein bisschen verflogen,andererseits natürlich auch ein sehr interessantes Ergebnis und zumal dann irgendwannein Vorbeiflugreport von der ESA veröffentlicht wurde von Angela Dietz und da stand dann drin,dass man genau zu der Zeit, als wir dann tatsächlich diese Wasseratmosphäre entdeckt hatten,Da die Bahn des Satelliten etwas verändert wurde und die wahrscheinlichste Erklärungdafür ist, dass es zu irgendeinem Ausgasen von irgendwelchen Molekülen gekommen ist,die dann den Satelliten in eine etwas andere Richtung gedreht haben.
Tim Pritlove 0:22:46
Ausgasen jetzt aus dem Satellit heraus? ausgasen oder wo rausgasst sich da was aus?
Paul Hartogh 0:22:51
Ja, also man hat ja den Start gehabt, der an Französisch-Goyana,das ist ja feucht am Äquator, ich weiß nicht, ich war dabei und es hat geregnet,es gab Donner und Blitz die ganze Zeit.
Tim Pritlove 0:23:01
Mit einer Ariane 5 gestartet.
Paul Hartogh 0:23:03
Ariane 5, genau und es ist so,dass eine Seite des Satelliten bisher wohl immer nur kalt gewesen ist und,in diesem Falle war es aber so, dass der Mond selber, der Mond ist ja relativdunkel, hat eine Albedo von, weiß ich jetzt gar nicht, aber muss ich jetzt überlegen,also irgendwas war es mit 0,253, ich will jetzt nichts Falsches sagen.Auf jeden Fall, weil der Mond so dunkel ist, absorbiert er das Sonnenlicht vielbesser als die Erde und hat deswegen eine Oberflächentemperatur von bis zu 400Grad Kelvin, also 130 Grad Celsius.Und wenn der Satellit jetzt sehr nah am Mond vorbeifliegt und dann auf der sonnenbeschiedenenSeite sich befindet, dann,ist dann natürlich in einer sehr hohen Infrarotstrahlung des Mondes,aus Wärmestrahlung des Mondes sozusagen ausgesetzt.Und das hat dazu geführt, dass eine Seite des Satelliten, die bisher immer kaltwar, auch nach dem Start, warm geworden ist und dann angefangen hat auszugasen.
Tim Pritlove 0:23:52
Und die Feuchtigkeit, die jetzt schon fast ein Jahr von dem Satelliten durchsWeltall getragen wurde, ist dann in dem Moment einfach losgepufft.
Paul Hartogh 0:23:58
Genau, genau.
Tim Pritlove 0:23:59
Und dann schlugen sofort die Instrumente an.
Paul Hartogh 0:24:03
Ja, und dann, wir hatten so ein schönes Video gemacht, wo man dann sehen konnte,wo sozusagen der Beam des Instrumentes über die Oberfläche so am Äquator entlang geflogen ist.Und dann konnte man sehen, ja, ja, hier in dem Mare so und so geht das dann los.Und am Ende dieses Mares wird es dann wieder weniger.Aber es stellt sich nachher heraus, das war nichts weiter als eben die Variabilitätdes Ausgasens des Satelliten.Und ich war dann letzte Woche in Berlin auf der EPSC, also European Planetary Science Kongresse.Und da wurde ich dann auch von anderen Kollegen, die auch Instrumente auf Tutshaben, angesprochen und.Ich sprach dann auch ganz begeistert von unserem Press Release,was wir gerade hatten auf der ESA-Webseite und auch auf der Webseite unseres Instituts,wo wir dann so viele Spektrallinien in der Erde gesehen hatten und er meintedann, ich bin nicht interessiert an der Erde, die Erde ist ein sterbender Planet,also ich bin nur interessiert am Mond und was wir da gesehen haben und danndachte ich mir schon, aha, er hat also auch irgendwas gesehen.Und er hatte so einen Massenspektrometer und wollte aber nicht so richtig rausrücken,weil das auch natürlich top secret, also wenn das wirklich echt gewesen wäre,über die Mondatmosphäre und so weiter, top secret Informationen waren.Und ich habe ihm dann gesagt, ja, ich glaube allerdings, also seit gestern sindwir so der Meinung, dass wir tatsächlich gar nicht die Mondatmosphäre sehen,sondern die Satellitenatmosphäre.Und gestern hatten wir dann so eine Art Briefing, was Lega anging mit der ESA.Da stellte sich heraus, dass auch noch mindestens ein, vielleicht zwei andereInstrumente gedacht haben, sie hätten was besonders auf dem Mond gesehen.Nachdem ich dann eindeutig sagen konnte, nee, nee, nee, das ist tatsächlichausgereisendes Satelliten, waren alle sehr enttäuscht.Aber immerhin, man hat die Empfindlichkeit, also wir haben mal so ausgerechnet,dass in dieser ganzen Phase des Mondvorbeiflugs, sagen wir, in einer halbenStunde bis einer Stunde,der wir also was gesehen haben, vielleicht ein Gramm Wasser,Eis verdampft ist, sublimiert ist.
Tim Pritlove 0:26:02
Also auf jeden Fall kann man sagen, das Instrument funktioniert gut und ist in der Lage,so feine Dinge zu erkennen wie das eigene Halo, was durch so eine kurzfristigeAuserhitzung quasi durch den Mond,ist ja auch irre, also da fliegt man also wirklich, dann kommt man da so ausder Kälte, kommt am Mond vorbei und der Mond, so im Begriff eigentlich auch so des Nichts,tostet einen dann erstmal so ein bisschen auf.
Paul Hartogh 0:26:29
Und das ist natürlich an sich auch ein sehr interessantes Experiment,so eine Art Grundlagenforschung,weil man tatsächlich, man kann dann anhand der Spektrallinienbreite die Temperaturdes Wasserdampfs zum Beispiel messen.Und man kann dann, wenn man in verschiedene Richtungen guckt,hat man gesehen, ah die Temperatur hat sich geändert so ein bisschen und dannist die Atmosphäre wiederum so dünn, dass man zum Teil gar keine Stöße der Wassermoleküle hat,wie man das normalerweise in der Atmosphäre hat, sagen wir mal oberhalb von einem Mikrobar.
Tim Pritlove 0:27:03
Stöße?
Paul Hartogh 0:27:03
Ja, normalerweise die Moleküle stoßen, hier in diesem Raum zum Beispiel stoßen die Moleküle,ich weiß jetzt nicht so in der Größenordnung, 10 hoch 11, 10 hoch 12 mal proSekunde, Das heißt, die mittlere freie Weglänge von so einem Luftmolekül istso im Nanometer oder Bruchteil eines Nanometers, bevor es sich dann wieder stößt.Was dann dazu führt, dass man eine gewisse Energieverteilung der einzelnen Moleküleder kinetischen Energie hat.Und was dazu führt, dass man ein sogenanntes thermodynamisches Gleichgewicht hat.Das heißt, alle Moleküle in diesem Raum, die fliegen so mit etwa 550 Meter proSekunde, schätze ich mal, jetzt bei 20 Grad, 22 Grad Celsius,führt dazu, dass sie eben so oft stoßen, dass egal wie schwer das Molekül ist,alle einfach die gleiche Geschwindigkeit haben.Egal ob Wasserstoff oder Sauerstoff oder vielleicht ein Edelgas, was sehr schwer ist.Die haben alle die gleiche Geschwindigkeit. Während wenn ich jetzt in die obereAtmosphäre gehe, oberhalb von 100 Kilometern Höhe, fangen die sich an zu trennen,diese verschiedenen Moleküle, weil die halt nicht mehr so häufig stoßen.Und ich kriege dann verschiedene Atmosphären sozusagen. Und beim Satellitenist es so, dass eben die Stöße möglicherweise eben so selten sind,dass die Temperaturen auch völlig anders definiert sind.Also man definiert ja eine Temperatur über die Geschwindigkeit der einzelnenMoleküle und die Energie dieser einzelnen Moleküle.Und da oben in den sehr dünnen Atmosphären ist das nicht so einfach.Da kann das sein, dass ich eine Temperatur in x-Richtung habe, eine in y und eine in z.Je nachdem, ob die Moleküle stoßen oder ob die nur in eine Richtung stoßen oderin alle anderen Richtungen.Und das ist eigentlich eine Sache, die man im Labor relativ schwer simulierenkann, weil man ja ein paar hundert Kilometer freies Volumen darum braucht,weil die Moleküle die Gasen dann aus mit ein paar hundert Metern pro Sekundeoder Kilometer pro Sekunde,und von daher hoffen wir, dass wir sozusagen dann bei noch detaillierterer Analyseder Spektren vielleicht ein bisschen mehr über diese Ausgasvorgänge und dieStoßvorgänge der Wassermoleküle lernen können.Von daher ist es an sich eigentlich ein sehr interessantes Experiment gewesen.
Tim Pritlove 0:29:14
Mit anderen Worten, Druze funktioniert zumindest, was das SWI-Instrument betrifft,kann man schon mal festhalten.Jetzt steht noch eine Reise an. Wir haben es schon angedeutet,29 ist Ankunft oder geht es dann erst richtig los zum Jupiter und dann nochmal zwei Jahre?Also wann ist die Ankunft am Jupiter? 29 oder 31?
Paul Hartogh 0:29:34
31, Sommer 31.
Tim Pritlove 0:29:36
Okay, also müssen wir noch ein bisschen warten, sieben Jahre,bis es dann so richtig interessant wird.Schauen wir doch mal so ein bisschen auf die Erkundung des Jupiters,so wie sie denn bisher so gelaufen ist, weil das ist ja jetzt nicht der ersteBesuch, den die Menschheit dem Jupiter dann abstatten wird, sondern es gab jaschon das eine oder andere,was dort vorbeigeflogen ist, auch wenn das eigentliche Ziel nicht der Jupiter war.Da gehören, glaube ich, diese Pioneer-Sonden dazu, Voyager natürlich,die ja alles abgeklappert haben und auch immer noch abklappern,wenn die Planeten mittlerweile schon weit zurückliegen.Die erste dedizierte Jupiter-Mission war dann Galileo.Galileo ist glaube ich 1994 dort beim Jupiter angekommen und hat sich da relativlang getummelt, neun Jahre lang alles erforscht.Und inwiefern, das wirst du ja auch aktiv quasi begleitet haben, diesen Vorgang.Was war denn so der Erkenntnisgewinn in der Zeit, immer wenn so eine Sonde soeinen Ort erreicht, wo man eigentlich so noch nie war.Und bis dahin ist ja quasi alles, was man wusste, ist, was man von der Erdeaussehen kann, was man von den Weltraumteleskopen um die Erde herum sehen konnteund was man bei den Vorbeiflügen kam und was man sich vielleicht ausgerechnet hat.Was hat dann die Galileo-Mission an neuen Erkenntnissen geliefert?
Paul Hartogh 0:31:13
Ja, ich muss sagen, zur damaligen Zeit, 1994, habe ich mich mit Jupiter nochnicht so intensiv beschäftigt.Aber von dem, was ich so sagen kann, hat man natürlich schöne Bilder von den Monden gekriegt.Man hat Ringe entdeckt, dünne Ringe des Jupiters.Man hat die Magnetosphäre intensiv untersucht. Man hat gelernt,dass Io eben vulkanisch aktiv ist und permanent ungefähr eine Tonne Material,also hauptsächlich Schwefelverbindungen, ausstößt, die das schwere Feld desIo verlassen und dann durch die Sonnenstrahlung ionisiert werden.Und diese elektrisch geladenden Teilchen wiederum, also Protonen oder eben Atome,Moleküle und Elektronen dann entlang der Magnetfeldlinien, des sehr starkenMagnetfelds des Jupiters, gürieren und sehr, sehr hohe Geschwindigkeiten erreichen,dass also die Strahlung im inneren Jupitersystem extrem hoch ist,also Teilchenstrahlung, die dann Gammastrahlung erzeugt.Und ja, was kann ich sonst sagen? Das ist jetzt so, was mir gerade so einfällt.Interessant war auch übrigens bei Galileo, dass Galileo auch einen Erdvorbeiflughatte und damals dieser Carl Sagan die Idee hatte, anhand der Messdaten derInstrumente auf Galileo festzustellen, ob die Erde bewohnbar ist und ob tatsächlichLeben existiert. Aber das nur so ganz nebenbei.Das haben wir jetzt auch versucht beim Jupiter-Verbeiflug.Also die sogenannten Nicht-Gleichgewichts-Chemie als Beispiel,wenn ich eine Sauerstoffatmosphäre habe wie auf der Erde und messe viel Methan,dann deutet das darauf hin, dass dort viel Methan permanent erzeugt wird.Und die Wahrscheinlichkeit, dass es durch biologische Aktivität erzeugt, ist eben sehr hoch.Oder wenn ich flüssiges Wasser habe, also Ozeane, was man halt auch mit Galileofeststellen konnte. Aber zurück zum Jupiter.Man hat eben sehr viele neue Erkenntnisse im Vergleich zu den Vorbeiflugsonden damals gewonnen.Man wollte auch mit der Galileo Probe in die tiefere Atmosphäre eindringen.Da hat man aber angeblich einen sogenannten Hotspot erwischt. Und man hatte gehofft,dass man Wasserwolken findet oder dass man halt mehr sagen kann über tatsächlichdie Verteilung von Wasserdampfer. Da hat man nichts gefunden.Das war also sehr, sehr trocken, was eigentlich damals eine ungewöhnliche Erkenntnis war.Und man hat die Desphäre versucht zu kompensieren mit der Juno-Mission,die jetzt immer noch aktiv ist.
Tim Pritlove 0:33:44
Ich kann mich ja noch erinnern, ich meine man wird ja auch so groß mit so einemgewissen Weltbild oder vielmehr mit einem gewissen Weltallbild.Am Anfang war Pluto noch ein Planet und andere Dinge ändern sich auch.Und was vor allem sich permanent geändert hat, das war immer so der Mondcount von Jupiter und Saturn.Also ich glaube, ich bin mal, als ich so in die Welt kam, hatte der Jupiter,weiß ich nicht mehr, irgendeine einstellige Zahl an Monden offiziell oder zwölfmaximal auf jeden Fall nicht so viele, wie man heute weiß.Ich glaube, der aktuelle Stand ist 79.
Paul Hartogh 0:34:22
Ich glaube mehr als 100.
Tim Pritlove 0:34:23
Mehr als 100?
Paul Hartogh 0:34:24
Ja, ich musste mal einen Vortrag halten im Rahmen einer Lehrerfortbildung.Und da habe ich angefangen mit meinem alten Was-ist-was-Buch,das ich 1967 geschenkt bekommen habe und 1963 rauskam.Und damals waren es zwölf. Und dann gab es ein Buch, das hatte mein Sohn aus dem Jahr 2001.Da waren es dann schon über 50. Und wenn man jetzt bei Wikipedia nachguckt,kommt man wahrscheinlich auch über 100.
Tim Pritlove 0:34:48
Wikipedia sagt 95.
Paul Hartogh 0:34:50
Ja, gut.
Tim Pritlove 0:34:50
Stand Juni 23.
Paul Hartogh 0:34:53
Ja gut, das heißt jetzt sind wir September 24.
Tim Pritlove 0:34:56
Entdeckt worden sein. Aber Galileo, die Mission hieß ja nicht ohne Grund so,sondern es war die Beobachtung von Galileo Galilei.Man spricht halt von den galiläischen Monden, Io, Europa, Ganymed und Callisto.Das sind die größten Monde und vielleicht auch erstmal so die interessantesten,weil was größer ist, ist immer interessant.Die hat sich dann, die Sonde Galileo auch genauer angeschaut, nehme ich an.
Paul Hartogh 0:35:25
Sicherlich, ja. Und es gibt eben Hinweise darauf, dass diese Monde eben außerIo auch über einen Ozean verfügen unter der Oberfläche.Bei Europa hat man das ja schon relativ früh vermutet, einfach anhand der Oberflächenstruktur.Das sieht ja so ein bisschen aus wie sich bewegende Platten.Und ja, möglicherweise beginnt dieser Ozean schon 10 Kilometer unterhalb der Oberfläche.Bei Ganymed vermutet man auch einen solchen, aber eher so in 150 Kilometer Tiefe und ja,einen relativ dünnen, wenn man so will, was die vertikale Ausdehnung angeht.Ozean vermutet man auch bei Callisto.Das ist zum Beispiel eine interessante Erkenntnis und das ist eben auch eineder großen Fragen, stimmt das wirklich jetzt?Das hat man teilweise anhand von Gravitationsanomalien feststellen können oderanhand von Beeinflussungen des externen Magnetfeldes durch möglicherweise Strömein diesen salzwasserartigen Gebilden, die halt eine hohe Leitfähigkeit dann haben.Und ja, das ist eben auch eine der großen Fragestellungen, die wir jetzt bei Juice haben.Gibt es da Ozeane, in welcher Tiefe sind sie? Wie sind sie ausgedehnt etc.?
Tim Pritlove 0:36:40
Da würde ich gerne nochmal drauf eingehen. Weil, was heißt denn das?Man vermutet, dass da ein Ozean in 150 Kilometer, ich meine das ist ja extremspeziell und ich meine 150 Kilometer haben wir ja auf der Erde noch nicht mal gegraben bekommen.Woraus zieht man solche Schlüsse? Also was, mal abgesehen jetzt von,das sieht mir nach Ozean aus, wenn ich drauf schaue, was sind sozusagen dieMessmethoden, die jetzt hier primär Daten liefern, aus denen man dann ableitenkann, da muss ein Ozean sein.Also wir reden ja von Wasser, also ein Wasserozean.
Paul Hartogh 0:37:13
Ja, das ist zum einen, wie sozusagen der Mond rotiert um seine eigene Achseund wie dann eine Flüssigkeit oder ein Ozean dieselbe beeinflusst.Und zum anderen eben, wie die elektrischen Eigenschaften eines solchen Leiters,Salzwasser leitet ja sehr gut, dann die Magnetfelder und elektrischen Felder,die man um den Mond herum misst,die natürlichen Felder beeinflussen. Das sind so die Hauptmethoden.
Tim Pritlove 0:37:50
Und da ist man sich dann so sicher? oder man...
Paul Hartogh 0:37:54
Man hat halt Fehlerbalken, natürlich, das sind so Abschätzungen.Das ist ja immer so eine Art Fernerkundung und Fernerkundung ist ja kein direktesMessen, man misst die elektromagnetischen Wellen meinetwegen oder man misst,die physikalischen Parameter, aber die Schlussfolgerung ist immer eine Abschätzung.Also eine Messung ist nur, wenn ich einen Thermometer nehme,manche in Quecksilber und direkt jetzt in die Erde stecke oder ins Wasser,das ist eine direkte Messung, aber wenn ich zum Beispiel vom Satelliten ausmit dem Infrarotspektrometer,die die emission von der oberfläche messe ist das immer eineabschätzung weil ich messe die elektromagnetische strahlung muss die interpretierenmit einem modell und so ist es in diesem fall auch ich habe als ein modell unddas modell sagt mir ja es am wahrscheinlichsten dass ich bei europa halten ozeanhabt ja schon in zehn kilometer tiefe beginnt während bei ganymed muss der vieltiefer unten stehen so muss man sich das vorstellen okay.
Tim Pritlove 0:38:47
So, der Jupiter und ich weiß nicht, wie viele von diesen Monden muss man dennsonst noch jetzt sozusagen als relevant für die Erforschung heranziehen,abgesehen von den vier dicken Teilen, die man von hier aus sieht mit dem Fernrohr?
Paul Hartogh 0:39:02
Für die Juice Mission sind eigentlich nur diese vier oder eigentlich sogar nurdrei relevant, weil es da Vorbeiflüge gibt.Aber das kommt natürlich darauf an, wen man da jetzt fragt. Die Frage ist, wo kommen die Monde her?Wie sehen sie aus? Wie ist die Oberflächenstruktur? Wie ist die Helligkeit derOberfläche, die Albedo, die Reflektivität?Wie ist sie zusammengesetzt?Ist dort Material an der Oberfläche, die vielleicht von anderen Monden herrühren?Man kennt ja das Beispiel Enceladus auf Saturn-System.
Tim Pritlove 0:39:36
Der mit den Wasserfontänen.
Paul Hartogh 0:39:37
Genau, genau. Und hier haben wir eben tatsächlich Io. Das Io spuckt sozusagenMaterial in das Jupiter-System.Und da ist dann zum Beispiel die Frage, wie verteilt sich das und kann die Spurendavon auf diesen Körpern sehen.Und ja, in diesem Sinne gibt es da natürlich unzählige Fragestellungen,je nachdem, wie man da fragt und wer sich da jetzt mit auskennt.Ich kenne mich wie gesagt mehr mit Atmosphären aus, ein bisschen mit Oberflächen,aber das sind so die Hauptfragen.Man kennt ja Beispiele, dass die Albedo eines Mondes an zwei verschiedenen Seitensehr unterschiedlich ist,weil er sozusagen entlang seiner Bahn Material aufsammelt und dann sozusagenim Lee eher weniger Material aufsammelt und so weiter.Und das sind dann so die indirekte Hinweise auf die Verteilung von Staub zumBeispiel im entsprechenden System.
Tim Pritlove 0:40:31
Galileo hat ja jetzt auch nochmal so einen besonderen Moment mit messen dürfen,nämlich den Einschlag des Schumacher Levi 9,der halt zufällig mehr oder weniger seine Laufbahn im wahrsten Sinne des Wortesam Jupiter beendet hat und in die Jupiter-Atmosphäre reingestürzt ist.Ich glaube, man hat zwar eigentlich Glück, aber dann doch wieder ein bisschenPech gehabt, weil wäre man ein bisschen früher gekommen, hätte man es noch genauer messen können.Aber da kam, glaube ich, die Challenger-Katastrophe dazwischen,die zu einem verspäteten Start geführt hat von Galileo.Solche Ereignisse sind ja nun wirklich super selten, oder? Dass man da auch noch in der Nähe ist.
Paul Hartogh 0:41:22
Ja, ob die so selten sind, ist natürlich die Frage.Ich meine, möglicherweise gibt es öfter mal so Kometeneinschläge in die Gasriesen,aber man sieht sie denn halt nicht.Ja, trotzdem, man hat ja recht gute Bilder, sowohl im optischen als auch im Infraroten.Man sieht also, dass der Komet, bevor er eingeschlagen ist, auseinandergebrochenist und ich glaube, ich weiß nicht,irgendwie im 44 Grad Süd, ich bin mir jetzt nicht ganz sicher,weil es irgendwie in die südliche Halbkugel eingeschlagen ist und man siehtzum Teil, dass dann Material aus der unteren Atmosphäre nach oben transportiert wurde,also die Farbe sozusagen der Atmosphäre sich geändert hat und gleichzeitig anden Einstiegstellen die Infrarotstrahlung stark anstieg, das heißt es war sehr heiß.Und man weiß halt auch dann eben aus Messungen im Millimeter- und Submillimeterwellenbereichunter anderem, dass dort Material eingetragen wurde, zum Beispiel Kohlenmonoxid, Wasserdampf.HCl, CS. und dass dieses Material dann in der mittleren Atmosphäre hängen geblieben ist.Also so irgendwo im Bereich von einigen hundert Millibar bis vielleicht einigenpaar Millibar sich dann über diese mittleren Atmosphäre verteilt hat,sowohl in der Höhe als auch in der Horizontalen, also Ost, West, Nord, Süd.Also insgesamt kann man sagen, dass diese Atmosphäre von Jupiter sehr wenigSauerstoff enthält und durch diesen Einschlag Sauerstoff in die Atmosphäre eingetragenwurde, was dann zu bestimmten chemischen Reaktionen führt, die ganz interessant sind.Aber in diesem Zusammenhang ist es eben interessant, dass der Wasserdampf sichim Laufe der Zeit sehr langsam nur ausgebreitet hat.Das heißt, das sieht fast so aus, als wenn die sogenannte meridionale Zirkulation,das heißt der Transport von Pol zu Pol eben sehr, sehr langsam geht auf Jupiter.Also das heißt, der Einschlag, wann war das? 94 oder so.Und wir haben mal Messungen gemacht mit dem Hershel Space Observatory, ich glaube in 2011,also fast 30 Jahre später und da konnte man sehen, dass dieser vom Kometen eingetrageneWasserdampf immer noch mehr oder weniger in der südlichen Hemisphäre war.Also ein bisschen über den Äquatorrübergewandert, aber vielleicht bis 10 Grad Nord oder 20 Grad Nord,aber ja, das fand ich war eine interessante Erkenntnis, dass man sozusagen diese.Eingetragenen Gase als Tracer für die Zirkulation verwenden konnte von daherinteressante Geschichte, eine andere interessante Geschichte wäre,das konnte man bisher nicht messen, wie ist eigentlich die isotopische Zusammensetzungdes Wassers, was da eingetragen wurde,man hat so zwei Typen von Kometen, bei denen man das bisher analysiert hat,sogenannte Rodcloud Also Kometen der Ortschen Wolke und Kometen der Jupiter-Familie.
Tim Pritlove 0:44:12
Also die Ortsche Wolke, das war so richtig, richtig, richtig weit gelassen ist.
Paul Hartogh 0:44:16
Genau, richtig, richtig, genau. Und die Kometen der Ortschen Wolke kommen relativselten dann ins Innere-Sonnensystem, während diejenigen der Jupiter-Familiehalt Orbits von, was weiß ich, 5 bis 20 Jahren haben und öfter mal auch an derErde oder eben relativ nah an der Sonne vorbeiziehen.Und die unterscheiden sich, was man bisher so weiß, wobei das auch kontroversdiskutiert wird, weil die Interpretation der Messungen oder die Auswertung derMessungen ein großes Thema sind,unterscheiden sich aber im Isotopenverhältnis vom Wasser, also zum Beispiel dem d zu h Verhältnis.Und nun wäre es mal interessant zu erfahren, wie ist eigentlich das Isotopenverhältnisdes Wassers in der Jupiter-Stratosphäre?Das konnte man bisher halt noch nicht messen. Also das heißt,mit anderen Worten, sehe ich da sozusagen ein Abbild dessen,was ich bisher so in Kometen gemessen habe?Oder sehe ich möglicherweise viel, viel niedrigere Deuterium-Werte,so wie sie im Wasserstoff vorhanden sind?Also die Jupiter-Atmosphäre besteht zum großen Teil aus Wasserstoff,also Moleklar und Wasserstoff H2 und es gibt dann ungefähr mit einem 500.000 Anteil HD,also anstatt H2 HD, D ist Neuterium, also da wird das Proton durch einen Proton und Neutron ersetzt.Und ja, ist es jetzt in den letzten 30 Jahren oder 40 Jahren ja mittlerweilezu einem Austausch, nee 30 Jahre,zu einem Austausch der Isotope des Wasserstoffs mit dem des Wassers gekommen, also des Deuteriums.Und das ist zum Beispiel eine interessante Frage.Ist es möglich, über diesen Zeitplan tatsächlich eine sogenannte Äquilibrierungdes Wassers mit dem umgebenden Wasserstoff herzustellen oder nicht?Oder habe ich nach wie vor den relativ hohen Wert, den ich von einem Kometenerwarte? Also es ist so, dass Kometen, die hauptsächlich aus Eis bestehen,dass die von Haus aus eher viel höhere D-zu-H-Verhältnisse aufweisen als zum Beispiel Wasserstoff.Und das hat einfach mit der Entstehung des Wassers zu tun im interstellaren Medium.
Tim Pritlove 0:46:20
Also man kann quasi daran, man kann die Art des Wassers interpretieren und darauseine Schlussfolgerung vielleicht ableiten mit wo kommt es her?
Paul Hartogh 0:46:31
Ja, unter anderem, wo kommt es her, aber eben interessant ist,diesen Bereich, also man hat bisher einen Bereich von vielleicht 1,4 bis vielleicht5 oder 6 mal 10 und minus 4.An D zu H-Fällen ist im Wasser bisher gemessen und die Frage ist,ist das jetzt ein Wert, der da in diesem Bereich liegt oder ist er möglicherweiseviel höher oder viel niedriger?Wahrscheinlich ist er niedriger, aber jedenfalls mit unserem Instrument werdenwir in der Lage sein, das eben mit sehr hoher Genauigkeit messen zu können.Das ist unter anderem auch eine Motivation, sozusagen das vom Kometen eigentragendeWasser genauer zu analysieren. Es geht nicht nur um Doterium,aber auch um die Sauerstoffisotope 17 und 18.Da sind wir sehr gespannt drauf. Insgesamt ist es übrigens so, dass man,obwohl es in der oberen Troposphäre, also vielleicht bis 10 Bar,relativ viel Wasser in der Jupiter-Atmosphäre geben soll, also relativ,absolut gesehen natürlich nicht,wird dieses aber nicht in die mittlere Atmosphäre eingetragen,weil die obere Troposphäre, die Tropopause sehr, sehr kalt ist und da sozusagenalles an Wasserdampf ausfriert.Und deswegen habe ich praktisch keinen Austausch zwischen der unteren Atmosphäreund der mittleren Atmosphäre.Ähnliches Phänomen wie in der Erdatmosphäre. Dort wird Wasserdampf hauptsächlicham Äquator durch diese Cumulonimbus-Wolken, also diese sehr hoch aufsteigendenWolken in die Mittelatmosphäre eingetragen,weil auch hier in der Erdatmosphäre eben die Troposphäre relativ kalt ist undder Dampfdruck des Wassers dortentsprechend so gering ist, dass nur sehr geringe Mengen vorhanden sind.
Tim Pritlove 0:48:03
Also ich merke schon mal, ich spüre richtig den Blick des Atmosphärenforschersauf den Planeten, aber tatsächlich ist das ja auch etwas, was sehr viel desWesens dieses Planetens ausmacht.Ich meine, man hat so den Kern, keine Ahnung, gibt es eine Annahme darüber,was im Kern des Jupiter so vorliegt?
Paul Hartogh 0:48:25
Ja, es gibt verschiedene Theorien, aber grundsätzlich kann man davon ausgehen,es gibt irgendeinen festen Kern, der aus Silikaten und so weiter,aus Gesteinen entsteht.Dann hat man festen und dann flüssigen Wasserstoff und teilweise sogenanntermetallischer Wasserstoff und irgendwann weiter oben natürlich nur gasförmigen Wasserstoff.Aber durch die hohen Drücke ist es eben so, dass die Aggregatzustände eben selbstvon Wasserstoff sich so ändern, dass man dort festen Wasserstoff hat als Festkörper.Aber trotzdem ist es so, dass der innere Kern wahrscheinlich wie bei anderenPlaneten auch aus Material, was dort halt damals rumflog, sich entwickelt hat.
Tim Pritlove 0:49:10
Auch Eisen?
Paul Hartogh 0:49:11
Ja, kann man von ausgeben.
Tim Pritlove 0:49:12
Kann man von ausgeben.
Paul Hartogh 0:49:13
Ja, also eben alles, was damals halt so in der Protosolanwolke beziehungsweiseProtoplanetanscheibe vorhanden war.
Tim Pritlove 0:49:20
Trotzdem ist ja unser Blick auf den Jupiter immer so ein bisschen geprägt vonStürmen und das ist ja, sagen wir mal, so die populäre Wahrnehmung.Also man hat da in der Horizontalen sehr viel Bewegung, wenn ich dich jetztrichtig verstanden habe, waren die Erkenntnisse dieser Kometenbeobachtung übereinen längeren Zeitraum schon eher die,dass von Pol zu Pol da gar nicht so viel passiert.Also im Prinzip dreht sich alles im wahrsten Sinne des Wortes dort im Kreis,aber das ist alles eine extrem horizontale Bewegung und auch in den Höhenschichtender Atmosphäre gibt es relativ wenig Austausch.
Paul Hartogh 0:50:04
Ja, also man muss hier unterscheiden zwischen eben dem, was man so sieht im optischen Bereich,also diese Wolken, diese Bells and Stripes, da vermutet man ja,dass so eher durch hellen Materialien auch aufsteigende Gase sind und die dunkleren abfallende,also durch das Aufsteigen habe ich eine adiabatische Expansion und dementsprechendeAbkühlung und Kondensation der Gase und umgekehrt eine Sublimation beim Absteigen.Und wichtig ist beim Jupiter halt auch, dass er sehr stark, also sehr schnellrotiert und deswegen ich sehr kleine Wirbelstrukturen erzeugen kann.Der sogenannte Rosspideformationsradius, was man auch sehr schön sieht auf denBildern der Juno-Sonde, die halt erstmalig über die Pole fliegt.Und je weiter ich zu den Polen komme, desto interessantere Strukturen sehe ichda, als wenn das gemalt wäre von irgendeinem Künstler.Und ich sehe, dass die Wirbelstrukturen halt auch immer kleiner werden.Deswegen ist es auch sehr schwierig, Jupiter zu modellieren,so als Klimamodellierer,weil das extrem hohe Auflösung in den allgemeinen Zirkulationsmodellen benötigt.Aber was sozusagen relativ wenig erforscht ist, ist tatsächlich die Atmosphärein dem Bereich, wo ich nichts sehe, weil ich halt dort keine Wolken habe.Das ist eben die mittlere Atmosphäre.Da sieht man ein bisschen was, man sieht da zum Teil Aerosole,aber man sieht halt keine Wolken.
Tim Pritlove 0:51:27
Also warum sieht man nichts?
Paul Hartogh 0:51:28
Ja, weil einfach keine Wolken da sind, weil die Zusammensetzung dieses Bereichshalt ein anderer ist und eben Wolkenbildung nicht möglich ist.
Tim Pritlove 0:51:42
Also man sieht nichts im optischen Bereich.
Paul Hartogh 0:51:45
Man sieht eben tatsächlich nur was in einem Bereich, in dem man sozusagen wiederumdie Moleküle anschauen kann.Wie gesagt, man kann sich ja abschätzen, wie hoch die Windgeschwindigkeitenzum Beispiel in der oberen Troposphäre sind, wo man halt den großen roten Flecksieht oder wo man halt die gegengläufigen Wolkensysteme sieht.Das kann man dann ja so abschätzen, aber in der Mittelatmosphäre hat man haltdiese optischen Hinweise nicht und deswegen weiß man relativ wenig über diesen Bereich.Man weiß also nicht, wie zum Beispiel der Impuls und Energietransport von deroberen Atmosphäre in die oberen Atmosphäre geschieht.In der oberen Atmosphäre hat man nicht so richtig verstanden,warum die obere Atmosphäre, die Thermosphäre so heiß ist.Der Prozess ist nicht so gut verstanden. Und eine Möglichkeit wäre zum BeispielWellentransport aus der unteren Atmosphäre durch die mittlere Atmosphäre indie Thermosphäre, wo die Wellen dann sozusagen disziplieren würden und auchImpuls übertragen würden. Aber das sind alles wiederum nur Theorien.
Tim Pritlove 0:52:43
Disziplieren heißt was?
Paul Hartogh 0:52:43
Dissipieren heißt, dass praktisch die Wellenenergie in Wärme umgewandelt wird, als Beispiel.Weil Wellen übertragen ja immer Energie und Impuls. Und deswegen,also Galileo und auch Juno sind eigentlich Missionen, die tatsächlich,was die Atmosphärenforschung angeht,mehr fokussiert waren auf die Unteratmosphäre.Juno hat versucht bis 100 Bar oder vielleicht sogar bis 1000 Bar Messungen durchzuführen.Während die DUS-Mission eher so den oberen Teil der Atmosphäre sich anschaut.Also obere Troposphäre bis Thermosphäre und dann natürlich weiter die Magnetosphäre.Aber wenn wir jetzt von der eigentlichen neutralen Atmosphäre sprechen,kann man eben sagen Stratosphäre und Thermosphäre.
Tim Pritlove 0:53:31
Juno hatten wir noch gar nicht erwähnt. Also Galileo ist eine abgeschlosseneMission, das ist vorbei.Juno ist 2016 am Jupiter aufgetaucht und ist immer noch aktiv. und macht Dinge.Das ist eine NASA-Mission, die...Ganz erfolgreich ist, kann man sagen?
Paul Hartogh 0:53:52
Ja, kann man sagen, würde ich sagen. Hat viele neuartige Messungen durchgeführt,zum Beispiel durch das Instrument MWR, Mikrowellenradiometer,das eben zum Beispiel in die sehr tiefe Atmosphäre reinblicken kann oder jetztauch Oberflächenmessungen auf den Galileischen Mohnen gemacht haben.Sehr interessante Messungen, die erst teilweise publiziert wurden für Ganymedhauptsächlich, Europa und Io noch nicht.Da gab es also Überflüge. Und man hat dann gesehen, dass bei den größeren Wellenlängendie Temperatur stark ansteigt.Also je größer die Wellenlänge ist, desto tiefer kann man in das Eis hineinschauen.Und da sieht man das eben bei den großen Wellenlängen. Große Wellenlänge istungefähr ein halber Meter Wellenlänge, dass man dort einen sehr starken Anstiegder Temperaturen sieht im Vergleich zur Oberfläche.Und ja, das ist eine relativ komplexe Auswertung. Man hat auch da Wechselwirkungenmit der sogenannten Synchrotonstrahlung des Jupiters.Und das führt aber dazu, dass man mehr und mehr über die Struktur des Eises der Oberfläche lernt.Und das ist jetzt gerade im Moment im Gange, dass dort diese Art von Daten ausgewertet werden.Eben Ganymed ist glaube ich noch in der Mache und Europa, da ist noch nichtspubliziert worden. und neulich war halt Überflug von Io, ist wiederum völlig anders.
Tim Pritlove 0:55:10
Damit wir uns jetzt vielleicht nicht in diesen Details zu sehr verlieren,würde ich es gerne nochmal anders machen.Angenommen wir wären jetzt quasi komplett temperaturresistent und ich könntejetzt einfach und auch druckresistent und überhaupt strahlenresistent,also total resistent und ich falle jetzt quasi aus dem All auf den Jupiter.Was wäre denn das und ich würde jetzt so quasi langsam dem, was auch immer derBoden dort sein könnte, wenn es so einen Ort überhaupt gibt,Was kann man jetzt aus dem, was man bisher meint zu wissen oder was man beobachtethat ablesen Also wann, was ist so das Erste, auf was ich treffe und wie gehtes dann weiter wenn ich so langsam einfach,dem Zentrum mich nähere oder vielleicht schnell, weil das ist ja relativ groß.
Paul Hartogh 0:56:08
Ja und hat eine entsprechend hohe Schwerkraft. Aber ob man so schnell fällt,ist eben die Frage, weil natürlich die Dichte immer weiter zunimmt und deswegen irgendwann… Ja.
Tim Pritlove 0:56:17
Okay, ignorieren wir das einfach mal. Ich bewege mich mit konstanter Geschwindigkeitjetzt sozusagen auf den Jupiter zu.Was spüre ich als erstes? Was ist sozusagen das Erste, was ich wahrnehme von dieser Atmosphäre?Was bildet quasi die Außenhaut, das Erste, was nicht alles?
Paul Hartogh 0:56:35
Ja, es kommt doch an, welcher Geschwindigkeit man da jetzt reinfällt.Also wenn ich jetzt von oben steil, einfach nach unten runter plumpse.Also man stellt sich vor, man ist da in irgendeinem...
Tim Pritlove 0:56:45
Also ich reagiere gar nicht.
Paul Hartogh 0:56:46
Ich schaue nur. Es kommt darauf an, ob man natürlich sozusagen in einem Orbitund so weiter ist oder ob man da einfach steht und dann runterfällt,das ist natürlich was ganz anderes.Wenn ich da mit hoher Geschwindigkeit um Jupiter rumfliege, ist natürlich auchselbst die sehr, sehr dünne Atmosphäre, kann schon eben zu hohen Reibungsverlustenführen und entsprechenden Temperaturen.Ich traue einfach nur ein. Dann habe ich eben erst eine Thermosphäre,eine sehr hohe Temperatur.
Tim Pritlove 0:57:12
Was heißt das, eine sehr hohe Temperatur?
Paul Hartogh 0:57:14
Ja, da kommt man dann auf Werte von 600, vielleicht 1000 Grad.
Tim Pritlove 0:57:19
Tatsächlich so heiß.
Paul Hartogh 0:57:20
So ähnlich auch wie in der Erdmosphäre,da habe ich ja auch sehr hohe Temperaturen in der Thermosphäre.
Tim Pritlove 0:57:24
Aber wo kommen die her, diese Temperaturen?
Paul Hartogh 0:57:25
Das weiß man eben nicht so genau bei Jupiter. Bei der Erde kommen die hauptsächlichdadurch, dass eben sehr kurzfällige UV-Strahlung absorbiert wird.Ähnlich wie mit der Ozonschicht weiter unten, wo die UV-Strahlung ein bisschen...
Tim Pritlove 0:57:36
Also mehr eine Aufheizung durch andere Strahlung, die dort ankommt.
Paul Hartogh 0:57:40
Und gleichzeitig hat man kein Molekül, das im Infrarotbereich abstrahlen kann.So ist es auf der Erde zumindest. Und bei Mars hat man zum Beispiel CO2.CO2 kann immer abstrahlen, deswegenhat man dort keine sehr heiße Thermosphäre, auch wie bei der Venus.Aber auf der Erde hat man das und auf Jupiter hat man das halt auch.Wobei bei Jupiter versteht man das an sich nicht, weil der solare Fluss eigentlich nicht ausreicht.Und da muss es halt noch irgendeine andere Quelle geben.
Tim Pritlove 0:58:05
Aber man weiß, es ist so heiß außen. Ja, genau. Also ich hätte mir das Ganzeeher so als so eine eisige Umgebung vorgestellt, aber tatsächlich als ersteswürde ich erst mal getoastet werden, wenn ich nicht totally invincible wäre.
Paul Hartogh 0:58:18
Ja, getoastet ist vielleicht zu viel gesagt. Die Atmosphäre ist ja sehr,sehr dünn. Man merkt da nicht viel.
Tim Pritlove 0:58:24
Ach so, es ist heiß und ich merke nichts davon?
Paul Hartogh 0:58:27
Ja, weil einfach die ganze, ja, ich meine, ich spreche über Mikrobar bis Nanobar.Das ist also Hochvakuum eigentlich.Oder Hochvakuum vielleicht noch nicht, jedenfalls Vakuum. Das heißt,wenn ich da jetzt, ich meine, wenn ich jetzt in Erd bin gegenüber Temperaturenoder unabhängig von Temperaturen drücken und so weiter, passiert mir natürlichnichts. Aber normalerweise als Mensch würden wir da natürlich sofort,weil Vakuum ist, auseinanderfliegen.Aber wenn man da halt die Temperaturen messen würde, würde man halt feststellen,da geht es dann schon damit los, überhaupt zu schauen, welche Art von Temperatur messe ich da gerade.Es gibt ja die Temperaturen, die Sie am Boden kennen, die charakterisiert sinddie Gase durch Maxwell-Boltzmann-Verteilung und dann gibt es halt die Gase insehr dünnen Atmosphären, wo dann die, wie ich anfangs schon sagte,mit dem Spacecraft da vorhin,dass die Moleküle in verschiedene Richtungen verschieden schnell fliegen könnenund so weiter, wo ich also in dem Sinne verschiedene Temperaturen pro Richtunghabe oder pro Übergang des Moleküls, Rotationstemperaturen, Vibration und soweiter und so fort. Das ist also ein Thema für die Wissenschaft für sich.
Tim Pritlove 0:59:30
Man muss sich also jetzt nicht so eine Temperatur vorstellen,wie jetzt hier, es ist heiß und es ist überall gleichmäßig diese Temperatur,sondern diese Temperatur liegt in diesen Molekülen vor.
Paul Hartogh 0:59:41
Ja, die kinetische Energie der einzelnen Moleküle, genau.
Tim Pritlove 0:59:43
Weil die da einfach hoch angeregt sind und diese Energie in sich tragen,aber es gibt so wenig davon, dass ich also nicht wirklich getoastet werde,sondern es fliegen einfach nur so kleine 600 Grad heiße Moleküle durch mich durch.
Paul Hartogh 0:59:54
Ja, so in der Art, durch mich durch vielleicht nicht, aber fliegen da halt…Gegen mich gegen. Genau, genau.Und dann geht es weiter runter in die Stratosphäre. Stratosphäre heißt ja,das ist eine, das kommt vom Englischen Stratified,also eben eine geschichtete atmosphärische Schicht oder Schale,in der halt keine Konvektion stattfindet.Das heißt so eine Art Inversionswetterlage im Winter, das heißt die Temperaturnimmt nach oben hinzu anstatt ab.Und in der Erde kommt das ja durch die Ozonschicht zustande,die UV-Strahlung absorbiert und deswegen die Temperatur nach oben hin steigen lässt.Also in 50 Kilometer Höhe habe ich ja eine ähnliche Temperatur wie am Boden.Und bei Jupiter geschieht das durch Absorption der Sonnenstrahlung durch Aerosole und Methan.Das heißt, ich habe dann nach oben hin, je weiter ich nach oben komme,desto wärmer wird es. Und irgendwann in der unteren Stratosphäre wird es dannentsprechend kälter, bis ich in die Troposphäre komme.
Tim Pritlove 1:01:00
Aber ist es dann immer noch alles so vakuummäßig oder wird es jetzt schon so dicht?
Paul Hartogh 1:01:06
Nein, da komme ich schon in den Bereich von, also obere Troposphäre komme ichschon in den Bereich von, was weiß ich, Erdatmosphäre in 10 Kilometern Höhe oder so ähnlich.Oder 20 Kilometern Höhe und dann komme ich halt in die Troposphäre und da wirdes dann wieder wärmer, wenn ich nach unten falle.Und da entstehen dann Temperaturen, die gehen dann in die hunderte oder tausendeGrad, je weiter ich nach unten komme, desto wärmer wird es halt.Tausend ist, also ich weiß jetzt gar nicht genau.Ich habe durchaus, glaube ich, Temperaturen, wie sie entstehen bei der Verbrennungim Motor oder sowas, weil es gibt diese Thermochemiker,die die untere Atmosphäre von Jupiter modellieren Und die verwenden halt tatsächlichdiese Chemiemodelle, die in der Verbrennung von Gas in Motoren und so weiter ablaufen.Thermochemie.Weiter oben nennt man das Ganze Photochemie, weil dort die Energiequelle zumgroßen Teil halt tatsächlich die Strahlung der Sonne ist.Photochemie. Aber weiter unten dringt halt kein Sonnenlicht mehr vor und dahabe ich so eine Thermochemie.Also ich kann es jetzt gar nicht so genau sagen, weil ich mich tatsächlich mitdem Inneren des Jupiters gar nicht so gut auskenne. Aber ich kann mir eben durchausvorstellen, dass ich dort Temperaturenim Bereich von 1000, 1500 Grad und wahrscheinlich sogar noch mehr.
Tim Pritlove 1:02:25
Also es ist heiß und es ist dunkel?
Paul Hartogh 1:02:26
Es ist heiß und es ist dunkel.
Tim Pritlove 1:02:27
Okay, das reicht mir auch erstmal. Und würde ich die Gabe haben,durch dieses heiße, dunkel weiter durchzutreffen, würde ich irgendwann auchauf was Festes stoßen, in dem Sinne, dass man jetzt nicht nur so von Luftdruck sprechen könnte.
Paul Hartogh 1:02:42
Sondern eben von einer Oberfläche. Ja, eben dieser berühmte metallische Wasserstoff.
Tim Pritlove 1:02:48
Der berühmte metallische Wasserstoff.Was sind denn jetzt die Ziele, was will man denn jetzt noch herausfinden odermuss man auch herausfinden, um überhaupt auch ein gutes Verständnis von demGesamtsystem zu bekommen,was jetzt mit der JUICE-Mission realisiert werden soll, mit den ganzen Instrumentarien,die dort untergebracht sind.Wovon können wir denn ausgehen? Was denn so in ein paar Jahren,wenn dann der Satellit angekommen ist, was wir dann so beobachten werden?Ich meine, es ist natürlich immer schön zu sagen, was werden wir beobachten?Weil man fliegt ja deshalb hin, weil man es nicht weiß. Aber es gibt ja schon,sagen wir mal, eine konkrete Vorstellung davon, wo man hinschauen möchte.Und man hat ja eine gewisse Vermutung, was dort zu finden ist.
Paul Hartogh 1:03:42
Ja, ich kann ja erstmal anfangen mit dem, was wir mit unserem Instrument machenwollen, also diesem Submillimeterwelleninstrument.Dort schauen wir uns natürlich zunächst Jupiter an und wir haben dann äquatorialenOrbit und sind dort tatsächlich interessiert, hauptsächlich in der mittleren Atmosphäre,die man bisher nicht so gut analysiert hat oder analysieren könnte.Und wir messen dort zum einen die molekulare Zusammensetzung,dann die Zusammensetzung der Isotope, zum Beispiel Wasser, was ich gerade sagte,aber auch von Komponenten, die Schwefel, Kohlenstoff, Phosphor und so weitermöglicherweise enthalten.Und dann messen wir vielleicht Kohlenwasserstoffe, je nachdem,ob man sie messen kann oder nicht, ob sie da sind oder nicht,das wissen wir halt nicht.Wir können aber auch Frequenzen tunen, in denen gewisse Kohlenwasserstoffe vorhanden sind.Wir messen natürlich Methan, weil wir wissen, Methan ist vorhanden und Methanist auch relativ gut durchmischt und deswegen können wir Methan benutzen alsMolekül, mit dem man die Temperaturverteilung in der Mittelatmosphäre messen kann.Also so ungefähr von 50 Kilometer bis 350 Kilometer oberhalb der Tropopause.Und sehr wichtig für uns, wir können Winde messen. Also wir können anhand derDopplerverschiebung, wie wir es jetzt auch bei diesem Mondvorbeiflug gemachthaben, sagen, wie groß die Windgeschwindigkeiten dieser Mittelatmosphäre ist.Und das ist wichtig, weil man zwar aus diesen Klimamodellen oder Atmosphärenmodellenanhand der Temperaturunterschiede Winde berechnen kann oder vorhersagen kann.Das hat man auch beim Cassini-Vorbeiflug gemacht. Da hat man also Temperaturstrukturder Mittelatmosphäre bis 0,1 Millibar gemessen und hat dann anhand dieser Temperaturstrukturenberechnet, wie dann wohl die Winde dort wehen.Also man kann sich das vorstellen, vom Hochdruckgebiet fließt ein Wind ins Tiefdruckgebietund so weiter, um es jetzt einfach darzustellen.Es gibt aber eben auch tatsächlich den Einfluss von Wellen, von Wirbeln undso weiter, die eben auch Energie und Impuls übertragen und die können Windeteilweise sogar umdrehen, wie wir es aus der Erdatmosphäre kennen.Also die Frage ist, was ist jetzt der Einfluss von Wellen und Wirbeln?Die kann man rein anhand von Temperaturmessungen nicht bestimmen.Wichtig ist also, dass man tatsächlich Temperaturen und Winde gleichzeitig misst.Und wenn man das macht, kann man damit halt im Endeffekt sagen,wie funktioniert die Zirkulation überhaupt? Wie wird sie angetrieben?Und gibt es vielleicht einen großen Antrieb von unten? Eben durch Wellen,die aus der unteren Atmosphäre in die mittlere Atmosphäre gelangen.Oder gibt es einen Einfluss des Polarlichtowals?Dort werden riesige Energiemengen umgesetzt, dadurch, dass diese hochenergetischenTeilchen in die Atmosphäre eingetragen werden und dort Polarlichter erzeugen.Oder auch Energie umsetzen in riesigen Mengen, die dann möglicherweise überUmwege auch wieder in die Atmosphäre, die Energie in die Atmosphäre eingetragen wird.
Tim Pritlove 1:06:39
Dieses Polarlicht oval, das ist ja, wenn ich es richtig sehe,eine Entdeckung, die Juno erst gemacht hat?
Paul Hartogh 1:06:46
Nein, das wurde schon. Hubble hat das zum Beispiel gesehen und ich bin mir jetzt nicht sicher.
Tim Pritlove 1:06:50
Aber es gab jetzt richtig gute Aufnahmen von Juno davon, wenn ich das richtig sehe.
Paul Hartogh 1:06:55
Bessere, aber es gab auch schon gute Aufnahmen von Hubble. Also man wusste auch schon,es gibt halt uralte Aufnahmen von Hubble, indem man halt Polarlichter sieht,aber Juno hat natürlich vielleicht nochmal mit höherer Auflösung diese Polarlichter aufgenommen.
Tim Pritlove 1:07:13
Ja, also wer das Bild vielleicht nicht vor Augen hat, aber das ist sozusagen,also der Jupiter hat eine Magnetosphäre, so wie die Erde auch.Mit anderen Worten, die kosmische Strahlung und was von der Sonne kommt etc.Trifft nicht gleichförmig auf den Jupiter auf, sondern wird eben von dem Magnetfelddann auch in der Polregion quasi umgeleitet, umgesogen und wie auf der Erdeauch entstehen diese Auroren.Diese Polarlichter, also eine aufglühende Atmosphäre durch diese verdichteteStrahlung und das tut es auf dem Jupiter halt super extrem.Also es sieht irgendwie irre aus und dieses Oval ist sozusagen so.Ist das permanent, ist das immer oder ist das manchmal? Das ist immer, ne?Genau, also sozusagen der Lichtschalter ist immer an, bei uns muss man die Auroradann immer suchen oder Glück haben und da ist sozusagen Dauerbeleuchtung.
Paul Hartogh 1:08:11
Kann man so sagen, ja. Und wie gesagt, die Mengen, die an Energie umgesetztwerden, sind eben in Größenordnung mehr als zum Beispiel in der Erde und inder Erdatmosphäre, in der polaren Erdatmosphäre, Junosphäre und so weiter.Und die Frage ist eben, ist es möglich, dass sozusagen aus dieser EnergiequelleEnergie abgezapft wird, die dann die Zirkulation der mittleren Atmosphäre beeinflusst.Thermosphäre, Stratosphäre, Kopplung sozusagen. Das sind Sachen,die wir dann messen wollen, indem wir halt die Windgeschwindigkeiten bis ebenin die untere Thermosphäre messen, um zu sehen, dass möglicherweise eine Kopplungentsteht oder besteht oder nicht.Und ob es dort Transportphänomene gibt, generell halt zu verstehen,wie funktioniert da diese Zirkulation überhaupt.Bisher gibt es da halt viel Spekulation und wir wissen halt ein bisschen wasüber den Transport durch Schumacher-Levy 9, aber so richtig wissen wir haltnicht, wie die Zirkulationssysteme dort funktionieren.Das ist eben eine große Fragestellung, die wir haben jetzt speziell mit unseremInstrument, weil wir unter anderem eben halt Temperaturen und gleichzeitig Winde messen können.Und anhand dieser Parameter tatsächlich die Modelle dann, den Modellen haltRandbedingungen liefern können.Um zu sehen, ob jetzt diese Vorhersage oder jene Vorhersage korrekt ist oderkeine, das vielleicht ganz anders funktioniert.
Tim Pritlove 1:09:31
Das heißt im Idealfall...Den wünscht man sich ja immer, man weiß es ja nicht, aber im Idealfall würdeman eigentlich einen ganz neuen Blick auf den Jupiter gewinnen,weil man das erste Mal nachweisen kann,wie diese Strömungen tatsächlich sind und es nicht nur quasi so in zweiter Ordnungnachgerechnet hat mit das, was wir da sehen, könnte in etwa auf das und daspassen, weil mein Simulationssystem hat gesagt,das könnte Winde dieser Art ergeben, sondern diesmal werden wir das erste Malwirklich den Fühler reinhalten und sagen so,ja, das ist jetzt mal hier genauso schnell und jetzt könnt ihr mal eure Modelleüberarbeiten, weil das ist ja dann auch immer so ein Spiel in der Raumfahrt und Wissenschaft,dass man sagt, okay, auf der einen Seite haben wir eben viele Modelle,wir können viel vorhersagen, das ist ja auch eine wichtige Nahrung,um überhaupt auch erstmal solche Missionen auf bestimmte Ziele hin zu optimieren,Aber in dem Moment, wo man es dann eben auch wirklich konkret messen kann,ist das ja dann auch wieder eine Feedbackschleife für die Simulationen,die dann eben sagen, ja okay gut, wir hatten es im Prinzip richtig,aber diesen Aspekt haben wir offensichtlich nicht genug gewichtet oder überhauptnicht bedacht, sodass ja dann in derZukunft dann wiederum auch die Simulationsmodelle besser werden können,um eben weitere Voraussagen über den Jupiter oder vielleicht auch andere Planeten,vielleicht auch Exoplaneten später machen zu können.
Paul Hartogh 1:10:56
Ja genau, das ist eben so eine interessante Frage.Gibt es dort überhaupt einen Energietransport von unten nach oben oder einenImpulstransport oder gibt es dort eine Wechselwirkung mit der oberen Atmosphäre,weil ich dort halt diese riesige Energiequelle habe um den Pole herum und wiefunktioniert das, wie ist eigentlich die Physik dahinter?Und das kann man natürlich, man kann da jetzt sehr viel spekulieren,wie das vielleicht sein könnte, aber man braucht im Endeffekt Messdaten dazu,um dann die verschiedenen Theorien verifizieren zu können oder widerlegen zu können.
Tim Pritlove 1:11:32
Also eigentlich ist der Jupiter noch ein ziemliches Fragezeichen,so kann man sagen, in der planetaren Forschung.
Paul Hartogh 1:11:37
Jaja, natürlich, sonst wären wir ja nicht hingeflogen. Ja klar,es gibt ja noch mehr Fragezeichen.
Tim Pritlove 1:11:44
Aber ich meine dafür, dass er so groß ist, würde man ja meinen,der bietet so viel Beobachtungsfläche, zum wahrsten Sinne des Wortes,dass die Erkenntnislage da schon besser sein sollte. Aber ist sie nicht.
Paul Hartogh 1:11:57
Nein, ist sie nicht. Aber gut, das ist auch bei anderen Planeten so.Venus hat man das auch schon vor 50 Jahren analysiert und jetzt gibt es sechsVenus-Missionen, die bis 2030 starten sollen.Das ist jetzt auch getrieben durch neue Erkenntnisse. Und bei Jupiter ist es eben so,dass es eben nach wie vor ein sehr interessanter Planet ist und nachdem manjetzt naturenintensiv mit Cassini erforscht hat und dort auch viele neue Erkenntnisse gewonnen hat,möchte man die natürlich auch anwenden für Jupiter und damit dann viele Fragestellungenmöglichst beantworten,unter anderem auch zum Beispiel wie die Monde entstanden sind.
Tim Pritlove 1:12:37
Ein gutes Stichwort ist Cassini-Huygens, ist ja also auch eine Sonde,die am Jupiter vorbei geflogen ist, weil sie halt zum Saturn wollte und dasfinde ich schon fast ein bisschen absurd, dass man eigentlich so ein bisschen,vielleicht täusche ich mich auch, aber ich habe so ein bisschen den Eindruck,das Saturnsystem ist in gewisser Hinsicht schon mehr erforscht als das des Jupiters,obwohl es ja nochmal weiter weg ist. Kann man das so sagen?
Paul Hartogh 1:13:02
Kann man so sagen, tatsächlich durch die Cassini.
Tim Pritlove 1:13:04
Durch die Cassini-Mission, genau. Cassini-Huygens hatte ich hier in Raumzeitauch schon mal erzählt bekommen,ganz früh schon 2011 mit Michael Kahn von der ESA haben wir über diese Missiongesprochen, die ja nicht nur jetzt besonders war, weil es halt mit der Cassini-Missionso eine Langzeitmission der Beobachtung des Saturn-Systems an sich gab und der Monde,so wie eben Juno auch und eben jetzt auch Drews, sondern eben mit Huygens auchnoch diese Kapsel gab, die ja auf dem Titanenmond abgeworfen wurde.Etwas Vergleichbares gibt es jetzt für den Jupiter glaube ich noch nicht,dass man jetzt wirklich mal einem Mond besonders auf die Schliche kommen wollte.Indem man was abwirft?
Paul Hartogh 1:13:49
Nein, das ist vielleicht was für die Zukunft. Also wäre natürlich sehr interessant,auf dem Mond Europa zu landen, unter anderem, je nachdem, mit wem man da spricht.Aber Europa ist natürlich sehr interessant wegen des potenziellen Ozeans oderdiesem sogenannten chaotischen Gelände, chaotic terrain, im Englischen,wo man irgendwelche Wasserpockets, ich weiß gar nicht, Wassertaschen unter der Oberfläche vermutet.Und das dann zu analysieren. Das Problem ist aber, dass die Strahlung eben tatsächlichauf dem Europa so extrem hoch ist, dass es technologisch extrem anspruchsvoll ist,Geräte zu bauen oder Instrumente zu bauen oder Elektronik zu bauen,die dort länger als ein, zwei, drei Wochen überlebt.
Tim Pritlove 1:14:34
Ach echt?
Paul Hartogh 1:14:35
Ja, das sind halt diese extrem energiereichen Teilchen, die dort eben über Bremsstrahlung,unter anderem dann extrem hochenergetische elektromagnetische Strahlung erzeugen,die dann die Elektronik zerstört.
Tim Pritlove 1:14:48
Wo kommt die Strahlung her?
Paul Hartogh 1:14:50
Also Bremsstrahlung.
Tim Pritlove 1:14:52
Bremsstrahlung.
Paul Hartogh 1:14:52
Ja, das heißt, wenn ich irgendwie ein Teilchen habe, was mit extrem hoher Geschwindigkeitauf Material trifft, dann entsteht Bremsstrahlung.
Tim Pritlove 1:15:02
Also nicht der Mond strahlt, sondern die Strahlung wird von dem...
Paul Hartogh 1:15:06
Das sind die Teilchen, die da um Jupiter rumfliegen im Endeffekt.
Tim Pritlove 1:15:09
Achso, generell die Jupiter-Strahlung, nicht die von dem Mond aus geht.
Paul Hartogh 1:15:13
Ne, das ist eben die Strahlung, die entsteht durch die Wechselwirkung der extremschnell fliegenden Teilchen mit Materie.Und diese Teilchen werden eingetragen durch Io, durch diese vulkanische Aktivität,der ungefähr eine Tonne pro Sekunde erzeugt, werden dann ionisiert durch dieSonne und werden dann im Jupiter-Magnetfeld extrem beschleunigt.Und dort kann ich halt zum Teil Teilchen, Elektronen mit relativistischen Geschwindigkeitenantreffen. Und wenn die halt auf Materie treffen, dann führt es eben zu Zerstörung der Elektronik.
Tim Pritlove 1:15:46
Also relativistische heißt sehr hoch.
Paul Hartogh 1:15:49
Sehr hoch, 10.000 Kilometer pro Sekunde.
Tim Pritlove 1:15:52
Und das heißt, das Problem besteht jetzt nicht nur am Europa,sondern generell, wenn man sich da in dem System bewegt.
Paul Hartogh 1:15:58
Ja, je weiter man nach außen geht, desto geringer wird sozusagen der Beitrag.Also bei Ganymed ist es nicht mehr ganz so schlimm und bei Callisto ist es noch unproblematischer.
Tim Pritlove 1:16:08
Weil die weiter draußen.
Paul Hartogh 1:16:09
Weil die weiter draußen sind und ursprünglich war es vielleicht auch mal geplant,anstatt zum Ganymed zu Europa zu fliegen in dieser Mission, also die ist seit 2005 diskutiert.Und dann ist man aber doch ziemlich schnell zu der Erkenntnis gelangt,dass mit dem Geld, was man in Europa zur Verfügung hat und mit der Technologie,das nicht möglich ist, einen Orbiter zu bauen, der jetzt um Europa fliegt.Das versuchen jetzt die Amerikaner mit Europa Clipper.
Tim Pritlove 1:16:38
Genau, eine geplante Mission, die vielleicht auch irgendwann ein Länder dannauch haben soll in einer Erfolgemission.
Paul Hartogh 1:16:44
Wenn ich das richtig sehe. Genau, ja das ist so die Idee, dass man tatsächlich,da gibt es ja viele Studien, dass man auf Europa landet, Löcher bohrt und versuchtzu diesem Ozean vorzudringen.Da gibt es ja tatsächlich Versuche, habe ich gesehen, Diplom- und Doktorarbeiten,teilweise sogar auch an deutschen Universitäten.Allerdings ist das im Moment wohl alles sehr unrealistisch, weil dieses Bohrenallein erfordert extrem viel Energie.Und ja, da sind wir also wahrscheinlich noch 100, 200 Jahre davon entfernt,dass die Technologie dafür zur Verfügung steht.Das würde wahrscheinlich auch bedeuten, dass man Raumfahrzeuge mit irgendeinerArt von Nuklearantrieb braucht, also Kernspaltung und so weiter,also Atomkraftwerke an Bord. Da sind wir wieder bei 2001.Also das ist eben Zukunftsmusik und ja, das ist eigentlich jetzt Science Fiction.Man überlegt sich zwar, wie man das machen könnte, aber ist einfach technischnicht realisierbar und finanziell erst recht nicht. Aber vielleicht in 100 Jahren, wer weiß.
Tim Pritlove 1:17:42
Zukunftsmusik ist ja immer die schönste Musik. Ich meine, es besteht ja jetztsozusagen die realistische Chance, dass wir demnächst unseren Helikopterflugauf dem Titan dann noch anschauen dürfen.Ich bin da ganz optimistisch, dass da noch eine Menge gehen wird.Ich würde schon gerne nochmal so ein bisschen auf diese Monde jetzt nochmalspeziell drauf eingehen. Und welche Rolle die spielen.Jetzt insbesondere mit dem Io, der also diese hohe vulkanische Aktivität hat.Und wenn ich das jetzt eben richtig verstanden habe, macht der sozusagen richtigStress mit seinem Vulkanismus.Und zwar nicht nur auf sich selber, sondern für das gesamte Jupiter-System durchdiesen hohen Auswurf von Zeug.Was wirft er denn dann so aus?
Paul Hartogh 1:18:32
Ja, vulkanische Gase, Aerosole, also zum Beispiel SO2 als Beispiel,aber auch Salze, KCL, NaCl.Und die werden ausgestoßen eben mit einer Geschwindigkeit, die hoch genug ist,sodass das schwere Feld des IOS verlassen wird.Und deswegen verteilt sich das Ganze dann sozusagen im inneren Jupiter-System.
Tim Pritlove 1:18:54
Und Io ist dem Jupiter nächster Mond, also das ist wahrscheinlich auch der Grundfür diesen hohen Vulkanismus, weil der vermutlich von der Gravitation des Jupiterdie ganze Zeit so durchgeweigt wird.
Paul Hartogh 1:19:06
Genau, genau.
Tim Pritlove 1:19:07
Okay und das dankt er sozusagen dem Jupiter durch diesen hohen Auswurf von Zeugund das flirrt dann herum und zusammen mit der hohen Strahlung,die ohnehin um den Jupiter herrscht.
Paul Hartogh 1:19:23
Ja, Strahlung selber, die Strahlung wird halt im Endeffekt durch diese Teilchen erzeugt.Also der Jupiter selber strahlt natürlich nicht als Planet selber,sondern eben hervorgerufen durch die Wechselwirkung der Teilchen mit dem Starkmachnetfeldund der Ionisation dieser Teilchen durch die Sonnenstrahlung.
Tim Pritlove 1:19:41
Also es ist ein totales Chaos da oben.
Paul Hartogh 1:19:43
Ja, es ist zumindest eine unwirtliche Umgebung.Das gibt Schülerexperimente, also diese Wechselwirkung, die ich da jetzt kurz angesprochen habe,führt unter anderem dazu, dass eben nicht nur im UV und im sichtbaren Polarlichterund im Infraroten riesige Mengen an Energie umgesetzt wird, sondern auch im Radiowellenbereich.Und man kann mit einem Kurzwellenempfänger sozusagen Jupiter,wenn er über den Horizont kommt, empfangen.Da hört man so komisches Knistern und Knacken und so weiter.Das sind halt tatsächlich Signale, die in einem extrem breiten Spektralbereichvon ULF bis ins UV oder Gammastrahlung abgestrahlt werden.Und ja unter anderem zum Beispiel eben durch das,Polarlicht, aus dem Polarlicht oval heraus oder generell durch die Wechselwirkungmit dem Manetfeld starke Mikrowellenstrahlung stattfindet und so weiter und so fort.Das heißt was da an Energie umgesetzt wird ist also deutlich mehr als bei allenanderen Planeten im Sonnensystem zusammen und das ist von daher eine ganz interessante Geschichte.
Tim Pritlove 1:21:01
Also Io macht Alarm und ist sozusagen der vulkanische Mond und ist auch überhaupt der nächste.Also der erste, der sozusagen überhaupt… Der innerste Mond, ja.Genau, dem folgt ein Europa, der ist nicht ganz so durchgeweigt,deswegen offensichtlich auch keine vulkanische Aktivität, aber wahrscheinlichimmer noch genug Einfluss, um den in irgendeiner Form in Bewegung zu halten.
Paul Hartogh 1:21:28
Ja, vulkanische Aktivität ist so die Frage. Auf Island hat man ja Geysire undman glaubt ja auch mindestens drei Anzeichen eines großen Geysirs auf Europa entdeckt zu haben.Da gibt es halt zwei Hubble-Messungen und einmal Messungen vom Erdboden aus,von Hawaii aus im Infraroten.Dort glaubt man tatsächlich Geysire entdeckt zu haben, die etwa 2000 TonnenWasser in die Umgebung von Europa geschleudert haben.
Tim Pritlove 1:21:59
So pro Spritzer.
Paul Hartogh 1:22:01
Pro Spritzer kann man so sagen, ja. Und gut, das Ganze ist so ein bisschen fragwürdig,weil die Signale, von denen man da spricht, sind meistens so 3,3 bis 3,5 Sigma.Das kennt man ja auch vom Higgs-Boson, dass man gesagt hat, bevor wir keineFünf-Sigma-Detektion haben, glauben wir das nicht.Das ist jetzt so die Frage, das ist natürlich eine sehr interessante Fragestellung,weil wenn es tatsächlich diese Geysire geben würde,da hat man halt Wasser gemessen, weil Wasser noch, also von Hubble zum Beispiel,noch am einfachsten zu messen ist, weil es halt sehr, sehr stark absorbiert bzw. imitiert.Dann gibt es vielleicht auch andere Gase, die dort vorkommen.Also wenn tatsächlich so ein Geysir jetzt Wasser aus dem Inneren,im Idealfall von dem Ozean, meinetwegen in 10 Kilometer Tiefe in die Atmosphäreschleudert, dann werden ja möglicherweise auch noch alle anderen Moleküle mitgerissen.Und kann man vielleicht die molekulare Zusammensetzung im Wasser bestimmen?Und da gibt es dann diese berühmte Frage nach diesem Schnopps,also C-A-O-N-P-S, also das sind die sogenannten essentiellen Elemente für Lebensfreundlichkeit.Neuntlichkeit, also Schnopps, C-A-O-M-P-S, so kann man sich das am leichtsten merken.
Tim Pritlove 1:23:26
Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor und Schwefel.
Paul Hartogh 1:23:30
Richtig. Und da ist dann die Frage, also für uns zum Beispiel,wir können unser Instrument so auf hunderte von Spektrallinien einstellen undknapp hundert verschiedene Moleküle oder tausende von Übergängen im Endeffekt.Da ist dann die Frage, finden wir tatsächlich Moleküle, die eins dieser Elemente enthält?Und falls tatsächlich wir feststellen sollten, dass diese Aktivität existiert,werden wir natürlich dann unsere Empfänger auf Moleküle tunen,die dann möglicherweise da gefunden werden oder auch nicht.
Tim Pritlove 1:24:09
Aber ist denn Europa nicht schon beobachtet worden von Galileo und von Juno?Da muss man doch irgendwie was gesehen haben.Also wenn man sich jetzt hier nur auf Hawaii beruft, wundere ich mich ja,warum man nicht schon mal näher hingeschaut hat.
Paul Hartogh 1:24:23
Ja, das ist eben die Idee, warum man halt diese neuartigen Instrumente baut,die halt viel höhere Empfindlichkeit ermöglichen und liefern als eben die mehrin Anführungsstrichen klassischen wie Infrarot-Experimente.Im Endeffekt kommt es bei dieser Spektroskopie immer darauf an,dass man eine sehr, sehr hohe spektrale Auflösung hat.Einfach deswegen, weil die Spektrallinien selber da in dieser Situation im mehroder weniger Vakuum extrem schmal sind.Und ich muss die auflösen können, damit ich die entsprechende Empfindlichkeit habe.Wenn ich ein normales Gitterspektrometer oder FTS im Infrarot nehme,habe ich vielleicht Auflösungen von 5.000, 10.000, wenn es hochkommt und damitkann ich diese Linien nicht auflösen.
Tim Pritlove 1:25:03
10.000 was, so einzelne Linien?
Paul Hartogh 1:25:05
Also das ist praktisch das Frequenzintervall oder die Frequenz geteilt durchdas Frequenzintervall. Also wenn ich zum Beispiel, was weiß ich.Ein Terahertz, sage ich jetzt einfach mal, 10 hoch 12 Hertz als Frequenz desMoleküls habe und löse das auf mit einem Megahertz,dann ist das 10 hoch 12 geteilt durch 10 hoch 6, dann habe ich eine Auflösung von einer Million.Und um alle Linien sicher auflösen zu können, braucht man etwa so 10 Millionen Auflösung.Das heißt, je höher ich in der Frequenz gehe, desto schlechter muss jetzt dieabsolute Auflösung sein, damit ich das Ganze erreiche.Die normalen Gitterspektrometer oder so oder Fourier-Transform-Spektrometerim Paroten, die so fliegen, haben meistens Auflösungen 1000,maximal 5000, vielleicht 10.000.Wenn man eine höhere Auflösung haben will, dann werden sie sehr groß und schwerund schwierig zu fliegen. Also am Boden habe ich durchaus diese Art von Spektrometern.Ich stelle Spektrometern bis Auflösung von vielleicht 100.000.Aber die kann man halt nicht so ohne weiteres fliegen. Und deswegen haben wireine andere Methode angewandt. Das nennt sich Heterodynspektroskopie,mit der ich halt 10 Millionen erreiche.Und dadurch erreiche ich eben die extrem hohe Empfindlichkeit,weil ich die Linien tatsächlich auflöse.Und deswegen hoffen wir eben, dass wir Moleküle sehen können,die man vorher nicht sehen konnte, weil die Empfindlichkeit einfach fehlte.Wir haben zum Teil tausendfach höhere Empfindlichkeit als das,was man da vorher geflogen ist.
Tim Pritlove 1:26:37
Also man war schon da, aber man hatte einfach noch nicht das Instrumentarium,durch Juice wird jetzt alles besser. Genau.
Paul Hartogh 1:26:43
Als Beispiel, man hat jetzt halt, von Hubble beziehungsweise vom Boden aus,eine Empfindlichkeit sowas von, also man hat 2000 Tonnen gemessen mit einerEmpfindlichkeit vielleicht von 600 Tonnen, also 3, irgendwas Sigma.Und wenn wir dort sind, haben wir dann eine Empfindlichkeit,die ist meinetwegen 10 Kilogramm oder 1 Kilogramm. Also wir sind da in fünfGrößenordnungen empfindlicher.Das heißt, wenn da irgendwas rumschwirrt an Geysieren und so weiter,selbst im ganz kleinen Bereich sehen wir das sofort.Und deswegen ist es auch so, wenn wir um Jupiter herumfliegen in der Anfangsphase,wollen wir jeden Tag eine Stundedie Monde beobachten, ob es da irgendeine atmosphärische Aktivität gibt.Wir können die Monde aus Entfernung von einigen Millionen Kilometern beobachtenund trotzdem noch die Atmosphäre entsprechend nachweisen.
Tim Pritlove 1:27:27
So, das heißt, wir haben jetzt Io und Europa schon ein wenig gewürdigt.Ganymed und Callisto sind dann die anderen von den vier großen.Alle außer Io gelten quasi als Eismonde.Also heißt das, dass sie im Wesentlichen aus Wasser bestehen oder nennt mansie Eismonde, weil sie so kalt sind?
Paul Hartogh 1:27:51
Nee, weil wohl der Anteil von leichteren Elementen und Wasser unter anderemrelativ gesehen zu Io größer ist.Also insgesamt ist es ja so, dass die Dichte von innen nach außen abnimmt.Ich weiß jetzt nicht auswendig, aber ich meine, Io hat eine Dichte von 3,6.Ich glaube Europa von 3 und dann Ganymed von 1,8 und so weiter.Also die werden immer leichter sozusagen von innen nach außen.
Tim Pritlove 1:28:19
Das ist so Gramm pro Kubikzentimeter.
Paul Hartogh 1:28:22
Genau, oder Tonnen pro Kubikmeter.
Tim Pritlove 1:28:25
Ja, das geht von 3,5 bis 1,8, wenn ich das hier richtig sehe.Okay, aber so Ganymed und Kalusso haut dich jetzt nicht so vom Hocker,ist nicht so interessant?
Paul Hartogh 1:28:39
Doch, ich meine natürlich haut mich das vom Hocker.
Tim Pritlove 1:28:42
Weil… Ich spüre die Begeisterung noch nicht so richtig.
Paul Hartogh 1:28:46
Ja, ja, ja, natürlich finde ich das auch sehr interessant.Ich meine, wie gesagt, diese Frage der Lebensfreundlichkeit,Habitability im Englischen, ist natürlich auch eine große Frage,Aber damit haben wir eigentlich gar nicht angefangen, sondern da geht es auchwieder um grundsätzliche Fragestellungen.Ganymede ist auch ein sehr breites Gebiet, ein sehr breites Thema und wir speziellinteressieren uns für die Exosphäre oder die Atmosphäre.Und zwar, es gibt dort wohl eine Atmosphäre, man hat Sauerstoff gemessen,man hat CO2 gemessen, man hat Wasser gemessen.Aber da gibt es zum Beispiel die Frage, wie funktioniert die Atmosphäre überhaupt?Was sind die Quellen der Atmosphäre?Was führt dazu, dass dort eine Atmosphäre existiert? Wodurch entsteht die?Und nächste Frage ist dann, was passiert mit dieser Atmosphäre?Sind dort Dichten vorhanden in der Unternehmensphäre, die hoch genug sind?Dass sie stoßdominiert ist, dass ich dort wirklich von der Atmosphäre sprechenkann oder habe ich sowas ähnliches wie jetzt um den Satelliten herum,wie ich vorhin gesagt habe, dass die Moleküle kaum Möglichkeit haben zu stoßen.Das kann ich tatsächlich in einer Art von dynamischem Modell anwenden,um das zu modellieren oder ist das eine rein kinetische Atmosphäre,meinetwegen eine ballistische Atmosphäre, wo irgendwo aus dem Boden Materialin Form von Gas nach oben geschleudert wird und dann irgendwo anders wieder runterfällt.Und wir können dann halt, wie gesagt, wiederum die Dichte messen,wie viele Moleküle sind vorhanden, mit welcher Geschwindigkeit verlassen sieden Boden, in welche Richtung wird dieser Wind in Anführungsstrichen geblasen.Das sind also viele grundsätzliche Fragestellungen, Messungen,die man bisher so noch nie gemacht hat.Jedenfalls nicht bei Monden, vielleicht bei Kometen, Miro, Rosetta.Aber andere Frage sind dann wiederum die isotopische Zusammensetzung.Wir wissen, dort ist Wasser, wir wissen, wir sind sehr empfindlich.Wir können diese Wasseratmosphäre sehr genau charakterisieren und wir könneneben auch sagen, wie das Wasser wiederum sich zusammensetzt und daraus Rückschlüsseziehen, wie der Mond entstanden ist und wo er entstanden ist.Ist der Mond sehr schnell entstanden bei sehr, sehr hohen Temperaturen,was darauf hindeutet, dass wir wahrscheinlich ein sehr niedriges Dezuharverhältnisim Wasser sehen würden oder ist er sehr langsam entstanden und weiter außen.Und wenn er sehr langsam entsteht, kann man davon ausgehen, dass die Temperaturen,die bei der Entstehung entstanden sind, in der Scheibe um Jupiter herum niedrigersind, weil der Energieumsatz entsprechend geringer war beziehungsweise die Wärmestrahlungdazu geführt hat, dass das System mehr gekühlt wurde und so weiter und so fort.Man kann halt anhand der isotopischen Zusammensetzung der Gase,die man dort sieht, Wasser wird man auf jeden Fall sehen, vielleicht sieht manauch noch andere Gase, eben Aussagen darüber machen, wie der entsprechende Mond,Und also Ganymed zum Beispiel in diesem Fall entstanden ist.Das ist also eine völlig andere Fragestellung als diese der Habitabilität,die auch interessant ist.Und man kann auch nicht ausschließen, dass es möglicherweise Geysir oder sowasähnliche Phänomene auch im Ganymed gibt.Wie gesagt, wir haben hier mindestens tausendfache Empfindlichkeit gegenüberallem, was man bisher hatte.Das heißt, wir werden auch sehr kleine und sehr schwache lokale Prozesse sehen können.Und es ist ja so, dass die JUICE-Mission dann irgendwann in einen polaren Orbitum Ganymed einschwenkt.Erst 5000, dann schließlich 500 Kilometer im Durchmesser.Das heißt, man ist sehr nah dran und kann dann halt hochpräzise atmosphärischeMessungen mit sogenanntem Limp-Scanning durchführen,indem man manchmal den Höhenbereich von 0 bis 500 Kilometern immer abscanntund dort dann halt Windetemperaturen und Dichten der Atmosphäre bestimmt,beziehungsweise molekulare Zusammensetzung.Und das ist für uns jetzt eben von sehr großem Interesse, weil es ist also relativ exotisch.Titan hat ja eine sehr dichte Atmosphäre mit 1,5 Bar am Boden und hier sprechenwir eben über Atmosphären, die so etwa der Erdatmosphäre in 90,100 Kilometern Höhe entsprechen.Aber wie gesagt, bei der Erdatmosphäre wissen wir ja, wie die entstanden istund wie die funktioniert und da wissen wir das überhaupt nicht.Also wir wissen überhaupt nicht, wie gesagt, was die Prozesse sind,die überhaupt dazu führen, dass ich dort Gase habe.Also ist es Sublimation, die Sonne scheint praktisch einfach auf den Mond undführt dann dazu, dass Eis sublimiert oder sind es diese hochenergetischen Teilchen, Sputtering,die also dazu führen, dass dort Gasmoleküle die Oberfläche verlassen oder Radiolyseund das sind alles so die verschiedenen Theorien, die es dort gibt.Aber wie gesagt, wenn wir auf Europa zurückkommen als Beispiel.Dort haben wir bisher eine Empfindlichkeit von 600 Tonnen und da kommen wirvielleicht auf, ich weiß jetzt nicht, ich muss jetzt nochmal genau nachreichen,aber vielleicht 600 Mikrogramm Empfindlichkeit.
Tim Pritlove 1:33:32
Was heißt das 600 Mikrogramm Empfindlichkeit? Was ist da empfindlich?
Paul Hartogh 1:33:35
Wenn da jetzt so ein Plum rauskommt, also so ein Geysir,da hat man bisher halt drei bis dreieinhalb Sigma-Detektionen von 2000 Tonnengehabt und wir würden Geysire sehen, die da vielleicht eine Masse haben,anstatt von 2000 Tonnen von ein paar Mikrogramm.
Tim Pritlove 1:33:54
Okay, das ist schon mal eine Ansage.
Paul Hartogh 1:33:57
Ja, das sind also, wie gesagt, jetzt als Beispiel.
Tim Pritlove 1:34:00
Also vorher hat man gesehen, dass da überhaupt irgendwas ist und jetzt würdeman es schon sehr feinfühlig messen können.
Paul Hartogh 1:34:05
Genau, von daher war dieser Mondvorbeiflug ganz interessant.Da hatten wir eigentlich einesogenannte Säulendichte von 2 mal 10 hoch 17 Molekülen pro Quadratmeter.Das sind etwa 7 Größenordnungen weniger als ein Mol Wasser. Ein Mol Wasser sind 18 Gramm.Das sind 6 mal 10 hoch 23 und hier sprechen wir von 2 mal 10 hoch 17.Und da konnten wir richtig dicke Linien sehen. Also in Wirklichkeit haben wirnoch eine Impflichkeit, die etwa 3, 4 Größenordnungen darunter liegt.Und ja, das ist eben das Interessante, man sieht da fast nichts.Also extrem geringe Mengen werden wir dort aufspülen können.Und das kann man natürlich auch mit Massenspektrometern und Massenspektrometersind ja auch in der Vergangenheit geflogen und dadurch bekannt,dass sie eben sehr, sehr geringe Mengen von Stoffen, teilweise auch unbekanntenStoffen, die man dann erst identifizieren muss, finden können.Aber dazu muss man natürlich durch so eine Wolke oder durch eine Atmosphäre durchfliegen.Und das ist ja nicht so einfach.Wenn man weiß, dass dort irgendwie eine Aktivität ist, kann man vielleicht malGlück hat, die Trajektöre des Satelliten zu ändern, dass man da mal irgendwanndurchfliegt, wie zum Beispiel bei Enceladus.Aber wir können das eben halt aus der Entfernung machen. Wir können eben ausgroßer Entfernung bis zu 1, 2, 3, 5 Millionen Kilometer Entfernung diese Zusammensetzung bestimmen.Das ist halt das Neue und eben auch mit extrem hoher Empfindlichkeit.Von daher ist es eben für uns eben doch, allein diese, ich meine das hört sich jetzt sehr speziell an.Tatsächlich diese Exosphären genau analysieren zu wollen oder zu können.Aber es ist eben, bisher weiß man nicht viel.Und das wird uns die Augen öffnen. Wir werden komplett neue Erkenntnisse gewinnen.
Tim Pritlove 1:35:48
Diese Monde, von denen wir sprechen,sind ja auch alle so in etwa in der Größenordnung unseres Mondes.Bisschen kleiner, bisschen größer. Aber auch Titan ist ja auch alles so in derselbenGrößenordnung. Also würden die jetzt quasi um die Erde herumschwimmen,die wären am Himmel so in etwa in derselben Größenordnung.Verwundert das eigentlich so ein bisschen, dass bei so einem Riesenteil wieJupiter die Monde auch nur so vergleichsweise kleine Kleckse sind?Oder ist das jetzt einfach nur so eine spezifische Erdgeschichte,weil wir hier davon ausgehen, dass der Mond dann doch im Wesentlichen wahrscheinlichaus der Erde heraus geschlagen wurde und deshalb relativ groß ist?
Paul Hartogh 1:36:32
Ja, ich denke, das ist wahrscheinlich ein Zufall. Also wie gesagt,der Erdmond ist ja durch diesen Einschlagkörper teilweise höchstwahrscheinlich entstanden,was man allein schon an der eben tatsächlich isotopischen Zusammensetzung derMaterialien des Mondes weiß.Die ist praktisch identisch mit dem, was wir auf der Erde sehen.Und man kann davon ausgehen, dass die Monde des Jupiters also völlig andersentstanden sind, sondern nämlich aus einer Gaswolke, die in der Umgebung desJupiters in irgendeiner Form vorhanden war.
Tim Pritlove 1:37:06
Es ist mehr so eine Resteverwertung als ein großer kosmischer Unfall.
Paul Hartogh 1:37:10
Könnte man vielleicht so bezeichnen, ja.
Tim Pritlove 1:37:13
Da muss man sich ja auch mal klar machen, das haben wir glaube ich auch hierbeim Gespräch um das Saturnsystem gemacht, Jupiter ist ja eigentlich so groß,er ist ja so ein bisschen schon fast so ein verhinderter Stern.Also der ist ja sehr groß und sehr schwer und alles und so weiter,aber es ist halt jetzt einfach so ein Gasriese ein großer Planet,aber es hätte jetzt auch nicht mehr so sehr viel mehr gebraucht, um das Ding auch,selber zu zünden also ein bisschen mehr schon, aber ist ja,schon so, also ich weiß nicht, sehr viel größere Planeten gibt es glaube ichdann auch sonst gar nicht mehr oder?
Paul Hartogh 1:37:53
Doch, denke ich schon, also wenn man sich im Sonnensystem natürlich nicht,aber Wenn man sich Exoplaneten anschaut, gibt es auch durchaus größere.
Tim Pritlove 1:38:01
Bis zum Faktor was ungefähr?
Paul Hartogh 1:38:03
Das kann ich jetzt nicht sagen, aber ich meine, das wäre ja sehr unwahrscheinlich,dass Jupiter allein von der Statistik her der größte Planet wäre.Es gibt sicherlich diese heißen Jupiter. Im Endeffekt ist es so,dass es verschiedene Kategorien von Planeten gibt. Die nennt man dann eben Jupiteroder nennt man Neptun anhand der Masse und der Größe.Aber ich bin überzeugt, dass es also deutlich größere Planeten gibt,weil wie groß ein Planet ist, hängt ja im Endeffekt davon ab,wie viel Material in der Protoplanetanscheibe, aus dem er entstanden ist,vorhanden war. Aber es gibt wahrscheinlich Planeten, die zehnmal so groß im Durchmesser sind.
Tim Pritlove 1:38:36
Ja, aber wenn sie dann eine gewisse Masse haben, dann zünden sie ja dann vielleichtauch irgendwann, wenn sie sich zusammenklappen.
Paul Hartogh 1:38:42
Ja, kommt dann auch auf die Zusammensetzung an. Klar, wenn es nur Wasserstoff ist.
Tim Pritlove 1:38:45
Auf jeden Fall spielt der Jupiter ja im Sonnensystem auch eine besondere Rolle.Nicht nur, weil er jetzt der Größte ist, sondern weil er durch seine Masse jaauch das Gesamtsystem ordentlich durcheinander bringt.Also wir haben ja den Merkur, die Venus, uns, die Erde, dann halt den Mars unddann passiert ja erstmal eine ganze Weile lang nichts, beziehungsweise passiertja eigentlich eine ganze Menge, weil wir ja diesen riesigen Asteroidengürtel haben.Und da fliegt ja auch eine ganze Menge Zeug rum, aus dem ja nie ein Planet geworden ist.Und der Grund dafür ist der Jupiter, weil er einfach mit seiner Gravitationso viel Ärger macht, dass sich einfach diese Asteroiden nie so richtig habenzusammenfinden können.Ist denn das ein geklärter Bereich oder kann man jetzt mit diesen Missionen,die wir dorthin schicken, auch aus diesem Bereich des Asteroidengürtels nochirgendwelche Erkenntnisse gewinnen?Schaut man da einfach nochmal auf irgendwas drauf oder ist das alles schon kalterKaffee, interessiert keinen mehr?
Paul Hartogh 1:39:47
Ne, das ist natürlich kein kalter Kaffee, aber ich glaube rein aus praktischenGründen wird man jetzt mit der Juice-Mission keine Asteroiden untersuchen können,einfach weil man nicht genug Treibstoff hat.Also man wählt eine Trajektüre natürlich hauptsächlich danach,um mit möglichst viel Energie dort anzukommen und wenn man Glück hat,liegt dann auf dem Weg irgendwie ein Asteroid, den man sich anschauen kann.Es ist mal tatsächlich diskutiert worden, ob man die Bahn nicht ein bisschenändern kann, um dort irgendwelche Untersuchungen zu machen.Das ist aber im Endeffekt verhofft worden. Was natürlich nicht heißt,dass jetzt die Erforschung des Asteroidengürtels nicht interessant wäre.Das ist natürlich an sich schon interessant.Und nach wie vor, also zum Beispiel ein interessantes Gebiet,was mir gerade so einfällt, sind die sogenannten Mainbelt-Kometen.Also Asteroiden, die tatsächlich so eine Art Kometenschweif hinter sich herziehen.Und die Frage ist, wie kommt das überhaupt dazu?Weil man ja glaubt, dass Kometenschweife entstehen durch Ausgasen,zum Beispiel von Wasser oder anderen Molekülen, die dann sozusagen den Stauban der Oberfläche mit sich mitreißen.Man hat aber erst bei einem dieser Mainbelt-Kometen, ich glaube letztes Jahroder vorletztes Jahr, mit dem James-Webb-Teleskop letztes Jahr überhaupt Wasserentdecken können, während zig andere Messungen nichts gefunden haben.Das ist die Frage. Was sind eigentlich die Prozesse, die dann dazu führen,dass tatsächlich so ein Staubschweif entsteht?Ist das vielleicht ein völlig anderer Prozess als Ausgasen? Das ist natürlichauch noch eine von vielen Fragen.Dann gibt es natürlich die Leute, die interessiert wären, die Zusammensetzungdes Oberflächenmaterials sich anzuschauen. also Sample Return,Um dann mit viel höherer Genauigkeit.
Tim Pritlove 1:41:27
Da gibt es ja eine Menge Missionen, vor allem die Amerikaner und die Japaner ganz eifrig dabei.
Paul Hartogh 1:41:31
Hayabusa, genau, Osiris Rex.Und ja, dann eben die Frage der Asteroiden im äußeren Asteroidengürtel, der Kohlenkondriten,wie viele Organe des Materiales vorhanden ist, wie ist die genaue Zusammensetzung,wie viel Wasser ist dort vorhanden.
Tim Pritlove 1:41:53
Was genau bezeichnet man als den äußeren und den Hauptgürtel?Wir reden jetzt schon noch immer nur von dem Bereich zwischen Mars und Jupiter,der teilt sich nochmal in verschiedene Bereiche.
Paul Hartogh 1:42:04
Ja, verschiedene, die dadurch charakterisiert sind, dass sie eben eine verschiedeneEntfernung von der Sonne haben und deswegen der Solare Fluss,der Energiefluss der Sonne halt immer weiter abnimmt und es wird halt immerkälter und irgendwann ist man so, dass ist man in einem Bereich,wo im Wassereis existieren kann,während im inneren Bereich das Wassereis eben weg sublimieren würde und somitauch die Zusammensetzung entsprechend.
Tim Pritlove 1:42:32
Ja, verstehe. Also Asteroid ist nicht gleich Asteroid, sondern hängt schon einbisschen davon ab, wo man ist.
Paul Hartogh 1:42:36
Ich bin kein Experte, hängt nicht nur davon ab, wo man ist. Es gibt auch natürlichan sich kohlige, nicht kohlige Konteriten, es gibt dann Eisenmeteoriten, alles mögliche.
Tim Pritlove 1:42:46
Okay, also aber für Juice ist das erstmal kein Thema. Ist ja eigentlich auchganz gut, wenn man einen Weg wählt, wo man jetzt nicht unbedingt mit Asteroidenkollidieren würde, weil das will man ja dann auch nicht.Ja, was birgt denn so die Zukunft für den Jupiter?Also gut, jetzt ist natürlich die Zukunft erstmal Juice und haben wir jetztschon gehört, da geht es erstmal hart an die Atmosphäre ran.Ist dann in Zukunft, geht es dann noch darum,noch genauer hinzuschauen, Instrumente zu bauen,die nochmal höhere Frequenzen machen und dann macht man dasselbe einfach nochmalmit Faktor 10 bis 100 oder wäre es eigentlich so für die Jupiter-Erforschung wichtiger,dass man mehr auf Lander geht, dass man also wirklich auf die Monde herabsteigt,dass man irgendwas in den Jupiter rein versenkt.Wonach schreit das Jupitersystem?Das möchte doch bestimmt von uns erforscht werden. Was wünscht sich denn derJupiter, wie wir uns ihm annähern?
Paul Hartogh 1:43:56
Ja, zunächst muss man sagen, man muss natürlich jetzt erstmal abwarten,was diese Mission, was Juice zum Beispiel, Euclipa bringt.Was gibt es an neuen Erkenntnissen? Und ähnlich wie die Cassini-Mission ja Erkenntnissezum Beispiel über Enceladus gebracht hat Und jetzt ist geplant,in der Zukunft Missionen zu entwickeln,die entweder sehr oft an Enceladus vorbeifliegen oder auf Enceladus sogar landen.So ähnlich wird es dann auch bei der Jupiter-Mission sein. Ich vermute mal,es werden neue Erkenntnisse, jede Menge neue Erkenntnisse gewonnen werden undbasierend auf diesen Erkenntnissen wird es Ideen geben, was man als nächstes machen kann.Die Ideen, dass man jetzt auf den Monden landet und dort irgendwelche Untersuchungenmacht, die sind natürlich trotzdem schon lange da und gerade Europa,da gab es ja Ideen, sich durch die Eisschicht durchzuschmelzen und dann einU-Boot unter der Eisschicht fahren zu lassen, um zu untersuchen, was da so passiert.In dieser Richtung gibt es natürlich alles mögliche, aber das ist energetisch,wie gesagt, im Moment nicht möglich.Dann müsste man zunächst mal ein Atomkraftwerk da oben auf der Oberfläche installieren,das genügend Energie liefert, damit man sich durch eine 10 Kilometer Eisschicht durchschmelzen kann.Aber grundsätzlich ist es natürlich, klar, es ist immer interessant,dass man jetzt zum Beispiel Dragonfly auf Titan landet und dort sich das allessehr genau anguckt, wie zum Beispiel ja auch einige Leute.
Tim Pritlove 1:45:12
Also Dragonfly ist der von mir angesprochene Sporber.
Paul Hartogh 1:45:15
Genau, das ist die nächste Frontiersmission, die dann auch viermal so teuerbisher schon ist, wie sie eigentlich ursprünglich hätte werden sollen.Und genau wie auf Mars. Sample Return ist eben interessant oder Elon Musk möchteja sogar auf Mars landen und dann durch Astronauten die Oberfläche erforschen lassen bzw.Eine Stadt dort aufbauen. Und wenn natürlich Leute auf dem Mars sind,sind natürlich die Forschungsmöglichkeiten nochmal wieder ganz andere,als wenn man das alles remote mit Robotern macht, weil man ja vor Ort sieht,was da gerade so passiert.Und von daher kann man sich alle möglichen Sachen ausdenken.Das meiste sind schöne Gedankenexperimente, weil es praktisch nicht durchführbarist aufgrund der Kosten und der nicht vorhandenen Technologie und der nichtvorhandenen Möglichkeit,größere Raumschiffe dorthin zu transportieren mit entsprechenden Ressourcen,die man braucht, um etwas entsprechend aufzubauen.Nichtsdestotrotz gibt es Vorschläge für eine Vorbeiflugmission von Io.Also da ist dann die Idee, dass man also relativ tief über die Vulkane fliegtund dann über Aerogel oder andere Möglichkeiten versucht Material,was die Vulkaner ausstoßen, also Festkörpermaterial einzufangen.
Tim Pritlove 1:46:35
Wie man das auch schon bei Kometen gemacht hat, dass man hinter dem Kometenherfliegt und in diesem Aerogel, also in diesem super leichten Stoff,ich weiß gar nicht, wie soll man den beschreiben, ich habe sowas mit meinerHand gehabt, das finde ich bemerkenswert leicht,also wie so ein super durchsichtiger Schwamm quasi, wo dann halt die kleinenTeilchen einfach drin hängen bleiben und wenn man das dann wieder zurückführt,dann kann man eben diese Partikel da sich rauspuppeln.
Paul Hartogh 1:46:59
Genau, das ist vielleicht etwas, was auch schwierig ist, aber vielleicht nochrealisiert werden kann in absehbarer Zeit. Da gab es halt auch Vorschläge.Aber wie gesagt, so Landen, Sample Return, das sehe ich in nächster Zeit nicht.Es gibt ja auch Leute, die sehr gerne Sample Return für Venus machen würden,für die Oberfläche, was wissenschaftlich sicherlich auch sehr interessant ist.Aber es ist auch technisch sehr anspruchsvoll wegen der hohen Drücke und der hohen Temperaturen.
Tim Pritlove 1:47:26
Und Jupiter ist halt einfach super weit weg, wenn man da wieder zurück muss,das ist eine lange Reise.
Paul Hartogh 1:47:31
Richtig, richtig. Das ist ja bisher eben überhaupt noch nicht gelungen,dass man an der Oberfläche landet und dann halt wieder startet.Das muss man erstmal können und nachweisen, dass es geht.Das ist ja jetzt für Mars, wird das Ganze diskutiert. Beim Mond hat man dasnatürlich gemacht, klar.Und die Chinesen wollen es ja jetzt auch bei der Tianhe-Ven-3-Mission beim Marsdurchführen, glaube ich sogar bis Ende des Jahrzehnts.Aber das muss erstmal gelingen und sowas beim Mars zu machen mit einer Atmosphäre,wo man im Prinzip mit Fallschirmen Energie abbauen kann oder bei einem atmosphärenlosenKörper, das ist nochmal wiederum eine andere Dimension, also einem Körper mitSchwerkraft und Atmosphären.Ohne Atmosphäre ist natürlich, bedeutet man braucht noch mehr Energie und wirdentsprechend schwieriger und teurer.Alles theoretisch machbar, aber wahrscheinlich nicht darstellbar im Rahmen derfinanziellen Möglichkeiten.
Tim Pritlove 1:48:22
So, jetzt muss ich aber trotzdem noch fragen, was ist dein Lieblingsmond aufdem Jupiter? Hast du einen?
Paul Hartogh 1:48:28
Äh, ja, ich meine...
Tim Pritlove 1:48:30
Oder sind bei dir alle Kinder gleich?
Paul Hartogh 1:48:32
Also im Moment ist es eigentlich so, ja, ich kann mich nicht so entscheidenzwischen Ganymed und Europa.
Tim Pritlove 1:48:37
Tatsächlich Ganymed.
Paul Hartogh 1:48:39
Ja, beide haben so, also Ganymed deswegen, weil wir uns halt sehr intensiv damitbeschäftigt haben, wie dann wohl eine solche Atmosphäre überhaupt entstehenkann und so weiter und so fort.Und Europa eben, weil da ja angeblich diese Blumes gemessen wurden, diese Geysire.Und wenn es die wirklich gibt, falls es die geben sollte, interessiert michnatürlich, wie sind die jetzt molekular zusammengesetzt?Und haben wir da tatsächlich Zeichen davon, dass es Lebensfreundlichkeit unter dem Eis gibt?Aber wie realistisch das nun ist, das wissen wir erst, wenn wir dort sind.Ob es da Aktivität gibt, das ist das Interessante, denn eben wenn wir im Jupiter-Orbitsind und aus ein paar Millionen Kilometer Entfernung die Monde beobachten können,dann können wir aus ein paar Millionen Kilometer Entfernung schon sagen,ob dort tatsächlich irgendeine Aktivität stattfindet. Oder nicht?Und das Ganze finde ich eben sehr spannend.Ist da eigentlich Aktivität? Man hat jetzt ein paar Mal von Hubble oder sonstwie irgendwie was gemessen.Ist das jetzt permanent vorhanden oder ist das so ein transienter Prozess,der mit irgendeinem anderen physikalischen Prozess zu tun hat?Und gibt es tatsächlich so eine Art Tektonik da und dass irgendwann die Plattenso übereinander stehen, dass es Möglichkeiten gibt, dass Wasser von unten andie Oberfläche gelangt und so weiter und so fort.Das sind viele interessante Fragen. Für mich persönlich sind diese beiden aminteressantesten natürlich IO im Endeffekt, auch deswegen, weil er permanentaktiv ist und wir auch aus großer Entfernung die Zusammensetzung dieser Abgasfahnen gemessen können.Wir haben, wie gesagt, diese Möglichkeit, sehr, sehr viele verschiedene Molekülezu sehen und da machen wir dann immer die sogenannten Line-Surveys,dass man den gesamten Bereich mal durchstimmt und guckt, ob man nicht irgendeinMolekül entdeckt, was vorher noch nicht entdeckt wurde.
Tim Pritlove 1:50:20
Ja, dauert ja alles nicht mehr so lange. In zehn Jahren treten wir schon indie Umlaufbahn um Ganymed ein. Ist ja quasi morgen.
Paul Hartogh 1:50:31
Naja, die Missionen, also die Ideen fingen 2005 an, also 19 Jahre haben wirschon hinter uns und die letzten zehn Jahre gehen dann schnell vorbei.
Tim Pritlove 1:50:40
Timeline, ja. Na gut, schauen wir mal.Ich habe ja schon über so einige Missionen berichtet, die dann irgendwann auchmal angefangen haben, dort anzukommen.Demnächst geht es ja dann bei Bibi Colombo zum Beispiel auf der anderen Seite los, etc.Und das, ja, mal gucken, wie lange ich den Podcast hier noch mache,dann kriege ich vielleicht die Ergebnisse hier auch nochmal berichtet.Paul, vielen Dank für die Ausführungen.Jetzt wissen wir mehr über die atmosphärische Situation am Jupiter,auch wenn wir noch nicht so richtig viel wissen.Aber demnächst ein bisschen mehr wissen.Ja, und ich sage auch vielen Dank fürs Zuhören hier bei Raumzeit. Das war's mit der 123.Und ihr wisst, bald geht es wieder weiter. Bis dahin sage ich Tschüss und bis bald.

Shownotes

Themen und Gesprächspartner für Raumzeit gesucht

Raumzeit bringt Euch jetzt schon seit gut 14 Jahren in Kontakt mit dem Weltraum und hat dabei einen weiten Bogen geschlagen. Zunächst als Gemeinschaftsprojekt mit ESA und DLR gestartet lag der Fokus anfangs noch stark auf deren Kernkompetenz: dem Raumfahrtbetrieb und der damit verbundenen Wissenschaft mit dem Schwerpunkt auf Deutschland und Europa.

Als ich dann vor 10 Jahren Raumzeit komplett selbst übernommen habe, hat sich das Themenbild erweitert und es gab mehr Einblicke in kosmologische Aspekte und andere Bereiche wie z.B. die Erforschung des Weltraums vom Boden aus.

Weitere Sendungen sind geplant doch wurde mir klar, dass viele Bereiche bereits gut besprochen wurden und sich manches ggf. wiederholen würde. In den nächsten Jahren ist sogar die Zahl neuer europäischer Missionen recht überschaubar und so stellte sich mir die Frage, ob es Themen gibt, die ich hier aufgreifen sollte, die ich vielleicht selbst noch nicht so im Fokus habe.

Daher würde ich mich über Euer Feedback freuen. Gibt es Themen, die Ihr Euch mehr (oder wieder) wünschen würdet? Habt ihr konkrete Vorschläge für bestimmte Missionen, Forschungsbereiche, Wissenschaftsfelder oder Technologien, die ich genauer in den Fokus nehmen sollte? Für solche Vorschläge wäre eine Rückmeldung hier in den Kommentaren sehr hilfreich für mich.

Oder seid Ihr vielleicht selbst im Raumfahrt- und Forschungsumfeld unterwegs und wüsstet sogar konkrete Gesprächspartner:innen, die zu einem bestimmten Projekt oder Thema kompetent und unterhaltsam Auskunft geben könnten, die ich mal ansprechen sollte? Dann würde ich mich über eine E-Mail unter raumzeit@metaebene.me sehr freuen.

RZ122 Cosmic Dawn

Ein Blick auf die Frühzeit nach dem Urknall, der Lichtwerdung des Universums und der Entstehung der ersten Galaxien

Laut der aktuellen wissenschaftlichen Sichtweise ist das Universum aus einer Singularität heraus durch eine dramatische Expansion entstanden: dem Urknall. Dabei war alle die Materie die das All heute ausmacht auf einen einzelnen Punkt konzentriert und die daraus resultierende Temperatur machte auch noch mehrere hundertausend Jahre der Ausdehnung später unmöglich, dass sich auch nur Atome bildeten, was dann aber irgendwann geschah.

Trotzdem war das Universum dann noch lange für Licht ein undurchdringbares Medium bis die ersten Sterne mit ihrer Strahlung sich langsam einen Weg bahnten bis das transparente Weltall entstand. Erste Galaxien bildeten sich und legten die Grundlage für die Ausprägung des Weltalls wie wir es heute kennen.

Dauer:
Aufnahme:

Anne Hutter
Anne Hutter

Ich spreche mit der theoretischen Physikerin Anne Hutter vom Cosmic Dawn Center am Niels-Bohr-Institut in Kopenhagen über diese Phasen der Weltwerdung, welche physikalischen Grundlagen diese Entwicklung erklären und welche wissenschaftlichen Maßnahmen unternommen werden, um dem Wesen des Urknalls und seinen Folgen auf die Spur zu kommen.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:35
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Prittlaff und ich begrüße euch hier zur 122.Ausgabe von Raumzeit.Und heute bin ich mal wieder auf Reisen gewesen,oder bin es gerade, und zwar hat mich der Weg geführt nach Kopenhagen,Konkret ans Nils Bohr-Institut in das Cosmic Dawn Center und Cosmic Dawn,der Name kündigt es ein wenig an.Wir blicken heute mal richtig weit zurück ins Universum und gucken uns mal an,wie denn da die Sonne mal aufgegangen ist.Und um darüber zu sprechen, begrüße ich meine Gesprächspartnerin,nämlich die Anne, Anne Hutter. Schönen guten Tag.
Anne Hutter 0:01:25
Hallo Tim.
Tim Pritlove 0:01:26
Herzlich willkommen bei Raumzeit. Anne,du bist hier als theoretische Physikerin, als Postdoc unterwegs hier am NielsBohr-Institut eben in diesem Cosmic Dawn Center und das gemeinsam mit vielenanderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern,die sich dem Universum verschrieben haben, kann man sagen.
Anne Hutter 0:01:49
Ja, genau.
Tim Pritlove 0:01:53
Da gehen wir gleich mal drauf ein. Es würde mich natürlich erst mal interessieren,was deine eigene wissenschaftliche Reise so bisher gewesen ist.Womit hat es denn angefangen bei dir mit der Wissenschaft?Hast du schon als kleines Kind im Sandkasten Atome resoniert?
Anne Hutter 0:02:11
Okay, nicht als kleines Kind.Aber ich glaube, zumindest als Teenager war mir ziemlich klar,ich will Astronomie oder Astrophysik machen.
Tim Pritlove 0:02:20
Warum?
Anne Hutter 0:02:21
Das weiß ich bis heute nicht. Ich weiß nur, ich mochte die ganzen Star TrekFilme und ich weiß bis heute nicht, ob es die waren, die mich auf diese Routegebracht haben oder andersrum.
Tim Pritlove 0:02:34
Was ist denn dein Lieblingscharakter bei Star Trek gewesen?
Anne Hutter 0:02:37
Spock. Natürlich.
Tim Pritlove 0:02:38
Das hätte ich jetzt auch schon vorher sagen können. Faszinierend.Gut, und dann bist du es auch geworden.
Anne Hutter 0:02:48
Ja, dann ging es ziemlich schnurstracks. Ich habe Physik in Würzburg studiert,obwohl meine Bachelorarbeit noch nicht in der Astrophysik war.Das habe ich dann erst zum Master geschafft.Dann bin ich weitergegangen. Während meines Masterstudiums habe ich einen Vortragüber den kosmischen Mikrowellenhintergrund gehalten.Und fand das super spannend, was man im Prinzip aus, ja eigentlich nur so einerKarte, im Prinzip was für Informationen man da rauslesen kann und was man danndarüber lernen kann, wie das Universum sich eigentlich gebildet hat.Das fand ich sehr spannend und dann wollte ich eben auch in die Richtung wasmachen und hab mich eben umgeguckt und bin dann am Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam gelandet.
Tim Pritlove 0:03:38
Wann?
Anne Hutter 0:03:41
Ende 2010 habe ich dann dort angefangen. Und dann war ich da bis Anfang 2015.Und dann bin ich danach für einen Postdoc nach Melbourne,nach Australien gezogen, an das Center for Astrophysics and Supercomputing vonder Swinburne University und war dann drei Jahre dort und bin dann in die Niederlande,an das Kapteininstitut an der Universität Groningen.Und Australien und die Niederlande sind ja beide sehr radio dominiert,wenn es geht um Radiowellen.Echt? Ja, das hängt dann auch im Prinzip so ein bisschen mit meiner Forschungzusammen, obwohl ich Theoretikerin bin.
Tim Pritlove 0:04:30
Ja, warum sind die Länder so darauf fixiert? Das war mir noch gar nicht so klar.
Anne Hutter 0:04:36
Ich glaube in den Niederlanden ist es hauptsächlich historisch.Australien liegt wahrscheinlich daran, dass die etliche Bereiche haben,wo im Prinzip niemand lebt.
Tim Pritlove 0:04:44
Die können überall Teleskope aufstellen.
Anne Hutter 0:04:47
Im Prinzip ja, alles, kein Radio.
Tim Pritlove 0:04:51
Insofern passt natürlich jetzt Holland da gar nicht so richtig im Vergleich.Aber inwiefern ist das in der Geschichte der Niederlande?
Anne Hutter 0:04:59
Weiß ich nicht.
Tim Pritlove 0:05:00
Also jetzt in der Wissenschaftsgeschichte kommen einfach viele Radioforscher.
Anne Hutter 0:05:04
Die haben zumindest eins, ich glaube der ältesten, bin mir nicht sicher.Also sie haben zumindest eins einen sehr älteren Radioteleskope und ja,das hat sich irgendwie so rauskristallisiert.
Tim Pritlove 0:05:16
Okay, die haben da ein Ding am Laufen, wir nehmen das jetzt einfach mal so hin.Jeder hat so seine Spezialisierung, aber dass Niederlande und Australien daauf derselben Schiene sind, das war mir selber noch nicht so ganz bewusst.Okay, war das einfach da immer zu wechseln? Also wird man da so einfach durchgereichtoder ist das ein großer Aufwand, sich da zu bewerben und genommen zu werden?
Anne Hutter 0:05:37
Ja, sicherlich. Ich meine, mittlerweile sind diese ganzen Stellen ziemlich kompetitiv.Ja, ich weiß es nicht. Dich haben sie genommen. Ich habe immer wieder eine Stelle gefunden.Insofern ist es vielleicht nicht ganz repräsentativ.
Tim Pritlove 0:05:57
Vielleicht, die Frage ist eher so in Richtung, ob die sozusagen, also ob das,dann auch immer so Institute sind, die dann auch viel ohnehin schon miteinanderzu tun haben, dass da so ein natürlicher Flow zwischen den Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftlern ist,dadurch, dass sie sich auch mit ähnlichen Themen beschäftigen und vielleicht halt… Ja.
Anne Hutter 0:06:17
Teilweise. Ich sag mal in dem Fall nicht unbedingt, aber sie haben natürlichteilweise ähnliche Forschungsschwerpunkte, was natürlich…,Macht dann Sinn, dass man von dem einen zu dem anderen geht.
Tim Pritlove 0:06:31
Okay. Und so war es dann wahrscheinlich auch hier.
Anne Hutter 0:06:33
Genau.
Tim Pritlove 0:06:35
Ja, das Cosmic Dawn Center. Seit wann gibt es das?Und wie wurde das so?Also es ist ja, wenn ich das richtig sehe, so eine Kooperation der Uni Kopenhagenund der Technischen Universität, die auch so das National Space Institute,ist das vergleichbar mit dem DLR?Also ist das sozusagen hier so der Körper in Dänemark, der sich so um Raumfahrt kümmert?
Anne Hutter 0:07:00
Ich weiß nur, dass sie auch Instrumentierung machen. Insofern würde ich dasannehmen, aber wissen tue ich das nicht genau.
Tim Pritlove 0:07:07
Aber die sind ja auf jeden Fall mit drin und das ist sozusagen der Grund,warum das hier eingerichtet wurde.
Anne Hutter 0:07:14
Ja, einer der Gründe. Ja, der Cosmic Dawn Center wurde 2018,glaube ich, hat das angefangen.Und im Prinzip das ist so eine, wie sich das hier nennt, Exzellenzzentrum,wo der Dänische Forschungsbund im Prinzip Geld für zehn Jahre gibt,für die Forschung, die sozusagen da beantragt wurde.Ja, man sozusagen fokussiert auf ein Thema oder auf einen Themenblock forschenkann und auch Wissenschaftler anstellen kann, um das zu bearbeiten.Und ja, der Cosmic Dawn Center selber ist sehr fokussiert im Prinzip auf dasJames Webb Space Telescope.Hauptsächlich eben, um diese Daten auch auszuwerten. Im Prinzip war die Idee,eins der vielen internationalen Zentren zu sein, wo man spezialisiert daraufist, das alles auszuwerten und zu interpretieren.
Tim Pritlove 0:08:10
Also es war schon so klar in der Voraussicht, irgendwann wird man das Ding auchmal gestartet bekommen und wenn es dann losgeht mit dem Datenstrom,muss ja auch jemand geben, der sich diesem Datenstrom annimmt.Das ist natürlich weltweit der Fall.James Webb beschäftigt glaube ich derzeit sehr viele.James Webb war ja hier auch bei Raumzeit schon ein Thema.Also einerseits im Mittelpunkt einer Sendung Raumzeit 93 mit Günter Hasinger,wo wir generell drüber gesprochen haben, was das Ding so kann und machen soll.Auch konkret wird auch die ganze Provisionierung der Wissenschaft dann letztenEndes läuft von der ISA von Madrid aus.Aber natürlich mittlerweile auch bei fast jedem Thema spielt irgendwie JamesWebb in irgendeiner Form eine Rolle, weil das einfach in so viele Bereiche rein strahlt.Ja, und hier ist das sozusagen im Zentrum des Geschehens, aber es ist vielleichtnicht die einzige Datenquelle, die hier ausgewertet wird, oder?
Anne Hutter 0:09:20
Nein, das ist nicht das einzige Datenquelle.Es werden auch viele Beobachtungen mit ALMA, also auch ein Radioteleskop.
Tim Pritlove 0:09:32
In Chile in der Atacama-Wüste, das gibt es ja schon sehr lange.
Anne Hutter 0:09:36
Ja, das ist glaube ich ein zweites großes Standbein und jetzt eben seit letztemJahr auch Euclid, das langsam auch kommt.
Tim Pritlove 0:09:47
Genau, also der Satellit, der auch ein weiteres Weltraumteleskop,was sich ja auch auf die Suche nach dunkler Materie und dunkler Energie gibt, Galaxien beobachtet,hier bei Raumzeit in Sendung Nummer 117 ein ausführliches Thema schon gewesenund mittlerweile eben auch gestartet und mittlerweile kommen auch Daten.Also da geht es schon richtig los.Ja, gut. Dann kommen wir nochmal so ein bisschen auf dein Forschungsfeld,weil du hast dich ja jetzt sozusagen dieser Phase auch sehr verschrieben.Also Cosmic Dawn heißt ja literally sozusagen quasi das Morgengrauen des Universums,so könnte man das ja definieren.Sprich, es geht um die Frage, was ist denn eigentlich nun damals passiert?Und ich denke, jeder hat schon mal so ein bisschen was vom Urknall gehört.Also sozusagen das aktuelle wissenschaftliche Bild, ein Modell kann man sagen, eine Idee,wie all das zusammenpassen kann, was wir bisher beobachtet haben.Und was wir uns aus unseren Vorstellungen, wie Physik funktioniert und Einsteinund anderen immer wieder bestätigten Theorien so zusammenbauen können,wie das alles zusammenpasst mit dem, was wir beobachten.Aber das ist halt nach wie vor ein Feld, was sich auch schwer beobachten ließ,weil es halt einfach alles schon lange her ist.Und ich finde es immer wieder faszinierend, weil ich denke, das ist auch vielenLeuten nicht so klar, dass ja der Blick ins All ja auch immer ein Blick in die Zeit ist.Wenn wir einen Stern sehen, dann ist das Licht ja nicht gerade vor zehn Minutenentstanden, sondern es ist halt teilweise Millionen und teilweise Milliarden Jahre her,dass dieses Licht erzeugt und auf die Reise zu uns geschickt wurde und so diesesexpandierende Universum.Bietet uns sozusagen beliebig viel Beobachtungstiefe, nur gab es eben dieseInstrumente bisher nicht, um eben auch beliebig tief reinzuschauen.Also beliebig tief können wir immer noch nicht reinschauen, aber es hat sichja einiges getan und durch James Webb ist jetzt eben nochmal so eine ganz neueZeit eigentlich angebrochen, kann man sagen.Also ein neues Zeitalter der Beobachtung, wo wir jetzt also jahrzehntelang eigentlichimmer alles so ein bisschen dominiert war von Hubble,dem Weltraumteleskop, was ja jetzt glaube ich vor ein paar Tagen schon mal soin den vorübergehenden Ruhestand geschickt wurde.Also es ist noch da, aber man glaubt, es hält nicht mehr lang.Und um es noch erhalten zu können, sind sozusagen viele Systeme jetzt schonmal runtergefahren worden.Aber jetzt ist halt James Webb gelauncht und ist ja auch super erfolgreich gestartetund sieht ja auch so aus, als ob es sehr viel länger auch am Leben erhaltenwerden kann, als man sich das halt da am Anfang nur erträumen können.Und wie schon gesagt, jetzt kommen halt diese Daten.Jetzt reichert sich sozusagen auch wieder ein Blick mit Daten an,der ja vorher eigentlich nur in der Theorie entstanden ist.Was ist denn jetzt sozusagen unser aktuelles Bild,also das der Wissenschaft sozusagen,was ist sozusagen bisher der kleinste gemeinsame Nenner, der Konsens,was da mal wohl passiert ist und womit fing es an oder was ist der frühesteZeitpunkt, von dem wir eine Meinung haben,wie es vielleicht angefangen sein könnte, um es mal ganz zurückhaltend zu formulieren.
Anne Hutter 0:13:40
Ja, also der früheste Zeitpunkt, den wir tatsächlich sehen können,ist die sogenannte kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung.Und im Prinzip, wenn wir anfangen nach der Urknalltheorie gehen,dann hatten wir den Urknall und da gab es eine Phase, in der das Universum ganzschnell expandiert ist.Währenddessen sind dann auch danach dann die ganzen Teilchen haben sich geformt.
Tim Pritlove 0:14:08
Was ist denn der Blick dann drauf, aus was es expandiert ist?Also nicht was es war, aber wie klein wird es irgendwann mal gewesen sein, alles?
Anne Hutter 0:14:18
Im Prinzip der Urknall in sich selber ist eine Singularität, im Prinzip ein Punkt.Also im Prinzip von einem Punkt zur Dimension.
Tim Pritlove 0:14:27
Indem sich alles befindet, was wir heute sehen und meinen zu sehen.Das ist mindboggling, oder? Das ist schwierig. Wie gehst du damit um?Singularität und so. Kann man sich das irgendwie vorstellen?Ist das irgendwie abbildbar?
Anne Hutter 0:14:48
Ich würde sagen, nein. Ich kann es mir nicht vorstellen. Ich glaube,das ist so ein bisschen wie Quantenmechanik.Ich habe es gelernt zu akzeptieren und als abstraktes Konzept irgendwie damit zu arbeiten.Aber es ist sehr schwierig vorzustellen, weil es komplett anders ist,als was wir sehen oder erleben.
Tim Pritlove 0:15:08
Gut, ich meine, es kann ja auch sein, dass das so ein sehr vorübergehender Zustandist. Und ganz kurz davor war es schon wieder ganz anders.Man weiß es nicht.
Anne Hutter 0:15:17
Okay, gut.
Tim Pritlove 0:15:18
Aber das ist sozusagen das Bild. Also das muss man sich ja mal klar machen.Jetzt hätte ich fast gesagt Stecknadelkopf, aber es ist ja eigentlich mehr die Stecknadelspitze.
Anne Hutter 0:15:26
Ja.
Tim Pritlove 0:15:27
Okay, und in dem war alles und das expandiert. Und dann?
Anne Hutter 0:15:31
Im Prinzip werden es expandiert. Also man muss sich vorstellen,es war am Anfang wie ganz heiß. Und werden es expandiert, kühlt es im Prinzip auch ab.
Tim Pritlove 0:15:41
Und es ist sozusagen alles, was wir an Materie heute wahrnehmen und auch vielleichtMaterie, die wir heute noch nicht,oder die wir nur indirekt wahrnehmen, die auch noch nicht die Struktur hat,in der wir es heute wahrnehmen.
Anne Hutter 0:16:00
Und im Prinzip haben sich auch erst in dieser allerersten Phase dann nach dieserExpansion eigentlich die Teilchen gebildet.Und irgendwann ist das Universum im Prinzip, also in bestimmten Punkten bestehtes im Prinzip aus den klassischen Komponenten, die wir kennen.Protonen, Neutronen, Elektronen und auch Strahlung natürlich.Und die waren ja bis zu knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall.Haben die sozusagen, was wir sagen, Wechselwirkung, also die Strahlung ist dannan Elektronen oder an Protonen gestoßen und dann haben die sozusagen ihre Energieangeglichen aneinander und damit hatten die immer ungefähr die gleiche Energie.Aber irgendwann ist das Universum im Prinzip 400.000 Jahre nach dem Urknall,so weit abgekühlt, dass das nicht mehr möglich ist.
Tim Pritlove 0:16:49
Dass was nicht mehr möglich ist?
Anne Hutter 0:16:51
Dass sozusagen die Strahlung nicht mehr oft mit den Teilchen interagiert.Im Prinzip kann man sich vorstellen, dann ist der Abstand einfach zwischen denTeilchen schon so groß, dass die Wahrscheinlichkeit für diese Strahlung,dass sie ein Teilchen treffen, sehr gering ist.Und was dann passiert ist, ist im Prinzip, dass wir eigentlich erst dann dieElemente im Universum gebildet wurden, als der Wasserstoff, das ist der Punkt.
Tim Pritlove 0:17:20
Also wenn wir sagen die Teilchen, dann reden wir von dem kompletten Teilchen Zoo,von dem Standardmodell der Physik,also da haben wir noch keine Atome und vielleicht ein Elektron,Aber alles ist sozusagen die kleinste Einheit,von der wir heute meinen zu wissen,dass sie alles ausmacht, auch wenn wir noch keine Erkenntnis darüber haben,aus was diese Teilchen wiederum bestehen und auch entstanden sind.Das heißt, man muss sich das sozusagen vorstellen wie so eine heiße Gas-Plasma-Wolke,also alles ist eins sozusagen, um mal metaphorisch zu sprechen.Ich finde das irgendwie sehr wichtig, sich das so vorzustellen,dass da nicht sozusagen ein fertiges Universum einfach nur größer geworden ist,sondern eigentlich ist eigentlich,wenn man das jetzt mal rückwärts denkt, ist das ganze Universum zusammen komprimiert worden,bis es so heiß wurde, bis es in sich geschmolzen nur noch irgendwie aus,was auch immer dann das Kleinste ist, was es sein kann, nur noch daraus besteht.Und jetzt ist sozusagen der Urknall, ist rückwärts das Ganze abgespielt, dieser Film.Es wird irgendwie größer und es ist aber alles heiß.Also heiß, und jetzt reden wir wahrscheinlich von Abermillionen von Grad heißoder wie heiß, also furchtbar heiß.
Anne Hutter 0:18:55
Ja, ich nehme...
Tim Pritlove 0:18:57
Also nicht, was eine normale Sterntemperatur heiß ist, sondern noch heißer.
Anne Hutter 0:19:03
Ja, definitiv noch heißer.
Tim Pritlove 0:19:05
Ähm,Und du sagst jetzt 400.000 Jahre und dann ist das alles überhaupt erst soweitabgekühlt, dass es anfangen kann,dass die Teilchen überhaupt ordentlich miteinander interagieren können,um daraus zusammengesetzte Teilchen zu bauen.
Anne Hutter 0:19:24
Ja, dass wir eigentlich erst die ersten Atome formen können.Vorher war das im Prinzip nicht wirklich möglich.
Tim Pritlove 0:19:28
Also es gab in dem Sinne auch vorher keine Protonen oder so,also die ganzen Quarks, die flogen dann alle noch einzeln rum?
Anne Hutter 0:19:38
Die gab es schon. Man kann sich das ungefähr so vorstellen.Je kleiner der Baustein ist, desto früher hat er sich im Prinzip geformt.Und dann mit der Zeit bilden sich aus den kleinen Bausteinen sozusagen die größeren.Und die 400.000 Jahre ist im Prinzip wirklich die Krönungsstufe,die allerletzte Stufe, wenn wir tatsächlich die Atome bilden.
Tim Pritlove 0:20:03
Aber wie groß war dann das Universum zu diesem Zeitpunkt?Wenn es sich extrem expandiert, wie groß ist es dann vermutlich erstmal geworden,um überhaupt erstmal Atome bilden zu können?Ist das irgendwie eine darstellbare Größe? Ist das überhaupt noch vorstellbar? Also es ist schon...
Anne Hutter 0:20:27
Naja, Pi mal Daumen ist es ungefähr, man kann es sich vorstellen,tausendmal kleiner als heute.
Tim Pritlove 0:20:33
Tausendmal? Okay, also schon recht groß. Weil tausendmal kleiner ist ja...
Anne Hutter 0:20:37
Ungefähr, also größenordnungsmäßig.
Tim Pritlove 0:20:40
Okay. Also schon eine beträchtliche Expansion.
Anne Hutter 0:20:44
Jaja, definitiv groß. Also ich sag mal, nee, nicht irgendwie 10 Zentimeter oder 10 Meter.
Tim Pritlove 0:20:48
Naja, keine Ahnung. War ja nicht dabei.
Anne Hutter 0:20:52
Nee, schon ziemlich groß.
Tim Pritlove 0:20:53
Okay, gut. Und dann erst nimmt die Temperatur so sehr ab, dass überhaupt erstmaleine Interaktion möglich ist zwischen den Teilchen.Und dann haben wir Atome, beziehungsweise wahrscheinlich nur genau eine Art von Atom.
Anne Hutter 0:21:09
Ja, im Prinzip in dieser Phase wird dann Wasserstoff gebildet.Und das einzige andere Teilchen, was sich danach auch noch bildet, ist Helium.Und es gibt auch noch ein bisschen Lithium, aber mehr wird eigentlich nicht gebildet.Also das sind alle Teilchen, die es dann quasi gibt.
Tim Pritlove 0:21:27
Also im Periodensystem halt eins, zwei und drei.
Anne Hutter 0:21:30
Ja.
Tim Pritlove 0:21:30
Ein Proton, zwei Protonen.
Anne Hutter 0:21:32
Und mehr existiert da auch noch nicht zu der Zeit.
Tim Pritlove 0:21:34
Warum jetzt nicht noch das nächste Element? Also warum ein bisschen Lithiumund warum ist dann da Ende?
Anne Hutter 0:21:43
Im Prinzip macht das energetische im Prinzip nicht so wirklich.Sind sozusagen die Kräfte noch nichtstark genug, dass man die energetisch miteinander verschmelzen könnte.Dazu braucht man im Prinzip nachher dann diese Massen und diese Kräfte,die sozusagen dann in Sternen herrschen.
Tim Pritlove 0:22:06
Also das nächste wäre dann Beryllium gewesen, was hätte folgen müssen.Und dafür brauchst du dann schon Sternenbrut sozusagen, um dann was zu machen.Also das ganze Weltall besteht jetzt im Wesentlichen aus Wasserstoff und Helium, kann man sagen.Und sehr viel mehr Wasserstoff als Helium, nehme ich mal an.
Anne Hutter 0:22:27
Ja, im Prinzip ja.
Tim Pritlove 0:22:30
Und ist das jetzt schon der Moment, wo diese Hintergrundstrahlung entsteht oderkommt das erst noch später?
Anne Hutter 0:22:38
Nee, das ist genau der Punkt, als sie entsteht. Im Prinzip kann man sich vorstellen,bis zu diesem Zeitpunkt waren die Teilchen und die Strahlung im Gleichgewicht,also hatten dieselben Energie.Und plötzlich wird sozusagen die Strahlung wie losgekoppelt von diesen Teilchen.Also die bleibt dann auch, die hat so eine bestimmte, wir sagen Temperatur,also die dann sozusagen auch die Temperatur, die damals im Universum herrschte, darstellt.Und wir sehen sie auch heute sozusagen, ja im Prinzip bei dieser Temperatur,obwohl natürlich sich das Ganze auch rot verschiebt.Also wir wissen dann auch genau, wir können die Temperatur dann auch eigentlichgenau messen, die es dann dort gab, genau.Und das ist eben das Spannende. Also diese Hintergrundstrahlung ist eben eigentlich sehr homogen.Also es gibt nicht viele Fluktuationen. Also wenn nur ganz kleine und die sindvier, fünf Größenordnungen kleiner als die Temperatur an sich.Also wenn man die Temperatur nimmt und dann hat man 10.000 bis 100.000 mal kleinereTemperaturfluktuationen.
Tim Pritlove 0:23:43
Ich habe da noch ein Verständnisproblem mit dieser Hintergrundstrahlung.Also ich stelle mir das jetzt so vor, man hat so diesen riesigen Blob,so ein tausendstel Universum groß,also sehr groß und diese Temperatur,die dann zu diesem Zeitpunkt herrscht und die bis dahin ja so im Wesentlichengleichmäßig verteilt war bis auf diese kleinen Fluktuationen,die ist ja jetzt nicht nur am Rand des Ganzen, sondern die ist ja überall.Jetzt expandiert das irgendwie weiter.Ist dann nicht diese Temperatur auch weiterhin überall?Warum nehmen wir die sozusagen aus der Ferne wahr und warum ist die nicht überall?
Anne Hutter 0:24:26
Sie ist überall.
Tim Pritlove 0:24:26
Sie ist überall.
Anne Hutter 0:24:27
Auch heutzutage. Also heutzutage ist sie überall. Und wir können sie auch messen.Also die ersten Messungen wurden zum Beispiel mit dem COPI-Satelliten gemacht.Und dann kam WMAP und die letzte Mission war im Prinzip die Planck-Mission,die es genau auskartiert hat im Prinzip.
Tim Pritlove 0:24:47
Aber die Strahlung kommt ja sozusagen aus der Ferne zu uns.Oder ist das falsche Bild?
Anne Hutter 0:24:57
Ja, ich würde mal mehr sagen, man kann sich vorstellen, vielleicht man hat verschiedeneStrahlungskomponenten, die in ganz verschiedene Richtungen gehen und es gibtquasi ja nicht eine Quelle.Im Prinzip waren im Universum ja überall, wurde diese Strahlung sozusagen losgeschickt.Deswegen kommt sie sozusagen von überall.Selbst wenn sich das Universum expandiert, im Prinzip relativ dehnen sich jaauch diese, wenn wir jetzt sagen, wir haben ganz, ganz viele Quellen,die dehnen sich ja mit aus.Und insofern, ja, vielleicht ist das, wie man es sich vorstellen kann,dass es von überall kommt.
Tim Pritlove 0:25:31
Und diese Fluktuationskarte, viele werden das wahrscheinlich schon mal gesehenhaben, es wird oft so grün, blau, rot, blau dargestellt,dann hat man halt so diese ganze Ellipse, also quasi einmal so der Blick rundherum,so ein 360 Grad Foto und darin kann man sozusagen diese Temperaturschwankungen sehen.Und das Ganze ist ja wie so ein Foto vom Universum zu dem Zeitpunkt,aus dem man dann Dinge rauslesen kann, reden wir bestimmt gleich drüber.Würde ich jetzt dasselbe machen, aber von einer anderen Stelle aus im Universum?Würde die Karte genauso aussehen oder anders?
Anne Hutter 0:26:12
Prinzipiell sollte sie ziemlich gleich aussehen.
Tim Pritlove 0:26:14
Also es ist wirklich sozusagen ein universelles Bild.Also das gilt so überall, überall war diese Strahlung gleich verteilt oder sah sie gleich aus.
Anne Hutter 0:26:28
Ja, statistisch definitiv.
Tim Pritlove 0:26:32
Was können wir der jetzt ansehen? Was sagen diese Fluktuationen aus?Was kann man daraus deuten? Weil es hat ja zu einiger Begeisterung geführt,auch die Bilder von Planck und so.
Anne Hutter 0:26:44
Im Prinzip sind diese Fluktuationen, die wir dann sehen, also manche Stellen,wo es wärmer oder wo es kälter ist,die sagen uns im Prinzip aus, wo das Universum anfangs ein Tick dichter undein Tick weniger dicht war.Und im Prinzip sind das sozusagen die ersten Überdichten.Das sind dann auch die Regionen, in denen wahrscheinlich die Materie sich anfängtzu kollabieren oder zusammenzuziehen und dann auch die ersten Sterne darin zu entstehen.Insofern gibt es uns eine Idee, wie sozusagen überhaupt die Struktur,also wir sagen die großräumige Struktur im Universum damals ausgesehen hat.
Tim Pritlove 0:27:31
Ja, weil so rein statistisch betrachtet, auch wenn alles im Wesentlichen eineTemperatur hat, hat es nicht alles dieselbe Temperatur, sondern hier war esein Tick mehr und da war es ein Tick weniger und das sind dann sozusagen so diese Fehlstellen,die sich dann über die Zeit verstärkt haben.Wo es irgendwo mal heißer war, dann ist es dann auch heißer geblieben.Wo es mal kälter war, ist es dann auch kälter geworden.Und während sich halt alles so auseinander zieht, waren das dann vermutlichauch die Stellen, die dann später dazu geführt haben, wo sich die Materie angereichert hat.Weil wenn man sich heute das Universum anschaut, dann bildet es ja Stellen aus,wo weniger ist, die Voids, also nicht komplett leer,aber da ist dann halt nicht so viel, da hängen nicht so viele Galaxien rum,während die Galaxien alle sich in so längeren Straßen in diesen Filamenten rumtummeln.Und wenn irgendwo mal eine Galaxie ist und wo eine Galaxie ist,ist eine andere nicht weit entfernt, kann man es mal so sagen.Es gibt wahrscheinlich auch ein paar, die völlig verloren in irgendeinem Voidrumhängen und sich fragen, wie sie da jetzt hingekommen sind.Also das hängt sozusagen unmittelbar oder davon geht man derzeit aus,dass das unmittelbar zusammenhängt.
Anne Hutter 0:28:47
Ja, ja, ja, im Prinzip, ja.
Tim Pritlove 0:28:51
Dann springen wir doch mal wieder zurück in diesen Moment, wo also jetzt dieAtome sich geformt haben.Was ist dann als nächstes passiert?
Anne Hutter 0:29:02
Im Prinzip haben wir es eigentlich schon jetzt angesprochen.Das Spannende ist jetzt im Prinzip, man kann sich vorstellen,die Strahlung kann keine Ansammlung mehr von Teilchen sozusagen zerschießen.Wenn zum Beispiel jetzt die Teilchen angefangen haben mit der Gravitation zuklumpen, dann kann die Strahlung diesen Klumpen nicht mehr aufweichen.Und somit kann die Materie immer weiter sich anreichern und verklumpen.Und das wird dann immer alles dichter und dichter. Und damit formen sich dann die Strukturen.Und in der klassischen Theorie, wenn man das sozusagen in erster Ordnung zum Beispiel rechnet,wenn man annimmt, man hat eine homogene eine Massenverteilung,also gleichförmig verteilt und sich dann fragt, wie sowas eigentlich kollabiert.Was man dann rauskriegt ist, dass man Flächen bildet.Also die kollabieren sozusagen in einer Dimension und dann bilden sich in dernächsten Dimension, dann kommen diese Straßen, von denen du gesprochen hast,also wir nennen die Filamente.Und die letzte Struktur ist dann, wenn du mehrere Filamente hast,dann kannst du, was wir sagen, dann halos.Das sind, ja, Ja, sozusagen mehr kugelförmige, nicht kugelförmige Gebilde,die dann eben nochmal dichter werden und in denen entstehen dann die ersten Galaxien.
Tim Pritlove 0:30:28
Aber mit Galaxien geht es ja nicht los, man braucht ja erstmal ein paar Sterne für Galaxien.
Anne Hutter 0:30:32
Ja, gut. Die Definition, was ist eine Galaxie, ist natürlich dann auch nochmal zu diskutieren.Ob man sowas schon mit ein, zwei Sternen sagt, das ist jetzt eine Galaxie.
Tim Pritlove 0:30:46
Also die Sternentstehung beginnt. Und wie schnell ist das dann vorangegangen?Also ich meine, okay, jetzt ist das irgendwie alles expandiert,400.000 Jahre, so wumms, dann bilden sich schlagartig Atome.Also das dürfte ja dann wahrscheinlich auch ein relativ schneller Prozess gewesensein, weil es ja dann sozusagen auch überall sofort oder mehr oder weniger sofortdieselben Bedingungen geherrscht haben.Also wurde sozusagen mit so einem Fingerschnips ab einer bestimmten erreichtenniedrigeren Temperatur wandelte sich auf einmal alles in Wasserstoff um, kann man fast sagen.
Anne Hutter 0:31:23
So ungefähr, ja.
Tim Pritlove 0:31:23
Ein bisschen Helium. Und dann standen sich die Anturbe sozusagen gegenüber unddann ging das Gravitationsspiel los,dass dann Gas sich zusammenfindet, sich anzieht und dann ist sozusagen Sternenentstehungmehr oder weniger automatisch das nächste, was passiert.Kann man das so sehen oder ist das zu einfach gedacht?
Anne Hutter 0:31:46
Im Prinzip. Also diese Zusammenfindung von dem Gas, wir nennen das den Zeitraumsozusagen die Dark Ages, die dunklen Zeiten, in denen es im Prinzip noch kein Licht gab.Und die ersten Sterne, man weiß es nicht so genau, sind wahrscheinlich 100 bis200 Millionen Jahre nach dem Urknall, haben sich wahrscheinlich gebildet.Und das ist eben in diesen Verdichtungen passiert, wo das Gas so dicht ist,dass es anfängt unter dem Gravitationsdruck zu kollabieren.
Tim Pritlove 0:32:26
Also wir sind jetzt von 400.000 Jahre, wo sich das ganze Gas bildet,mal eben 100 Millionen Jahre nach vorn.
Anne Hutter 0:32:33
Weitergereiht.
Tim Pritlove 0:32:33
Und das sind die dunklen Zeiten. Ja. Okay, die Dark Ages.
Anne Hutter 0:32:38
Dark Ages, ja.
Tim Pritlove 0:32:39
Und wie nennt man die Phase davor? Überhaupt einen Namen?
Anne Hutter 0:32:43
Ja, das ist die Phase der Rekombination. Also Rekombination.Im Prinzip sagt man, wenn man das Wasserstoff nimmt, vorher war es im Prinzipein Proton und ein Elektron.Also war es sozusagen ionisiert und dann wurde es sozusagen kombiniert.Warum sie Rekombination sagen, weiß ich nicht.
Tim Pritlove 0:33:06
Weil es überhaupt erstmal kombiniert wurde.
Anne Hutter 0:33:08
Ja, genau.
Tim Pritlove 0:33:11
Okay, Begriffsunschärfer.Ionisiert heißt ja, das Elektron ist irgendwie nicht da.
Anne Hutter 0:33:18
Sozusagen.
Tim Pritlove 0:33:19
Das war quasi der Zustand, weil es vorher sich gar nicht zusammenfinden konnte.Aber dann haben sich halt die Protonen gebildet und dann haben die sich quasidie Elektronen dann geschnappt und dadurch hatte man dann Atome.Und das ist die Kombination oder die Rekombination. Also das ist sozusagen die erste Phase.Dann geht es halt los mit dem Wasserstoff, der dann auf dem Weg ist, sehe ich jetzt.Aber dann dauert es halt einfach mal. Ich meine, 100 Millionen Jahre ist jajetzt nicht nix, sozusagen.Und die Phase heißt dann wie?
Anne Hutter 0:33:51
Dark Ages. Ja, man muss sich das auch vorstellen.Ich meine, bei der Rekombination war alles noch sehr gleichförmig verteilt.Und wenn wir uns dann angucken, wie dicht etwas sein muss oder diese Gasansammlungsein muss, damit sich Sterne formen, das sind ja verschiedene Größenordnungeneben sozusagen auch höher.Und das braucht eben auch seine Zeit, dass es sich überhaupt formen kann.
Tim Pritlove 0:34:17
Okay, und dann haben sich diese Sterne gebildet, aber man konnte sie nicht sehen. Warum nicht?
Anne Hutter 0:34:23
Man könnte sie vielleicht zum Teil sehen. Also diese Sterne bilden sich und senden Licht aus.Und wir wissen ja von der Rekombination, der Wasserstoff, der war zu dem Zeitpunkt immer noch neutral.Das heißt, das Elektron und das Proton blieben beieinander.Und was jetzt passiert, wenn die allerersten Sterne sich formen,die senden ja auch Licht aus, was relativ energetisch ist, also ultraviolette Strahlung.Und diese ultraviolette Strahlung ist energiereich genug, dass sie das Wasserstoffatomwieder ionisieren kann.
Tim Pritlove 0:35:02
Also sie kickt das Elektron raus. Ist das jetzt die einzige Strahlung,die diese Sterne von sich gegeben haben?Man würde jetzt erwarten, die geben alle möglichen Strahlung von sich,aber nur der ultraviolette Anteil ist in der Lage, diese Elektronen wieder ausden Atomen rauszuschießen, die sie jetzt gerade erst gefunden haben. Ist ja auch dramatisch.
Anne Hutter 0:35:23
Ja, genau. Aber sie geben sozusagen,für Sterne ist es relativ genau eine Schwarzkörperstrahlung ungefähr.Also es ist eine Verteilung über verschiedene Wellenlängen oder Energiebereiche.Und die ultraviolette Strahlung ist sozusagen mehr der energiereichere Teil.Man kann sich jetzt zum Beispiel auch vorstellen, je heißer ein Stern ist,was eigentlich auch damit korreliert, dass er größer und massereicher ist,wenn er heißer ist, desto mehr energiereiche Strahlung entsendet er auch.Und dementsprechend, je mehr massereiche Sterne ich habe, desto mehr von dieserStrahlung, die Wasserstoff ionisieren kann, wird auch gebildet.Um jetzt auf deinen eigentlichen Punkt wieder zuzukommen, warum man diese Sternevielleicht dann nicht wirklich sieht.Also können wir uns vorstellen, dass der energiereiche Teil der Strahlung vondem Wasserstoff, der teilweise in der Galaxie ist, aber auch außerhalb,also wir nennen zum Beispiel den Wasserstoff und auch das Helium,zwischen den Galaxien intergalaktisches Medium.Weil im Prinzip, wir haben ja nicht nur Galaxien, sondern überall anders auch das Gas.Und diese Strahlung, die ultraviolette Strahlung von den Sternen,ionisiert dann oder fängt an zu ionisieren den Wasserstoff im intergalaktischen Gas.Und man kann sich das jetzt vorstellen, das ist wie eine Welle,die sich so langsam ausbreitet.Im Prinzip ist es eher eine Sternansammlung, was so eine erste Galaxie ist.Das Licht wird ausgesendet, fängt an, den Wasserstoff im intergalaktischen Gas,das direkt um die Galaxie ist, anzujonisieren. Und dann kann es ja,wenn es den ersten Wasserstoff ionisiert hat, kann es sozusagen weiter durchgehen.Weil es ja den ersten Teil, den er schon ionisiert hat, absorbiert ja nichtmehr diese ultraviolette Strahlung.
Tim Pritlove 0:37:28
Dann breitet sich das langsam auf.
Anne Hutter 0:37:30
Genau, und dann breiten sich diese ionisierten Gebiete langsam mehr und mehr aus.
Tim Pritlove 0:37:35
Also alles ist sozusagen eine riesige Gassuppe.So stelle ich mir das vor. Und durch die Verdichtung über diese Millionen vonJahren bilden sich dann halt die Sterne.Die Sterne sind ja im Prinzip eine Zusammenklumpung von Gas,dann setzt halt die Fusion ein, dann wird das eben verbrannt,das kennen wir ja von unserer Sonne auch.Aber sind halt einfach noch umgeben von diesem neutraler Wasserstoff,wo sozusagen alles dabei ist.Und erst durch ultraviolette Strahlung, also durch besonders energetische Sonnen,wird dann diesem Wasserstoff sozusagen die Elektronen weggekickt.Sind dann nach wie vor noch Wasserstoffatome, aber die haben halt einen Elektron weniger.Oder keins mehr. Es ist ja eh nur eins da.Ist ja eigentlich ziemlich fies. Und jetzt haben sie sich gerade erst gefunden, ähm.Und das dauert natürlich dann eine Weile, aber in dem Moment,wo das stattfindet, dann hebt sich sozusagen diese Strahlung,also in dem Moment, wo die Strahlung auf das Atom trifft, wird das Elektronweggeschossen, aber damit ist dann die Strahlung quasi weg.Also sie ist dann vollständig energetisch absorbiert, es strahlt dann nicht darüber hinaus.Das ist dann sozusagen der Trade, der dann gemacht wird.Strahlung kommt, Elektronen wird rausgekickt und das hat dann diese Energiein dem Moment vernichtet.Sprich, es braucht dann noch mehr Strahlung, damit dann die dahinterliegendenAtome auch noch kommen und so weiter. Und so breitet sich das langsam aus.Und das ist dann sozusagen diese Reionisierung des Weltalls,die sich jetzt, naja, ich meine, in kosmischen Dimensionen dauert das dann jadann wahrscheinlich auch eine Weile.
Anne Hutter 0:39:27
Ja.
Tim Pritlove 0:39:28
Also das ist ja dann sozusagen eine Stück für Stück, eine Beendigung dieserDark Ages, kann man das so sehen?
Anne Hutter 0:39:36
Ja, ich würde sagen, die Dark Ages, die enden wirklich mit der Entstehung derersten Sterne, während diese Phase der Ionisierung ist.
Tim Pritlove 0:39:45
Eine neue Phase.
Anne Hutter 0:39:47
Ist im Prinzip eine neue Phase.
Tim Pritlove 0:39:50
Und wie lange braucht die dann, bis sozusagen alles durchionisiert ist?
Anne Hutter 0:39:56
Ungefähr na, Na, wahrscheinlich 800, 900 Millionen Jahre ungefähr.Ja, momentan sehen wir das ungefähr, wenn das Universum eine Milliarde Jahrealt ist, dass im Prinzip diese Reionisierung abgeschlossen ist,dass das Gas zwischen den Galaxien im Prinzip alles ionisiert ist, der Wasserstoff.
Tim Pritlove 0:40:17
Das heißt, das ist jetzt auch der Normalzustand. Der ganze Wasserstoff,der da rumhängt, hat keine Elektronen mehr.
Anne Hutter 0:40:22
Ja.Das ist heutzutage immer noch so.
Tim Pritlove 0:40:27
Aber nur deshalb kann jetzt Strahlung, die von Sternen kommt, beliebig weit reisen.
Anne Hutter 0:40:34
Ultraviolette Strahlung.
Tim Pritlove 0:40:35
Ultraviolette Strahlung.
Anne Hutter 0:40:36
Die andere Strahlung, die niederenergetisch ist, die können wir sehen.
Tim Pritlove 0:40:40
Also normales Licht kam schon immer durch?
Anne Hutter 0:40:45
Das sollte soweit eigentlich durchkommen.
Tim Pritlove 0:40:48
Warum sagt man dann, dass das Universum undurchsichtig war, wenn das Licht durchkommt?
Anne Hutter 0:40:54
Da wird eben sozusagen darauf zurückgegangen, dass es diese ultraviolette Strahlungist, die so absorbiert wird.Das ist im Prinzip auch genau der Effekt, was man sich zunutze macht, um Galaxien,also die ersten Galaxien überhaupt zu detektieren oder zu bestimmen,zu welcher Zeit, wie alt ist diese Galaxie im Prinzip.Und genau das ist dieser Effekt, dass man eben sagt,okay, zu dem Zeitpunkt war noch der Wasserstoff vorhanden,er kann sozusagen alle Strahlung energiereicher als eine bestimmte Wellenlängeabsorbieren und dann sieht man nichts und alles,was energieärmer ist, sehen wir.Das heißt, wenn man dann guckt, dann sieht man sozusagen in den Spektren,wir nennen das ein Lime Break.Dann sieht man diese Breaks. Und je nachdem, wo dieser Break ist,können wir sozusagen feststellen, wie alt die Galaxie oder wann sie in der Geschichtedes Universums, wie wir sie jetzt gerade sehen.
Tim Pritlove 0:42:00
Aber nur noch zum Verständnis, weil es wird ja immer gesagt,das Universum sei undurchsichtig gewesen. Das stimmt in dem Sinne eigentlich gar nicht.Also das Licht, was wir sehen, das nicht ultraviolette Licht,das konnte schon immer weiterziehen oder ist es auch von irgendetwas aufgehalten worden?
Anne Hutter 0:42:20
Ich meine, die andere Komponente, die das etwas sozusagen runterdimmt,ist, wenn man hat die erste Generation der Sterne, die sich formen.Und dann sterben die massereichsten Sterne als erstes und die produzieren jadann tatsächlich auch die schweren Elemente, also hauptsächlich Sauerstoff,Stickstoff, Kohlenstoff.Und diese Elemente bilden dann auch in den Galaxien, was wir Staub nennen.Und Staub kann auch sozusagen die andere Strahlung absorbieren.Und im Prinzip, wenn man sich das vorstellt, man hat diese Sternansammlung unddie produziert jetzt Staub und dann bildet sich Staub um diese Sterne,dann kommt selbst wenn die jetzt sozusagen nicht ultraviolette Strahlung aussenden,kann diese Strahlung teilweise von diesem Staub absorbiert werden.Und damit wird es noch weiter gedimmt.Der andere Punkt, mit dem das vielleicht verwechselt werden kann,ist, dass wenn die Sterne früh im Universum ihre Strahlung aussenden,die kommt ja bei uns rot verschoben an.Das heißt, wenn das Universum sich ausdehnt, wird die sozusagen immer energieärmerund damit schiebt sie sich immer mehr ins Rote,sodass was damals ultra oder sichtbar war, eben heutzutage eher im Infrarotist und da für uns nicht mehr wirklich sichtbar.
Tim Pritlove 0:43:56
Aber natürlich schon noch, also nicht für uns sichtbar, nicht für Menschen sichtbar,aber für unsere Instrumente natürlich sehr wohl sichtbar.Das ist ja genau das, was jetzt das James Webb Teleskop so schön macht.Okay, aber jetzt verstehe ich auch den Punkt.Also es gab im Prinzip zwei Unsichtbarkeiten, die zusammenkamen.Das eine ist die ultraviolette Strahlung, die noch von dem neutralen Wasserstoffabsorbiert wurde. Die kam nicht durch.Es gibt ja auch noch andere Strahlenkategorien, noch höher energetische Strahlungwird vielleicht auch eine Rolle gespielt haben, aber das war sozusagen das,was vor allem vorgeherrscht hat.Das, was wir als Licht bezeichnen, also unter dem ultravioletten Spektrum,das wurde zwar von diesem neutralen Wasserstoff nicht aufgehalten, aber.Aber der ganze Prozess war ja mit Sternenbildung verbunden und am Anfang hatsich eben sehr viel zusammengeklammert.Und du sagst es ja schon, die Sterne, die massereichen Sterne,also umso größer sie sind, umso schneller sterben sie.Das ist ja im Prinzip die Regel bei Sternen. Das heißt,die ganze Zeit sind Sterne entstanden, sind dann auch verhältnismäßig,also alles natürlich jetzt im universellen Maßstab,relativ schnell wieder verpufft und haben in dem Moment durch die Fusion dieneuen Elemente erzeugt, die ja sozusagen alles auch ausmachen,was heutzutage für uns zumindest relevant ist, weil ohne Sauerstoff,Stickstoff und so weiter wären wir irgendwie nicht so wirklich da.Sprich, da ist dann diese Elementefabrik dann angeworfen worden und dadurchwurde all diese ganze Wasserstoffsuppe noch um weitere Elemente bereichert,die dann wiederum das normale Licht auch aufgehoben haben.Und von daher war das alles noch eher dunkel. Also es ist nicht so,dass jetzt überall komplett das Licht aus war, aber es ist auch nicht so diesternenklare Nacht gewesen, wie wir das heute sozusagen wahrnehmen.
Anne Hutter 0:46:00
Ja, man kann da jetzt noch unterscheiden. Man kann sich vorstellen,wenn man ganz sozusagen kleine Galaxien, und mit klein meine ich eben nichtviel Masse, die noch nicht viele Sterne gebildet haben, dann kann man sich vorstellen,die haben noch nicht viel Staub.Weil da haben noch nicht viele Sterne sozusagen gelebt und sind gestorben.Während wenn man sich massereichere Galaxien anschaut,dann sind da ja viel mehr Generationen von Sternen schon entstanden und dannauch sozusagen gestorben oder als Supernovae explodiert im Prinzip. Ja.Und damit hängt dann auch, wie viel von der Strahlung, die von den Sternen abgegebenwird, von diesem Staub absorbiert wird, eben von der Staubmasse ab und auchwie viel Staub schon produziert wurde.Und das ist wahrscheinlich für massereichere Galaxien ein bisschen höher als für masseärmere.
Tim Pritlove 0:47:00
Jetzt haben wir, wenn ich es richtig sehe, jetzt eigentlich die wilde Phasejetzt einmal so besprochen.Urknall, alles irgendwie ein dickes Plasma,dann kombiniert sich das Material zusammen zu Wasserstoff,dann entstehen die Sterne, durch die Sterne wird der gerade schon erst entstandeneWasserstoff seiner Elektronen wieder,beraubt, sozusagen.Dadurch kann Strahlung in jeder Hinsicht überall rum und Und es bilden sichhalt Sterne, es bilden sich auch automatisch Galaxien von Sternen,weil kein Stern so für sich alleine bleibt.Und wir blicken jetzt sozusagen auf die erste Milliarde Jahre Zeit des Universums.Und ab da kann man sagen, geht es in Anführungsstrichen normal weiter.Ist das so oder gibt es da jetzt noch eine Phase, die nochmal irgendwie andersist als das, was wir heute sehen?
Anne Hutter 0:48:05
Es unterscheidet sich zu dem Zeitpunkt schon sehr stark, wie es dann weitergegangen ist.Ich würde nicht sagen, dass es eine Milliarde nach dem Urknall schon so aussahwie heute. Wir sind dann immer noch in der Phase, in der in den meisten Galaxienviel Sternentstehung passiert.Und das geht auch eine ganze Weile weiter.Und erst später kommt die Phase, man kann sich das so vorstellen,man hat die Galaxie und die wachsen ja, indem sie sozusagen das Gas immer weiteransammeln, was im intergalaktischen Medium ist.Wenn man sich das so vorstellt, ja im Prinzip wird der Kontrast immer höher.Also die Galaxien kriegen immer mehr Gas und da, wo vorher kein Gas oder wenigGas wird, dann ist da noch weniger Gas.
Tim Pritlove 0:49:01
Also diese Filamente bilden sich noch stärker heraus.
Anne Hutter 0:49:03
Genau, genau. Der Kontrast dieser Filamente wird noch stärker.Und jetzt kann man sich natürlich vorstellen, je mehr Gas man hat,desto mehr Gas gibt es auch im Stern entstehen zu lassen. Das heißt,diese Phase der Sternentstehung geht noch eine Weile weiter.Und dann gibt es aber den Punkt im Universum, wo wir sehen, dass die allgemeineSternentstehungsrate,also wenn wir uns alle Galaxien zu einem Zeitpunkt anschauen und uns überlegen,wie viele Sterne haben die gebildet, dann sehen wir, das steigt an bis zu einembestimmten Zeitpunkt und dann sinkt es ab.Und das liegt wahrscheinlich daran,dass im Prinzip nicht mehr so viel Gas akkreditiert oder angesammelt wird.Und dann fangen an die Galaxien, ich will nicht sagen sterben,aber sie haben natürlich kein Gas, sie können nicht mehr viel mehr Sterne finden.
Tim Pritlove 0:49:53
Schreibstoff ist alles.
Anne Hutter 0:49:54
Genau. Okay. Und dann ändern sich eben auch wie die Galaxien aussehen.
Tim Pritlove 0:50:00
Wenn man jetzt so eine Kurve zeichnen würde, wie viele Sterne entstehen zu einem bestimmten Zeitpunkt.Wie lange geht das dann sozusagen, bis der erste wirklich nennenswerte Knick kommt?Also wann wurde das Gas alle? Knapp.
Anne Hutter 0:50:17
Jetzt bin ich der klassische Astronom und weiß das natürlich nur in Rotverschiebung.
Tim Pritlove 0:50:22
Ja, das ist dann ein Z-Wert.
Anne Hutter 0:50:24
Nehme ich mal an. Genau.
Tim Pritlove 0:50:25
Und welcher ist das?
Anne Hutter 0:50:27
Na, bei Rotverschiebung zwei. Bis dahin steigt es sozusagen an und dann fängt es an abzusinken.
Tim Pritlove 0:50:34
Also Z, muss man vielleicht mal erklären, Rotverschiebung, das ist so ein Faktor,den man nimmt, um das schnell mal zu klassifizieren.Umso höher dieser Wert, umso älter ist das Licht.
Anne Hutter 0:50:46
Genau.
Tim Pritlove 0:50:47
Und wenn man so ganz am Anfang schaut, dann ist man so bei 14 oder sowas.
Anne Hutter 0:50:53
Also, Rionisierung endete bei Rotverschiebung 6. Ja. heute sind wir bei Rotverschiebung 0,und angefangen hat Reionisierung um Rotverschiebung wahrscheinlich 20.
Tim Pritlove 0:51:07
Ah, okay. Okay, das ist doch mal ein brauchbarer Maßstab.Weil so in Milliarden Jahre zu reden ist auch irgendwie, weiß ich nicht, schwer handhabbar.Was ist der Unterschied zwischen 5 Milliarden Jahre und 10 Milliarden Jahre?Das kann man sich irgendwie nicht mehr so richtig vorstellen.
Anne Hutter 0:51:25
Nee, nee, in der Tat nicht. Ich finde es auch immer sehr amüsant,wenn Astronomen sagen, das passiert ganz schnell, dann sagen sie,das ist eine Million Jahre, das ist nichts.
Tim Pritlove 0:51:35
Ja, das stimmt.Jetzt noch mal die Zahlen. Also bei 20 ging es los, dann bei 6 war was?
Anne Hutter 0:51:49
Die Regenisierung zu Ende. Und bei 20 hat im Prinzip diese Sternentstehungsrateangefangen zu steigen und sie steigt ungefähr bis Rotverschiebung 2.
Tim Pritlove 0:52:01
Okay, also das hielt lange an sozusagen.
Anne Hutter 0:52:04
Das hielt ziemlich lange an. Ja, man muss jetzt aufpassen, Rotverschiebung 1war vor 6 Milliarden Jahren, glaube ich, ungefähr.
Tim Pritlove 0:52:11
Also es ist jetzt keine lineare Geschichte oder so?
Anne Hutter 0:52:14
Nee.
Tim Pritlove 0:52:14
Okay.
Anne Hutter 0:52:15
Nee.
Tim Pritlove 0:52:18
Okay. Aber dann hat sich dann alles sozusagen auf den Level eingestellt.Also wir sind jetzt in einer Phase, wo das Universum, sagen wir mal,dieses maximale Wachstum im Sinne von wie viele Sterne entstehen,wie viele Galaxien entstehen, da sind wir sozusagen über den Peak.Natürlich entstehen immer noch neue Sterne und vielleicht auch neue Galaxien,aber halt nicht mehr in diesem Maße, wie man es sicher beobachten kann,wenn man eben in die Zeit guckt, also sprich ins Universum schaut und sich andereLichtbereiche anschaut und damit mehr in die Vergangenheit schaut,eben weil das Universum sich ausdehnt und durch diesen Doppler-Effekt halt alleFrequenzen in die Länge gezogen werden und damit halt sozusagen ins Rot verschoben werden.Okay, dann haben wir doch im Prinzip einmal die Geschichte des Universums schonmal ganz gut beobachtet.Was ist jetzt in deinem Forschungsfokus?Was schaust du dir jetzt genau an und wie gehst du damit um?
Anne Hutter 0:53:26
Momentan fokussiere ich mich auf die Galaxien, die ungefähr 200 bis 600 MillionenJahre nach dem Urknall entstanden sind oder existiert haben.Und die Frage da ist, was das James-Webb-Space-Teleskop misst,können wir momentan mit unseren Modellen, bisherigen Modellen, nicht gut beschreiben.Und was das James Webb Space Telescope uns sagt oder die Daten zeigen,wir haben ja vorhin schon von der ultravioletten Strahlung geredet und es gibtja auch den Teil, den wir noch sehen, also der nicht noch energiereich genugist, dass er vom Wasserstoff absorbiert wird.Und wenn man den Teil des Spektrums, den man von Galaxien misst,dann kann man ja messen, wie hell ist der.Und im Prinzip, was wir sehen, wenn wir 200 bis 400 Millionen Jahre nach demUrknall die Galaxien uns da anschauen, die sind heller in diesem Bereich,in dem ultravioletten Bereich, als wir dachten oder unsere Modelle es uns vorausgesagt haben.Sie sind entweder heller oder, um es genauer zu sagen, eigentlich sehen wirzu viele von diesen hellen Galaxien. Damit haben wir nicht gerechnet.Jetzt gibt es verschiedene Ansätze im Prinzip, wie man das versucht zu erklären.Und ich arbeite eben daran, wie man das erklären könnte oder was mit unserenmomentanen Modellen, wenn ich so sagen will, schief läuft.
Tim Pritlove 0:55:12
Erklär uns doch mal, wie so ein Modell entsteht.Also Modell heißt ja, es gibt Annahmen und man rührt jetzt diese Annahmen zusammenmit den Daten, die man hatte. Also sagen wir mal, James Webb war noch nicht gestartet.Sprich, was man so hatte, waren halt das, was all die anderen Missionen,die sich bisher den Infrarotbereich angeschaut haben.Und ich weiß jetzt nicht ganz genau, wie weit die dann alle schauen konnten,aber die Zs waren noch nicht so groß.
Anne Hutter 0:55:45
Ne, Hubble Space Telescope würde ich sagen, ja, bis Rotverschiebung 8 und JamesWebb Space Telescope hat das jetzt, wir haben jetzt tatsächlich bei Rotverschiebung14 jetzt auch die Galaxien, also die Spektren von denen schon messen können.Das heißt, wir haben in diesem Rotverschiebungsbereich schon noch ein ganzesStück sozusagen weiter in die Vergangenheit, die wir gucken.
Tim Pritlove 0:56:08
Und wenn ich das richtig verstehe, ist es so, also nicht nur,dass James Webb jetzt quasi noch langwelligeres Licht zu messen in der Lageist, dadurch, dass das Ding halt so,super runtergekühlt ist und einfach wie es eben gebaut ist,sondern man kriegt jetzt nicht nur irgendeinen Helligkeitswert,sondern man kann sozusagen eben auch so eine spektrale Analyse vornehmen undsieht von daher viel tiefer in die Galaxien rein,als das andere Instrumente bisher getan haben.
Anne Hutter 0:56:41
Ja, das Spannende mit Spektren ist, man kann viel mehr, wenn man das Spektrumvon Galaxien aufzeichnet, also die Lichtintensitätverteilung.
Tim Pritlove 0:56:52
Über verschiedenste Frequenzen. Genau.
Anne Hutter 0:56:56
Dann kann man auch lernen, was für Elemente sind in der Galaxie.Also sieht man, man kann darüber lernen, wie viele Sterne momentan entstehenund eventuell auch, wenn zum Beispiel die Galaxie momentan keine Sterne produziert,wie lang war das vielleicht ungefähr her?Also die beherbergen jede Menge an Informationen.Und ich glaube momentan auch so viele Informationen, die wir nicht unbedingt alle schon verstehen.
Tim Pritlove 0:57:24
Aber ist das jetzt wirklich das erste Mal, dass Daten in dieser Form sind?Oder hatte man das bisher nur von anderen Bereichen?
Anne Hutter 0:57:33
Man hatte Spektren schon auch von anderen Galaxien, allerdings nicht bei diesenhohen Rotverschiebungen, also bei viel niedrigeren Rotverschiebungen eben näher bei uns dran.
Tim Pritlove 0:57:44
Also wir konnten sozusagen nicht so tief ins Universum mit der entsprechendenAnalyse-Tiefe reinschauen.Ohne jetzt sozusagen die Daten von James Webb zu haben, woraus hat sich danndas bisherige Modell informiert?Also wie baut man das jetzt zusammen? Ist das irgendwie…,Das sind einfach Annahmen, Hypothesen. Kannst du uns mal so ein bisschen mitnehmen,wie jetzt überhaupt so ein Modell entsteht? Weil ich meine, das ist ja letztlichein Werk der theoretischen Physik. Dafür ist sie ja da.Es geht ja darum, sich sozusagen das auszudenken, was man nicht messen kann.Und da irgendeine Annahme zu machen und auch eine Vorhersage zu machen.Und wenn ich das richtig mitbekommen habe, gab es ja viele Vorhersagen und jetztist halt James Webb da und schaltet den Apparat ein und sagt so, ja nee, ist nicht so.Ist ja auch irgendwie ein bisschen frustrierend, oder?
Anne Hutter 0:58:42
Oder spannend.
Tim Pritlove 0:58:42
Oder spannend. Okay, aber wie geht man da ran?Also was muss konkret getan werden, dass so ein Modell überhaupt erstmal daist? Wie funktioniert das?
Anne Hutter 0:58:52
Ja, man macht sehr vereinfachte Annahmen. Zum Beispiel, wenn man sich jetzteine Galaxie anschaut, dann überlegt man, okay, wie ist eine Galaxie wahrscheinlich entstanden?Ich habe wahrscheinlich irgendwie Gas.Jetzt kann ich mir überlegen, ja okay, das Gas muss wahrscheinlich eine bestimmteTemperatur haben, damit es zu einem Klumpen weit genug kollabieren kann,damit Sterne entstehen.Das heißt, ich sollte eben schauen, okay, wenn ich Gas habe,was kann das Gas kühlen, welche Prozesse?Dann kann ich diese Prozesse sozusagen beschreiben.
Tim Pritlove 0:59:23
Was können das für Prozesse sein?
Anne Hutter 0:59:25
Das sind hauptsächlich, was wir, der Fachbegriff ist Radiative Cooling, also im Prinzip.
Tim Pritlove 0:59:32
Durch Abstrahlung.
Anne Hutter 0:59:33
Genau, durch Abstrahlung kühlt sich das Gas runter.Das ist den ersten Prozess, den man sich anschauen kann. Damit kann man dannzum Beispiel berechnen, wie viel Gas es in der Galaxie überhaupt fähig, Sterne zu formen.Und dann nimmt man an, okay, das Gas formt jetzt Sterne.Dann nimmt man an, muss man sich fragen, was für Sterne formen sich?Also sind das ja massereiche Sterne oder Sterne mit niedrigeren Massen?Und wie wir vorhin schon gesagt haben, das ist dann unterschiedlich,was deren Strahlung dann ist, also wie viel ultraviolette Strahlung sie haben.Und was man dann die meisten Modelle heutzutage annehmen, man nimmt die Sternenmasseverteilungan, die wir lokal in unserer Milchstraße gemessen haben.
Tim Pritlove 1:00:27
Weil von irgendwas muss man ja ausgehen.
Anne Hutter 1:00:30
Ja, das ist im Prinzip, wir wissen es nicht besser. Das heißt,wir nehmen das jetzt einfach an.Und dann hat man ja im Prinzip schon, man sagt, okay, so viele Sterne entstehen.Das ist das Licht, das sie produzieren.Dann kann ich jetzt noch ausrechnen, wenn ich sozusagen dieses intergalaktischeGas dazwischen habe, wie viel von dieser Strahlung absorbiert wird und ab welchemPunkt es vielleicht noch durchkommt teilweise.Das kann ich noch draufsetzen oder auch den Staub kann dann sagen, okay.Durch die Sternentstehung weiß ich ja, wie viele Sterne entstehen.Ich weiß auch, dass die massereichsten Sterne als sogenannte Supernovae explodieren.Und damit auch die Elemente, die in dem Stern dann geformt wurden,die schweren Elemente, die werden dann in der Galaxie sozusagen verteilt.Die den Staub bilden und dann auch diese Strahlungshäuser absorbieren.Das kann ich im Prinzip beschreiben mit dem Modell.Und ich kann auch weiter beschreiben, wenn diese massereichen Sterne explodieren,dann haben wir ungefähre Abschätzungenund Berechnungen, wie viel Energie dabei zum Beispiel frei wird.Und das ist eigentlich auch sehr spannend, weil diese Energie,man kann sich jetzt vorstellen, wo bleibt die?Die muss ja irgendwas machen. Wenn ich so einen massereichen Stern habe,der in so einem Gashaufen explodiert, dann werde ich wahrscheinlich so eineSchockwelle haben, die im Prinzip dieses Gas erstmal wegschiebt.Und wahrscheinlich auch dieses Gas erstmal nochmal erhitzen.Und beides kann man sich vorstellen, A wird das Gas dann wahrscheinlich wenigerdicht und es wird wärmer.Und das sind beides Komponenten, die nicht sonderlich zuträglich sind für Sternentstehung.Also das heißt, wenn sowas dann passiert, dann formen sich wahrscheinlich inder nächsten Zeit erstmal nicht so viele Sterne.Und diese Mechanismen, die kann man sozusagen modellieren oder auch beschreiben.
Tim Pritlove 1:02:39
Also Hollywood hat mir ja gelernt, dass die richtig tollen Wissenschaftler machendas mal so eben am Nachmittag auf der Tafel.Ich habe so die Vermutung, das ist nicht ganz realistisch. Was bedeutet das jetzt konkret?Also wie viele Datenpunkte, also wir reden ja jetzt von Software,wir reden von Computerprogrammen und von Daten, die hier gewälzt werden und wenn ich jetzt einen,Also eine Galaxie, also ich meine, wenn wir jetzt mal davon ausgehen,unsere Galaxie hat, was weiß ich, 100, 200 Millionen Sterne.Ist glaube ich so die aktuelle Annahme, so in der Größenordnung.Und so ein Stern besteht ja aus unfassbar viel Materie, was von noch sehr vielmehr Gas und Staub und so weiter umgeben ist.Das sind ja Aber-Penteliaden, riesige Mengen an Atomen.Kann man da jetzt irgendeine Zahl ausdenken und die ist dann immer noch zu klein.Die kann ich ja nicht alle einzeln, ich kann ja nicht jedes Atom einzeln inmeinem Programm von links nach rechts schieben und mit irgendwelchen Energiewertenbelegen. Also wie quantisiert man so ein Modell?Also wann ist so ein Modell ausreichend detailliert? Was ist da so der Faktor?Also wie groß muss das sein, damit es irgendein brauchbares Ergebnis gibt?
Anne Hutter 1:04:05
Das ist ehrlich gesagt sehr, sehr unterschiedlich.
Tim Pritlove 1:04:08
Ja.
Anne Hutter 1:04:09
Man hat ganz verschiedene Modelle. Es gibt zum einen die ganz simplen Modelle,wo man im Prinzip sagt, okay, ich habe nur eine Größe, das ist wie viel Gas die Galaxie hat.Ich habe noch eine Größe, wie viel Masse ist in den Sternen.Und ich habe noch eine Größe, wie viel dunkle Materie ist auch noch in der Galaxie.Und dann weiß ich meine Sternmasse, ich weiß mein Gas und dann sage ich, okay,der Anteil oder der Bruchteil von dem Gas formt Sterne dann weiß ich,wie viele Sterne sich gerade formen und dann nehme ich an, ich habe diese Massenverteilungund damit kann ich direkt dann schon ein Spektrum,vorhersagen,Und ich kann auch sagen, okay, diese Sterne werden wahrscheinlich so viel Energiein das Gas reinbringen, dann kann ich fragen, okay, welcher Anteil von dieserGasmasse, die ich hier habe, wird wahrscheinlich dann irgendwie nicht mehr kühl sein.Wird dann sozusagen nicht mehr da sein für Sternentstehung.
Tim Pritlove 1:05:16
Aber sind das jetzt einfach nur so isoliert Zahlenwerte, die so ein bisschenineinander gegeneinander gerechnet werden oder reden wir wirklich von einerräumlichen Modellierung?
Anne Hutter 1:05:25
Das ist noch keine räumliche Modellierung. Das sind wirklich abstrakte Zahlen.
Tim Pritlove 1:05:31
Pi mal Daumen.
Anne Hutter 1:05:31
Genau, Pi mal Daumen. Der Vorteil von diesen Pi mal Daumen Berechnungen isteben, dass wir das für ganz viele Galaxien machen können und damit uns anschauenkönnen, wie die verteilt sind.Also habe ich da in der einen Stelle eine leuchtstärkere Galaxie,in der anderen eine weniger leuchtstärkere.Wie ist das verteilt? Und man kann sich auch vorstellen, das hat dann auch wiedereinen Einfluss, wie diese Reionisierung vonstattengegangen ist.Also im Prinzip wie diese ionisierten Regionen um diese Galaxien sich ausgebreitet haben.Und in der Hinsicht sind die eben ziemlich gut, weil sie eben schnell sind. und nicht, ja.
Tim Pritlove 1:06:13
Und das ist dann im eigentlichen Sinne auch intergalaktisch,also man kann sozusagen auch Beziehungen zwischen einzelnen,also Galaxien beeinflussen, andere Galaxien. Ja.Think big. Aber dann ist man halt nicht so detailliert sozusagen.Man modelliert nicht jetzt wirklich so das räumliche, tatsächliche Spiel,was in der Galaxie abliefert, sondern es geht darum, mehr oder weniger so inClustern zu denken, also riesigen Galaxienhaufen.
Anne Hutter 1:06:42
Ja, also das sind wirklich große Skalen.Ja, und die andere Komponente, die es eben gibt, das nennen wir eine klassischehydrodynamische Simulation oder in der Phase der Reionisierung sind es auch,strahlungshydrodynamische Simulationen. Und was wir da machen,oftmals, wir teilen entweder unser Volumen in kleine Zellen ein,und dann wird quasi in jeder Zelle hat man Gas, eventuell Sterne,und dann schaut man, wie unter den Gesetzen der Physik, also Gravitation,Hydrodynamik, würde sich das Gas dann da bewegen und man kann natürlich dannauch berechnen, wie stark wird das Gas gekühlt oder erhitzt und so weiter und so fort.Und damit kann man auch wirklich dann einzelne Galaxien wirklich genauer sich anschauen.
Tim Pritlove 1:07:37
Wie viele Zellen muss man dann aufmachen, um dann ein sinnvolles Ergebnis bei rauszubekommen?
Anne Hutter 1:07:48
Ja, das ist eben noch eines der großen Probleme.Weil im Prinzip idealerweise würden wir gerne Zellen so klein haben,dass wir die Sterne eigentlich schon auflösen können. Ist aber nicht möglich.
Tim Pritlove 1:08:01
Also umso mehr, umso besser, aber da ist ja dann irgendwann eine Grenze,wenn man jetzt 100 Millionen Sterne haben will, dann braucht man ja auch denSpeicher dafür und die Processing-Power.
Anne Hutter 1:08:11
Genau, und was wir im Prinzip dann machen müssen, ist sagen...Wir suchen jetzt aus, wie groß unsere Auflösung ist, aber wir müssen im Prinzip,was wir dann machen müssen, die Prozesse, die dann innerhalb dieser Zelle ablaufen,müssen wir sozusagen, was wir ja Subgrid Models nennen.Also sozusagen repräsentativ beschreiben, okay, ich hätte jetzt eigentlich daso viele Sterne, aber mich interessiert im Prinzip nur die gesamte Auswirkungzum Beispiel dieser Sterne jetzt auf,wie hoch ist jetzt die Temperatur des Gases oder wie dicht ist jetzt das Gas.Aber ich kann in dieser Zelle nicht genau auflösen, hier ist es dichter,da ist es weniger dicht und so weiter.Das ist eben eine der großen Herausforderungen, was man mittlerweile eben auchprobiert und sagt, wir machen eben verschiedene Simulationen,machen eben Simulationen, wo die Zellen im Prinzip ganz klein sind.Wir können das alles auflösen und dann schauen wir uns an, okay,wenn wir zum Beispiel die Sternenpopulationhaben, dann beeinflusst das das Gas in der Art und Weise.Dann können wir das, was wir nennen, parametrisieren, also beschreiben,wie wenn ich die Konditionen habe,dann kommt das raus und das kann ich die Resultate in eine Simulation einbauen,wo sozusagen meine Zelle größer ist.Und damit habe ich im Prinzip so ein bisschen imitiert, was eigentlich passierenwürde auf kleineren Skalen.
Tim Pritlove 1:09:47
Das heißt, man hat keine uniforme Zellenaufteilung, sondern Bereiche,wo mehr passiert oder wo die Interaktion komplexer ist, die werden höher aufgelöstund andere Bereiche, wo weniger passiert, werden gröber aufgelöst.Ist, nur um jetzt mal so ein Gefühl dafür zu bekommen, angenommen,ich würde jetzt also unsere Milchstraße mal so jetzt modellieren,also sozusagen in der Größenordnung gedacht.
Anne Hutter 1:10:12
Ja.
Tim Pritlove 1:10:13
Auf wie viele Zellen würden wir dann kommen? Also was wäre machbar mit einemheutigen Computersystem, mit der Technik, die euch hier auch zur Verfügung steht,der Processing Power, die ihr nutzen könnt?Ist das jetzt eine sehr kleine Zahl oder eine sehr große Das sind ja auch allesWerte, die man einstellen muss am Ende, wo ja auch Entscheidungen gefällt werden müssen.Wie genau lasse ich jetzt dieses Modell rechnen?
Anne Hutter 1:10:41
Ja, ganz genau weiß ich es nicht. Ich nehme an, für eine einzelne Galaxie kannman das noch relativ gut, also genaue Zahlen weiß ich leider nicht.
Tim Pritlove 1:10:51
Da reden wir von 10 Zellen, 100.000, 10.000, 100.000, eine Million,10 Millionen, wie viel sind das?
Anne Hutter 1:10:58
Das sind schon mindestens um die Ordnung 10 hoch 9, also eine Milliarde. Ja, Milliarde.
Tim Pritlove 1:11:05
Okay, nur um eine Vorstellung zu bekommen. Also man baut sozusagen sich einSoftwaremodell, was aus einer Milliarde Orten besteht, die dann bestimmte Räumerepräsentieren, die parametrisiert sind.Hier ist so und so viel Gas, hier ist so und so viel von dem Element,von dem Element, von dem Element.Die Temperatur davon ist und so weiter. und dann lässt man das irgendwie alleslaufen und rechnet das sozusagen über einen längeren Zeitraum durch und schaut, was passiert.
Anne Hutter 1:11:35
Genau, genau.
Tim Pritlove 1:11:37
Und dann glühen die Rechner und man hat dann erstmal drei Wochen nichts zu tunund wartet nur auf das Modellergebnis.Oder ist das etwas, was die ganze Zeit immer läuft?Also habt ihr diese Modelle permanent im Betrieb und die verfeinern sich die ganze Zeit?Oder ist das etwas, was man mal so am Wochenende laufen lässt und dann gucktman sich montags das wieder an?
Anne Hutter 1:12:03
Also typischerweise würde ich sagen, gibt es sozusagen die Entwicklungsphase,wo man den Code, um die Simulation laufen zu lassen, eigentlich erstmal entwickelt.Das heißt, und auch zu testen, ob der eigentlich das macht, was man will,lässt man meistens kleinere, also weniger stark aufgelöste Simulationen laufenund testet, dann kommt jetzt ungefähr das raus.Die kann man meistens irgendwie auf einem lokalen Cluster laufen,vielleicht auch wenn man es klein genug macht, auf einem eigenen Computer laufen lassen.Und wenn man dann an einem Punkt angekommen ist, wo man seinem Modell vertrautund sagt, okay, der Code ist jetzt gut genug und er scheint auch was zu reproduzieren,was Sinn macht, dann geht man sozusagen in die Produktionsphase.Also dann kann man auch größere, also besser aufgelöste Boxen simulieren.Und das ist aber für diese Art Simulation, also vor allem für die hydrodynamischenSimulationen, wo wir auch die Strahlung mit reinnehmen, explizit, werden die sehr teuer.Also das ist schon in der Größenordnung mehrere Millionen CPU-Stunden.Das heißt, da muss man schon in die Computing Cluster oder High PerformanceComputing Systems gehen Das.
Tim Pritlove 1:13:19
Muss man dann beantragen oder habt ihr so ein Kontingent?
Anne Hutter 1:13:23
Das ist unterschiedlich je nachdem wo man ist Also wenn das Institut natürlichschon irgendwie genügend Computing Power hat und man das zur Verfügung hat, kann man das nutzen,Ansonsten muss man die beantragen die Rechenzeit Rechenzeit,das geht dann ganz klassisch, so ähnlich wie bei Teleskopen.
Tim Pritlove 1:13:41
Und gibt es hier genug Power im Keller?
Anne Hutter 1:13:45
Wir haben Zugang zu einem Supercomputer in Finnland, über die Uni hier.Aber wenn es wirklich größer wird, müssen wir auch beantragen, Rechenzeit. Okay.
Tim Pritlove 1:13:58
Das heißt, man baut sich jetzt, nehmen wir mal an, okay, Software ist jetztlokal getestet, sieht alles total super aus, wobei es ja schwierig ist,jetzt so ein Modell auch zu bewerten, weil letzten Endes versuchen diese Modelle ja sozusagen.Irgendein Szenario zu beschreiben, was man ja so gar nicht überprüfen kann,weil es ist ja ein Modell.Also es ist ja sozusagen überhaupt erstmal eine Voraussage. Das ist ja der Versucheiner Vorhersage für, also meiner Auffassung nach müsse das so aussehen.Und meiner Meinung nach bedeutet das, dass sich in diesem Zeitraum Galaxiendieser Größenordnung, in dieser Form, in dieser Geschwindigkeit entwickeln müssten.Das ist ja sozusagen das, was man versucht aus diesem Modell herauszulesen.So eine Beschreibung dessen, was man, immer noch James Webb ist nicht da,man macht halt Annahmen auf Basis dessen,was man bisher gesehen hat und wofür es Daten gibt und wie viele Ideen kommen da noch mit dazu?Also ist das alles datenbasiert oder sitzt man dann da auch so und sagt sich so,okay, jetzt habe ich hier noch so eine super Theorie, was die Welt im Innerstenzusammenhält und das baue ichjetzt einfach mal an das Modell ein und dann gucke ich später, was ist.Oder verlässt man sich einfach nur auf das, was bisher gesehen wurde?
Anne Hutter 1:15:39
Ja, also Modelle werden normalerweise, was wir nennen, kalibriert.Das heißt, es gibt bestimmte, in den meisten Modellen bestimmte Parameter,zum Beispiel wie effektiv Sternentstehung ist, also welcher Anteil des Gas formt Sterne.Und bei diesen Kalibrierungen kann das Modell ja voraussagen,zum Beispiel wie viel ultraviolette Strahlung wir sehen würden oder was gemessen wurde.Und das heißt, man versucht das Modell auch dahin zu kalibrieren,dass es das erstmal produziert.Das heißt, bestimmte Beobachtungsdaten benutzen wir sozusagen als Kalibrierungsdatenset.
Tim Pritlove 1:16:25
Aber so eine Hutter-Konstante oder so hast du noch nicht eingebaut?
Anne Hutter 1:16:28
Nein.
Tim Pritlove 1:16:33
Könnte ja sein, dass man da irgendwie auf solche Ideen kommt.Okay, was haben denn diese Modelle, die es bisher gab,über diese Zeit des Universums gesagt und wie hat das dann zusammengepasst mit dem,was man jetzt von James Webb an neuen Beobachtungen bekommen hat und von vielleichtanderen Satelliten, die jetzt in letzter Zeit noch dazu beigetragen haben?
Anne Hutter 1:16:57
Ja, was die Modelle gesagt haben, sie haben im Prinzip gesagt,wir haben eine bestimmte Anzahl von Galaxien, die eine bestimmte Leuchtkraftim Ultravioletten haben.Und die war ungefähr 200 bis 400 Millionen Jahre nach dem Urknall.Leicht niedriger die Anzahl von diesen leuchtstarken Galaxien verglichen mitdem, was jetzt das James-Webb-Space-Teleskop beobachtet hat oder wir sehen.Und jetzt gibt es eben so verschiedene Theorien dazu, warum das so ist.Und momentan wird stark geforscht, wenn wir jetzt zum Beispiel die Annahme ändernoder die, wie würde sich das auswirken? Würde das das erklären?Also zum Beispiel, was man machen kann, ist, die meisten Modelle bisher nehmenan, wir nehmen die Sternmassenverteilung von heute.Aber man kann sich dann auch überlegen, in den ersten Galaxien ist das wahrscheinlichnicht unbedingt der Fall.Weil wenn man zurück in die Sternentstehung geht, kann man sich ungefähr vorstellen,wenn man Sterne nur aus Wasserstoff und Helium produziert, dann sind das meistenssehr massereiche Sterne.Das heißt, sie sind sehr leuchtstark.Aber sobald wir dann auch noch andere Elemente haben, das Gas im Prinzip nichtnur Wasserstoff und Helium ist, sondern auch Kohlenstoff, Stickstoff,Sauerstoff hat, dann kann das Gas auch besser kühlen.Also es kann zu niedrigeren Temperaturen runtergekühlt werden und damit entstehendann auch weniger massereiche Sterne.Und das ist natürlich heutzutage in unserer Milchstraße, haben wir eben vielmehr Generationen von Sternen,sind da schon entstanden und haben das auch angereichert und dementsprechendsind unsere Sterne auch weniger massiv oder weniger massereich.Und damit kann man sich vorstellen, wahrscheinlich bei den ersten Galaxien wareneben die meisten Sterne eigentlich viel massereicher, als was wir jetzt geradein unseren Modellen annehmen.
Tim Pritlove 1:19:21
Also unsere Sonne ist ja nicht so fett im Vergleich.
Anne Hutter 1:19:26
Ne, die ist, wenn man es sich so vorstellt, ist es eine Sonnenmasse und dieSterne, von denen wir reden, naja, also.
Tim Pritlove 1:19:35
Massereich heißt? Ja.
Anne Hutter 1:19:37
Masse heißt in der Astronomie oft ab 8 Sonnenmassen, aber kann hochgehen bis100, 200, man weiß es nicht genau, Sonnenmassen.
Tim Pritlove 1:19:46
Was ist so die größte Sonnenmasse, von der man heute weiß?Also was ist so der fetteste Stern, in welcher Größenordnung bewegt sich das?
Anne Hutter 1:19:57
Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich glaube, die hat man nicht unbedingt direktgemessen, die hat man auch teilweise einfach durch ihren, wie ich es sagen will,Elementfußabdruck, den sie hinterlassen haben, also welche Elemente sie produzierthaben, das kann man teilweise im Gas messen und mit Modellen sozusagen berechnen,das muss wohl irgendwie so ein massereicher Stern gewesen sein.Ich weiß es nicht genau, aber ich würde annehmen so um die 100 Sonnenmassen.
Tim Pritlove 1:20:30
Aber unsere Sonne, wir sind ja überhaupt, also insofern sind wir vielleichtmal was Besonderes, weil wir so eine kleine Sonne haben und es funktioniert trotzdem noch.Immer der Versuch irgendwie, was Tolles zu sein hier. Aber wir sind ja eigentlichganz durchschnittlich, was viele Sachen betrifft.
Anne Hutter 1:20:47
Ja, wir sind auch sehr zahlreich, wenn es um Sonnenmassen oder Sterne mit Sonnenmasse geht.Das ist ja allgemein so, wenn man sich anschaut, die Verteilung von den Massen,von den Sternen, die sie formen. Es formen sich meistens viel mehr niedrigmassigeSterne, sehr massereiche Sterne.
Tim Pritlove 1:21:10
Also hier wird gerade mal so ein bisschen rumgeforscht aber ich glaube ESO meinteinen Stern gesehen zu haben mit 320 Sonnenmassen,und hat heute noch 265 also in der Größenordnung Okay,Okay das heißt wir müssen das jetzt interpretieren also die James-Webb-Datensind reingekommen und dann war das so naja im Wesentlichen lagen wir richtig,jetzt müssen wir noch an ein paar Parametern,schrauben und passt schon?Oder war das eher so mit oh weia, ist alles anders, als wir gedacht haben,wir können jetzt alle unsere Modelle wegschmeißen?
Anne Hutter 1:21:55
Also mit den allerersten Daten,da war das tatsächlich, da war der Unterschied auch noch viel größer.Zwischen den Modellen und den Beobachtungen. Da war das schon so ein bisschen okay.
Tim Pritlove 1:22:08
Also was genau war dann größer, also was hat diesen Unterschied im Wesentlichen ausgemacht?Größe der Galaxien oder Menge der Galaxien?
Anne Hutter 1:22:18
Nee, die Leuchtstärke. Einfach wie viele leuchtstarke Galaxien da sind.Das waren einfach viel mehr, als wir erwartet haben. Okay.Das hat sich jetzt, am Anfang muss man sich vorstellen, die Beobachtungen wurdeneben relativ schnell ausgewertet.Das heißt, man hat da nicht die ganzen Spektren bekommen von den Galaxien.Man hat nur Datenpunkte in bestimmten Energiebändern bekommen.Also wenn man einen bestimmten Wellenlängenbereich nimmt, dann weiß man,ich habe die Intensität von dem Wellenlängenbereich.Somit hat man aber nur eine begrenzte Anzahl an Datenpunkten.Da kann man natürlich alle möglichen Spektren annehmen, die diese Datenpunktewahrscheinlich beschreiben.
Tim Pritlove 1:23:08
Okay, aber man wusste, wie viel Energie da ist, aber man wusste nicht,wie sie verteilt ist und wie sie sich auf die einzelnen Frequenzbereiche verteilt.Aber es war dann schon so, alle Theoretiker haben da so einen Schockmoment bekommenund gesagt, oh Gott, das Software taugt gar nichts. Das war wahrscheinlich so die Angst, oder?
Anne Hutter 1:23:25
Ja, obwohl wenn man sozusagen das Beobachtungsfeld kennt, weiß man auch,wenn diese Art von Beobachtungen kommen….
Tim Pritlove 1:23:32
Heißt das erstmal noch gar nichts.
Anne Hutter 1:23:34
Das will ich jetzt nicht sagen, aber…,Galaxien man hat, gesteigert. Dann hat sich das mehr angenähert.Also die Anzahl der Leuchtstarken-Galaxien ist im Prinzip runtergegangen.
Tim Pritlove 1:24:11
Okay, also ihr werdet nicht alle sofort gekündigt, sondern es hat schon auch ein bisschen gepasst.Also es ist jetzt auch nicht so, dass jetzt diese Modelle…,eine Realität versucht haben zu beschreiben, die so gar nicht existiert.
Anne Hutter 1:24:26
Das kann man auch nicht sagen. Nee, also ich sag mal bis Rotverschiebung 10,ungefähr 400 Millionen Jahre nach dem Urknall, also alles bis 400 MillionenJahre nach dem Urknall, haben die Modelle auch gut beschrieben.Es war nur das Problem, alles was sozusagen früher war.Ja.
Tim Pritlove 1:24:48
Das sieht anders aus. Also man ist jetzt natürlich ein bisschen zu früh,jetzt hier irgendwelche Zusammenfassungen zu machen, aber wie viel Auswirkungscheint das zu haben, was da an Datenmaterial jetzt kommt?Also wie sehr wird das die Modellierung und unser Verständnis von dem,was in dieser Phase passiert ist, ändern?
Anne Hutter 1:25:11
Wir bekommen schon entscheidende Informationen, die wir vorher nicht hatten, definitiv.Wir werden viel mehr lernen über die ersten Galaxien, wie Galaxien entstandensind und was ihre Eigenschaften waren, welche Arten von Sternen geformt werden.Auch zum Beispiel das Heranwachsen von den schwarzen Löchern,wie schnell die sozusagen gewachsen sind, ob die so aussehen,wie wir es bisher kannten oder nicht.Es sieht momentan so aus, dass wir im Prinzip eine ganze Art von Galaxien sozusagenneu entdeckt haben, die wir vorher gar nicht gesehen haben.Das sind alles solche Entdeckungen, die jeder in sich eigentlich sehr interessantist und auch viele physikalische Fragen aufwirft und die eigentlich sehr fundamental sind in dem,wie wir Galaxienentstehung verstehen und welche physikalischen Prozesse da relevant sind.
Tim Pritlove 1:26:20
Jetzt hast du ja vorhin schon bei der Modellierung gesagt, was du da alles soreinschmeißt in deinen Kochtopf sozusagen.So ja, hier Gas, Temperatur, Elemente, dunkle Materie packen wir auch noch mit rein.Nein, da muss ich jetzt natürlich nochmal nachhaken, weil das ja so ein Dauerbrennerist, weil die dunkle Materie, also die Materie, von der man annimmt,dass sie da ist, weil wenn sie nicht da wäre,dann macht das mit der Gravitation auf einmal alles keinen Sinn mehr und Galaxienkönnten nicht so aussehen, wie sie aussehen.Also nimmt man an, dass sie da ist aber man sieht sie halt nicht und man weißweder warum man sie nicht sieht oder woraus sie bestehen könnte,also sozusagen eines der ganz großen Fragezeichen der Kosmologie die aber trotzdemjetzt in so ein Modell einfach mal so reingeschmissen wird, weil gibt's halt, so denkt man,kann das was jetzt sozusagen gerade entdeckt und analysiert wird in dem Bereichirgendwelche neuen Erkenntnisse liefern?
Anne Hutter 1:27:28
Also Erkenntnisse vom James Webb Space Teleskop würde ich jetzt erstmal denken,eher unwahrscheinlich, bin mir natürlich nicht sicher, aber,wenn es um dunkle Materie und vor allem dunkle Energie geht,dann ist es hauptsächlich,Euclid, wo man sozusagen große Gebiete beobachtet und sich dann anschaut,wie die Verklumpung oder die Verteilung von Materie sich ändert.Im Bereich der Galaxien selber ist das Problem, dass unser Verständnis von dereigentlichen Gasphysik und die Sternentstehung so groß ist,dass es sehr schwer wird, viel über eigentlich dunkle Materie an sich zu lernen.Das Einzige, wo man eventuell was mit lernen kann, Aber das ist nicht unbedingtJames Webb direkt oder vielleicht auch indirekt.Es ist im Prinzip der Zeitpunkt, wenn die ersten Galaxien sich formen.Das kann etwas zum Beispiel über die Eigenschaft von der dunklen Materie aussagen.Zum Beispiel, wie wir sagen, wie warm oder wie kalt sie ist.Das heißt im Prinzip, auf welchen Skalen kann sie klumpen.Und man kann sich vorstellen, wenn sie im Prinzip auf kleineren Skalen klumpenkann, dann bilden sich die ersten Galaxien viel früher im Universum.Also in der Hinsicht würde ich sagen, kann das James Webb Space Teleskop,wenn es sozusagen sagen kann, wann die ersten Galaxien sich vor dem Indirekteine Aussage darüber machen.Aber ich würde das sehr mit Vorsicht genießen und eigentlich sagen,da braucht man eigentlich eher Experimente, die das nicht nur fokussiert aufeinzelne Objekte, sondern die Gesamtheit der Objekte.
Tim Pritlove 1:29:24
Also wie es Euclid macht. Ich wollte es jetzt auch gar nicht so sehr auf JamesWebb festlegen, sondern sozusagen auf die aktuellen neuen Beobachtungssysteme.Also man kann es ja ein bisschen weiter aufdrehen und da gehört natürlich jetztEuclid auf jeden Fall auch noch mit dazu.Ich weiß nicht, ob es noch andere Systeme gibt, außer jetzt diesen beiden,die jetzt gerade in diesem Bereich wichtige neue Daten liefern.
Anne Hutter 1:29:46
Ich meine, ein anderes Instrument, was in den nächsten hoffentlich fünf Jahrendann auch kommt, ist das Square Kilometer Array.Was auch dann die Materieverteilung im Universum, wirklich im frühen Universum,Cosmic Dawn und eben zu den Dark Ages, also in dunklen Zeiten,die sozusagen abbilden wird, ja so eigentlich sogar 3D.
Tim Pritlove 1:30:11
Das ist ein neues Radioteleskop, was in Australien gebaut wird.
Anne Hutter 1:30:15
Genau.
Tim Pritlove 1:30:15
Und noch nicht ganz fertig ist, aber ich glaube so in drei Jahren oder so irgendwie. viel.
Anne Hutter 1:30:21
Ja, die sind momentan in der Konstruktionsphase. Und soweit ich glaube,den ersten Konstruktionsphasenschritt haben sie jetzt abgeschlossen und siekriegen, glaube ich, jetzt auch die allerersten Daten rein.Aber wirklich, was wir First Light nennen, also wenn das Teleskop wirklich anfängtzu beobachten und ist auch offen dann für die Forschungsgemeinde,ich glaube soll 2029, ist momentan angepeilt.
Tim Pritlove 1:30:48
Ja.Wikipedia sagt noch 27, aber das kann sich natürlich auch alles verschieben.Okay, also das ist sozusagen ein ganz wichtiges neues Instrument, was noch mit dazu kommt.Und das er von der Erde aus macht, ganz klar. Also Square Kilometer heißt halteinfach auf einen Quadratkilometer mehrere einzelne Radioteleskopantennen verteilt,die dann sozusagen in der Kombination alles wahrnehmen, was ankommt.
Anne Hutter 1:31:19
Ja, was die im Prinzip wahrnehmen, ist eine Strahlung, die kommt vom neutralen Wasserstoff.
Tim Pritlove 1:31:26
Gibt es doch noch welchen?
Anne Hutter 1:31:29
Das ist genau der Spaß daran.
Tim Pritlove 1:31:32
Ich dachte, der wäre jetzt alles wegionisiert.
Anne Hutter 1:31:35
Ja, deswegen kann das Square Kilometer ja auch nur die Zeit sozusagen vor oderwährend der Ionisierung anschauen.Aber das ist natürlich auch sehr spannend, weil was wir damit auch dann sehenkönnen, wenn es wirklich so 3D-Karten von der Verteilung von dem neutralen Wasserstoff.Das heißt, wir können da auch sehen, wie diese ionisierten Regionen um die Galaxiensozusagen wachsen mit der Zeit.Und dann kann man sich natürlich vorstellen, wenn man das analysieren kann,kann man dann auch Rückschlüsse auf die ersten Galaxien nehmen.
Tim Pritlove 1:32:09
Sehr interessant. Das heißt, dieses Square Kilometer Array,liefert quasi nochmal einen komplett neuen Daten Ein Datenpunkt,den es so noch gar nicht gibt, der so ein bisschen vergleichbar ist vielleichtmit dieser kosmischen Hintergrundstrahlung, weil es ja auch so ein globalerSchnappschuss einer alten Zeit des Universums dann ist.
Anne Hutter 1:32:31
So ungefähr, genau.Das ist sehr spannend. Also man kann sich das so vorstellen,das ist wie so eine Tomografie, wo man an jeder Zeitpunkt dann sozusagen eine 2D-Karte bekommt.An der Stelle ist es neutral, da ist es ionisiert.Und dann kann man sich vorstellen, je weiter man sozusagen in die Vergangenheitgeht, je neutraler wird es dann. Und man kann auch sehen, okay,habe ich hier ganz viel neutralen Wasserstoff oder habe ich weniger neutralen Wasserstoff?Das heißt, ganz am Anfang sieht man sozusagen auch die allerersten Filamenteund die überdichten Regionen, wo dann wahrscheinlich auch die Galaxien anfangen.
Tim Pritlove 1:33:15
Aber was strahlt denn dieser neutrale Wasserstoff ab, dass man das jetzt nochmessen kann auf der Erde?
Anne Hutter 1:33:19
Im Prinzip ist es eine Wechselwirkung mit der kosmischen Hintergrundstrahlung.Man nennt es die Hyperfeinaufspaltung des neutralen Wasserstoffs.Das ist auch ein Energieübergang.Und man kann sich jetzt vorstellen,dass die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahle sozusagen den neutralen Wasserstoffin einen höheren energetischen Zustand versetzt und dann geht er eben wiederrunter und emittiert dabei ein Photon und das ist die klassische 21 Zentimeter Linie.
Tim Pritlove 1:33:54
Ah, okay. Und sogar sowas kann man noch messen.Was haben wir denn jetzt sozusagen gelernt aus all dieser Modellierung und Auswertungder ganzen Beobachtungen bisher über Galaxien?Also was lässt sich da sozusagen herausziehen bisher?Also klar, man weiß, dass sie entstehen und so weiter und in welcher Größenordnungund so weiter. Aber was folgt daraus?Was ist sozusagen die Erkenntnis, die man aus dieser Forschung gewinnt vor allem?
Anne Hutter 1:34:37
Was wir definitiv sehen ist, dass die ersten Galaxien energiereichere Strahlung hatten.Also die Sterne haben energiereichere Strahlung abgestrahlt.Damit könnten es wahrscheinlich massereichere Sterne sein.Wir wissen auch, dass es teilweise Galaxien gibt, sehr junge,oder wenn das Universum noch relativ jung ist, die schon relativ viel Staub haben.Das ist auch eine Frage, die so ein bisschen uns umtreibt.
Tim Pritlove 1:35:15
Also wo viele Sterne schon in Supernova aufgegangen sind.
Anne Hutter 1:35:19
Ja, aber vielleicht missinterpretieren wir auch das Spektrum, auch möglich.Aber bisher haben die eben auch einfach viele Fragen aufgeworfen.Ja, ich glaube, zusammenfassend lässt sich sagen, wir haben gelernt,sie haben wahrscheinlich energiereichere Strahlung.Wir können auch definitiv sehen, dass das Gas weniger angereichert ist mit,was wir metallikern, also Kohlenstoff, Sauerstoff, Stickstoff und all die schwerenElemente als Wasserstoff und Helium und Lithium.Das können wir definitiv sehen.Und ich glaube ansonsten hat es auch viele Fragen dann einfach aufgeworfen.Was sind jetzt die ersten Sterne? Wie beeinflussen sie das Gas und was bedeutetes dann für die Sternentstehung danach?Und das ist ja eigentlich noch so ein bisschen so ein Fragezeichen.
Tim Pritlove 1:36:18
Es ist nicht auch eine Beobachtung gewesen, dass man auch bestimmte Ausprägungen,es gibt ja verschiedenste, haben wir noch gar nicht so drüber gesprochen, Galaxieformen.Ja, man kennt halt diese Andromeda Milchstraße, die halt so Balken- und Spiralgalaxien sind.Dann gibt es ja kugelförmige Ellipsoide, alle möglichen ganzen,weiß gar nicht wie viele verschiedene Galaxientypen so unterschieden werden, so 10 oder sowas.Kann das hinhauen in etwa in Größenordnung oder sind es schon mehr?Es gibt auf jeden Fall verschiedene Typen und man hat glaube ich von bestimmtenGalaxiearten angenommen, dassdie auch viel Zeit brauchen, um überhaupt erstmal so sich auszuformen.So eine Balkengalaxie, da muss halt erstmal viel passieren und wenn das nichterstmal alles ein paar hundert Milliarden Jahre um sich herum rotiert ist,dann kann das erstmal nach gar nichts aussehen.Und jetzt, glaube ich, hat man auch schon mal mit James Webb gesehen,so, ja, nee, ganz so ist es jetzt auch nicht.
Anne Hutter 1:37:23
Ja, ein Klassisches ist, dass man, also Galaxien, die traditionellen, die haben so Scheiben.Also klassische Spiralgalaxie, kann man sich vorstellen, die Spirale ist jetzt so eine Scheibe drin.Und was jetzt diese Daten im Prinzip sagen, dass diese Scheiben sich eventuellschon sehr früh ausgeprägt haben.Allerdings muss man da auch berücksichtigen, dass wahrscheinlich in dieser frühenZeit diese Scheiben noch nicht so dünn waren, wie wir sie heute teilweise sehen,sondern viel, viel dicker.Und das andere ist, dass natürlich weil es so weit weg ist, können wir sie teilweiseauch nicht so gut auflösen räumlich das heißt wir kriegen nur so ein paar Pixelund dann basierend auf den Messungen von den Spektren von diesen Pixeln,machen wir dann diese Schlussfolgerung aber es sieht so aus,ob die schon rotieren, also das in jedem Fall.
Tim Pritlove 1:38:23
Und das war jetzt auch nicht unbedingt erwartet worden?
Anne Hutter 1:38:26
Das ist eine offene Forschungsfrage Also die Antwort war nicht klar.
Tim Pritlove 1:38:33
Wenn ich jetzt mal so ein Mysteriumskoeffizienten abbilden möchte,also wie gut haben wir diese Galaxienbildung verstanden?Also wenn man jetzt sagen würde, oh, was wissen wir denn schon?Wissen wir jetzt schon alles? Wie viele Fragezeichen gibt es da noch?Wie kommt ihr das so persönlich vor? Boah, wir wissen gar nichts oder wir kratzenan der Oberfläche oder naja, so im Wesentlichen haben wir es schon irgendwie drin,aber es fehlen noch ein paar Daten oder das war es jetzt. Was würdest du sagen?
Anne Hutter 1:39:09
Ich würde sagen, naja zu Nullter und vielleicht Erste Ordnung haben wir ein grobes Verständnis.
Tim Pritlove 1:39:15
Erste Ordnung heißt jetzt was?
Anne Hutter 1:39:17
Ja, wir haben ein grobes Verständnis von den ungefähren physikalischen Prozessen,die wahrscheinlich eine Rolle spielen und was sie dann bewirken.Aber im Detail wissen wir das eigentlich, also wie genau und wenn ich jetztden einen Parameter da vielleicht verändere, wie genau sich das dann auswirkt.Im Prinzip in dem Moment, wo ich es ein bisschen mehr komplizierter mache,dann werden da schon viele Fragezeichen. Das ist alles nicht klar.
Tim Pritlove 1:39:50
Okay. Und wie wichtig ist das Verständnis der Galaxienbildung für das Gesamtverständnis Universum?Ist das so der Schlüssel dafür?
Anne Hutter 1:40:04
Na, ich würde sagen, im Prinzip ist es so ein bisschen Beantwortung der Frage, woher kommen wir?Ich sage mal, die ersten Galaxien ist sozusagen die Sternentstehung,das ist im Prinzip eventuell dann auch die Elemente, aus denen wir gemacht sindund überhaupt zu verstehen,warum dann auch unsere Galaxie so aussieht, wie sie aussieht.Das ist im Prinzip die Antwort auf, ja.
Tim Pritlove 1:40:32
Aber es ist jetzt sozusagen nicht nur ein, wie sieht es am Ende aus,sondern man kann aus dem Verständnis, wie es sich so gebildet hat,um da hinzukommen, wo es heute ist, auch Aussagen darüber machen,was vorher passiert ist.
Anne Hutter 1:40:47
Ja, zum Teil schon.
Tim Pritlove 1:40:48
Weil man es jetzt auch gar nicht modellieren könnte.
Anne Hutter 1:40:50
Ja, also das hängt immer davon ab, was vorher passiert ist. wie etwas dann danach auch aussieht.Und ich glaube auch, das ist, warum es so komplex ist, weil es eben so vielpassieren kann und so viele Komponenten mit reinspielen, dass es sehr schwierigdann auch komplett zu verstehen ist.
Tim Pritlove 1:41:15
Wenn jetzt Raumfahrt wünscht dir was wäre, ja,theoretische Physikerin darf sich jetzt sozusagen ein Beobachtungssystem wünschen,was dann einfach gebaut wird, weil kein Problem, Leben, Geld spielt keine Rolle, Technik, alles gelöst.Was wäre so dein Wunschgerät? Egal ob das jetzt auf der Erde ist oder im Weltallrumkurvt, was müsste sich das anschauen, auf welche Art und Weise,wo du das Gefühl hast, okay, das wäre jetzt aber wirklich mal genau das,wo ich Sachen rauslese, wo absehbar ist, wo wir mit den heutigen Instrumenten,soweit die die uns auch bringen, vielleicht da nie wirklich eine Erkenntnis haben.Also selbst mit James Webb jetzt mit all seinen außerordentlichen Fähigkeiten,wo das irgendwie nicht reicht.Ist das nur schneller, höher, weiter? Also James Webb zehnmal so groß oder brauchstdu auch noch ganz andere Beobachtungsmethoden?
Anne Hutter 1:42:18
Ich glaube, momentan am spannendsten finde ich die 21-Zentimeter-Linie.Und da wäre es natürlich sehr hilfreich, irgendwo hinzugehen,wo nicht so viele Radiowellen da sind.Also wenn man sich das vorstellt, selbst in Australien wird man wohl auf irgendwelchenRadiofrequenzen wird irgendwas gesendet werden.Die können zum Beispiel dann auch sehen, ob ein Flugzeug oben drüber hinweg fliegt.Und in der Hinsicht wäre es schon ziemlich cool, wenn wir sozusagen so ein Radiointerferometerirgendwo außerhalb des Sonnensystems hätten, wenn wir uns jetzt ganz weit greifen.
Tim Pritlove 1:42:55
Also im Prinzip dieses Square-Kilometer-Array im Weltall.
Anne Hutter 1:42:58
Ja. Dann könnte man es ja auch viel größer machen. Das heißt,dann hätte man auch eine viel bessere Auflösung.Also je länger sozusagen denn die verschiedenen, oder je weiter die Stationenvoneinander entfernt sind, desto kleinere Skalen kann man sozusagen messen.
Tim Pritlove 1:43:15
Also quasi so ein Million-Kilometer-Array im Weltall, was dann eben mit dieser,21-Zentimeter-Linie oder HI-Linie sagt man glaube ich auch oder H1-Linie,was du so schön bezeichnet hast als so der Tomograf des Universums zu welchem Zeitpunkt nochmal?Als die Reionisierung angefangen hat sozusagen oder Oder dieser gesamte Bereich,wo sie stattgefunden hat.
Anne Hutter 1:43:48
Ja, im Prinzip der ganze Bereich, in dem sie stattgefunden hat und eigentlichauch davor. Also wir kommen auch in die Dark Ages rein.
Tim Pritlove 1:43:56
Womit man quasi so ein plastisches Bild gewinnen würde des Universums zusätzlichzu dieser Hintergrundstrahlung, mit der es ja auch zusammenhängt,um sich ein bisschen fleischiger vorzustellen, wie das alles in seiner Struktur war.
Anne Hutter 1:44:12
Genau, genau. Man kann sich vorstellen wie so eine 3D-Karte des Universums.
Tim Pritlove 1:44:19
Baut das schon einer?
Anne Hutter 1:44:23
Bisher gibt es nur Überlegungen, auf den Mond zu gehen.Da ist natürlich auch immer die Frage, momentan, ich glaube,der Drang zum Mond ist ziemlich groß.Und die Frage ist dann, okay, ist es auf dem Mond dann immer noch radio-ruhig?Also haben wir da nicht viele Radiostörsender?
Tim Pritlove 1:44:40
Ja.
Anne Hutter 1:44:41
Das ist eben die große Frage.
Tim Pritlove 1:44:43
Das ist überhaupt ein interessantes Problem, dass wir uns ja im Prinzip geradedie die Weltraumbeobachtung durch unsere eigenen Aktivitäten ganz schön verbauen.Also man kennt das ja einerseits hier mit den Starlink und vergleichbaren Satellitensystemen,die also mit diesen vielen Mikrosatelliten sind, die also auch den Blick,den Lichtblick sozusagen schon einschränken.Die Gravitationswellen haben schon das Problem, dass Wellen an den Strand schlagenund im Radiobereich ist es halt einfach die übermäßige Nutzung des Frequenzspektrumsfür alle möglichen Anwendungen,die das sozusagen einschränken.Aber so krass wird es ja dann glaube ich auf dem Mond erstmal nicht sein, oder? haben.
Anne Hutter 1:45:32
Ja, definitiv nicht so wie auf der Erde.Es wird definitiv besser sein. Ich glaube, die Idee ist aber auch,dass man, wenn man das auf dem Mond baut, im Prinzip in der Sensibilität,also wie klein das Signal sein könnte, damit man es immer noch detektiert,wesentlich besser sein würde.Es würde viel geringer oder Signale geringere Intensität detektieren können.Und das würde auch dann neue,Bereiche eröffnen oder Fragen beantworten, die mehr in die Richtung von Materie,Verteilung oder auch Dark Matter geht.
Tim Pritlove 1:46:13
Ist das nicht so bei der Hintergrundstrahlung, ich meine wir hatten jetzt Plancksozusagen als bisher die feinste Messung der Hintergrundstrahlung und ich weißnicht, ob noch feiner überhaupt was bringen würde.Wahrscheinlich gar nicht mal, oder? Also gibt es da nochmal eine Initiativemit, jetzt brauchen wir das selber, aber nochmal in genauer.Meine Wahrnehmung war eher so, das passt schon, das haben wir jetzt,wir könnten eine Auflösung vielleicht noch erhöhen, aber wir würden dabei keineInformationen gewinnen, die wir nicht im Prinzip schon haben.Und das war ja eine Mission, die an Lagrange-Punkt L2 weit rausgeflogen,da hatte man dann irgendwie auch so seine Ruhe, also Ruhe im Sinne von Wärmestrahlung,Ruhe, also keine warme Sommel in der Nähe und die Erde auch nicht und schönversteckt im Dunkeln, hat man dann eben sozusagen das Universum abgetastet.Und dann war das ja nach einer bestimmten Laufzeit dann abgeschlossen.Wäre das dann mit dieser Messung der H1-Linie, dieser Wasserstofflinie auch so,dass man das eigentlich nur über einen bestimmten Zeitraum mal messen muss unddann hat man die Daten und dann kann das Projekt auch beendet sein?Oder gibt es irgendetwas, wo sinnvoll wäre, das über einen möglichst langenZeitraum zu beobachten?
Anne Hutter 1:47:46
Ja, ich glaube, bei der 21-Zentimeter-Linie macht es schon Sinn,das über einen längeren Zeitraum zu beobachten, zumal das Signal an sich so klein ist.Man muss sich das vorstellen, das ist tatsächlich auch wieder ein Hunderttausendstelvon dem eigentlichen Signal.Also wenn ich 21 Zentimeter das Signal messe, das eigentliche Signal,an dem ich interessiert bin, ist irgendwie ein Hunderttausendstel davon.Das heißt, es ist sehr gering.Und dementsprechend brauchen wir eben relativ viele Daten über einen längerenZeitraum, damit wir uns sicher sein können.
Tim Pritlove 1:48:22
Wir kriegen wirklich… Was ist jetzt hier Signal, was ist Rauschen?
Anne Hutter 1:48:26
Genau, was ist sozusagen der Vordergrund, den wir eigentlich wegsubtrahieren müssen.Und der kommt hauptsächlich von unserer eigenen Galaxie.
Tim Pritlove 1:48:38
Okay. Und das kann dann, also es könnte sein, dass, was weiß ich,wenn man das 30 Jahre lang misst, dann hat man immer noch ein besseres Bild,als wenn man es nur 10 Jahre misst.
Anne Hutter 1:48:49
Ja, die Statistik wird einfach besser.
Tim Pritlove 1:48:51
Okay.Wahrscheinlich auch schwer vorher zu sagen, wie lange man jetzt wirklich lauschen muss.Ist die denn überhaupt schon mal gemessen worden von irgendetwas?Oder ist das nur so eine theoretische Messung, die man anstrebt?
Anne Hutter 1:49:04
Naja, also man kann die 21 cm Zentimeterlinie auch von,Galaxien, die näher an uns dran sind, messen und dann sieht man,bekommt man sozusagen Karten, wie der neutrale Wasserstoff in den Galaxien verteilt ist. Ähm,Aber bisher gemessen zur Zeit der ersten Galaxien, der Rionisierung oder dieserdunklen Zeiten der Dark Ages wurde sie noch nicht.Es gab eine potenzielle Messung 2018, da gab es eine Publikation,die gesagt hat, wir haben es detektiert.Ich glaube, mittlerweile ist der Konsens, da gab es noch Fehler in der Analyseoder da wurde was nicht genau berücksichtigt. Das ist sehr schwer umstritten.
Tim Pritlove 1:49:53
Und wenn man jetzt sagt, man misst jetzt die Wasserstofflinie von etwas,was näher dran ist, aber man möchte es lieber von etwas haben,was weiter weg ist, ist das dann auch wieder so ein Rotverschiebungsaspekt? Perfekt.Okay, also auch hier muss man sozusagen langwelliger arbeiten,um tiefer reinzuschauen und dann kann man damit auch im Wesentlichen vorhersagen,in welche Zeit man schaut.
Anne Hutter 1:50:14
Genau, genau. Deswegen hat das Square-Kilometer auch zwei Komponenten.Einen niedrigfrequenten Bereich, der im Megahertz-Bereich ist, der ist in Australien.Und der andere, der bis in den Gigahertz-Bereich geht, der ist in Südafrika.Und der in Australien, der fokussiert sich dann auf Rionisierung,dunkle Zeiten oder Dark Ages.Und der in Südafrika eher auf die nahegelegenen Galaxien, wie ist der neutraleWasserstoff in denen verteilt.
Tim Pritlove 1:50:48
Cool. Bin ich auch mal gespannt, was dabei rauskommt.
Anne Hutter 1:50:51
Ich auch.
Tim Pritlove 1:50:52
Das kann ich mir vorstellen. Dann ist hier wieder richtig Alarm.Ja, Anne, haben wir jetzt eigentlich alles abgeklappert.Gibt es noch irgendetwas, was du noch gerne hinzufügen möchtest?Wir haben jetzt, glaube ich, einen recht intensiven Blick auf diese Zeit geworfen.
Anne Hutter 1:51:12
Ich glaube nicht. Also ich glaube, wir haben einen ganz guten Rundumschlag vonganz früh bis heute gemacht.
Tim Pritlove 1:51:19
Super, na das freut mich. Dann sage ich vielen Dank für deine Ausführungen.
Anne Hutter 1:51:24
Danke dir auch.
Tim Pritlove 1:51:26
Ja und damit sage ich auch vielen Dank fürs Zuhören hier bei Raumzeit.Bald geht es wieder weiter. Ich sage Tschüss und bis bald.

Shownotes

RZ121 EarthCARE

Eine neue Mission studiert auf neue Art die Zusammensetzung von Wolken und deren Auswirkungen auf das Klima

Die neue EarthCARE Mission der ESA (European Space Agency), die in Zusammenarbeit mit der japanischen Raumfahrtbehörde JAXA durchgeführt wird, zielt darauf ab, unser Verständnis über die Rolle von Wolken und Aerosolen bei der Reflexion von einfallender Sonnenstrahlung zurück ins Weltall und der Speicherung von von der Erdoberfläche emittierter Infrarotstrahlung zu erweitern. Durch die Kombination von vier wissenschaftlichen Instrumenten an Bord des Satelliten, der in einer sonnensynchronen polaren Umlaufbahn die Erde umkreisen wird, sollen globale Beobachtungen von Wolken, Aerosolen und Strahlung ermöglicht werden. Diese Beobachtungen sind entscheidend, um die Wechselwirkungen zwischen Wolken, Aerosolen und Strahlung sowie deren Einfluss auf das Erdklima besser zu verstehen und zu modellieren​.

Dauer:
Aufnahme:

Björn Frommknecht
Björn Frommknecht
Thorsten Fehr
Thorsten Fehr

Ich spreche heute gleich mit zwei Repräsentanten der Mission. Björn Frommknecht ist Missionsleiter von EarthCare und ist vor allem für die technischen Aspekte dabei. Thorsten Fehr wiederum leitet das wissenschaftlichen Team der Mission und berichtet über die wissenschaftliche Seite des Projekts. Wir sprechen gemeinsam über die Entstehungsgeschichte der Mission, den bevorstehenden Start, das technische Design, die wissenschaftlichen Ziele und Herangehensweisen und viele andere Details.


Für diese Episode von Raumzeit liegt auch ein vollständiges Transkript mit Zeitmarken und Sprecheridentifikation vor.

Bitte beachten: das Transkript wurde automatisiert erzeugt und wurde nicht nachträglich gegengelesen oder korrigiert. Dieser Prozess ist nicht sonderlich genau und das Ergebnis enthält daher mit Sicherheit eine Reihe von Fehlern. Im Zweifel gilt immer das in der Sendung aufgezeichnete gesprochene Wort. Formate: HTML, WEBVTT.


Transkript
Tim Pritlove 0:00:35
Hallo und herzlich willkommen zu Raumzeit, dem Podcast über Raumfahrt und andere.Kosmische Angelegenheiten.Mein Name ist Tim Pritlove und ich begrüße alle zur 121.Ausgabe von Raumzeit. Und ja, heute bin ich mal wieder unterwegs und der Weghat mich ins gute alte Darmstadt geführt, da wo alles hier schon mal begann.Und das bedeutet, ich bin am ESOC, dem Europäischen Raumfahrtkontrollzentrum,da, wo die Satelliten gesteuert werden und andere verrückte Sachen passieren.Und heute geht es um eine Mission mit dem schönen Namen EarthCare.Das heißt, man kümmert sich jetzt mal ein bisschen um die Erde, wurde ja auch mal Zeit.Und begrüße dafür heute gleich zwei Gesprächspartner, nämlich auf der einenSeite den Björn Frommknecht. Hallo Björn.
Björn Frommknecht 0:01:27
Hallo.
Tim Pritlove 0:01:28
Und den Thorsten, Thorsten Fehr. Hallo.
Thorsten Fehr 0:01:30
Hallo.
Tim Pritlove 0:01:30
Herzlich willkommen bei Raumzeit. Genau, heute machen wir es mal im Doppel,denn ihr seid beide bei EarthCare mit im Programm, habt aber so ein bisschenunterschiedliche Ausrichtungen.Du Björn bist Missionsleiter, also Chef vom Ganzen kann man sagen, oder? oder?
Björn Frommknecht 0:01:50
Könnte man so sagen, ja. Also meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen,dass alle ihren Job gut machen können und dass wir das meiste aus der Mission rausholen können.Und ich darf mich dann auch zum Beispiel um ein bisschen mehr administrativeTätigkeiten kümmern, während die spannende Wissenschaft dann zum Beispiel vom Thorsten betreut wird.
Tim Pritlove 0:02:08
Wie schön, genau. Und du bist Missionswissenschaftler, wie man so schön sagt.Bestimmt auch nicht der Einzige.
Thorsten Fehr 0:02:15
In dem Fall bin ich der Einzige auf der ESA-Seite, wo wir noch später zukommenwerden. Es gibt natürlich auch noch unsere Partneragentur, wir machen es janicht alleine, wir machen es in dem Fall zusammen mit unseren japanischen Kollegen.Da gibt es auch noch einen Missionswissenschaftler, der dann auf der japanischenSeite die Wissenschaft koordiniert.
Tim Pritlove 0:02:33
Genau. Kommen wir doch vielleicht erstmal zu euch, fangen wir mal mit dir an, Björn.Wann hast du denn angefangen das erste Mal in die Sterne zu schauen und warum Raumfahrt?
Björn Frommknecht 0:02:45
Ja, also ich habe eigentlich eine relativ bodenständige Ausbildung gemacht.Ich bin Geodät, also Vermessung der Erde.Ich habe in München studiert, an der TU München und bin da aber relativ schnellin Kontakt mit Satelliten gekommen, weil wir Satelliten-Geodäsie gemacht haben.Also die Vermessung der Erde mit Satelliten.Habe da dann auch promoviert und bin dann in Kontakt mit der ESA gekommen überdie Schwerefeld-Mission Goce, Ghosts.Und da haben wir angefangen. Unser Institut war quasi unter Vertrag von eineritalienischen Softwarefirma. So bin ich da reingerutscht, bin nach Italien gekommen, nach Esrin.Und das hat mir dann so gut gefallen, dass ich dann da geblieben bin und habedann eigentlich auf allen wissenschaftlichen Erdbeobachtungsmissionen der ESA gearbeitet.Das war GOCE, Cryosat, SWARM, EOLOS, ALTIOS und so weiter, bis ich dann jetztendlich bei EarthCare gelandet bin.
Tim Pritlove 0:03:41
Ja, GOCE war hier auch schon mal ein Thema. Raumzeit Nummer 40,da war ich 2012, ich glaube in München an der Universität, und habe mit RainerRummel über das Projekt gesprochen.
Björn Frommknecht 0:03:55
Genau, das war mein Professor.
Tim Pritlove 0:03:56
Ja, ja.
Björn Frommknecht 0:03:58
Gibt es da die Verbindung, ja?
Tim Pritlove 0:04:00
Genau, die Kartoffel.
Björn Frommknecht 0:04:02
Genau, die berühmte Kartoffel des Geoid, genau.
Tim Pritlove 0:04:07
Und wie war es denn bei dir, Thorsten?
Thorsten Fehr 0:04:09
Ich habe einen sehr ungradlinigen Weg zu ESA gefunden.
Tim Pritlove 0:04:11
Das ist interessant.
Thorsten Fehr 0:04:12
Ja, ich habe erst Physik studiert, wollte unbedingt ans CERN gehen.Das war immer mein Traum, Hochenergiefysik zu betreiben.War auch am CERN und bin dann allerdings eher in die theoretische Physik gekommen,wollte dann medizinische Physik machen, habe an einem Universitätsklinikum inMünchen gearbeitet und wollte dann promovieren in dem Bereich,hat versucht mich zu bewerben und wollte mich als Test beim DLR bewerben.Das war so gar nicht mal das Ziel, dass ich dort arbeiten wollte.Und dann ist meine Bewerbung falsch gelaufen und die ist dann im Institut fürPhysik der Atmosphäre gelandet. Die hatten eine Promotion für Gewitter,für Wolken, für Stickoxide und das fand ich dann so spannend,dass ich gesagt habe, das mache ich gerne.Dann war ich erst am DLR, am Physik der Atmosphäre in Oberpaffenhofen,habe dann dort primär Wolkenphysik gemacht, bis ich dann die Möglichkeit hattevom DLR zur ESA sekundiert zu werden.Das heißt, die haben mich die Möglichkeit gegeben, dafür zwei Jahre hinzukommenund bin dann auch in Estrin gelandet und habe dann primär auf Envisat gearbeitet.Also Envisat ist, glaube ich, immer noch der größte Abbeobachtungssatellit,den wir jemals gebaut haben, zumindest in Europa mit zehn verschiedenen Instrumenten.
Tim Pritlove 0:05:20
Der VW-Bus in Space.
Thorsten Fehr 0:05:22
Der VW-Bus in Space. Ich glaube sogar deutlich größer als ein VW-Bus im Schluss.Und habe dann da primär die atmosphärischen Instrumente behandelt.Das war GOMOS, MIPAS und da war auch ein deutscher Beitrag bei Skiamaki dabei.Und bin dann dort Qualitätsmanager gewesen, das sagt man so,aber auch da schon die Wissenschaft mitbetrieben.Und bin dann von Esrin nach Estik gewechselt, habe dann Kampagnen gemacht undbin dann später als Missionswissenschaftler für EarthCare auch dazugekommen.
Tim Pritlove 0:05:51
Esrin hat ja einen ziemlichen Schwerpunkt auf diesen Erdbeobachtungsmissionen, kann man sagen.Das ist schon so ein Fokus.
Björn Frommknecht 0:06:00
Das Zentrum für die Missionsleitung der Erdbeobachtungsmissionen der ESA.Das andere Zentrum wäre ESAC, das wäre dann für die Weltraummissionen.Aber für die Erdbeobachtungsmissionen ist das Zentrum in Esrin.Und genau deswegen sitzen die Missionmanager auch da.
Thorsten Fehr 0:06:20
Und dann zusätzlich natürlich in Estek, wo die ganzen Missionen auch gebaut werden.Das heißt, wir sind wirklich europäisch aufgestellt. Wir haben das Erdbeobachtungszentrumin Esrin in Italien, aber gebaut oder entwickelt werden die Missionen in denNiederlanden, in ASTEC.Das heißt, wir sind also wirklich ganz gut hier in Europa auch verteilt.
Tim Pritlove 0:06:40
So, jetzt kommen wir zu EarthCare. Also wenn ich das richtig sehe,ist EarthCare ein Projekt im Rahmen der sogenannten Earth Explorer Missions,die wiederum zu diesem Living Planet Programm der ESA gehören.Also es ist ja ohnehin so, dass die ESA sehr stark im Bereich Erdbeobachtungist generell und ich würde sagen auch führend eigentlich.Also die, glaube ich, mit Abstand meisten Erdbeobachtungsmissionen sind letztenEndes von der ESA initiiert.NASA hat nach wie vor die Nase vorn, wenn es um Mars und einige andere Dinge geht,aber das ist ja definitiv eine europäische Domäne und es sind auch schon soviele verschiedene Missionen, dass ja dann man fast schon gar nicht mehr auseinanderhalten kann,wer da jetzt eigentlich wo drauf schaut.Daraus leitet sich ja im Prinzip dann auch gleich wieder die Frage ab,also wozu brauchst du dann hier diese Mission?Vielleicht können wir mal so ein bisschen in diese Vorgeschichte einsteigen.Was war eigentlich jetzt erstmal der initiale Treiber, also die Uridee für diese Mission?Was sollte sozusagen grob erstmal als Ziel erreicht werden und wie ist es dann gelaufen?
Thorsten Fehr 0:07:54
Du hattest ja schon vorhin erwähnt, dass wir, was die Erdbewerber angeht,so mitführend sind auch global.Und eine dieser Elemente, die wir haben, sind eben diese Earth Explorers.Und die Earth Explorers sind ganz klar da, um wissenschaftliche Fragen zu beantworten.Wir haben auch noch andere Elemente, das ist Copernicus, was wir zusammen mitder Europäischen Kommission machen, ist für Services auch ein sehr erfolgreiches Projekt.Wir haben noch die meteorologischen Systeme, die wir ganz spezifisch für dieWettervorhersage zum Beispiel auch entwickeln.Aber gerade die Earth Explorers sind dazu da, um wirklich wissenschaftlicheFragen, sagen, fundamentale wissenschaftliche Fragen zu beantworten.Und bei Earthcare hat sich schon in den 90er Jahren die Frage gestellt,wie beeinflussen eigentlich Wolken und Aerosole, das sind diese kleinen Teilchen,die in der Luft fliegen, das kann Dunst sein, das kann Staub sein,das kann kleine Salzpartikel sein, wie beeinflussen die das Klima?Das war so eine Fragestellung, die sich schon damals gestellt hatte.
Tim Pritlove 0:08:45
Oder Vulkanasche.
Thorsten Fehr 0:08:46
Oder Vulkanasche zum Beispiel.
Tim Pritlove 0:08:48
Genau. Ich hatte auch schon mal hier eine Sendung gemacht zur Atmosphäre,wo natürlich die Aerosole auch eine große Rolle gespielt hat.Damals mit Bernadette Weinzierl, die zu den Wissenschaftlerinnen gehörte,die damals den unaussprechlichen isländischen Vulkan und die Auswirkungen davon untersucht haben.
Thorsten Fehr 0:09:07
Ah ja, Eyjafjallajökull.
Tim Pritlove 0:09:09
War das jetzt auch richtig oder war das nur so getan? Ich glaube,es war einigermaßen okay.
Thorsten Fehr 0:09:15
Bernadette ist jemand, mit der ich auch im Institut war.
Tim Pritlove 0:09:18
Ah ja, okay, alles klar. Ja, genau.Also Aerosole spielen eine große Rolle und Wolken spielen eine große Rolle,das ist ja vollkommen klar.Aber was weiß man denn dann noch nicht? Also ich meine, was ist sozusagen jetztder Trigger, dass man sagt, okay, jetzt brauchst du ja auch nochmal eine neue Mission?
Thorsten Fehr 0:09:35
Also wir alle kennen natürlich Wolken und Wolken ist das, was uns ja auch ständig umgibt.Wenn wir an den Himmel schauen, meistens, so in meinem Fall in Holland,da sehen wir ständig Wolken, meistens regnet es auch aus denen.Das heißt, im Prinzip sind Wolken etwas, was wir eigentlich kennen und die Physikder Wolken ist auch etwas, was wir kennen.Schon über Jahrzehnte, Jahrhunderte auch schon uns genau anschauen.Aber eine Sache, die nie ganz klar war, ist, wie beeinflussen Wolken auch das Klima?Wir wissen ja zum Beispiel, dass Treibhausgase einen sehr deutlichen Einflusshaben auf die Klimaentwicklung.Wir kennen das sehr wohl, dass wir zum Beispiel unsere Klimagasemissionen auchreduzieren müssen oder auf jeden Fall, um das Klima zu stabilisieren oder besser zu machen.Aber der Einfluss von Wolken und Aerosolen auf das Klima ist etwas,was nicht ganz so klar ist. Weil Wolken sind sehr schwierig zu greifen.Wir wissen alle, Wolken sind schwierig zu greifen.Wie die entstehen, wo sie entstehen und wie sie das Licht, was von der Sonnekommt, reflektieren oder auch die Wärmestrahlung, die von der Erde abgestrahltwird, auch wieder zurückhalten.Das sind so die Effekte. Und nachdem Wolken sehr komplex sind,wir wissen das, wenn wir an einem Sommerabend den Himmel anschauen,dann sieht man Wolken, die weit oben sind, Zirnenwolken, diese Wolken,die wirklich nur ganz dünn zu sehen sind.Man kann Gewitterwolken sehen, man kann Schönwetterwolken sehen.Und all diese Wolken haben einen anderen Einfluss auf die Abstrahlung der Erde,auf die Einstrahlung von der Sonne.Und das ist, was die Sache so sehr komplex macht.Also der ganze Zusammenhang zwischen Aerosolen, wie sie die Wolkenentstehung auch beeinflussen.Und wie das dann auf den Strahlungshaushalt der Erde zurückfällt,das sind die Punkte, die einfach immer noch sehr, muss man sagen,nicht so genau zu wissen sind. Die sind noch nicht so sehr bekannt.Und das ist auch in den Klimaberichten immer wieder zu sehen.Bis vor einigen Jahren hieß es zum Beispiel, dass gaben diese Wolken-Aerosol-Klima-Auswirkungen,die am wenigsten bekannten, am wenigsten gut eingeschätzten Bereiche unserer Klimaforschung sind.Das hat sich in den letzten Jahren ein bisschen verändert, aber es ist immernoch so, sodass wir hier einen großen Wissensnachholbedarf haben.
Tim Pritlove 0:11:40
Und gab es denn nicht schon auch Missionen, Raumfahrtmissionen,die sich der Wolkenthematik angenommen haben bisher?
Thorsten Fehr 0:11:51
Auf jeden Fall. Ich meine, die meisten oder sehr viele zumindest von den meteorologischenSystemen, die schauen sich natürlich auch Wolken an. Das ist ganz klar.Das wollen wir auch machen. Aber was wir hier noch weitermachen wollen,ist die ganz spezifische Wolkenentstehung auch sich anzuschauen.Es gab schon Missionen davor. Unsere NASA-Kollegen hatten zwei Missionen.Fliegen, die sehr ähnlich sind wie EarthCare.Das eine ist der CloudSat, das war ein Wolkenradar, was geflogen worden ist,sehr erfolgreich und auch ein LIDAR, da kommen wir auch später dazu,wenn wir dann die Instrumente betrachten.Das heißt, ähnliche Missionen wurden auch schon geflogen.Aber diese Missionen waren zum Beispiel auf zwei verschiedenen Plattformen.Das waren andere Systeme und mit EarthCare versuchen wir das nochmal deutlich besser zu machen.Wir bauen natürlich auch auf diese Informationen auf, aber der Satellit,den den wir haben, erweitert das Wissen noch deutlich.
Tim Pritlove 0:12:41
Und wann ist jetzt das erste Mal darüber nachgedacht worden?Also was ist sozusagen jetzt, wann ging es los?
Thorsten Fehr 0:12:49
Wann ging es los? Es ging los vermutlich in den frühen 90er Jahren,wenn die ersten Ideen kommen.Das heißt, den Zeitraum von der ersten Idee, wo ein paar Wissenschaftler,so wie wir jetzt auch, am Tisch sitzen und sich unterhalten,was wird benötigt, wo sind denn wirklich die Punkte, wo unser Wissen erweitertwerden muss, um die Welt besser zu verstehen,bis zu dem Zeitpunkt jetzt, da kann schon mal ein paar Dekaden auch vergehen.Also sprich, die Abfolge war, wie gesagt, Wissenschaftler unterhalten sich,sie entwickeln ein Konzept,Und dann können Sie mit dem Konzept natürlich auch zu ESA gehen.Das ist praktisch der Werdegang.Und hier ist es dann so gewesen, dass ungefähr 2001 das EarthCare-Konzept,wie wir es jetzt sehen, wurde vorgeschlagen. Der ESA als ein EarthExplorer,als eines der Missionen, die ganz spezifische wissenschaftliche Fragen auch beantworten.2004 wurde es dann ausgewählt in die Implementierungsphase. Das heißt,davor waren noch andere Missionen auch noch mit dabei.EarthCare wurde ausgewählt, um dann weiter aufgebaut zu werden.Ja und seit 2004 bauen wir die Mission auf.Das heißt, es sind vermutlich jetzt dann 30 Jahre, dass von der ersten Ideebis wo wir den Launch haben, hoffentlich jetzt dann bald Ende Mai,aber so lange dauert das, bis es vom Konzept zum wirklichen ersten Datensatz auch kommen kann.
Tim Pritlove 0:14:05
Mhm. Und die Kooperation mit JAXA, war die dann sozusagen von Anfang an da oderhat man sich da später erst so entschlossen?Also wie kommt das dann sozusagen, das waren jetzt so eine Mission auch konkretmit einer anderen Agentur zusammen plant?
Thorsten Fehr 0:14:19
Das ist natürlich auch das Schöne an solchen Missionen, sowas wächst ja auch.Das heißt, der erste Vorschlag, der gekommen ist von den Wissenschaftlern,war die sogenannte Earth Radiation Mission, IRM.Und diese Mission hatte noch keinen Lachseanteil dabei. Und natürlich suchtman immer wieder auch nach Kooperationen, nicht nur die Wissenschaft.Die Wissenschaftler arbeiten immer sehr, sehr eng miteinander.Es ist wirklich ein globaler Austausch der Ideen.Aber auch auf der Agenturseite war das Bestreben, hier eine Kooperation zu finden.Und das kam dann so, dass die japanischen Kollegen Erfahrung hatten mit einemMesssystem, was eben in Europa nicht so bestanden hat, mit dem Wolkenradar.Und hier wurde dann praktisch vorgeschlagen, ja, die Japaner kamen,wir haben dieses Wolkenradar, mit dem wir eure Mission noch besser aufbauenkönnen. Das war auch etwas, was notwendig ist.Und dementsprechend haben dann die Japaner das Wolkenradar für unser System geliefert.Das heißt, die Systeme, die wir auf Earthcare fliegen, sind vier Hauptinstrumente.Drei davon sind europäisch.Eins davon ist von den japanischen Kollegen.
Tim Pritlove 0:15:16
Mhm.
Thorsten Fehr 0:15:18
Und gleichzeitig haben die Japaner auch dann um die Mission herum auch ihrenwissenschaftlichen Bereich mit aufgebaut.Das heißt, wir haben also auch hier einen sehr regen Austausch zwischen deneuropäischen und den japanischen Kollegen, wie es auch sein soll.Das ist Wissenschaft. So muss es funktionieren.
Tim Pritlove 0:15:32
Und dann ging es 2014 los.
Thorsten Fehr 0:15:36
2004 ging es los mit dem Bauen.
Tim Pritlove 0:15:37
Mit dem Bauen, aber 2014 sollte eigentlich der Start sein. Darauf wollte ich hinaus.
Thorsten Fehr 0:15:41
Ja, ich glaube sogar 2013 hätte es zum ersten Mal der Start sein müssen.Als ich zur ESA gekommen bin, war das glaube ich noch 2013.Manche Dinge sind etwas komplizierter, als man am Anfang sich denkt.Und deswegen hat es hier auch länger gedauert, bis wir es geschafft haben,wirklich alle technischen Probleme zu lösen.Manchmal dauert es länger.
Tim Pritlove 0:16:02
Aber welcherlei Art waren jetzt sozusagen diese Probleme?Also was genau war jetzt schwierig? War es ein Problem, die richtige Raketezu finden? Das ist ja oft, oder?
Björn Frommknecht 0:16:13
Also ich glaube, bei Earthcare haben wir eine schöne Sammlung an Problemen, die wir gelöst haben.Also natürlich war es erstmal technisch einfach schwierig, die Instrumente zu bauen.Also zum Beispiel das Instrument für die Aerosole ist ein UV-Laser, ein LiDAR-Instrument.Und es ist einfach sehr schwierig, so ein Instrument weltraumtauglich zu machen.Also das UV-Laser bedeutet, es ist hohe Energie.Das heißt, wenn kleinere Verschmutzungen auf der Optik sind oder so,dann verschmutzt sich das und ist nicht mehr benutzbar.Also das stellt sehr hohe Anforderungen schon allein, um nur die Komponentenzu bauen und dann zusammenzustellen, testen und so weiter.Und das dann funktionsfähig über eine längere Zeit im Weltraum zu halten, ist nicht sehr einfach.Und wir sind, wenn es dann hoffentlich funktioniert,die ersten, die das über längere Zeit fliegen, wenn man absieht von der Eolus-Mission,die ja Windmessungen mit einem UV-Laser, mit einem weltraumtauglichen UV-Laser gemacht hat.Und das hat einfach immer wieder zu Verzögerungen geführt.Je näher man dann kommt, um Teile des Instruments zu fertigen.Zusammenzufügen, desto mehr Probleme kommen dann auch ans Licht,die man dann in den Griff kriegt, aber halt leider unvermeidlich Verzögerungen in Kauf nehmen muss.Was das japanische Instrument angeht, da gab es, wenn ich mich recht erinnere,der Tsunami hat die Fabrik zerstört, in der Teile des Instruments gebaut werden.Und dann muss man eben die Teile, also zuerst mal die Fabrik wieder aufbauensozusagen, die Produktionsanlagen und dann die Teile wieder bauen.Ja, das hat natürlich, das war glaube ich mindestens ein Jahr Verzögerung,wenn ich mich recht erinnere.
Tim Pritlove 0:18:04
Nur ein Jahr?
Björn Frommknecht 0:18:05
Also mindestens, es war vor meiner Zeit, da war ich noch nicht dabei.
Tim Pritlove 0:18:09
Das ist mich ja sehr überrascht schon.
Björn Frommknecht 0:18:10
Aber ja, also das war so eine Serie an, sagen wir mal, Ereignissen und natürlich in letzter Zeit,was für uns auch unerwartet war, der Ukraine-Krieg, der uns gezwungen hat,den Launcher zu wechseln, zweimal.War eigentlich eine Sojus. War eigentlich eine Sojus, soweit so gut,alles dafür getestet und haben gedacht, das ist eingetütet, wenn wir mal soweit sind, kann eigentlich nichts mehr passieren.War dann aber nicht so und dann hieß es, okay, wir gehen auf Vega-C,europäische Rakete, aber da war es einfach so, dass wir so am Limit waren vonder Spezifikation der Oberstufe.Sowohl die Größe, wir hätten sozusagen Aussparungen in die Abdeckung machenmüssen, um den Satellit überhaupt reinzukriegen und auch, weil wir so schwer und so groß sind,war das einfach nicht sicher, ob das überhaupt klappt und deswegen haben wirja dann Gott sei Dank die Erlaubnis bekommen, auf,Falcon 9 zu wechseln, als,Rakete, aber auch da ist es nicht so, man kann nicht einfach Rakete wechseln,sondern es kommt ja immer wie die einzelnen Raketen verhalten sich unterschiedlich,was die Geräusche angeht, Vibrationen und so weiter. Die Kräfte, die beim Start wirken.Und das kann natürlich negative Auswirkungen auf die sehr empfindlichen Instrumente haben.Und da muss man dann erstmal sicherstellen, dass alles den Start gut überstehtund dann auch nach dem Start so funktioniert wie geplant. Also das war eben,wir sagen immer, ÖSKR ist wirklich wie eine Achterbahn der Gefühle.Immer wenn wir denken, wir haben es jetzt, dann kommt wieder was Neues.Deswegen, wir sind bereit für alles.Im Moment sieht es sehr gut aus. Der Start ist quasi morgen,das ist in eineinhalb Monaten. Aber wir sind gespannt, was dann als nächstes kommt.
Tim Pritlove 0:20:01
Genau, wir sprechen jetzt hier gerade im März 2024 und für den Mai besteht sozusagendie Hoffnung, dass der Start stattfindet.Stattfindet. Aber dieser Wechsel der Träger, das interessiert mich jetzt nochmalgerade aus dieser Missionsleiter-Perspektive.Ich meine, ihr werdet ja dann vorher sehr viel mit den Russen zusammengearbeitethaben, die halt diese Sojus betreut haben.Das ist ja auch, das ist ja jetzt nicht nur die Abarbeitung von so einer technischen,Checkliste, sondern das sind ja auch Leute, mit denen man wahrscheinlich überJahre auch schon zusammengearbeitet hat.Und ich meine, die Leute, die da in der russischen Raumfahrt arbeiten,sind ja nun nicht unbedingt jetzt diejenigen, die daran Schuld tragen,dass das dass alles jetzt ganz anders ist.Jetzt muss man sozusagen von heute auf morgen letztlich auf ein amerikanisches Team wechseln.Das ist ja dann auch kulturell, nehme ich an, schon ein Shift,gerade weil jetzt auch SpaceX natürlich als rein privates Unternehmen wahrscheinlichnochmal ein ganz anderes Grundverhalten an den Tag legt.Wie war das so für euch? Ist das so, Raumfahrt, alle kennen sich,Und das läuft schon und dann geht das von heute auf morgen oder muss man dannauch Änderungen am eigenen Projekt in irgendeiner Form vornehmen,ein neues Team aufstellen oder was hat das für Auswirkungen?
Björn Frommknecht 0:21:19
Also rein formell funktioniert das natürlich so, wir haben einen Hauptvertragspartner,der auch dafür verantwortlich ist, den Satellit zu bauen und über den wir dannauch den Start sozusagen machen.Kaufen, wenn man das so w ill. Wer ist der Partner? Das ist Airbus Friedrichshafen.Das hat sich nicht geändert, aber was sich da natürlich geändert hat,ist klar, es gibt eine ganz andere Unternehmenskultur oder das,was ziemlich schnell klar geworden ist bei SpaceX, das ist für die ein Staat,das ist für die nichts Besonderes mehr und man ist einfach ein Kunde unter vielen.Die haben so viel Geschäft, dass man, gibt es keinen Raum für Sonderwünscheoder so, sondern man muss sich halt deren Rhythmus anpassen,auch was zum Beispiel die Bekanntgabe von Startdaten und so weiter gibt.Ihre Abläufe sind, sagen wir mal, inzwischen gut strukturiert und gut eingelaufenund da machen die keine Ausnahmen normalerweise, nur weil wir sagen,okay, wir sind jetzt die ESA und wir haben eine tolle Mission und sagen,okay, wenn ihr nicht wollt, dann nehmen wir halt einen anderen. Also, wollt ihr, oder?Das hieß natürlich auch, dass wir zum Beispiel bei den Preisverhandlungen fürden Start hat, da gab es nicht viel Spielraum, sondern es war halt ein bestimmter Preis.Das war auch eine große Arbeit vom Projektteam, auch den finanziellen Aspektzu regeln, weil man natürlich für Soyuz zum Beispiel hat man schon einen Teil dann ja auch bezahlt.Es ist ja nicht so, dass man erst am Ende nach einem erfolgreichen Start zahlt,sondern da fließen ja auch größere Summen schon, nicht alles Gott sei Dank,aber das alles muss gehandelt werden Und dazu kommt dann eben auch noch,dass es eben ein anderes Team ist, andere Abläufe.Gut, man muss dann nicht zum Beispiel nach Kourou den Satellit transportieren,sondern nach Amerika, Einfuhr, Zölle etc.Also es gibt da einige Änderungen, die man nicht vorhersehen kann,aber im Endeffekt haben wir es dann geschafft und es war ja auch nicht das ersteMal, dass die ESA-Raketen mit SpaceX startet, sondern da gab es ja schon Vorläuferund da haben wir uns natürlich dann auch abgesprochen mit den Kollegen.
Thorsten Fehr 0:23:33
Es macht natürlich auch programmatisch einen großen Unterschied.Ich meine, natürlich als europäische Raumfahrtagentur ist unser Ziel natürlichauch mit einer europäischen Rakete unsere Satelliten in den Orbit oder in den Saal zu bringen.Und das ist natürlich auch etwas, wo wir umdenken mussten, dass wir sagen,okay, können wir rausgehen?Wer kann denn das anbieten? Und hier muss man sagen, da haben auch im speziellenFall von Earthcare uns die Mitgliedstaaten auch durchaus unterstützt.Also es war natürlich klar, am Anfang wollten die auf ihre Seite,dass wir nach Sturios auf Vega-C gehen, einfach um sicherzustellen,dass auch hier europäische Systeme verwendet werden.Aber aufgrund auch der Notwendigkeit der Messung.Deswegen konnten wir dann auch unsere Mitgliedstaaten davon überzeugen,dass wir eben auf einen kommerziellen, auf einen amerikanischen Launcher auch gehen.Und es ist auch wichtig zu sehen, dass wir hier die Flexibilität auch haben.Wenn Sachen notwendigerweise gemacht werden müssen, wenn was passieren muss,dann finden wir auch einen Weg.Also es ist nicht, dass wir hier ganz verbotprogrammatisch sagen,es muss aber so sein, sondern wenn wir müssen, dann können wir auch anders denken.
Tim Pritlove 0:24:35
Ja, Euclid, das Weltraumteleskop, das vor kurzem gestartet ist,hat ja im Prinzip dieselbe Geschichte gehabt.Auch da sollte es ja mit einer Sojus hochgehen und ist dann am Ende mit SpaceXerfolgreich gelauncht worden.Das steht euch dann sicherlich auch bevor. Ich bin da ganz zuversichtlich.Jetzt sind wir ja noch vor dem Start, aber mich würde trotzdem kurz interessieren,was ist jetzt die konkrete Raumfahrtmission?Also wohin geht die Reise mit dem Satelliten?In was für einen Orbit soll er denn nun kommen und warum und wie kommt er da hin?
Björn Frommknecht 0:25:15
Okay, also die Bahn ist polare Bahn.Das heißt, man fliegt vom Nordpol zum Südpol oder vom Südpol zum Nordpol, je nachdem wie rum.
Tim Pritlove 0:25:23
…ist nur ein ein Katzensprung…
Björn Frommknecht 0:25:25
Weil sich dann einfach die Erde drunter wegdreht. Also typisch für Erdbeobachtungsmissionen,damit man polare Orbits hat. Im Prinzip eine komplette Abdeckung der Erde, beobachtungsmäßig.Bahnhöhe sind 400 Kilometer, relativ niedrig.Und es heißt Sonnensynchron. Das bedeutet, dass die Bahnebene sich einmal imJahr um sich selber dreht, damit immer Sonne auf die Solarpanels scheint,weil wir einen sehr hohen Energiebedarf haben. Wir haben aktive Instrumente.
Tim Pritlove 0:25:57
Also immer scheint sozusagen.